Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juni 2001
Aktenzeichen: 14 W (pat) 22/00

(BPatG: Beschluss v. 19.06.2001, Az.: 14 W (pat) 22/00)

Tenor

1.) Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

2.) Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch, der in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibung (3 Blatt) und den Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift.

3.) Die Bezeichnung lautet:

Verfahren zur Herstellung eines Speisengefäßes zur induktiven Erwärmung 4.) In der geänderten Patentschrift werden unter der ICIREPAT-Nr 56 die Firmenschriften:

TECHNICAL INFORMATION SP 37 der CERDEC AG "KF-GSSP 01/93" sowie Glasurfritte A 62 der Reimbold & Strick Chemisch-Keramische Werke, 11 XI 73 aufgeführt.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß vom 11. August 1997 hat die Patentabteilung 42 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 44 14 439 mit der Bezeichnung

"Speisengefäß zur induktiven Erwärmung und Verfahren zu dessen Herstellung"

widerrufen.

Dem Beschluß liegt der am 27. Juni 1996 eingegangene Patentanspruch mit folgendem Wortlaut zugrunde:

"Verfahren zur Herstellung eines Speisengefäßes zur induktiven Erwärmung, bei dem ein gebrannter Gefäßscherben aus Porzellan oder Steinzeug/Steingut-Keramik mit einer aufgebrannten Glasurschicht versehen ist, bei dem ein Wärmebereich nach außen hin mit einer metallartigen Lage versehen ist, die sich in einem elektromagnetischen Wechselfeld aufgrund Induktion erwärmt, bei dem die metallartige Induktions-Lage an der Außenseite von einer im viskosen Zustand aufgebrachten keramischen Schutzschicht überzogen ist, bei dem die metallartige Lage von einer im viskosen Zustand aufgebrachten Schicht einer aufgebrannten Silber-Masse-Mischung gebildet ist, die aus Silber, Haftglas und organischen Bestandteilen besteht und deren Eigenschaften gegen 800850¡C umfassende Aufbrenntemperaturen fest sind, und bei dem die keramische Schutzschicht von einem mit 800 850¡C umfassenden Aufbrenntemperaturen aufgebrannten Flußmaterial gebildet ist, das als eine anteilsmäßig größte Komponente SiO2 enthält, wobei ein Verbund der Schicht von Silber-Masse-Mischungund Schutzschicht von Flußmaterial auf das Speisengefäß

aufgebracht wird undwobei das mit dem Schichtverbund versehene Speisengefäß

bei einer 800-850¡C umfassenden Aufbrenntemperaturzwecks Verbindung der Schicht von Silber-Masse-Mischungmit einer diese tragenden Schicht und Verbindung der Schutzschicht aus Flußmaterial mit der Schicht von Silber Masse-Mischung während einer Durchlaufzeit gebrannt wird, dadurch gekennzeichnet, a) daß die metallartige Lage aus Silber-Masse-Mischung auf die Glasurschicht aufgebracht wird, indem ein Verbundbogen aus einer Trägerpapierschicht, der Schicht von Silber-Masse-Mischung, der Schutzschicht aus Flußmaterial und einer Lackschicht bereitgestellt wird, die Trägerpapierschicht abgeweicht und der Schichtverbund der Schicht von Silber-Masse-Mischung, Schutzschicht von Flußmaterial und Lackschicht feucht im Wärmebereich der Glasurschicht aufgelegt, aufgerakelt und getrocknet wird, wobei Aufbrenntemperaturen von 600¡C bis 920¡C angewendet werden, undb) daß die Silber-Masse-Mischung folgende Zusammensetzung und Gestaltungen aufweist: 60-75 Gew.% Silber, 5-10 Gew.% Haftglas und der Rest organische Bestandteile wie Balsam oder Collodium; Schichtdicke von 0,02 mm bis 0,035 mm; sowie das Flußmaterial mit SiO2 und PbO als anteilsmäßig größte Komponenten folgende Zusammensetzung und Gestaltungen aufweist: SiO2 3040 Gew.%, PbO 25-35 Gew.%, B2O3 5-15 Gew.%, Al2O3 2-8 Gew.%, CaO 5-12 Gew.% und Na2O 1-5 Gew.%."

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, dieser Patentanspruch gehe über die ursprüngliche Offenbarung hinaus und habe daher wegen unzulässiger Erweiterung keinen Bestand. Er lehre einen Pastenauftrag in einer Schichtdicke von 0,02 bis 0,035 mm. Das sei mit der in den ursprünglichen und erteilten Unterlagen angegebenen Schichtdicke von 0,02 bis 0,035 mm für die fertige, eingebrannte Schicht nicht vereinbar, da das Einbrennen aufgrund der Zusammensetzung der aufgebrachten Pasten zu einem Schwund führe, womit sich zwangsläufig auch Schichtdicken unterhalb von 0,02 mm ergeben müßten. Im übrigen erscheine das Verfahren auch nahegelegt durch eine von der Einsprechenden II vorgetragene Vorbenutzung, deren Offenkundigkeit aufgrund der vorgelegten Beweismittel gegeben erscheine. Das vorbenutzte Produkt unterscheide sich lediglich in der Silberpasten- und Glasurzusammensetzung vom patentgemäßen Verfahrenserzeugnis; auf der Suche nach Verbesserungen gelange der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen zu den vorbekannten Silberpasten und Glasurmassen. So dränge sich die Wahl der aus der Firmenschrift

(3) TECHNICAL INFORMATION SP 37 der CERDEC AG "KF-GSSP 01/93"

bekannten Silberpaste wegen ihrer Eignung für Wirbelstromabsorption dem Fachmann geradezu auf und bestimme bzw beschränke aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften die Auswahl der Glasurmasse.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung überreichten einzigen Patentanspruchs verfolgt. Dieser lautet:

"Verfahren zur Herstellung eines Speisengefäßes zur induktiven Erwärmung, bei dem ein gebrannter Gefäßscherben aus Porzellan oder Steinzeug/Steingut-Keramik mit einer aufgebrannten Glasurschicht versehen ist, bei dem ein Wärmebereich nach außen hin mit einer metallartigen Lage versehen ist, die sich in einem elektromagnetischen Wechselfeld aufgrund Induktion erwärmt, bei dem die metallartige Induktions-Lage an der Außenseite von einer im viskosen Zustand aufgebrachten keramischen Schutzschicht überzogen ist, bei dem die metallartige Lage von einer im viskosen Zustand aufgebrachten Schicht einer aufgebrannten Silber-Masse-Mischung gebildet ist, die aus Silber, Haftglas und organischen Bestandteilen besteht und deren Eigenschaften gegen die aufgewandten Aufbrenntemperaturen fest sind, und bei dem die keramische Schutzschicht von einem aufgebrannten Flußmaterial gebildet ist, das als eine anteilsmäßig größte Komponente SiO2 enthält, wobei ein Verbund der Schicht von Silber-Masse-Mischung und Schutzschicht von Flußmaterial auf die Glasurschicht aufgebracht wird und wobei das mit dem Schichtverbund versehene Speisengefäß während einer Durchlaufzeit gebrannt wird, dadurch gekennzeichnet, a) daß die metallartige Lage aus Silber-Masse-Mischungauf die Glasurschicht aufgebracht wird, indem ein Verbundbogen aus einer Trägerpapierschicht, der Schicht von Silber-Masse-Mischung, der Schutzschicht aus Flußmaterial und einer Lackschicht bereitgestellt wird, die Trägerpapierschicht abgeweicht und der Schichtverbund der Schicht von Silber-Masse-Mischung, Schutzschicht von Flußmaterial und Lackschicht feucht im Wärmebereich der Glasurschicht aufgelegt, aufgerakelt und getrocknet wird, wobei das mit dem Schichtverbund versehene Speisengefäß bei Aufbrenntemperaturen von 600¡C bis 920¡C zwecks Verbindung der Schicht von Silber-Masse-Mischung mit der Glasurschicht und Verbindung der Schutzschicht aus Flußmaterial mit der Schicht von Silber-Masse-Mischung gebrannt wirdb) daß die aufgetragene Silber-Masse-Mischung folgende Zusammensetzung und Gestaltungen aufweist: 6075 Gew.% Silber, 5-10 Gew.% Haftglas und der Rest organische Bestandteile wie Balsam oder Collodium;

c) daß die von der aufgebrannten Silber-Masse-Mischung gebildete Schicht (7) von 0,02 mm bis 0,035 mm dick ist undd) daß das Flußmaterial mit SiO2 und PbO als anteilsmäßig größte Komponenten folgende Zusammensetzung und Gestaltungen aufweist: SiO2 30-40 Gew.%, PbO 2535 Gew.%, B2O3 5-15 Gew.%, Al2O3 2-8 Gew.%, CaO 5-12 Gew.% und Na2O 1-5 Gew.%.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, das Verfahren nach diesem Anspruch sei gegenüber dem durch die Firmenschrift (3) sowie die weiteren Entgegenhaltungen

(1)

US 5 155 319 A

(2)

DE 35 24 912 C1

(4)

Firmenschrift Glasurfritte A 62 der Reimbold & Strick Chemisch-Keramische Werke, 11 XI 73 belegten Stand der Technik auch unter Berücksichtigung der von der Einsprechenden 3 wieder aufgegriffenen, vor dem Deutschen Patent- und Markenamt von der Einsprechenden 4 geltend gemachten Vorbenutzung durch die Firma S..., deren Offenkundigkeit bestritten werde, patentfähig.

Die Patentinhaberin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung überreichten neuen Anspruchs und der angepaßten Beschreibung (3 Blatt) sowie der Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die Einsprechenden 1 bis 3 beantragen übereinstimmend, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Einsprechende 1 beantragt weiterhindie Erwähnung der Silbermassemischung SP 37 und des Flußmaterials A 62 in der Beschreibung.

Die Einsprechende 4 hat keine Anträge gestellt und an der mündlichen Verhandlung, wie angekündigt, nicht teilgenommen.

Die Einsprechenden 1 bis 3 tragen im wesentlichen vor, das beanspruchte Verfahren beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil sich ausgehend von einem aus (1) bekannten Verfahren mit den Merkmalen des Oberbegriffs die zugrundeliegende Aufgabe in naheliegender Weise durch Zusammenschau der Entgegenhaltungen (2) bis (4) lösen lasse. Die Gesamtaufgabe bestehe aus zwei voneinander unabhängigen Teilaufgaben, nämlich einer Vereinfachung des Herstellungsverfahrens und der Erzielung einer dauerhaften Verbindung der metallartigen Lage mit dem Speisegefäß. Die erste Teilaufgabe werde durch das seit langem, zB aus (2) bekannte Abziehbildverfahren gelöst. Die zweite Teilaufgabe zerfalle ihrerseits in zwei voneinander unabhängige Teilaufgaben, nämlich die Auffindung einerseits einer geeigneten Silber-Masse-Mischung und andererseits eines geeigneten Flußmaterials, wobei sich die Lösung für den Fachmann einerseits aus (3) und andererseits aus (4) ergebe. Über die aus (3) bekannte Silberpaste wisse der Fachmann, wie durch

(3a) Schreiben der CERDEC AG an die Porzellanfabrik Gebr. Bauscher vom 15. Juni 1993 belegt sei, daß sie sich für die Wirbelstromabsorption eigne und insbesondere für das Abziehbildverfahren entwickelt worden sei. (4) beschreibe ein Flußmaterial, das die anspruchsgemäße Zusammensetzung aufweise. Die Kombination von vier Druckschriften, um zum beanspruchten Verfahren zu gelangen, sei nur aufgrund des Vorliegens der voneinander unabhängigen Teilaufgaben erforderlich.

Die Einsprechende 3 verweist zusätzlich auf Analysenberichte, betreffend eine nach Angaben der Einsprechenden 4 vor dem Anmeldetag in den Handel gekommene Glaskeramikschüssel sowie auf eine schriftliche Erläuterung des Herstellungsverfahrens durch die Firma S..., die als der Öffentlichkeit ohneweiteres zugänglicher Stand der Technik zu werten sei. Die Einsprechende 3 räumt ein, daß in den Analysenberichten keine Zusammensetzung von auf der aufgebrannten Silber-Masse-Mischung aufgebrachtem Flußmaterial angegeben sei. Diese Zusammensetzung habe der Fachmann aber ohne weiteres der Firmenschrift (4) entnehmen können.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (PatG § 73); sie führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

1.

Der geltende Patentanspruch ist zulässig.

Er geht inhaltlich auf die ursprünglichen bzw erteilten Ansprüche 1 bis 5 zurück. Den von den Einsprechenden gegenüber vorangegangenen Formulierungsversuchen vorgetragenen Beanstandungen ist mit der geltenden Fassung Rechnung getragen.

2.

Das beanspruchte Verfahren ist neu, was auch von den Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten wurde.

Als nächstgelegener druckschriftlich belegter Stand der Technik ist der aus (1) bekannte anzusehen, der ein Verfahren zur Herstellung eines Speisengefäßes zur induktiven Erwärmung betrifft. Da unstreitig ist, daß das Verfahren nach (1) die Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Patentanspruchs aufweist, jedoch keinen Schichtauftrag mittels des Abziehbildverfahrens umfaßt, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.

Die übrigen Druckschriften liegen ferner. Aus (3) könnte zwar (iSd BGH-Entscheidung "Elektrische Steckverbindung", vgl GRUR 1995, 330) ein Verfahren zur Herstellung eines Keramikgefäßes zur induktiven Erwärmung unter Aufbringung einer Silberschicht nach dem Abziehbildverfahren abgeleitet werden, wenn die in (3a) mitgeteilten Informationen über den Einsatz des speziell für den indirekten Druck (Schiebebild) entwickelten Einbrennsilbers SP 37 für die Wirbelstromabsorption als der Öffentlichkeit zugängliches Fachwissen unterstellt werden. Es fehlen aber in jedem Fall irgendwelche Hinweise auf weitere Schichten auf dem Keramikgefäß, deren Aufbau, den Verbund unterschiedlicher Schichten zueinander und den Auftrag einer Verbundschicht nach dem Abziehbildverfahren.

(2) bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung keramischer Gegenstände mit Edelmetalldekor (Anspruch 1 iVm Sp 1 Z 33 bis 40) und nicht auf die Herstellung von keramischen Gefäßen zur induktiven Erwärmung und (4) gibt lediglich die Zusammensetzung einer Glasurfritte wieder, ohne spezielle Anwendungen zu nennen.

Da bei der geltend gemachten Vorbenutzung durch die Firma S... keine mit der Silberschicht verbundene Außenglasur vorliegt (Untersuchungsbericht D... vom 3. März 1992 unter 2.) und im übrigen die Zusammenset- zung der angesprochenen dunklen, graubraunen Schicht aus dem Untersuchungsbericht eingeräumtermaßen nicht hervorgeht, kann der möglicherweise vorbenutzte Gegenstand die Neuheit des beanspruchten Verfahrens nicht in Frage stellen.

3. Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem geltenden Patentbegehren liegt sinngemäß die Aufgabe zugrunde, ausgehend von dem Stand der Technik nach (1), bei dem zur Herstellung eines Speisengefäßes zur induktiven Erwärmung eine metallartige Lage und eine Schutzschicht nacheinander auf den Gefäßscherben aufgebraucht werden, ein weniger aufwendiges Verfahren vorzusehen, bei dem trotz der Aufbrenntemperatur der keramischen Schutzschicht eine dauerhafte Verbindung der metallartigen Lage mit den Gefäßscherben ohne Beeinträchtigung ihrer Eigenschaften im elektromagnetischen Wechselfeld entsteht (vgl Sp 1 Z 60 bis 66 der geltenden Beschreibung mit voranstehendem Einschub).

Diese Aufgabe wird durch das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch gelöst.

Ein Verfahren mit diesen Merkmalen kann nicht aus der Zusammenschau der Lehren von (1) und (2) resultieren. Denn auch wenn unterstellt wird, daß das für die Herstellung von Edelmetalldekoren aus (2) bekannte Abziehbildverfahren den Fachmann dazu anregen könnte, es - als weniger aufwendig - auf die Herstellung eines Speisengefäßes zur induktiven Erwärmung zu übertragen, würde er damit nicht anspruchsgemäß verfahren. Es ist nämlich festzuhalten, daß sowohl die nach (1) als auch die nach (2) aufgebrachten Metall- und Glasurschichten keines der im Kennzeichen des geltenden Anspruchs unter b), c) und d) definierten Merkmale aufweisen. So enthält die Metallschicht zur Absorption der elektromagnetischen Wellen nach (1) 37 % Silber und ihre Dicke nach dem Aufbrennen beträgt ca 0,09 mm (Sp 2 Z 65 bis Sp 3 Z 15; die von der Einsprechenden 1 zitierte Schichtdicke von 0,03 mm gemäß Sp 1 Z 36 bis 40 betrifft die unter der (Edel)metallschicht liegende Wärmespeicher-Schicht, vgl auch Sp 1 Z 50 bis 55, Sp 2 Z 30 bis 33 u 57 bis 59). In (2) ist weder die Zusammensetzung noch die Dicke der Edelmetallschicht angegeben (vgl Anspruch 1 iVm Sp 2 Z 17 bis 20). Die außenliegende Glasurschicht nach (1) besteht aus Eisenoxid und Glas, ohne daß die im geltenden Patentanspruch unter d) aufgeführten Oxide genannt sind (vgl (1) Anspruch 1 iVm Sp 1 Z 56 bis 61 u Sp 3 Z 16/17), und die gemäß (2) enthält kein CaO (vgl (2) Anspruch 1 iVm Sp 1 Z 63 bis Sp 2 Z 1).

Aus (3) ist eine Silber-Masse-Mischung "zur Metallisierung von Keramik" bekannt, deren Silbergehalt von 68 % in dem im Anspruch unter b) spezifizierten Bereich liegt und in der noch weitere 4,6 % Feststoff vorliegen müssen (Differenz zwischen Pos 1.2 und 1.1), über deren Zusammensetzung aber keine Angaben vorliegen. Läßt man die vor dem Anmeldetag erfolgte Beantwortung einer Anfrage über den Einsatz von Silberpasten für die Wirbelstromabsorption (3a) als Beleg dafür gelten, daß die Fachwelt die Silberpaste nach (3) als Mischung für die induktive Erwärmung von Speisegefäßen in Betracht gezogen hat, so ergibt sich aus (3a) weiterhin, die Empfehlung von SP 37 als "geeignetste Type"... "die speziell für den indirekten Druck (Schiebebild) entwickelt wurde". Damit wäre die Verwendung dieser Silberpaste als naheliegend anzusehen. In diesem Fall ist aber auch die weitere Information im folgenden Absatz, daß eine dickere Schicht als 6 µm (= 0,006 mm) zu Spannungsschwierigkeiten mit der Porzellanglasur führen kann, als einschlägiges Fachwissen zu werten, welches dem Fachmann das Merkmal c) jedenfalls für eine mit einer Schutzschicht von Flußmaterial überzogene Schicht aus Einbrennsilber SP 37 nicht nahelegen kann.

Daß die Glasurfritte gemäß (4) mit dem im Anspruch mit d) bezeichneten Merkmal übereinstimmt, steht außer Frage. Von den Einsprechenden konnte aber nicht aufgezeigt werden, was den Fachmann hätte veranlassen sollen, gerade diese Glasurfritte aus den zahlreichen bekannten Glasurzusammensetzungen auszuwählen und in einem Verfahren zur Herstellung eines Speisegefäßes zur induktiven Erwärmung einzusetzen. Die Entgegenhaltung (4) selbst enthält, wie erwähnt, keinen Hinweis auf eine spezielle Anwendung, geschweige denn auf eine besondere Eignung als Glasur auf einer Silberschicht. Umgekehrt sind aus (3) keine Aussagen über ein Überziehen des Einbrennsilbers mit einer Glasur, geschweige denn über eine bevorzugte Zusammensetzung einer Glasur zu entnehmen. (3a) informiert über eine Glasur nur insoweit, daß darunter keine über 6 µm dicke Silberschicht ausgebildet werden soll. Die gemäß (1) und (2) eingesetzten Glasuren entsprechen, wie ausgeführt, nicht der im Anspruch unter d) charakterisierten Zusammensetzung. Das Argument der Einsprechenden, der Fachmann habe wegen der ihm bekannten Unterschiede zwischen Herstellung von Edelmetalldekoren und Edelmetallschichten zur induktiven Erwärmung die Fritte nach (4) als Alternative zum Fluß nach (2) in Betracht ziehen müssen, kann nicht durchgreifen. Zum einen bleibt offen, welche Überlegungen ohne Kenntnis des Streitpatentes gerade zu einer Fritte nach (4) führen sollen. Zum anderen ist in (2) die Beständigkeit gegen chemische Angriffe, wie Anlaufen silberhaltiger Glanzgolde und Beständigkeit beim maschinellen Spülen, als besonderer Vorteil der nach (2) anzuwendenden Glasur herausgestellt (Sp 2 Z 10 bis 13), also eine auch für Metallschichten zur induktiven Erwärmung besonders erwünschte Eigenschaft.

Da die weiteren dem Senat vorliegenden Druckschriften keine über die bereits durch die Entgegenhaltungen (1) bis (4) belegten Informationen hinausgehenden Hinweise enthalten, ist somit nicht ersichtlich, wie die Auswertung des druckschriftlichen Standes der Technik den Fachmann zu einem Verfahren mit sämtlichen Merkmalen in der im Anspruch festgelegten Verknüpfung hätte führen können.

Die geltend gemachte Vorbenutzung durch die Firma S... kann auch bei unterstellter Offenkundigkeit zu keiner anderen Beurteilung Anlaß geben. Nach dem Untersuchungsbericht der Firma D... ist die außenliegende dunkle, graubraune Schicht von ca 10 µm Dicke nicht näher definiert und weist zudem keine direkte Verbindung zur nachfolgenden, relativ dicken (20 bis 30 µm) Einbrennsilberschicht auf (Pkt 2. des Berichtes), während patentgemäß die Zusammensetzung der Glasur nach d) und eine Verbindung der Schutzschicht mit der Silberschicht gemäß Merkmal a) vorgeschrieben ist. Des weiteren zeigt die Silberschicht alleine nach der Zusammenfassung des Untersuchungsberichtes (2. Abs) keinerlei Anzeichen einer induktiven Heizwirkung, hierfür wird vielmehr (1. Abs) der Einsatz einer ferromagnetischen Substanzen enthaltenden Glasur verantwortlich gemacht. Eine Silberschicht als alleiniger Träger der induktiven Wirkung wie beim patentgemäß hergestellten Erzeugnis, zumal in Verbindung mit einer definierten Glasurschicht, kann damit nicht nahegelegt sein. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob das Telefax der Firma S... an die S1...-Werke GmbH & Co. KG vom 22. Dezember 1992 (Anlage 06 zum am 27. Juli 1995 eingegangenen Einspruchsschriftsatz der Einsprechenden 4) als öffentliche Druckschrift zu werten ist oder nicht, denn in diesem Telefax wird lediglich allgemein die auch aus

(2) bekannte Vorgehensweise beim Abziehbildverfahren beschrieben ohne nähere Angaben zum Aufbau und zur Anzahl der zu übertragenden Schicht(en). Es erübrigt sich auch eine Einvernahme des von der Einsprechenden 4 angebotenen Zeugen zur Bestätigung der Ergebnisse des Untersuchungsberichts, denn dessen Inhalt kann - als Stand der Technik unterstellt - wie im einzelnen ausgeführt auch iVm dem druckschriftlichen Stand der Technik nicht nahelegen, nach den Maßgaben des geltenden Patentanspruchs zu verfahren.

4. Der Senat sieht in der von der Einsprechenden 1 beantragten Erwähnung der der Silber-Masse-Mischung SP 37 und des Flußmaterials A 62 in der Beschreibung des Streitpatents keine notwendige Voraussetzung für dessen beschränkte Aufrechterhaltung.

Zwar hat die Patentinhaberin bei sinngemäßer Anwendung des § 34 Abs 8 PatG (früher § 35 Abs 5 PatG) den Stand der Technik vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben und in die Beschreibung aufzunehmen (Schulte PatG 6. Aufl § 34 Rdn 185 bis 187; Benkard 9. Aufl § 35 Rdn 86 bis 89). Hierbei handelt es sich aber um den Stand der Technik, der für das Verständnis und die Schutzfähigkeit in Betracht kommen kann.

Vorliegend werden die gemäß den kennzeichnenden Merkmalen b) und d) einzusetzenden Bestandteile im Anspruch und in der geltenden Beschreibung (Sp 2 Z 31 bis 47) eindeutig charakterisiert. Anhand dieser Angaben ist der Fachmann in die Lage versetzt, geeignete Materialien selbst zuzubereiten oder aus handelsüblicher Ware auszuwählen. Es besteht kein Anlaß, eine einzelne Silberpaste eines einzelnen Herstellers - von der, wie erörtert, eine völlige Erfüllung der anspruchsgemäßen Spezifikation gar nicht gewährleistet ist - und/oder eine einzelne Glasurfritte eines einzelnen Herstellers in der Beschreibung besonders zu erwähnen und sie damit für den unbefangenen Leser der geänderten Patentschrift als besonders geeignet erscheinen zu lassen, wenn die Patentinhaberin solches nicht beantragt.

Dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit wird - abgesehen von der möglichen Akteneinsicht - dadurch genügt, daß die die in Rede stehenden Materialien betreffenden Druckschriften (3) und (4) auf dem Deckblatt der geänderten Patentschrift als für die Beurteilung der Patentfähigkeit in Betracht gezogen aufgeführt werden. Hierzu ist das Deutsche Patent- und Markenamt bei Druck der geänderten Patentschrift ohnehin verpflichtet; um ein versehentliches Unterlassen dieser Angaben mit größtmöglicher Sicherheit zu verhindern, hat der Senat vorliegend im Hinblick auf den Antrag der Einsprechenden 1 die Nennung von (3) und (4) unter der ICIREPAT-Nr 56 im Tenor angeordnet.

Dr. Moser Dr. G. Wagner Hotz Dr. Proksch-Ledig Pü/Fa






BPatG:
Beschluss v. 19.06.2001
Az: 14 W (pat) 22/00


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