Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. März 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 299/02
(BPatG: Beschluss v. 04.03.2004, Az.: 25 W (pat) 299/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G R Ü N D E I.
Die am 3. Juni 1999 in das Markenregister eingetragene Bezeichnung NEBZIN beansprucht Schutz nach Teillöschung noch für die Waren "mit Antibiotika gefüllte Spritzen". Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 9. Juli 1999.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 20. Februar 1984 für die Waren "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; Desinfektionsmittel" eingetragenen Marke 1 059 838 Nebacetin Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die bereits vor der Markenstelle des DPMA erhoben Einrede der Nichtbenutzung im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt aufrechterhalten. Die Widersprechende hat darauf hin zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung Unterlagen über die Verwendung der Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung eines rezeptpflichtigen Antibiotikums in unterschiedlichen Darreichungsformen vorgelegt.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat - die Einrede der Nichtbenutzung dahingestellt sein lassend - durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch mangels bestehender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Auch unter Berücksichtigung der nach der Registerlage möglichen Warenidentität sowie der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und insgesamt strengen Anforderungen an den Markenabstand halte die angegriffene Marke in jeder Hinsicht den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Die Markenwörter unterschieden sich nicht nur schriftbildlich hinreichend, sondern auch in klanglicher Hinsicht bereits auffällig in der Wortlänge sowie in der Silbenanzahl und stimmten zudem in keiner einzigen Sprechsilbe überein. Eine Verwechslungsgefahr bestehe danach nicht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Wie auch die eingereichten Benutzungsunterlagen belegten, weise die seit über 40 Jahren zur Kennzeichnung eines verschreibungspflichtigen Antibiotikas verwendete Widerspruchsmarke einen erhöhten Schutzumfang auf. Das in unterschiedlichen Darreichungsformen als Trockenpulver, Puder Spray oder Salbe mit "Nebacitin" gekennzeichnete Arzneimittel sei im Klinikbereich dem Fachpersonal seit langem gut bekannt. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass nicht nur der aus den eingereichten Unterlagen ersichtliche Marktanteil von 30% sowie die genannten Umsatzzahlen für sich genommen schon sehr hoch seien, sondern es komme hinzu, dass aufgrund des weiten Anwendungsbereichs dieses Antibiotikums jeder Arzt und jede Krankenschwester das Präparat umso häufiger verwende und deshalb bestens kenne. Da sich die Marken auch auf identischen Waren begegnen könnten, seien sehr strengen Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Diese halte die angegriffene Marke wegen ihres der Widerspruchsmarke sehr ähnlichen Gesamteindrucks nicht ein. Insbesondere werde das eher unsichere Erinnerungsbild in klanglicher Hinsicht neben den übereinstimmenden Wortanfängen und Wortendungen durch den gemeinsamen Zischlaut im jeweiligen Wortinnern der Markenwörter bestimmt. Ferner sehe der Verkehr in der angegriffenen Marke auch eine Verkürzung der Widerspruchsmarke und bringe deshalb die Marken gedanklich miteinander in Verbindung oder sehe in der angegriffenen Marke eine abgewandelte Produktkennzeichnung der Widersprechenden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat sich im Beschwerdeverfahren zur Frage der Verwechslungsgefahr nicht schriftlich geäußert und ist auch in der mündlichen Verhandlung wie angekündigt nicht erschienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der hier maßgeblichen Warenkonstellation keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 1 Satz 3, Abs 2 Satz 2 MarkenG.
1) Der Senat unterstellt bei seiner Entscheidung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der ursprünglich normal kennzeichnungsstarken und seit langem intensiv für ein rezeptpflichtiges Antibiotikum benutzten Widerspruchsmarke. Dies belegen auch die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen, wobei - wie die Widersprechende auch selbst ausführt - eine infolge intensiver Benutzung der Widerspruchsmarke für ein rezeptpflichtiges Antibiotika gesteigerte Verkehrsbekanntheit nur innerhalb der Fachkreise - wie Ärzte, Krankenschwestern und Apotheker, die das Präparat "Nebacetin" aus der täglichen Praxis kennen - angenommen werden kann, nicht jedoch innerhalb der allgemeinen Verkehrskreise. Denn diese können kein rezeptpflichtiges Antibiotikum ohne ärztliche Verordnung und Einschaltung von Fachpersonal erwerben.
2) Ausgehend von der wirksam erhobenen Nichtbenutzungseinrede und der danach maßgeblichen rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für ein rezeptpflichtiges Antibiotikum können sich die Waren auch auf identischen Arzneimitteln sowie auf Präparaten mit identischen Darreichungsformen (mit Antibiotika gefüllte Spritzen) begegnen. Im Rahmen der Integrationsfrage ist hierbei auf Seiten der Widerspruchsmarke aufgrund der nach ständiger Rechtsprechung anzuwendenden erweiterten Minimallösung (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl., § 26 Rdn 212 mwN) von Antibiotika allgemein und mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, bestimmte Darreichungsformen oder enthaltene Wirkstoffe auszugehen (st Rspr, vgl BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 218 -Taxanil), da diese nach der Auffassung des Verkehrs als zum Bereich des konkret benutzten Arzneimittels gehörend angesehen werden (vgl auch allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus; GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB; MarkenR 2001, 371, 376 - ISCO). Hierbei ist vorliegend allerdings zu beachten, dass sich Antibiotika in tatsächlicher Hinsicht vornehmlich an den Fachverkehr wenden, was in besonderem Maße auch auf Seiten der von der angegriffenen Marke ausschließlich beanspruchten Waren "mit Antibiotika gefüllte Spritzen" gilt. Ebenso wie bei Arzneimitteln, für welche im Warenverzeichnis eine Rezeptpflicht verankert ist (zur einseitigen Rezeptpflicht BGH MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone), stehen deshalb auch vorliegend insbesondere in dem Bereich, in dem die Verwechslungsgefahr am größten ist, für die Beurteilung der maßgeblichen Verkehrskreise Fachleute wie Ärzte, Apotheker oder Krankenschwestern deutlich im Vordergrund. Der Fachverkehr ist aber aufgrund seiner beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln sehr sorgfältig und unterliegt daher Markenverwechslungen weniger als Endverbraucher (vgl hierzu auch; BGH MarkenR 2000, 138, 139 - Ketof / ETOP; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 219 - Taxanil), was nicht nur der klanglichen, sondern auch der im Vordergrund stehenden schriftlichen Verwechslungsgefahr deutlich verwechslungsmindernd entgegenwirkt (vgl BPatGE 44, 33 - ORBENIN).
Ferner ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Markenbenennungen durch weniger geschulte medizinische Hilfskräfte oder durch Laien, welche bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln oder solchen, die sich in tatsächlich Hinsicht nur an den Fachmann richten, zwar deutlich reduziert, aber nicht ausgeschlossen werden können (vgl auch BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist (vgl zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH MarkenR 2002 , 231, 236 - Philips/Remington). Dieser pflegt allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, sogar eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).
3) Wenn danach unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG jedenfalls bei identischen oder äußerst ähnlichen Waren und in dem Bereich, in welchem die Widerspruchsmarke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft aufweist, die Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand an sich am größten sind, so ist nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der insoweit angesprochenen Fachkreise dennoch die Ähnlichkeit der Marken in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen wäre.
a) Entgegen der Ansicht der Widersprechenden ist eine Verwechslungsgefahr auch in klanglicher Hinsicht zu verneinen, auch wenn sich die wie "nebazetin" und "nebzin" gesprochenen Marken in ihrem jeweiligen klanglichen Gesamteindruck trotz der gleichfalls nicht unerheblichen Unterschiede noch am nächsten kommen. Wie bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, weisen die Markenwörter eine deutlich abweichende Silbenanzahl und mit Ausnahme der Endsilbe auch einen wesentlich unterschiedlichen Silbenaufbau auf. Insbesondere erweist sich die Anfangssilbe der Widerspruchsmarke nicht als ein aus dem Anfangsbestandteil "Neb" gebildete Lautfolge. Die Widerspruchsmarke stellt sich aufgrund ihrer natürlichen Silbengliederung als Wortzusammenfügung dar, welche ohne weiteres erkennbar und im Gegensatz zur angegriffenen zweisilbigen Marke aus fünf Silben besteht. Diese weisen aus der Sicht der vorliegend deutlich im Vordergrund stehenden Fachkreise ohne weiteres erkennbar auf die für Antibiotika wichtigen und auch in dem Arzneimittel "Nebacetin" enthaltenen Wirkstoffe "Neomycinsulfat" und "Bacitracin" hin, so dass sich die Widerspruchsmarke als eine im Arzneimittelbereich typische Markenbildung mit sprechendem Gehalt erweist, der in der angegriffenen Marke keine Entsprechung findet und sich deshalb zusätzlich verwechslungsmindernd auswirkt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hält die angegriffene Marke auch aus der Sicht des Senats noch einen ausreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein, auch wenn es sich im Hinblick auf die besonders strengen Anforderungen, welche sich im Bereich identischer Waren aus dem erhöhten Schutzumfang der Widerspruchsmarke ergeben, sicherlich auch in Bezug auf Fachkreise um einen Grenzfall handeln mag.
Dies gilt ebenso, soweit vorliegend auch noch - allerdings nur in stark reduziertem Maße - auf allgemeine Verkehrskreise abzustellen ist. Denn auch wenn diese im Umgang mit Arzneimitteln weniger geschult sind und Markenverwechslungen eher unterliegen als der Fachverkehr, so ist vorliegend zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf diese Verkehrskreise auch nicht durch hohe Bekanntheit von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft und einem erhöhten Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen ist. Der Senat sieht deshalb auch für den Bereich identischen Waren in Bezug auf die allgemeinen Verkehrskreise noch einen ausreichenden Abstand in klanglicher Hinsicht als gewahrt an, zumal weder mündliche Benennungen noch dieser Verkehrskreis bei der Beurteilung des Rechtsbegriffs der Verwechslungsgefahr im Vordergrund steht.
Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr liegt demgegenüber wegen der unverkennbar deutlich abweichenden Wortlänge und der in jeder üblichen Schreibweise abweichenden Buchstabenkontur der Wörter als eher fernliegend an, auch wenn eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr aus den genannten Gründen in tatsächlicher Hinsicht gegenüber der Gefahr der von Verwechslungen durch mündliche Markenbenennungen deutlich in den Vordergrund zu stellen ist.
Ebenso sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringen und deshalb verwechseln, zumal die Marken mit Ausnahme einer klanglichen Nähe keine strukturellen Gemeinsamkeiten aufweisen, welche den Verkehr zu einer gemeinsamen betrieblichen Zuordnung der Marken veranlassen und eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr begründen könnten (vgl zu den Voraussetzungen BGH GRUR 2000, 608, 609 - ARD 1; BGH MarkenR 2001, 459, 464 Marlboro-Dach; BPatG GRUR 2002, 345, 346 - ASTROBOY/Astro; BPatG GRUR 2002, 438, 440 - WISCHMAX/Max). Weder der Fachverkehr noch Laien werden aufgrund der unterschiedlichen Wortstruktur und der fehlenden Gemeinsamkeiten im Silbenaufbau der Wörter in der Widerspruchsmarke eine gleichfalls aus dem eigenständigen Anfangsbestandteil "Neb" gebildete Marke sehen, was allenfalls eine gemeinsame Zuordnung der Marken aus dem Gesichtspunkt der Serienmarke oder eine sonstige mittelbare Verwechslungsgefahr aus dem Gesichtspunkt der Markenverkürzung nahe legen könnte. Auch sieht der Senat keine besonderen Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr, obwohl er die Zeichen als unterschiedlich und als solche verschiedener Unternehmer erkennt, eine sonstige gedankliche Verbindung zwischen den Marken herstellen wird und auf eine geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Zusammengehörigkeit der unterschiedlichen Unternehmen schließen könnte (vgl hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 502 mwN).
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Bayer Engels Na
BPatG:
Beschluss v. 04.03.2004
Az: 25 W (pat) 299/02
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