Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2001
Aktenzeichen: 28 W (pat) 141/00
(BPatG: Beschluss v. 05.12.2001, Az.: 28 W (pat) 141/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 23. Februar 2000 aufgehoben.
Der Löschungsantrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung GARTENKRALLE am 19. September 1995 unter der Nummer 2 911 717 in das Markenregister eingetragen worden, und zwar zunächst für die Waren
"durch Halbdrehung betätigbarer Bodenkultivator mit Beidhandgriff".
Gegen die Eintragung dieser Marke ist Löschungsantrag gestellt und im wesentlichen damit begründet worden, daß die angegriffene Marke entgegen § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG eingetragen worden sei, da es sich lediglich um eine sprachübliche Weiterbildung des seit Jahren für Gartengeräte geläufigen Fachbegriffs "Kralle" bzw. "Blumenkralle" handele.
Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und jeglichen Warenbezug der von ihr als Zeichenwort kreierten Wortneuschöpfung bestritten, zumal die beanspruchte Ware gerade nicht nach dem Prinzip einer sog. "Kralle" arbeite, falls es diese Fachbezeichnung überhaupt gebe. Zur Verdeutlichung dieses Umstands hat sie ihr Warenverzeichnis wie folgt neu gefaßt:
"durch Halbdrehung betätigbarer Bodenkultivator mit an einem Ende eines Stiles rotationssymmetrisch angeordneten Zinken und einem am anderen Ende vorgesehenen, S-Form aufweisenden Beidhandgriff".
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patentamts hat die Löschung der angegriffenen Marke mit der Begründung angeordnet, es handele sich hierbei um eine Wortkombination, die in üblicher Weise aus bekannten und beschreibenden Angaben zusammengesetzt sei und unmittelbar auf ein Gerät zur Gartenarbeit hinweise. Der Verkehr werde in der Bezeichnung lediglich eine warenbezogene Angabe sehen und ihr keinerlei betriebskennzeichnende Funktion beimessen. Im übrigen sei das Markenwort geeignet, in prägnanter und schlagwortartiger Form den Bestimmungszweck der Waren zu beschreiben und deshalb auch den Mitbewerbern freizuhalten.
Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin und Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Das Wort "Gartenkralle" sei bezogen auf den Eintragungszeitpunkt weder als Wort noch als Fachbezeichnung nachweisbar, was bereits für seine Schutzfähigkeit als Marke spreche. Es könne mit dem Begriff "Kralle", so es sich hierbei überhaupt um einen anerkannten Fachbegriff handele, nicht gleichgesetzt werden, da die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren eine völlig andere Funktionsweise hätten, als die von der Antragstellerin aufgezeigten Beispiele, bei denen es sich um sog. Grubber handele. Für die gegenteilige Behauptung der Markenabteilung gebe es weder einen lexikalischen Hinweis noch irgendwelche Belege. Auch die Pauschalbehauptung, bei der angegriffenen Marke handle es sich um einen Sach- und Werbebegriff, der den Bestimmungszweck beschreibe und das Kaufverhalten des Verkehrs beeinflusse, sei nicht belegt. Für die Schutzfähigkeit spreche auch, daß die Marke in den deutschsprachigen Ländern Österreich und Schweiz eingetragen worden und die Anmeldung beim europäischen Harmonisierungsamt zur Veröffentlichung freigegeben sei.
Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Für sie handelt es sich bei der angegriffenen Marke um ein inzwischen fest etabliertes Fachwort zur Bezeichnung eines bestimmten Gartengerätes, das sprachlich von der sog. "Kralle" abgeleitet sei, einer Bezeichnung, die nicht nur im Gartenbau Verwendung finde (zB auch als Blumen- oder Jätkralle), sondern auch im Bauwesen als Angabe für Befestigungselemente (Fugen-, Abstands-, Einschlagkrallen). Die Voranstellung des Wortes "Garten" lege mithin nur den Einsatzbereich fest und sei damit für ein Gartengerät glatt beschreibend. Daß das Wort für den Eintragungszeitpunkt nicht nachweisbar sei, spiele keine Rolle, da es sprachüblich gebildet und seine Verwendung naheliegend gewesen sei.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet, weil die Voraussetzungen für die Löschung der angegriffenen Marke nicht gegeben sind. Die Marke "Gartenkralle" ist nicht entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden (§ 50 MarkenG Abs 1 Nr 3), andere Löschungsgründe sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Weder im Zeitpunkt der Eintragung noch im Zeitpunkt der Entscheidung (§ 50 Abs 1, Abs 2 Satz 1 MarkenG) standen oder stehen der Marke die in § 8 MarkenG aufgeführten absoluten Schutzhindernisse entgegen.
2. Der angegriffenen Marke kann ein Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht entgegengehalten werden. Nach dieser Vorschrift sind nur solche Bezeichnungen vom Schutz als Marke ausgeschlossen, die eine konkret warenbezogene beschreibende Sachaussage enthalten, die auf eine bestimmte, für die umworbenen Abnehmerkreise bedeutsame Eigenschaft der Ware selbst Bezug nimmt (BGH GRUR 1998, 465, 467 - BONUS; 1998, 813, 814 - CHANGE; BlPMZ 1999, 410, 411 - FOR YOU). Eine solche Bezeichnung stellt das Markenwort nicht dar.
Weder die Antragstellerin noch die Markenabteilung haben ausreichend berücksichtigt, daß bezogen auf den Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke das Wort "Gartenkralle" nicht nachweisbar ist, was indiziell zunächst einmal gegen seinen Charakter als beschreibende Sachangabe spricht. Zwar können auch Wortneuschöpfungen ohne weiteres einen beschreibenden Gehalt aufweisen und unter dem Gesichtspunkt eines künftigen Freihaltebedürfnisses (- vor allem wenn sie dazu noch sprachüblich gebildet sind -) von der Eintragung als Marke ausgeschlossen sein. Maßgeblich ist in allen diesen Fällen letztlich die Frage des unmittelbaren Warenbezugs, der um so näher liegt, je mehr ein entsprechendes Wort bereits auf dem entsprechenden Warengebiet und ggf für gleiche oder vergleichbare Waren Verwendung findet. Vorliegend kommt die Besonderheit hinzu, daß es bei Gartengeräten einen bestimmten Typus gibt, der - wie die Antragstellerin durch Vorlage von Warenprospekten und Auszügen aus Gartenfachbüchern belegt hat - schon vor der Eintragung der angegriffenen Marke unter der Bezeichnung "Grubber" bzw. "Kralle" auf dem Markt war. Hierbei handelt es sich um ein - der Tierkralle nachgebildetes - rechenförmiges Gerät mit Zinken und einem kurzen Handgriff, das zur Lockerung des Bodens eingesetzt wird und gelegentlich auch als "Blumenkralle" oder "Jätkralle" auftritt. Im Gegensatz dazu stellen sich die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren als ein handbetätigter Bodenkultivator dar, der nach einem völlig anderen technischen Prinzip arbeit und quasi Spaten, Hacken und Grabegabeln ersetzt. In der technischen Literatur wurden diese Geräte zunächst als Handkultivator bezeichnet (vgl. GebrS DE 295 19 243, EP 0 264 711) und nach Markteinführung des Produkts der Markeninhaberin und Eintragung der angegriffenen Marke erstmals als "sog. Gartenkralle" erwähnt (vgl. DE-OS 196 23 721 mit Anmeldetag 14.6.96). Was indes eine solche "Gartenkralle" dem reinen Wortsinn nach ist, läßt sich ohne Kenntnis der damit gekennzeichneten Ware dem bloßen Wort nicht entnehmen, denn weder wird damit der "Garten gekrallt" noch entspricht es dem als "Kralle" bekannten Gerätetyp. In der Gartenbaufachliteratur findet sich indes auch nach dem Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke der Begriff "Gartenkralle" entweder gar nicht (zB Smith & Hawken, Das große Buch der Gartengeräte, 1998) oder häufig in Anführungsstrichen oder mit dem Zusatz "sog.", während zB das Jahrbuch "Garten und Technik" der Stiftung Warentest von 1999 korrekt vom "markenrechtlich geschützten Namen Gartenkralle" spricht.
Bereits diese Überlegungen zeigen, daß von einer unmittelbar warenbeschreibenden Sachangabe, wie sie die Markenabteilung ohne nähere Begründung unterstellt hat, keine Rede sein kann. Vielmehr ist das Wort in sich viel zu indifferent und schwammig, um in bezug auf die Waren eine Angabe zu sein, die eine konkrete Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe enthält. Nach Auffassung des Senats kann nach der tatsächlichen Erkenntnislage dem Begriff in Alleinstellung kein eindeutiger Hinweis auf eine bestimmte, für den Verkehr bedeutsame Eigenschaft der Waren selbst entnommen werden. Daß sich das Markenwort in den letzten Jahren möglicherweise in dieser Richtung entwickelt hat und heute verbreitet Verwendung als Bezeichnung für die geschützte Ware findet, wie eine kurze Internet-Recherche des Senats mit Hinweisen auf zahlreiche andere Hersteller dieses Gerätetyps belegt, erlaubt entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine retrospektive Betrachtung, da nicht auszuschließen ist, daß diese sprachliche Entwicklung auf den Markterfolg der Markeninhaberin zurückzuführen ist, zumal diese in der mündlichen Verhandlung mit aller Deutlichkeit dargelegt hat, wie intensiv sie die Marke gegenüber Dritten verteidigt. Gleichermaßen spielt auch die Art der Wortbildung (hier möglicherweise angelehnt an Wörter wie Parkkralle, Fugenkralle u.ä.) solange keine Rolle, wie das Ergebnis für die beanspruchte Ware keinen unmittelbaren Sachbezug aufweist. In Kenntnis von Gerätenamen wie "Kralle" oder "Blumenkralle" angestellte Überlegungen auf den Einsatzzweck und die Funktionsweise des Gerätes reichen schließlich als mögliche mittelbare Hinweise ebenfalls für die Annahme einer beschreibenden Angabe iS des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht aus. Ohnehin benötigen die Mitbewerber der Markeninhaberin einen eher unbestimmten Begriff nicht als beschreibende Angabe, sondern werden nur auf solche Angaben zurückgreifen, die unmißverständlich erkennen lassen, welche Eigenschaften oder sonst maßgeblichen Umstände in bezug auf die Waren beschrieben werden sollen.
3. Die eingetragenen Marke weist auch die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG auf. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden, zumal der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, und es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht (BGH GRUR 1999, 492, 495 - Altberliner). Kann demnach einer Wortmarke kein für die in Frage stehenden Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer beschreibenden Verwendung in der Werbung (BGH WRP 1998, 495, 496 - Today) - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH BlPMZ 1999, 408, 409 - YES).
Die angemeldete Wortmarke weist, wie im Hinblick auf das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG bereits festgestellt wurde, keinen konkret beschreibenden Begriffsgehalt auf. Das angesprochene Publikum hätte mithin die Marke einer wenn vielleicht auch nur oberflächlichen gedanklichen Analyse unterziehen müssen, um bei den so gekennzeichneten Waren zu der möglicherweise im Vordergrund stehenden Bedeutung zu gelangen. Ebensowenig vermag der Senat festzustellen, daß das Wort "Gartenkralle" vom Publikum stets nur als gebräuchliches Wort der deutschen Sprache und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden worden wäre, was nach den getroffenen Feststellungen schon deshalb fern liegt, weil es sich hierbei um eine im Eintragungszeitpunkt völlig unbekannte Wortneuschöpfung gehandelt hat.
Danach kann der Marke eine ausreichende Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Eine besondere Originalität, etwa durch eigenartige Wortbildung oder eine Heraushebung aus der Umgangssprache, ist darüber hinaus nicht erforderlich (vgl BGH Altberliner aaO).
4. Soweit die Antragstellerin befürchtet, von der Markeninhaberin auch bei beschreibender Verwendung des angegriffenen Markenworts in Anspruch genommen zu werden, ist das ein für die Prüfung der Eintragungsfähigkeit unbeachtlicher Umstand, dem allein durch eine sachgerechte Anwendung des § 23 Nr 2 MarkenG Rechnung getragen werden kann. Auch eine eingetragene Marke gibt hiernach ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen zu benutzen, wenn dieses als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren geschieht.
5. Für der Senat bestand keine Veranlassung, von der gesetzlichen Regelung im § 71 Abs 1 MarkenG abzuweichen, wonach die Beteiligten des Verfahrens ihre Kosten selbst zu tragen haben.
Stoppel Martens Voit Fa
BPatG:
Beschluss v. 05.12.2001
Az: 28 W (pat) 141/00
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