Oberlandesgericht Karlsruhe:
Beschluss vom 10. Januar 2005
Aktenzeichen: 1 Ws 152/04
(OLG Karlsruhe: Beschluss v. 10.01.2005, Az.: 1 Ws 152/04)
Tenor
Der Antrag des Anzeigeerstatters C. auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 11. März 2004 wird als unzulässig verworfen, soweit er sich gegen Y. und Z. richtet.
Im Übrigen wird die Aufnahme von Ermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses (§ 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB) gegen X. angeordnet.
Gründe
I.
Mit Schreiben vom 28.12.2003 erstattete der Antragsteller C. bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die Angehörigen der Hochschule H. nämlich X., Y. und Z. wegen des Verdachts der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses, der Datenveränderung und der Störung von Telekommunikationsanlagen. Zur Begründung führte er aus, dass er vom 01.03.1994 bis 30.06.1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule H. gewesen sein. Eine von ihm im Herbst 1999 eingereichte Arbeit sei abgelehnt worden. Seine hiergegen eingereichte Klage vor dem Verwaltungsgericht sei erfolgreich gewesen. Die Hochschule H. habe vor dem Verwaltungsgerichtshof die Rücknahme des Prüfungsbescheides erklärt, um einer Verurteilung zu entgehen. Auch gegen den erneuten Prüfungsbescheid habe er Klage eingereicht.
Mit Schreiben vom 24.10.2003 sei ihm von X. mitgeteilt worden, dass er ihm aus gegebenem Anlass das Privileg entziehe, die Kommunikationseinrichtungen der Fakultät einschließlich E-Post zu benutzen. Der Antragsteller trägt vor, dass es keinen konkreten Anlass für das Verbot gegeben habe. Nachdem er das Schreiben am 29.10.2004 erhalten habe, habe er noch am selben Abend eine E-Mail an den X. gesandt und darauf hingewiesen, dass er keinerlei Anlass gegeben oder Angriff unternommen habe, und dass man ihm wohl fälschlicherweise einen Angriff anderer unterstelle. Am nächsten Morgen habe er in seinem Posteingang eine Fehlermeldung des Mailservers des Vereins gefunden, über den er seine E-Mails ausliefere. Der Server habe mitgeteilt, dass er die Mail noch nicht habe zustellen können. Er habe festgestellt, dass zumindest einer der beiden Mail-Server der Fakultät die Annahme von E-Mails an diesem Abend dauerhaft und wegen Überlastung verweigert habe. Auf telefonische Nachfrage nach dem Grund für die Sperre habe ihm X. erklärt, dass es keinen Anlass gebe, und dass man auch nicht angegriffen worden sei, dass man ihn aber für gefährlich halte und als Bedrohung ansehe.
Nach dem Gespräch habe der Antragsteller festgestellt, dass sämtlicher Internet-Verkehr vom Vereinsrechner in das Fakultätsnetz gesperrt worden sei. Er habe daraufhin seinen Privatrechner so umgestellt, dass seine E-Mails nicht mehr den Umweg über den Vereinsrechner genommen hätten, sondern direkt über das Internet ausgeliefert worden seien. Da nur der Vereinsrechner, nicht aber sein Privatrechner gesperrt worden sei, sei die Mail-Auslieferung zunächst wieder normal verlaufen. Er habe trotzdem Widerspruch gegen die Sperrung erhoben.
Am übernächsten Tag sei der E-Mail-Verkehr nicht mehr möglich gewesen, weil eine zweite Maßnahme ergriffen worden sei, die Gegenstand der Strafanzeige sei.
Der Antragsteller trägt hierzu vor, dass er nun festgestellt habe, dass er mit Dozenten, anderen Wissenschaftlern und Freunden an der Fakultät nicht mehr per E-Mail habe kommunizieren können. Zum einen seien sämtliche E-Mails gesperrt worden, in deren Absenderadresse sein Name vorgekommen sei, und zwar auch dann, wenn die E-Mails von anderen Accounts gekommen seien. Im Gegensatz zu der Sperrung des Vereinsservers sei jedoch nicht schon der Verbindungsaufbau gesperrt gewesen. Die E-Mails seien ordnungsgemäß angenommen, quittiert und in den Verantwortungsbereich der Fakultätssysteme übernommen worden. Erst einige Minuten später seien sie fakultätsintern ausgefiltert worden. Der Antragsteller habe verzögert die Meldung €delivery cancelled€ erhalten. Der potentielle Empfänger habe von der Nachricht gar nichts erhalten. Zum anderen habe die Sperrung aber auch solche E-Mails betroffen, die von Mitarbeitern der Fakultät an den Antragsteller gesendet worden seien, d.h. bei denen der Antragsteller Empfänger gewesen, auf dem Verteiler gestanden oder nur im Betreff erwähnt worden sei, d.h. in deren Kopfzeile €C€ vorgekommen sei. Hiervon seien sämtliche Mitarbeiter der Fakultät betroffen gewesen, ohne vorher befragt oder informiert worden zu sein.
II.
Mit Verfügung vom 16.01.2004 hat die Staatsanwaltschaft von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens aus rechtlichen Gründen abgesehen (§ 152 Abs. 2 StPO). Sie vertrat die Ansicht, dass es den Beschuldigten freistehe, die Zusendung unerwünschter E-Mails zu blockieren.
Der hiergegen fristgerecht eingelegten Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft mit Bescheid vom 11.03.2004 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auch im Ausfiltern bzw. anderweitigen technischen €Sperren€ eingehender E-Mails grundsätzlich ein Unterdrücken i.S. von § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegen könne. Auch könne es unter Zugrundelegung des Schutzzwecks der Norm rechtlich nicht ohne weiteres im Belieben des Trägers der jeweiligen Institution oder des Eigentümers der betreffenden EDV-Anlage stehen, unliebsamen E-Mail-Verkehr zwischen Angehörigen/Mitarbeitern untereinander oder mit Außenstehenden ohne deren Kenntnis bzw. Zustimmung technisch zu unterbinden. Die Hochschule H. sei aber kein Unternehmen i.S. der genannten Vorschrift. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung der Norm erwerbswirtschaftlich betätigende Organisationsformen im Auge gehabt, nicht aber Behörden und andere hoheitlich handelnde Zweige. Die Hochschule H. handle in erster Linie hoheitlich in Erfüllung eines entsprechenden gesetzlichen Auftrags, weshalb sie nicht unter den Unternehmensbegriff des § 206 StGB zu subsumieren sei. Auch die Tatbestände des § 303 a und § 317 StGB seien nicht erfüllt.
Mit Rechtsanwaltsschriftsatz vom 15.04.2004 hat der Antragsteller C. beantragt, die Erhebung der öffentlichen Klage wegen Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses anzuordnen.
III.
Der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form des § 172 Abs. 3 StPO angebrachte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, soweit er sich gegen X. richtet.
1. Der Antragsteller ist Verletzter i.S.d. § 172 Abs. 1 StPO. Das Rechtsgut der Vorschrift des § 206 StGB ist durch unterschiedliche Aspekte gekennzeichnet. Einerseits wird das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Post- und Telekommunikationsverkehrs geschützt, andererseits geht es aber auch um den Schutz des Individualrechtsguts, nämlich den Schutz des Interesses der im Einzelfall am Post- und Fernmeldeverkehr Beteiligten.
2. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass das Gesetz in § 172 StPO die Statthaftigkeit des Klageerzwingungsverfahrens an sich nur für den Fall vorsieht, dass die Staatsanwaltschaft überhaupt Ermittlungen aufgenommen und das Verfahren sodann mangels genügendem Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Der nicht ausdrücklich geregelte Fall, dass die Ermittlungsbehörde überhaupt von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens absieht, weil nach ihrer Ansicht hierfür keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, kann nicht anders behandelt werden. Denn für die rechtliche Bewertung macht es keinen Unterschied, ob die Staatsanwaltschaft formell Ermittlungen durchführt oder diese ablehnt, weil in beiden Fällen die Beachtung des Legalitätsprinzips in Frage steht (OLG Karlsruhe, Die Justiz 2003, 270 ff).
IV.
1. Der Antrag ist auch begründet, weil die Staatsanwaltschaft zu Unrecht von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses abgesehen hat. Er führt zum Auftrag, die Ermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses (§ 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB) gegen X. aufzunehmen.
2. Der Senat hält eine solche Verpflichtung der Staatsanwaltschaft ausnahmsweise dann für zulässig, wenn diese aus Rechtsgründen einen Anfangsverdacht verneint und deshalb jede tatsächliche Aufklärung des Sachverhalts unterlassen hat. Die Vorschrift des § 173 Abs. 3 StPO, wonach der Senat zur Vorbereitung seiner Entscheidung die Durchführung von Ermittlungen anordnen und damit einen beauftragten oder ersuchten Richter beauftragen kann, erfasst nur diejenigen Fälle, in welchen bereits ein weitgehend aufgeklärter Sachverhalt vorliegt, der lediglich in einzelnen Punkten näherer Vertiefung bedarf (Meyer-Goßner, StPO, 47 Auflage 2004, § 173 Rn. 3).
3. Auch besteht vorliegend - ein aus Rechtsgründen nicht ausgeschlossener - Anfangsverdacht einer Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses.
a. Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich zunächst der durch Beweisumstände belegte Verdacht, dass ihm X. mit Schreiben vom 24.10.2003 mitgeteilt hat, dass er ihm das Privileg entzieht, die Kommunikationseinrichtungen der Fakultät einschließlich E-Post zu benutzen und in der Folgezeit veranlasst hat, dass auf den E-Mail Systemen der Fakultät jede E-Mail gesperrt wurde, in deren Kopfzeile €C€ vorkam, mit der Folge, dass einerseits die E-Mails des Antragstellers den Empfänger nicht mehr erreichten, andererseits aber auch solche E-Mails, die von Mitarbeitern der Fakultät an den Antragsteller gerichtet waren, bei denen er also der Empfänger war, nicht ankamen. E-Mails des Antragstellers wurden zwar noch ordnungsgemäß vom Mail-Server der Fakultät angenommen, dann allerdings fakultäts-intern ausgefiltert, so dass sie den Empfänger nicht erreichten, der hiervon auch keine Nachricht erhielt. Lediglich der Antragsteller erhielt verzögert die Meldung €delivery cancelled€. Zum anderen betraf die Sperrung aber auch solche E-Mails, die von Mitarbeitern der Fakultät an den Anzeigeerstatter gesendet wurden, d.h. bei denen der Antragsteller Empfänger war, auf dem Verteiler stand oder nur im Betreff erwähnt wurde, d.h. in deren Kopfzeile €C€ vorkam. Hiervon waren sämtliche Mitarbeiter der Fakultät betroffen, ohne vorher befragt oder informiert worden zu sein.
b. Entgegen der Ansicht der Ermittlungsbehörden scheitert eine Verfolgung aus Rechtsgründen nicht daran, dass die vom Anzeigeerstatter behauptete Unterdrückung seiner E-Mails deswegen nicht strafbar sei, weil die Hochschule kein Unternehmen i.S.v. § 206 StGB sei.
Nach § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer als Beschäftigter oder Inhaber eines Unternehmens, - das geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienst erbringt -, unbefugt eine einem solchen Unternehmen anvertraute Sendung unterdrückt.
Die Generalstaatsanwaltschaft führt zutreffend aus, dass der Tatbestand des geschäftsmäßigen Erbringens von Telekommunikationsdienstleistungen lediglich das nachhaltige Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte verlangt; auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es hierbei nicht an. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft die Ablehnung einer Strafbarkeit im vorliegenden Fall damit begründet, dass die Hochschule H. kein Unternehmen i.S.v. § 206 StGB sei, da der Gesetzgeber bei Schaffung der Norm erwerbswirtschaftlich betätigende Organisationsformen im Auge gehabt habe, nicht aber Behörden und andere hoheitlich handelnde Zweige, trägt dies im vorliegenden Fall nicht. Es ist zwar richtig, dass grundsätzlich Behörden und andere hoheitlich handelnde Zweige, zu denen auch die Hochschule H. als Körperschaft des öffentlichen Rechts zählt, dann, wenn sie ausschließlich zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben tätig werden, nicht als Unternehmen i.S.v. § 206 StGB anzusehen sind. Betätigt sich aber eine Hochschule nicht ausschließlich hoheitlich, sondern stellt ihre Telekommunikationsanlage unterschiedlichen Nutzergruppen (Mitarbeitern der Hochschule, Vereinen, außenstehenden Dritten) zur Verfügung, so ist eine Abgrenzung zwischen dienstlichen, wissenschaftlichen und Studienzwecken, privaten und auch wirtschaftlichen Zwecken nicht mehr möglich. Dadurch aber wird die Hochschule auch außerhalb ihres hoheitlichen Aufgabengebietes tätig und nimmt wie jeder beliebige Dritte am geschäftlichen Verkehr teil, so dass für diesen Betätigungsbereich auch die Maßstäbe gelten müssen, wie für jedermann, der auf diesem Gebiet geschäftlich tätig wird.
Der Begriff des Unternehmens i.S.v. § 206 StGB ist weit auszulegen, denn nur dann kann dem Zweck gerecht werden, das subjektive Recht auf Geheimhaltung des Inhalts und der näheren Umstände des Postverkehrs oder der Telekommunikation und - wie vorliegend - den Anspruch auf Übermittlung der Sendung zu schützen. Der Begriff des Unternehmens ist wegen der Anknüpfung an §§ 39 Abs. 2 Post G, 88 Abs. 2 TKG n.F. im Kontext des PostG und TKG auszulegen. Ausgehend davon ist als Unternehmen jede Betätigung im geschäftlichen Verkehr anzusehen, die nicht ausschließlich hoheitlich erfolgt oder auf eine private Tätigkeit beschränkt ist. Übertragen auf die Hochschule H. bedeutet dies, dass sie dann, wenn sie nicht ausschließlich hoheitlich tätig wird, als Unternehmen i.S. v. § 206 StGB einzustufen ist.
Nach dem Vortrag des Anzeigeerstatters gestattet die Hochschule nicht nur ihren Mitarbeitern die Nutzung von Internet und elektronischer Post, sondern darüber hinaus sind verschiedene Vereine an den Server der Hochschule angeschlossen und können das System nutzen. Zudem aber können auch außerhalb der Hochschule stehende Personen das System nutzen, um mit den Mitarbeitern der Hochschule - Verwaltungspersonal, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden - per E-Mail zu kommunizieren, und zwar nicht nur zu wissenschaftlichen oder dienstlichen Zwecken, sondern auch zu privaten, aber auch in Bereichen, in denen die Hochschule nicht hoheitlich, sondern wirtschaftlich orientiert tätig wird. Zu denken ist hierbei an die vielfältigen Verflechtungen und wirtschaftlichen Interessen einer Hochschule und einzelner Mitarbeiter mit privaten Unternehmen und damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten. Die Hochschule wird in diesem Bereich quasi wie ein Wirtschaftsunternehmen tätig und beschränkt sich hier gerade nicht auf ihre hoheitlichen Funktionen. Stellt die Hochschule ihre Telekommunikationsanlage aber verschiedenen Nutzergruppen zu deren vielfältigen Zwecken und unterschiedlichen Interessen zur Verfügung, so gestattet sie damit die Nutzung der Telekommunikationsanlage zu Zwecken, die nicht im unmittelbaren oder nur mittelbaren Zusammenhang mit ihren hoheitlichen Aufgaben stehen und wird dadurch auch außerhalb ihres hoheitlichen Aufgabengebietes tätig; dann aber kann sie sich nicht mehr auf ihre hoheitliche Stellung zurückziehen, sondern unterliegt dem Unternehmensbegriff i.S.v. § 206 StGB (siehe Münchner Kommentar, 2003, § 206 StGB, Rn. 13; Erbs-Kohlhaas, Telekommunikationsgesetz § 85 a. F. Rn. 8; Schönke-Schröder, 26. Auflage, § 206 Rn. 8; a. M. Tröndle-Fischer, 52. Auflage, § 206 StGB, Rn. 2b).
c. Die Sendung muss dem Unternehmen €zur Übermittlung anvertraut€ sein. Der Begriff Sendung i.S.v. § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB erstreckt sich auch auf unkörperliche Gegenstände, da § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht - wie § 206 Abs. 2 Nr. 1 StGB - auf verschlossene Sendungen beschränkt ist. Tatobjekte des § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB sind daher nicht nur unverschlossene Postsendungen, sondern auch jede Form der dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Telekommunikation (Münchner Kommentar, § 206, Rn. 52; Schönke-Schröder, § 206, Rn. 20). Anvertraut ist eine Sendung dann, wenn sie auf vorschriftsmäßige Weise in den Verkehr gelangt ist und sich im Gewahrsam des Unternehmens befindet. Unproblematisch liegt der Gewahrsam an einer E-Mail spätestens dann vor, wenn die Anfrage zur Übermittlung von Daten den Mail-Server des Unternehmens erreicht hat und der versendende Mailserver die Daten dem empfangenden Server übermittelt hat (Tschoepe, Rechtsprobleme der E-Mail-Filterung, MMR 2004, 75 ff, 77). Nach dem Vortrag des Anzeigeerstatters war dies der Fall; die von ihm von seinem Privatrechner aus versandten E-Mails wurden ordnungsgemäß vom Mail-Server der Fakultät angenommen und quittiert, und erst dann fakultätsintern ausgefiltert. Für die E-Mails, die von Mitarbeitern der Fakultät an den Anzeigeerstatter gesandt wurden, d.h. bei denen der Anzeigeerstatter Empfänger war, gilt entsprechendes.
d. Ein Unterdrücken der E-Mail ist dann anzunehmen, wenn durch technische Eingriffe in den technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns oder Empfangens von Nachrichten mittels Telekommunikationsanlagen verhindert wird, dass die Nachricht ihr Ziel vollständig oder unverstümmelt erreicht (Schönke-Schröder, § 206, Rn. 20; Tschoepe, Rechtsprobleme der E-Mail-Filterung, MMR 2004, 75 ff., 78). Soweit auch die Auffassung vertreten wird, dass ein Unterdrücken bei einer E-Mail nicht das Zerstören oder Beschädigen der Nachricht, also ihr Löschen, Verstümmeln oder Verkürzen ist, sondern nur ihr vollständiges oder vorübergehendes Zurückhalten oder Umleiten an eine andere Adresse (Münchner-Kommentar, § 206, Rn .56), greift dies zu kurz; denn letztlich kann es keinen Unterschied machen, wie verhindert wird, dass die Nachricht ihren Empfänger erreicht, nämlich ob dies durch Zurückhalten oder Umleiten der E-Mail oder durch deren Löschung oder sonstige Verstümmelung geschieht. Hierauf kommt es aber hier nicht an. Das Tatbestandsmerkmal €Unterdrücken€ wird jedenfalls durch eine Ausfilterung der E-Mail erreicht. In diesem Fall findet die Weiterleitung, also das Übermitteln der eingehenden Mail vom Mailserver an den einzelnen Klienten nicht statt - dies war nach der Schilderung des Anzeigenerstatters der Fall -.
e. Dem Tatbestandsmerkmal €unbefugt€ kommt in § 206 StGB eine Doppelfunktion zu: Ein Einverständnis schließt bereits die Tatbestandsmäßigkeit des § 206 StGB aus, im Übrigen handelt es sich um ein allgemeines Rechtswidrigkeitsmerkmal. Ein Einverständnis kann aber nur dann von Bedeutung sein, wenn es von allen an dem konkreten Fernmeldeverkehr Beteiligten erteilt wird. Hier lag weder das Einverständnis des Antragstellers vor noch - nach seinem Vortrag - das Einverständnis der Mitarbeiter der Hochschule, die E-Mails herauszufiltern.
Als Rechtfertigungsgründe für Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis kommen nur Erlaubnissätze in Betracht, die in einer gesetzlichen Vorschrift, d.h. in einem formellen Gesetz oder einer Rechtsverordnung niedergelegt sind, und die sich ausdrücklich auf Postsendungen, den Postverkehr oder Telekommunikationsvorgänge beziehen (§§ 39 Abs. 3 Satz 3 Post G, 88 Abs. 3 Satz 3 n.F, 85 Abs. 3 Satz 3 TKG a.F). Ob daneben auch allgemeine Rechtfertigungsgründe eingreifen können, ist umstritten. Allerdings dann, wenn besondere Fallgestaltungen vorliegen, die den Rahmen der §§ 39 Abs. 3 Satz 3 Post G, 88 Abs. 3 Satz 3 n.F sprengen, gelten auch die allgemeinen Rechtfertigungsgründe (Leipziger Kommentar, § 206 Rn. 54; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, §206 Rn. 9; a.M. Münchner Kommentar, § 206, Rn. 68).
Unter Umständen kann es daher gerechtfertigt sein, eine E-Mail herauszufiltern, beispielsweise dann, wenn eine E-Mail mit Viren behaftet ist, so dass bei deren Verbreitung Störungen oder Schäden der Telekommunikations- und Datenverarbeitungssysteme eintreten. Irgendwelche dementsprechenden Anhaltspunkte aber, die zu einem Herausfiltern der E-Mails, die von Mitarbeitern der Hochschule an den Antragsteller gerichtet waren, berechtigt hätten, fehlen, so dass in diesen Fällen ein €Herausfiltern€ der E-Mails unbefugt erfolgte.
Soweit die E-Mails, bei denen der Antragsteller Versender war, herausgefiltert wurden, wird im Rahmen der Ermittlungen zu prüfen sein, ob es einen konkreten Anlass gegeben hat, der zu einer solchen Maßnahme berechtigte. In dem Schreiben vom 24.10.2003, in dem X. dem Antragsteller mitteilte, dass er ihm das Privileg entzieht, die Kommunikationseinrichtungen der Fakultät einschließlich
E-Post zu benutzen, bezieht er sich auf einen €gegebenen Anlass€, den der Antragsteller allerdings bestreitet. Im Rahmen der Ermittlungen wird daher aufzuklären sein, ob es einen solchen konkreten Anlass gegeben hat. Nur wenn ein solcher konkreter Anlass vorgelegen hat und davon auszugehen war, dass die E-Mails des Antragstellers eine Störung oder einen Schaden in dem Telekommunikationssystem der Hochschule hätten auslösen können, wird je nach Art und Ausmaß des möglichen Schadens zu prüfen sein, ob und welche mögliche €Abwehrmaßnahme€ gerechtfertigt gewesen sein könnte.
f. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Klageerzwingungsverfahrens über die obergerichtlich anerkannten Fälle hinaus auch dann mit der Durchführung von Ermittlungen beauftragt werden kann, wenn sie nicht aus rechtlichen, sondern aus tatsächlichen Gründen einen Anfangsverdacht verneint, etwa weil sie die vorhandenen Verdachtsmomente nicht als zureichende Anhaltspunkte zur Bejahung eines Anfangsverdachts ansieht. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend nicht, denn die Ermittlungsbehörde hat ohne nähere Sachaufklärung eine Strafbarkeit aus rechtlichen Gründen verneint. Sie hat damit in rechtlicher Hinsicht die Reichweite der Vorschrift des § 152 Abs. 2 StPO verkürzt.
§ 152 Abs. 2 StPO ist Ausfluss des Legalitätsprinzips und verpflichtet die Staatsanwaltschaft immer dann zur Aufnahme von Ermittlungen, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit einer verfolgbaren Straftat besteht. Hierzu bedarf es tatsächlicher Anhaltspunkte, bloße Vermutungen genügen nicht. Ergeben sich - wie hier - zureichende tatsächliche Anhaltspunkte einer Straftat, so obliegt es der Staatsanwaltschaft und der Polizei, durch ihr Einschreiten aufzuklären, ob eine solche tatsächlich vorliegt und auf welche Weise sich deren Begehung nachweisen lässt (§ 160 StPO). Das Legalitätsprinzip gebietet es, den Ermittlungsansätzen, - soweit eine Durchbrechung aufgrund der Vorschriften der §§ 153 ff StPO nicht angezeigt erscheint -, im Rahmen der vorhanden Möglichkeiten und Ressourcen zunächst einmal nachzugehen (Senat Die Justiz 2003, 270 ff.).
Ob sich in Anbetracht des wenig aufgeklärten Sachverhalts vorliegend der Nachweis einer strafrechtlich erheblichen Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses wird führen lassen, lässt sich derzeit nicht beurteilen. Dies enthebt die Staatsanwaltschaft aber nicht von ihrer gesetzlichen Verpflichtung, den vom Antragsteller vorgetragenen tatsächlichen Anhaltspunkten einer Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses nachzugehen und hierzu in der gebotenen Weise unter anderem Zeugen und den namhaft gemachten Tatverdächtigen zu vernehmen.
IV.
Der Antrag ist, soweit er sich gegen Y. und Z. richtet, unzulässig.
Zu den formellen, den Rechtsweg zum Oberlandesgericht erst eröffnenden Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört, dass der Antrag die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben muss. Die Rechtsprechung hat dies dahin konkretisiert, dass allein das Vorbringen in der Antragsschrift das Gericht in die Lage versetzen muss, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und in der Regel auf Anlagen, eine Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich der Erfolgsaussichten in formeller und materieller Hinsicht vorzunehmen (Meyer-Goßner, a.a.O., § 172 Rn. 27 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift nicht in vollem Umfang. Aus der Darstellung des Sachverhalts in der Antragsschrift ergibt sich nicht, woraus sich eine Beteiligung des Y. an der Tat ergeben soll. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass in dem Schreiben des X. vom 24.10.2003 im Briefkopf noch Z. aufgeführt ist und in diesem Zusammenhang behauptet, Z. könnte möglicherweise an der Tat beteiligt gewesen sein, handelt es sich um eine Vermutung des Antragstellers.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
OLG Karlsruhe:
Beschluss v. 10.01.2005
Az: 1 Ws 152/04
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