Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 14. Januar 2015
Aktenzeichen: 7 U 68/13

(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 14.01.2015, Az.: 7 U 68/13)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. April 2013 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Neuruppin teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 77.897,25 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 74.865,33 seit dem 26. August 2010 und aus € 3.031,92 seit dem 16. September 2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 83 % der eigenen Kosten, der Gerichtskosten sowie der Kosten der Beklagten und 77 % der Kosten des Streithelfers zu tragen. Die Beklagte hat 17 % der eigenen Kosten und der Gerichtskosten zu tragen. Der Streithelfer trägt 23 % seiner Kosten selbst.

Von den Kosten zweiter Instanz einschließlich der Kosten des Streithelfers haben der Kläger 76 %, die Beklagte 24 % der eigenen und der Gerichtskosten und der Streithelfer 24 % der eigenen Kosten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der E€ AG (Schuldnerin) gegen die Beklagte Bereicherungsansprüche wegen Honorarzahlungen aus einem Lizenz- und Studienvertrag sowie Spesenzahlungen geltend.

Die Beklagte, damals firmierend unter i€ GmbH und vertreten durch den Geschäftsführer K€ G€, war aufgrund eines Beratungsvertrages vom 17.01.2005 zunächst als kaufmännischer Leiter der Schuldnerin tätig (B6, Bl. 8). Der Beratungsvertrag wurde am 09.08.2005 abgeändert und der Beklagten zugleich die Funktion des Finanzvorstandes (C€) übertragen (B6, Bl. 13). Beide Verträge sind von dem Streithelfer als dem damaligen Vorstand der Schuldnerin sowie dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet. Der Aufsichtsrat der Schuldnerin, bestehend aus den Herren K€ M€, D€ T€ und M€ B€, genehmigte am 18.08.2005 die Verlängerung des Vertrages bis zum 30.09.2007 (B4, Bl. 5).

Auf seiner Sitzung vom 22.11.2005 bestellte der Aufsichtsrat den Geschäftsführer der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.01.2006 zum Finanzvorstand der Schuldnerin (Anlagen Kläger Bl. 98) und unterzeichnete am 15.12.2006 den Anstellungsvertrag (B7, Bl. 18). Der Geschäftsführer der Beklagten wurde neben dem Streithelfer Sn€ Vorstand der Schuldnerin.

Am 20.12.2005 schlossen die Schuldnerin, vertreten durch den Streithelfer, und die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer, einen Lizenzvertrag (K2, Bl. 3), nach dem die Beklagte für die Schuldnerin ein EDV-gestütztes Controllingsystem erstellen sollte. Dafür erhielt sie mit Wirkung ab dem 01.01.2006 monatliche Lizenzgebühren von netto 5.000,00 € = brutto 5.960,00 €. Ein Beschluss des Aufsichtsrates zum Abschluss des Vertrages liegt nicht vor. Allerdings genehmigte der Aufsichtsrat am 12.09.2007 (Anlagen Kläger, Bl. 144, 146) die Verlängerung des Lizenzvertrages bis zum 30.11.2011 €zu unveränderten Konditionen€. Der Lizenzvertrag wurde durch Vertrag vom 23.10.2007, für die Schuldnerin unterzeichnet durch den Streithelfer, entsprechend verlängert. Am 02.06.2009 hoben die Vertragsparteien, die Schuldnerin wiederum vertreten durch den Streithelfer, den Lizenzvertrag zum 30.08.2009 gegen eine Abstandszahlung von netto 105.000,00 € = brutto 124.950,00 € auf (Anlagen Kl. Bl. 7).

Die Schuldnerin zahlte an die Beklagte von Januar 2006 bis Juni 2009 monatlich 5.950,00 € sowie den Abstandsbetrag von 124.950,00 €. Außerdem berechnete die Beklagte Spesen von Februar 2007 bis März 2009 in Höhe von 6.131,12 €, welche die Schuldnerin ebenfalls ausglich.

Neben dem Lizenzvertrag unterzeichnete die Schuldnerin, vertreten durch den Streithelfer, mit der Beklagten am 05.10.2006 einen Vertrag über eine Studie, die Auswirkungen des Emissionshandels auf die Produktion von Biodiesel untersuchen sollte. Das Honorar betrug 60.000,00 € netto = 71.400,00 € brutto (K1). Die Schuldnerin zahlte auf diesen Vertrag am 06.12.2006 einen ersten Betrag von 46.400,00 € (B2, Bl. 2) und auf Rechnung vom 02.04.2007 (B3, Bl. 3) weitere 25.000,00 €.

Der Geschäftsführer der Beklagten legte sein Vorstandsamt bei der Schuldnerin zum 30.06.2009 nieder.

Der Kläger hat zunächst Erstattung von 409.650,00 € beansprucht, die Forderung dann aber nach der Verjährungseinrede der Beklagten wie folgt reduziert:

Lizenzgebühr Januar 2007 bis Juni 2009 178.500,00 €Ablösesumme Lizenzvertrag 124.950,00 €Studienvertrag 2. Rate 25.000,00 €Spesen 6.131,12 € 334.581,12 €Er hat geltend gemacht, die Abschlusskompetenz für die Verträge habe nach § 112 AktG ausschließlich beim Aufsichtsrat gelegen. Die von dem Streithelfer unterzeichneten Verträge seien nichtig und hätten deshalb auch nicht später durch den Aufsichtsrat genehmigt werden können, so dass sämtliche Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgt seien. Im Übrigen habe die Beklagte keine Leistungen erbracht. Bei der Schuldnerin sei weder ein Controllingsystem vorhanden noch eine Studie zum Emissionshandel auffindbar.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 334.581,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat dem Mitvorstand S€ Sn€ den Streit verkündet, der auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten ist.

Beklagte und Streithelfer haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben eingewandt, § 112 AktG sei nicht einschlägig, da die Schuldnerin von dem Streithelfer und nicht von dem Geschäftsführer der Beklagten bei Abschluss der Verträge vertreten worden sei. Im Übrigen seien die Verträge bei einem Verstoß gegen § 112 AktG nicht nach § 134 BGB nichtig, sondern nach § 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam. Der Aufsichtsrat habe die Verträge teils konkludent, teils durch spätere Beschlüsse oder im Falle des Studienvertrages durch einen vorgehenden Umlaufbeschluss ausdrücklich genehmigt, so dass sie wirksam geworden seien. Die vereinbarte Leistung habe die Beklagte erbracht, weshalb ihr Honorar fällig sei.

Die abgerechneten Spesen beträfen die Vorstandstätigkeit des Geschäftsführers für die Schuldnerin. Er habe sie lediglich über die Beklagte abgerechnet, weil diese teilweise günstigere Konditionen, z. B. für Tagesräume, erhalten habe, weshalb sie die Spesen nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen könne.

Abgesehen davon seien etwaige Rückforderungsansprüche des Klägers verjährt.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 330.581,92 € (Lizenzgebühr 2007 - 2009, 177.600,00 €, Ablösesumme 124.950,00 €, Spesen 3.031,92 €, Studie 25.000,00 €) aus § 812 Abs. 1 BGB stattgegeben mit der Begründung, die mit der Beklagten geschlossenen Verträge seien wegen Verstoßes gegen § 112 AktG nach § 134 BGB nichtig und hätten nicht nachträglich durch den Aufsichtsrat genehmigt werden können. Abgewiesen hat das Landgericht die Klage, soweit der Kläger Spesenzahlungen aus dem Jahr 2006 zurückfordert, da die Ansprüche verjährt seien.

Gegen das am 02.05.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.05.2013 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 24.07.2013 begründet.

Die Parteien vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Beklagte und Streithelfer beantragen,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin vom 19.04.2013, Az.: 6 O 69/10, die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Aufsichtsratsmitglieder K€ M€, D€ T€ und M€ B€ sowie des Mitvorstandes und Streithelfers S€ Sn€.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das erstinstanzliche Urteil sowie das Protokoll der Beweisaufnahme Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Klage ist zulässig. Die Klage hat zunächst die Schuldnerin selbst, nach § 112 Satz 1 AktG vertreten durch die Mitglieder des Aufsichtsrats, eingereicht. Nachdem das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet worden war, hat der Kläger den Rechtsstreit aufgenommen und ist nach § 80 InsO an die Stelle der Gesellschaft getreten (vgl. MüKom.-Habersack, AktG, 4. Aufl., § 112, Rn. 6). Mit Aufnahme des Prozesses durch den Insolvenzverwalter und Antragstellung hat er die bisherige Prozessführung konkludent genehmigt.

In der Sache ist die Berufung der Beklagten teilweise begründet. Der Kläger kann gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB Zahlung von 77.897,25 € beanspruchen, da die Beklagte das Entgelt aus dem Lizenzvertrag von Januar bis August 2007, die Entgeltzahlung auf den Studienvertrag von 25.000,00 € und die Spesenzahlungen von 3.031,92 ohne Rechtsgrund erlangt hat.

Im Einzelnen:

1.

Der Beratungsvertrag zwischen der Schuldnerin und der Beklagten vom 09.08.2005 ist wegen Verstoßes gegen § 112 Satz 1 AktG nach § 134 BGB nichtig, weil die Schuldnerin bei dem Vertragsschluss durch den damaligen Vorstand und nicht den Aufsichtsrat vertreten wurde.

Gegenüber Vorstandsmitgliedern vertritt der Aufsichtsrat nach § 112 Satz 1 AktG die Gesellschaft. Dies gilt umfassend:

Die Gesellschaft kann nicht durch ein Vorstandsmitglied, das nicht an dem Rechtsgeschäft beteiligt ist, gegenüber einem anderen Vorstandsmitglied vertreten werden (vgl. Kölner Kommentar € Mertens/Cahn, AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 2). § 112 AktG trägt der Besorgnis Rechnung, dass der Vorstand bei einem Geschäft gegenüber Vorstandsmitgliedern nicht die erforderliche Unbefangenheit aufbringt (BGH NZG 2013, 496, 497, Rn. 10).

Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats besteht auch gegenüber Personen, die erst noch Vorstandsmitglieder werden sollen (vgl. BGHZ 26, 236, 238; OLG Saarbrücken vom 11.10.2012, 8 U 22/11, Juris Rn. 19, 25; Erfurter Komm.-Oetker, AktG 14. Aufl., § 112, Rn. 2; Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 112, Rn. 6; Höfer, AktG, 10. Aufl., § 112, Rn. 2). Bei künftigen Vorstandsmitgliedern kann bereits eine Interessenkollision zur Gesellschaft und den übrigen Vorstandsmitgliedern bestehen.

Ferner ist die Regelung anwendbar bei der Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber einem Unternehmen, das nicht rechtlich wohl aber wirtschaftlich mit dem Vorstandsmitglied identisch ist, z.B. einer GmbH mit dem Vorstandsmitglied als Alleingesellschafter und Geschäftsführer (vgl. OLG Saarbrücken vom 11.10.2012, 8 U 22/11, Juris Rn. 19, 24; MüKom.-Habersack, a.a.O., Rn. 9). In diesem Fall besteht in gleicher Weise eine Interessenkollision wie bei einem Vertrag mit dem Vorstandsmitglied selbst.

G€ war bei Abschluss des Lizenzvertrages am 20.12.2005 noch nicht Vorstand der Schuldnerin. Er war aber nach §§ 1, 5 Abs. 1 des Beratungsvertrages vom 09.08.2005 (B 6, S. 13) als Finanzvorstand vorgesehen und nahm diese Aufgabe auf Grund des Beratungsvertrages schon vorab wahr. Der Aufsichtsrat hatte ihn darüber hinaus mit Beschluss vom 20.11.2005 förmlich zum Finanzvorstand ab 01.01.2006 bestellt. Gleichzeitig war er der alleinige Gesellschafter der Beklagten und deren Geschäftsführer. Die Vertretungsbefugnis gegenüber der Beklagten lag daher beim Aufsichtsrat.

Der Vorstand Sn€ konnte die Schuldnerin der Beklagten gegenüber nicht wirksam vertreten. Selbst wenn dem Beratungsvertrag ein Beschluss des Aufsichtsrats zugrunde lag, hätte der Aufsichtsrat den Vorstand nicht zu seinem Vertreter bestellen können. Der Vorstand kann im Rahmen des § 112 AktG lediglich als Bote eingesetzt werden und eine Erklärung des Aufsichtsrats übermitteln. Er muss dabei aber unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass es sich nicht um eine eigene Erklärung des Vorstands, sondern um eine vom Aufsichtsrat ausgehende und von diesem abgegebene Willenserklärung handeln soll, die der Vorstand nur als Bote übermittelt (vgl. BGHZ 12, 326, 334; MünchKomm.-Habersack, AktG, 4. Aufl., § 112, Rn. 27). Dies hat der Zeuge Sn€ bei Unterzeichnung des Vertrages nicht deutlich gemacht (Anlagen Bekl. S. 17). Vielmehr hat er den Beratungsvertrag ohne Zusatz für die Schuldner unterzeichnet.

Damit war der Beratungsvertrag vom 09.08.2005 von vorne herein nichtig und konnte nicht nachträglich durch Beschluss des Aufsichtsrats vom 18.08.2005 (B 4) genehmigt werden.

Streitig ist, welche Rechtsfolge sich an einen Verstoß gegen § 112 AktG knüpft, ob der Vertrag nichtig oder nur schwebend unwirksam ist und damit nach § 177 Abs. 1 BGB genehmigungsfähig (offen gelassen in BGH NZG 2013, 496, Rn. 9).

Teilweise wird angenommen, § 112 AktG enthalte kein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134, sondern eine Vertretungsregelung. Bei einem Verstoß sei das Rechtsgeschäft nach §§ 177 ff BGB schwebend unwirksam und könne vom Aufsichtsrat nachträglich genehmigt werden. Die Gesellschaft werde hinreichend dadurch geschützt, dass der Aufsichtsrat die erforderliche Genehmigung versagen könne (vgl. OLG Celle vom 25.02.2002, 4 U 176/01, Juris, Rn. 8 ff; OLG München vom 18.10.2007, BeckRS 2007, 18459, Erfurter Kommentar-Oetker, AktG, 14. Aufl., § 112, Rn. 5; MünchKomm.-Habersack a.a.O., Rn. 32).

Für die Prozessführung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied hat der BGH die nachträgliche Genehmigung der Prozessführung eines vollmachtlosen Vertreters nach § 89 ZPO anerkannt (vgl. NZG 2007, 31, 32, Rn. 7). Hierbei ist jedoch die Besonderheit der prozessualen Situation zu bedenken, in die ein Prozessgegner durch einen Unbefugten ohne sein Zutun hineingezwungen wird. § 89 ZPO soll verhindern, dass ein gerichtliches Verfahren wegen eines Vollmachtmangels durch Prozess- oder Versäumnisurteil beendet und später wiederholt werden muss oder Unbefugte gerichtliche Entscheidungen herbeiführen. Dem Prozessgegner sollen diese Risiken so weit wie möglich abgenommen und der Partei bzw. dem vollmachtlosen Vertreter auferlegt werden (vgl. Musielak-Weth, ZPO, 11. Aufl., § 89, Rn. 1).

Diese Überlegungen gelten nicht in gleicher Weise für das materielle Recht. Die gesetzlichen Regelungen des Aktiengesetzes sprechen vielmehr gegen eine schwebende Wirksamkeit und nachträgliche Genehmigung. Gesetzlicher Zweck des § 112 AktG ist es, eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen, welche von sachfremden Erwägungen unbeeinflusst ist und sachdienliche Gesellschaftsbelange wahrt. Im Interesse der Rechtssicherheit ist dabei auf eine typisierende Betrachtung abzustellen (BGH NJZ 2007, 31, Rn. 5).

§ 112 AktG ist im Zusammenhang mit § 111 AktG zu verstehen. Aufsichtsratsmitglieder können nach § 111 Abs. 5 AktG ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen. Selbst mit der Vorbereitung und Überwachung der Ausführung von Beschlüssen nach § 107 Abs. 3 S. 1 AktG können sie ausschließlich Aufsichtsratsmitglieder oder Ausschüsse aus Aufsichtsratsmitgliedern betrauen. Für die Überprüfung der Unterlagen und Vermögensgegenstände der Gesellschaft darf er nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG nur einzelne Mitglieder oder Sachverständige beauftragen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass sich der Aufsichtsrat nicht bei seinen sonstigen Aufgaben und nicht durch andere Personen vertreten lassen kann (vgl. OLG Düsseldorf vom 30.08.2012, 6 U 205/11, Juris Rn. 56). Wären Geschäfte, die unter Verstoß gegen die ausschließliche Aufgabenzuweisung an den Aufsichtsrat zustande gekommen sind, lediglich schwebend unwirksam und könnten später nach §§ 177, 184 BGB genehmigt werden, würden dieselben Wirkungen eintreten wie bei einer anfänglichen Bevollmächtigung, die aber gerade durch das Gesetz ausgeschlossen sein soll (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.).

Hinzu kommt, dass die Willensbildung im Aufsichtsrat in § 108 AktG zwingend geregelt ist. Beschlüsse des Aufsichtsrats sind nichtig, wenn er nicht beschlussfähig war oder nicht sämtliche Mitglieder eingeladen hatte (vgl. Höfer, a.a.O., § 108, Rn. 18). Handelt anstelle des Aufsichtsrats ein anderes Organ der Gesellschaft, nämlich der Vorstand, außerhalb seiner Zuständigkeit und ohne die Regeln für die Willensbildung in der Gesellschaft einzuhalten, kann dessen Handeln nicht lediglich schwebend unwirksam sein.

Eine unbeeinflusste und rein sachdienliche Wahrnehmung der Gesellschaftsbelange wird zudem erschwert, wenn der Vorstand sich über den Aufsichtsrat hinwegsetzt und ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft abschließt, das er - wie hier - ganz oder teilweise schon umsetzt. Der Aufsichtsrat könnte das so geschlossene Geschäft nur noch genehmigen oder ablehnen, während eine andere, differenzierende Willensbildung ausgeschlossen wäre. Dies allein schränkt den Aufsichtsrat ein. Dazu kommt die Außenwirkung, in der die Gesellschaft wie der Vorstand Schaden nehmen kann, falls sich der Aufsichtsrat nicht hinter den Vorstand stellt. Die Aufgabenverteilung in der Aktiengesellschaft würde verwischt, wenn der Vorstand den Aufsichtsrat mit schwebend unwirksamen Geschäften €überrollen€ und faktisch beeinflussen könnte.

Bei einem Verstoß gegen § 112 AktG ist deshalb nach § 134 BGB von der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen (Hans. OLG Hamburg, Urteil vom 16.05.1986, 11 U 238/85; OLG Stuttgart, Urteil vom 20.03.1992, 2 U 115/90, Juris, Rn. 29; OLG Frankfurt, Urteil vom 20.03.2008, 12 U 40/07, Juris, Rn. 36).

2.

Wirksam sind dagegen die spätere Verlängerung des Lizenzvertrages vom 12.09.2007 sowie dessen Aufhebung und die Vereinbarung von Ablösezahlungen. Zwar hat der Mitvorstand und Streithelfer Sn€ auch diese Verträge ohne jeden Zusatz für die Klägerin unterzeichnet (B 9 und K 3). Den Verträgen lagen jedoch Aufsichtsratsbeschlüsse zugrunde, die in Anwesenheit aller Aufsichtsratsmitglieder sowie in Anwesenheit des G€ gefasst wurden. Darin sind mündliche Verträge zu sehen, die - ohne Formzwang - wirksam sind.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass sämtliche Aufsichtsratsmitglieder sowie G€ bei der Aufsichtsratssitzung vom 12.09.2007 anwesend waren und die entsprechenden Beschlüsse gefasst haben. Die Teilnehmerliste (Anlagen Kläger, Bl. 144) weist sämtliche Beteiligten aus. Allerdings findet sich die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Verlängerung des Lizenzvertrages lediglich in einer Anlage zu dem Protokoll mit anderem Schriftbild, wohl aber vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnet. Der Senat hat die Zeugen hierzu befragt. Der Vorstandsvorsitzende M€ hatte ohne Unterlagen keine konkrete Erinnerung an die Vorstandssitzung mehr. Er vermutete, der Beschluss sei in einer Anlage zum Protokoll festgehalten, weil der Aufsichtsrat gleichzeitig über eine Darlehensgewährung an G€ entschied, von dem die Sekretärin keine Kenntnis erlangen sollte. Ob G€ zu diesem Zeitpunkt noch anwesend war, konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen. Dies bestätigten jedoch die Zeugen B€ und Sn€, die sich bei der Aussage auf ihre Notizen zu der Aufsichtsratssitzung stützen. Beide bestätigen sowohl den Inhalt des Beschlusses wie die Gründe für ein Zusatzprotokoll. Die persönlichen Angelegenheiten des Vorstandes - Darlehensvergabe und Altersvorsorge - sollten vor der Sekretärin, die das Protokoll schrieb, geheimgehalten werden. Das Zusatzprotokoll hat deshalb einer der Vorstände abgesetzt. Beide Zeugen gingen zudem davon aus, dass der Vorstand bis zum Schluss anwesend war, so auch der Zeuge T€. Die Zeugen haben in den Kernpunkten übereinstimmend ausgesagt und die Gestaltung des Protokolls nachvollziehbar erklärt. Anhaltspunkte an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln, bestehen nicht.

Die Beteiligten haben sich in übereinstimmenden Willenserklärungen auf eine Verlängerung des Lizenzvertrages geeinigt. Einer entsprechenden Willenserklärung des Aufsichtsrates steht nicht entgegen, dass die Beteiligten annahmen, für die Umsetzung eines entsprechenden Aufsichtsratsbeschlusses sei der Vorstand zuständig. Für die Wirksamkeit einer Willenserklärung bedarf es keines über den bloßen Handlungswillen hinausgehenden Erklärungswillens (Erklärungsbewusstsein) oder Geschäftswillens (vgl. BeckOK-Wendtland, BGB, § 133, Rn. 6; Alexander NJW 2012, 1986 m.w.N.). Bei Abgabe ihrer Willensäußerung in Zusammenhang mit dem Aufsichtsratsbeschluss handelten die Aufsichtsratsmitglieder mit Handlungs- und Erklärungsbewusstsein, nicht dagegen mit dem entsprechenden Geschäftswillen. Handelt der Erklärende zwar mit Erklärungsbewusstsein, aber - weil er sich z.B. über Formvorschriften irrt - ohne entsprechenden Geschäftswillen, ist der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung - wie hier - gleichwohl erfüllt (vgl. Wendtland a.a.O.).

3.

Gleichermaßen wirksam ist die Aufhebung des Lizenzvertrages am 02.06.2009, obwohl sie ebenfalls nur von dem Mitvorstand Zeugen Sn€ ohne Zusatz unterzeichnet ist (K 3).

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Aufsichtsrat in seiner Sitzung vom 27.07.2009 einen Beschluss hierüber gefasst hat. Die vorgelegten, nicht unterschriebenen Protokolle sind hierzu unterschiedlich (Anlagen Kläger, Bl. 190, Anlagen Beklagter, Bl. 26), weisen aber übereinstimmend aus, dass G€ nicht anwesend war, so dass es zu keinem mündlichen Vertragsschluss kommen konnte.

Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass bereits am 02.06.2009 mündliche Einigkeit über die Aufhebung des Lizenzvertrages gegen eine Abstandszahlung zwischen dem Aufsichtsrat und G€ erzielt wurde. Der Zeuge Sn€ sagte aus, dass sämtliche Beteiligten am 02.06.2009 anwesend waren und einen Aufhebungsvertrag zu dem Geschäftsführeranstellungsvertrag unterschrieben haben, was eine von ihm vorgelegte Kopie dieser Vereinbarung belegt (Bl. 560). Gleichzeitig seien sich die Beteiligten darüber einig gewesen, dass der Lizenzvertrag gegen eine Abstandszahlung aufgehoben wird. Da die Beteiligten davon ausgegangen seien, hierbei handle es sich um ein operatives Geschäft, bei dem der Vorstand die Schuldnerin vertrete, habe der Zeuge den Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Die Angaben stimmen mit den Aussagen des Zeugen B€ überein, der sich nur nicht an die Anwesenheit des Mitaufsichtsrates T€ erinnern konnte, die sich aber aus der Unterzeichnung der Aufhebung des Geschäftsführeranstellungsvertrages ergibt. Der Zeuge M€ konnte nicht ausschließen, dass sich alle am 02.06.2009 zur Unterzeichnung der Aufhebung des Geschäftsführeranstellungsvertrages getroffen haben. Insbesondere im Hinblick auf die zeitgleiche Aufhebung des Geschäftsführeranstellungsvertrages mit sämtlichen Unterschriften und den im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der Zeugen steht für den Senat eine einvernehmliche mündliche Aufhebung des Lizenzvertrages bei gleichzeitiger Anwesenheit der Beteiligten zu den in dem nichtigen Vertrag darlegten Konditionen fest.

Auch insoweit steht einer entsprechenden Willensbekundung des Aufsichtsrats und der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegen, dass die Beteiligten davon ausgingen, der Beschluss des Aufsichtsrats müsse erst noch durch den Vorstand umgesetzt werden.

4.

Der Studienvertrag ist unwirksam. Der schriftliche Studienvertrag vom 05.06.2006 ist gemäß § 112 AktG i.V.m. § 134 BGB nichtig, weil er auf Seiten der Schuldnerin von dem Zeugen Sn€ ohne Zusatz (K 1) unterzeichnet ist und der Aufsichtsrat sich - wie dargetan - nicht durch den Vorstand vertreten lassen konnte. Ein mündlicher Vertrag in Anwesenheit aller Aufsichtsratsmitglieder und des G€ scheidet ebenfalls aus. Die Beklagte bezieht sich auf einen Umlaufbeschluss des Aufsichtsrats vom Juni 2006 (Bl. 471, 473).

5.

Ohne Rechtsgrund erbracht sind die von der Beklagten abgerechneten Spesen. Für sie findet sich keine vertragliche Grundlage. In Betracht kommt lediglich der Anstellungsvertrag, der in § 11 (Anlagen Beklagte, Bl. 23) den Ersatz von Aufwendungen nach dem Bundesbeamtentarif vorsieht. Die Beklagte hat weder dargetan, inwieweit die von ihr abgerechneten Spesen tatsächlich in Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit ihres Geschäftsführers bei der Schuldnerin angefallen sind, noch nach dem Bundesbeamtentarif erstattungsfähig abgerechnet.

Im Ergebnis kann der Kläger danach erstattet verlangen:

Lizenzvertrag Januar bis August 2007, 8 Monate x € 5.960,00 = €47.680,001. bis 11. September 2007, € 5.960,00 : 30 Tage x 11 Tage = €2.185,33Studienvertrag 2. Rate € 25.000,00Spesen € 3.031,92zusammen €77.897,256.

Der Zinsanspruch ist aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB seit Rechtshängigkeit begründet.

Die Rechtshängigkeit ergibt sich für die einzelnen Ansprüche wie folgt:

Rechtshängigkeit ab dem 26.08.2010 (Zustellung der Klage, Bl. 15, Zusammensetzung Bl. 2, 58):

Lizenzvertrag 2007 € 70.500,00 2008 €71.400,00 2009 € 113.050,00Aufhebung Lizenzvertrag €83.300,00Studienvertrag € 71.400,00 €409.650,00Rechtshängigkeit nach teilweiser Klagerücknahme und Klageerweiterung ab dem 16.09.2011 (Schriftsatz Bl. 98, Zustellung Bl. 109):

Lizenzvertrag 2007 €71.400,00 2008 €71.400,00 2009 €35.700,00Aufhebung Lizenzvertrag € 124.950,00Studienvertrag €25.000,00Spesen € 6.131,12 €334.581,12Mit Ausnahme der Spesenforderung ist von einer Rechtshängigkeit seit dem 26.08.2010 auszugehen. Für die Spesenforderung trat Rechtshängigkeit dagegen erst mit Zustellung des Schriftsatzes vom 09.09.2011 am 16.09.2011 ein.

7.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

8.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da der Rechtssache im Hinblick auf die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 112 AktG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

9.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird wie folgt festgesetzt:

Lizenzvertrag 2007 €70.500,00 2008 €71.400,00 2009 €35.700,00Aufhebungsvertrag € 124.950,00Studienvertrag 2. Rate €25.000,00Spesen € 3.031,92insgesamt €330.581,92Der Streitwert für die erste Instanz wird für die Parteien wie folgt festgesetzt:

Lizenzvertrag 2007 €71.400,00 2008 €71.400,00 2009 €113.050,00Aufhebung Lizenzvertrag € 124.950,00Studienvertrag €71.400,00Spesen € 6.131,12insgesamt €458.331,12Für den Gebührenstreitwert erster Instanz sind in Bezug auf die Parteien sämtliche in erster Instanz geltend gemachten Ansprüche zusammenzurechnen, da über sämtliche Ansprüche mündlich verhandelt wurde und keine Ermäßigungstatbestände nach Anl. 1 Nr. 1211 GKG bzw. Anl. 1 Nr. 3101 RVG vorliegen.

Der Streithelfer ist erst nach der teilweisen Klagerücknahme und Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 09.09.2011 (Bl. 98) beigetreten (Bl. 169), so dass sich seine Gebühren nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden niedrigeren Streitwert richten.

Für den Streithelfer wird der Gebührenstreitwert erster Instanz wie folgt festgesetzt:

Lizenzvertrag 2007 €71.400,00 2008 €71.400,00 2009 €35.700,00Aufhebung Lizenzvertrag € 124.950,00Studienvertrag €25.000,00Spesen € 6.131,12 €334.581,12






Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 14.01.2015
Az: 7 U 68/13


Link zum Urteil:
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