Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. August 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 358/03
(BPatG: Beschluss v. 02.08.2005, Az.: 14 W (pat) 358/03)
Tenor
Das Patent 197 52 644 wird widerrufen.
Gründe
I.
Die Erteilung des Patents 197 52 644 mit der Bezeichnung
"Mit Aluminiumoxid beschichtetes Werkzeug und Herstellungsverfahren dafür"
ist am 26. Juni 2003 veröffentlicht worden. Es umfasst 8 Patentansprüche, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Werkzeug aus einem Substrat, das folgenden Schichtaufbau trägt:
a) eine innere oder mehrlagige Nicht-Oxid-Schicht (3) aus wenigstens einem Karbid, Nitrid und/oder Karbonitrid eines Metalls der Gruppen IVA, Va und Vla des Periodensystems;
b) eine Verbindungsschicht (2), die in Kontakt mit der Nicht-Oxid-Schicht (3) steht und einen wenigstens zweilagigen Aufbau aus einer inneren Nicht-Oxid-Verbindungsschicht (2-2) aus wenigstens einem Karbid, Nitrid und/oder Karbonitrid eines Metalls der Gruppen Iva, Va und Vla des Periodensystems, undeiner äußeren Oxid-Verbindungsschicht (2-1) aus wenigstens einem Oxid, Oxykarbid, Oxynitrid und/oder Oxykarbonitrid, das in seiner Zusammensetzung hinsichtlich der Metallatome derjenigen der inneren Nicht-Oxid-Verbindungsschicht (2-2) entspricht; undc) eine hauptsächlich -Aluminiumoxid enthaltende Schicht (1); dadurch gekennzeichnet, dassdie Schicht (1) zur äußeren Oxid-Verbindungsschicht (2-1) in einer epitaktischen Beziehung steht, und dass im Röntgenbeugungsmuster der Schicht (1) der (110)-Reflex des -Aluminiumoxids der Reflex mit der größten Intensität ist."
Zum Wortlaut der Unteransprüche 2 bis 7, die besondere Ausgestaltungen des Werkzeugs nach Anspruch 1 betreffen, und des auf ein Verfahren zum Herstellen eines Werkzeugs nach einem der Ansprüche 1 bis 7 gerichteten Anspruchs 8 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen das Patent ist am 23. September 2003 Einspruch erhoben worden, der auf die Behauptung gestützt ist, der Gegenstand des Streitpatents die im Hinblick auf den durch D1 EP 0 736 615 A2 D2 EP 0 753 603 A2 D3 WO 96/15286 A1 D4 EP 0 709 484 A1 belegten Stand der Technik nicht patentfähig. Das patentgemäße Werkzeug sei durch D1 wie durch D2 neuheitsschädlich vorweggenommen, jedenfalls durch die Zusammenschau von D1 oder D4 mit D3 nahegelegt. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens hat die Einsprechende zur Stützung ihres Vorbringens noch auf D5 EP 0 659 903 A1 und D6 technisches Memo von Dr. Mattias Elfwing vom 6. September 2004 verwiesen.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Sie räumt ein, dass ein Werkzeug mit den Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1 aus der D4 bekannt sei. Die beiden kennzeichnenden Merkmale seinen voneinander unabhängige Merkmale, von denen keines durch den Stand der Technik nahegelegt sei. Nach D1 sei -Aluminiumoxid mit dem (012)-Reflex als Reflex mit der höchsten Intensität bevorzugt und D3 betreffe nicht das Problem der Haftung zwischen äußerer Oxid-Verbindungsschicht und -Al2-O3-Schicht. Eine epitaktische Beziehung im Sinne einer Gitterkontinuität insbesondere zwischen äußerer Oxid-Verbindungsschicht und -Al2-O3-Schicht sei in keiner der Vorveröffentlichungen angesprochen, D6 stelle einen nachveröffentlichten Versuchsbericht über eine der Öffentlichkeit nicht zugänglich gewordene Archivprobe dar.
Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Er ist somit zulässig und er führt zum Widerruf des Patents.
Gegen die Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche sind Bedenken weder geltend gemacht worden noch für den Senat erkennbar.
Ob die vorveröffentlichte D1 oder die nachveröffentlichte, jedoch als Stand der Technik iSd § 3 Abs. 2 PatG zu berücksichtigende D2 das beanspruchte Werkzeug neuheitsschädlich vorwegnehmen, kann dahinstehen, da es jedenfalls gegenüber einer Zusammenschau von D4 und D3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Aus D4 ist unbestritten ein Werkzeug mit dem im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 definierten Schichtaufbau bekannt.
Bei einem derartigen Werkzeug soll gemäß dem Kennzeichen des Anspruchs 1 a) die (äußere) hauptsächlich -Aluminiumoxid enthaltende Schicht zur äußeren Oxid-Verbindungsschicht hat (aus wenigstens einem Oxid, Ixykarbid, Oxynitrid und/oder Oxykarbonitrid) in einer epitaktischen Beziehung stehen undb) im Röntgenbeugungsmuster der äußeren Schicht der (110-)Reflex des -Aluminiumoxids der Reflex mit der größten Itensität sein.
Eine "epitaktische Beziehung" iSd Streitpatents ist gemäß Streitpatentschrift [0051] und [0053], insbesondere Seite 5 Zeilen 54 bis 56, Seite 5 Zeilen 65 bis Seite 6 Zeilen 2 und Seite 6 Zeilen 9 bis 12 (und gemäß BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube; GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel), eine kristallographisch kontinuierliche Fortsetzung der beiden Schichten an ihrer Grenzfläche. Diese "Gitterrandkontinuität" ist nach den Angaben in der Streitpatentschrift dann gegeben, wenn im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) gleichzeitig photomikrographische Gitterbilder der Kristalle in beiden Schichten erhalten werden (S 5 Z 50 bis 52 und 60 bis 62 sowie S 10 Z 3 bis 12 iVm Fig. 3 und 5).
Einen derartigen kontinuierlichen Übergang wird der Fachmann aber anstreben, wenn er eine gute Haftung der äußeren Schicht an der Oxid-Verbindungsschicht erzielen will. Welche Bedingungen er hierzu einzuhalten hat, ist ihm bekannt, was auch von der Patentinhaberin nicht bestritten wurde. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Fig. 4 in D6 hinzuweisen, die zeigt, dass eine nach der Lehre von D3 erhaltene Probe das Merkmal der "epitaktischen Beziehung" iSd Streitpatents aufweist. Dies wird vom Senat nicht so interpretiert, dass nach D3 ausnahmslos ein derartiger Schichtaufbau erhalten werden muss. Es demonstriert aber wie ein nachgereichter Versuchsbericht, dass es unter den in D3 angegebenen Bedingungen möglich ist, eine gewünschte Gitterrandkontinuität zu erzielen.
Das vorstehend mit b) bezeichnete Merkmal einzuhalten, ist dem Fachmann durch D3 nahegelegt. Die nach D3 hergestellte -Al2-O3-Schicht mit ausgeprägter (110)-Textur (Ansprüche 1, 2 und 9 iVm S 6 Z 15 bis 26) zeigt gemäß Seite 12 Zeilen 1 bis 8 und Seite 13 Zeilen 5 bis 14 gegenüber einer Textur mit deutlichen (012)-Anteilen eine deutliche Überlegenheit bezüglich des Abplatzens der Kante im Testversuch (S 9 Z 13 bis S 10 Z 10). Bei der geringen Schichtdicke von 5 µm (S 8 Z 12/13) kann der Fachmann dies als Hinweis auf eine bessere Haftung der -Al2-O3-Schicht deuten; im übrigen können ihm die Vorteile einer erhöhten Kantenstabilität und eines verbesserten Aussehens auch für sich die Ausbildung der äußeren Schicht nach der Lehre der D3 nahe legen.
Der erteilte Anspruch 1 hat daher mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes keinen Bestand. Die übrigen Ansprüche müssen mit Anspruch 1 fallen, da über den Antrag der Patentinhaberin nur insgesamt entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät; GRUR 1983, 171 - Schneidhapsel).
Schröder Wagner Harrer Schuster Na
BPatG:
Beschluss v. 02.08.2005
Az: 14 W (pat) 358/03
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