Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Januar 2000
Aktenzeichen: 19 W (pat) 27/98
(BPatG: Beschluss v. 26.01.2000, Az.: 19 W (pat) 27/98)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 01 B des Deutschen Patentamts vom 2. Februar 1998 aufgehoben. Die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I Das Deutsche Patentamt - Prüfungsstelle für Klasse G 01 B - hat die am 24. Oktober 1994 mit der Bezeichnung "Geber zur Erfassung von Drehstellungen" eingereichte Anmeldung durch Beschluß vom 2. Februar 1998 mit der Begründung mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 3 und eine neue Beschreibung mit Zeichnungen vorgelegt.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Lenkung für Kraftfahrzeuge mit Drehwinkelgeber (16) zur elektrischen Erfassung des Lenkwinkels, mit einem im Kraftfahrzeug undrehbaren, flachen Gehäuse (17) mit einer beide Gehäusestirnwände (18,19) durchsetzenden Hohlwelle (20), die auf ein sich bei Lenkbewegungen drehendes Wellenstück (4) der Lenkung aufschiebbar und mit diesem Wellenstück durch gegengleiche Mitnehmer bzw. Unrundheiten am Innenumfang der Hohlwelle (20) sowie am Außenumfang des Wellenstückes (4) drehfest kuppelbar ist".
Mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen soll die Aufgabe gelöst werden, eine konstruktiv vorteilhafte Lenkung mit Drehwinkelgeber zu schaffen (S 3 Abs 2).
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 3, Beschreibung Seiten 1 bis 8 und zwei Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2000.
Hilfsweise regt die Anmelderin die Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt an.
Die Anmelderin vertritt die Ansicht, bei dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 komme es nunmehr auf eine einfache Montage des Drehwinkelgebers auf einem Wellenstück an, das sich bei Lenkbewegungen dreht. Hierzu weise das Gehäuse des Drehwinkelgebers eine Hohlwelle auf, die auf dieses Wellenstück aufschiebbar und mit ihm drehfest kuppelbar sei. Das Meßprinzip des Drehwinkelgebers sei grundsätzlich bekannt. Bei der Montage des Drehwinkelgebers nach der deutschen Patentschrift 37 03 591 sei ein freies Ende des sich drehenden Wellenstücks notwendig, in das ein Gewindebolzen eingeschraubt werde, auf dem Teile des Drehwinkelgebers befestigt würden. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei somit neu und auch nicht in naheliegender Weise aus dem im Prüfungsverfahren bekannt gewordenen Stand der Technik herleitbar.
II Die zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren insoweit Erfolg, als der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 01 B des Deutschen Patentamts aufzuheben war, weil der gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem bislang ermittelten Stand der Technik neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die geltende Fassung des Patentanspruchs 1 ist zulässig. Die Verwendung eines allgemeinen Drehwinkelgebers - dh ohne Angabe seines Meßprinzips - zur Montage an der Lenkung für Kraftfahrzeuge geht aus den ursprünglichen Unterlagen Seite 2 Absatz 2 hervor; die Ausbildung des Gehäuses sowie der Hohlwelle des Drehwinkelgebers und seine Montage auf dem sich bei Lenkbewegungen drehenden Wellenstück der Lenkung ist auf Seite 6 letzter Absatz in Verbindung mit der ursprünglichen Figur 3 beschrieben.
1. Neuheit Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu, da aus keiner der im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften eine Lenkung für Kraftfahrzeuge mit Drehwinkelgeber zur elektrischen Erfassung des Lenkwinkels bekannt ist, die alle im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist.
Aus der deutschen Patentschrift 37 03 591 ist, in Übereinstimmung mit dem Gegenstand von Patentanspruch 1, eine Vorrichtung zum Erzeugen eines elektrischen Signals entsprechend dem Lenkeinschlag an einer Lenkung für Kraftfahrzeuge, also eine Lenkung für Kraftfahrzeuge mit Drehwinkelgeber zur elektrischen Erfassung des Lenkwinkels bekannt (Sp 1 Z 3 bis 7). Der bekannte Drehwinkelgeber 36 weist ein Gehäuse 12, 42 mit einem hutförmigen Gehäusedeckel 42 auf, in dem eine Induktionsspule 38 angeordnet und das undrehbar im Kraftfahrzeug angeordnet ist (Fig 1 iVm Sp 2 Z 66 bis Sp 3 Z 14).
Im Unterschied zum Anspruchsgegenstand ist der bekannte Gehäusedeckel 42 mit dem Gehäuse 12, in dem das Lenkgestänge (Zahnstange 14, Antriebsritzel 16 und Gleitlager) angeordnet ist, verschraubt. In den Gehäusedeckel ragt ein Magnetkern 34 als axial verschiebliches Sensorelement des Drehwinkelgebers 36, das über einen Gewindebolzen 28 mit der freien Stirnseite 24 des Antriebsritzels 16 als Wellenstück, das sich bei Lenkbewegungen dreht, verbunden ist. Bei der bekannten Anordnung weist der Drehwinkelgeber 36 somit kein flaches Gehäuse auf, dessen Gehäusestirnwände von einer Hohlwelle durchsetzt werden, die auf ein sich bei Lenkbewegungen drehendes Wellenstück der Lenkung aufschiebbar ist. Eine drehfeste Kopplung zwischen diesem Wellenstück und einer Hohlwelle ist somit auch nicht angesprochen.
Die übrigen noch im Verfahren befindlichen Druckschriften betreffen lediglich die Konstruktion von Drehwinkelgebern, ohne daß ihre Montage an Lenkungen für Kraftfahrzeuge angesprochen ist. Da diese Druckschriften somit über den vorstehend abgehandelten Stand der Technik nicht hinausgehen und auch keine neuen Gesichtspunkte bringen, wurden sie in der mündlichen Verhandlung weder von der Anmelderin noch vom Senat aufgegriffen. Es erübrigt sich somit, hierauf näher einzugehen.
2. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von der aus der deutschen Patentschrift 37 03 591 bekannten Lenkung für Kraftfahrzeuge mit Drehwinkelgeber zur elektrischen Erfassung des Lenkwinkels stellt sich die anmeldungsgemäße Aufgabe, eine konstruktiv vorteilhafte Lenkung mit Drehwinkelgeber zu schaffen, dem mit der Entwicklung und Konstruktion von Sensorsystemen in Kraftfahrzeugen zur Erfassung der aktuellen Fahrzeugdaten vertrauten Fachmann - einem Fachhochschulingenieur auf dem Gebiet der physikalischen Meßtechnik - in der Praxis von selbst. Denn dieser wird stets bestrebt sein, konstruktiv einfachere Montagemöglichkeiten für Sensorsysteme, wie Drehwinkelgeber, zu schaffen, um deren Einbau und Auswechselung zu erleichtern.
Die Erfinder haben nun erkannt, daß die Konstruktion einer Lenkung mit Drehwinkelgeber erheblich verbessert werden kann, wenn die beiden Gehäusestirnwände des im Kraftfahrzeug undrehbaren, flachen Gehäuses des Drehwinkelgebers von einer Hohlwelle durchsetzt werden, die auf ein sich bei Lenkbewegungen drehendes Wellenstück der Lenkung aufschiebbar ist und die mit diesem Wellenstück durch gegengleiche Mitnehmer bzw Unrundheiten am Innenumfang der Hohlwelle sowie am Außenumfang des Wellenstückes drehfest kuppelbar ist, wie es im einzelnen im Patentanspruch 1 angegeben ist. Hierzu bildet die deutsche Patentschrift 37 03 591 kein Vorbild. Denn bei der Lenkung mit Drehwinkelsensor, wie sie in der deutschen Patentschrift 37 03 591 beschrieben ist, wird ein Teil des Drehwinkelgebers, nämlich der axial bewegliche Magnetkern, auf der freien Stirnseite des sich bei Lenkbewegungen drehenden Wellenstücks befestigt, während das andere Teil des Drehwinkelsensors, die Induktionsspule, mit dem Gehäusedeckel am Gehäuse des Lenkgestänges verschraubt wird. Es bedarf somit erfinderischer Überlegungen, um zur Lenkung für Kraftfahrzeuge mit Drehwinkelgeber des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
III Da das Patentbegehren nunmehr auf konstruktive Einzelheiten der Verbindung des Drehwinkelgebers mit der Lenkung gerichtet ist, die im bisherigen Verfahren noch nicht geprüft wurden, sieht der Senat davon ab, die Erteilung des Patents auf der Grundlage des neuen Patentbegehrens zu beschließen. Er hält es vielmehr für geboten, die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen (PatG § 79 Abs 3 S 1). Bei der Prüfung dieses Patentbegehrens wird die zuständige Prüfungsstelle den einschlägigen Stand der Technik zu ermitteln haben, der sich mit der Montage von Drehwinkelgebern auf ein sich bei Lenkbewegungen drehendes Wellenstück der Lenkung von Kraftfahrzeugen befaßt.
Dr. Kellerer Schmöger Dr. Mayer Dr.-Ing. Kaminskibe
BPatG:
Beschluss v. 26.01.2000
Az: 19 W (pat) 27/98
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