Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. November 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 74/04

(BPatG: Beschluss v. 16.11.2004, Az.: 27 W (pat) 74/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegen die für

"Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"

in den Farben "rot, schwarz" eingetragene Wort-/Bildmarke 302 51 282 Wiedergabe der Markeist Widerspruch eingelegt aus der in Deutschland u.a. für die Waren

ÇVêtements pour hommes, femmes et enfants, y compris robes en peau, chemises, chemisiers, jupes, tailleurs, jaquettes, pantalons, shorts, maillots de corps, tricots, pyjamas, chaussettes, sousvêtements en tricot, corsages, portejarretelles, slips, combinaisons, chapeaux, foulards, cravates, impermeables, pardessus, manteaux, costumes de bain, combinaisons de sport, anoraks, pantalons de ski, ceintures, fourrures (vêtements), echarpes, gants (habillement), robes de chambre, chaussures, y compris pantoufles, chaussures de sport, bottesÈ

geschützten international registrierten Marke 650 695 PRADA

.

Die Markenstelle hat den Widerspruch mangels Gefahr der Verwechslung der Marken zurückgewiesen. Die Vergleichsmarken seien zwar zur Kennzeichnung identischer Waren bestimmt, jedoch sei kein so erheblicher Grad einer Ähnlichkeit der Zeichen feststellbar, dass eine ernsthafte Verwechslungsgefahr anzunehmen wäre. Dies gelte selbst dann, wenn der Widerspruchsmarke auf dem Warengebiet der Bekleidung eine erhöhte Kennzeichnungskraft zuerkannt werde. In ihrer Gesamtheit unterscheide sich die jüngere Marke schon durch die zusätzlichen Elemente des roten fünfzackigen Sterns und das Markenworts "TV", die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung fänden. Mit schriftbildlichen und klanglichen Verwechslungen der Marken ihrem Gesamteindruck nach sei deshalb nicht zu rechnen. Die jüngere Marke sei auch nicht durch den Markenbestandteil "PRAVDA" derart geprägt, dass der Verkehr sie allein mit diesem Bestandteil bezeichne und die weiteren Bestandteile als für die Kennzeichnung völlig unbeachtlich vernachlässige. Der Bestandteil "TV", der schon optisch mit dem anderen Markenwort eine Gesamtheit bilde, habe im Hinblick auf die beanspruchten Waren keinerlei erkennbaren Bezug, sodass der Verkehr ihn schon deshalb nicht vernachlässigen werde. Hinzu komme, dass das Wort "PRAVDA" an die einzige sowjetische Tageszeitung erinnere und der jüngeren Marke daher ohne weiteres die Bedeutung "PRAVDA Television" beigelegt werden könne.

Die offenkundigen Unterschiede zwischen den Markenwörtern "PRAVDA" einerseits und "PRAVDA" andererseits verhinderten auch, dass die Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten. Bei der Prüfung der assoziativen Verwechslungsgefahr sei nicht von einer flüchtigen akustischen Aufnahme auszugehen, sondern vorrangig auf einen sorgfältigen und aufmerksamen Betrachter abzustellen. Damit fehle es an einem den beiden Marken gemeinsamen Stammbestandteil mit Hinweischarakter auf die Betriebsstätte der Inhaberin der älteren Marke.

Die Widersprechende tritt dem mit ihrer Beschwerde entgegen. Zur Begründung ihres Antrags auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Löschung der jüngeren Marke verweist sie zunächst auf die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die zu den bekanntesten Modemarken der Welt zähle. Im übrigen trägt sie vor: Der Rote Stern in der jüngeren Marke werde als schmückendes Beiwerk nicht beachtet und spiele bei der klanglichen Wiedergabe der Marke ohnehin keine Rolle. Der auch in Marken für Waren der Klasse 25 häufig verwendete Markenbestandteil "TV" sei originär kennzeichnungsschwach, sodass letztlich die Markenwörter "PRADA" und "PRAVDA" einander gegenüberstünden. Diese unterschieden sich zumindest klanglich nicht ausreichend. Ein begrifflicher Gehalt von "PRAVDA" sei nicht unmittelbar zu erschließen, zumal das frühere Zentralorgan des Zentralkomitees der KPdSU sich "PRAWDA" geschrieben habe.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die gemäß § 165 Abs. 4 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Absatz 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den Vergleichsmarken nicht besteht.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der mit den jeweiligen Marken beanspruchten Waren und Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Diese Verwechslungsgefahr ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Produktidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist, dergestalt, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Ähnlichkeitsgrad der Waren und Dienstleistungen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2003, 1044, 1045 - Kinder; GRUR 2004, 239 - DONLINE, jeweils m.w.Nachw.).

Im vorliegenden Fall kann, wie auch von der Markenstelle bereits angenommen, eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke unterstellt werden. Auch die Waren, für die die Vergleichsmarken eingetragen sind, sind identisch. Daraus folgt, dass die jüngere Marke einen sehr deutlichen Abstand zu der älteren einhalten muss, um Verwechslungen auszuschließen. Dieser Abstand ist hier gegeben.

Schriftbildlich besteht ohnehin keine Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken. Im übrigen ist bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit von dem Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt (vgl. BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 Goldbarren). Dabei kann ein einzelner Zeichenbestandteil unter Umständen eine besondere das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft aufweisen, so dass die anderen Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund treten. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.

Der Vermutung der Widersprechenden, der Verkehr werde sowohl den optisch deutlich hervorgehobenen roten Stern ignorieren als auch den Zusatz "TV" bei der Benennung der Marke nicht berücksichtigen, vermag der Senat nicht zu folgen. Da es sich bei Bekleidung um Waren handelt, die mit dem Fernsehen in keiner erkennbaren Beziehung stehen, kann nicht unterstellt werden, "TV" sei eine Sachangabe, die der Verkehr bei der Bezeichnung dieser Produkte einfach wegließe. Dagegen spricht auch die Wiedergabe der Bestandteile "PRAVDA" und "TV" in gleicher Größe und gleichem Schrifttyp, wodurch der Eindruck ihrer Zusammengehörigkeit entsteht. Die von der Widersprechenden genannten zahlreichen ua für Waren der Klasse 25 geschützten Drittmarken mit dem Bestandteil "TV" rechtfertigen ebenfalls nicht die Annahme, der Verkehr schenke diesem Bestandteil keine Beachtung. Ein Blick auf diese Marken zeigt, dass der Bestandteil "TV" mit den weiteren Bestandteilen meist zu einem einheitlichen Begriff verbunden ist (zB game TV, Adventure TV, Fashion TV, Golden TV, Smash TV, CYBERRADIO TV usw). Ist der Verkehr aber im Bekleidungsbereich an solche Kombinationen gewöhnt, wird er "PRAVDA TV" mit diesen in eine Reihe stellen und daher umso weniger Anlass für eine Benennung nur mit "PRAVDA" haben.

Selbst wenn aber nicht gänzlich irrelevante Teile des Verkehrs gleichwohl die jüngere Marke allein mit "PRAVDA" benennen würden, wäre eine Gefahr der Verwechslung nicht gegeben. Denn diese Bezeichnung unterscheidet sich schon auf Grund der im deutschen Sprachraum völlig unüblichen auffälligen Konsonantenfolge, die an eine slawische Sprache erinnert, in signifikanter Weise von der Widerspruchsmarke, was im allgemeinen auch nicht überhört werden kann. Mangels Übereinstimmungen, die den aufmerksamen Verbraucher zu Fehlschlüssen hinsichtlich eines gemeinsamen Herstellers der betreffenden Waren veranlassen könnten, ist, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, auch keine Gefahr eines gedanklichen In-Verbindung-Bringens zu befürchten.

Gründe: für ein Abweichen von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 MarkenG, demzufolge alle Beteiligten ihre Kosten selbst zu tragen haben, sind nicht ersichtlich.

Dr. Schermer Richter Schwarzkann wegen Urlaubs nicht unterschreiben Dr. Schermer Dr. van Raden Na






BPatG:
Beschluss v. 16.11.2004
Az: 27 W (pat) 74/04


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