Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. April 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 41/03

(BPatG: Beschluss v. 15.04.2005, Az.: 14 W (pat) 41/03)

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Patent 44 41 691 wird unter Abänderung der Bezeichnung in "Verwendung eines feinkörnigen Quarzsandprodukts" mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2005, Beschreibung Seiten 2, 2a, 3 und 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2005.

1 Seite Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß vom 25. April 2003 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 44 41 691 mit der Bezeichnung

"Feinkörniges Quarzsandprodukt, Verfahren zu seiner Herstellung und seine Verwendung"

widerrufen.

Dem Beschluß liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 13 zu Grunde, zu deren Wortlaut auf die Streitpatentschrift verwiesen wird.

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, das Quarzsandprodukt nach dem erteilten Anspruch 1 sei durch die Lehre der D6 US 3 660 123 neuheitsschädlich vorweggenommen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 12 weiterverfolgt.

Die geltenden Ansprüche 1, 6 und 10 lauten:

"1. Die Verwendung eines feinkörnigen Quarzsandproduktes, bei welchem das einzelne Korn (10) im Kern (2) aus Quarz und an der Oberfläche aus -Cristobalit besteht, das einzelne Korn des Quarzsandproduktes eine gerundete weitgehend unversehrte glatte Oberflächenstruktur aufweist und der Anteil des -Cristobalits am Gesamtkorn im Mittel 1 bis 25 Gew.-% beträgt, als Füllstoff in kunstharzgebundenen Massen.

6. Die Verwendung eines feinkörnigen Quarzsandproduktes, bei welchem das einzelne Korn (10) im Kern (2) aus Quarz und an der Oberfläche aus -Cristobalit besteht, das einzelne Korn des Quarzsandproduktes eine gerundete weitgehend unversehrte glatte Oberflächenstruktur aufweist und der Anteil des -Cristobalits am Gesamtkorn im Mittel 1 bis 25 Gew.-% beträgt, als Füllstoff in mineralisch gebundenen Massen.

10. Die Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 9, wobei -Quarzsand mit einem Mineralisator mit Na+-Ionen versehen und dann bei 1150 bis 1250¡C über einen Zeitraum von 5 bis 30 Minuten calciniert worden ist."

Zum Wortlaut der auf jeweils mindestens einen der Ansprüche 1 und 6 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Verwendungsansprüche 2 bis 5, 7 bis 9, 11 und 12 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Patentinhaberin trägt vor, ihrer Auffassung nach sei bereits das nach dem geltenden Anspruch 1 verwendete Quarzsandprodukt, insbesondere in der mit einem Mineralisator mit Na+-Ionen hergestellten Ausführungsform, neu und erfinderisch gegenüber dem durch D6 sowie den weiteren Entgegenhaltungen D1 Gmelins Handbuch der Anorganischen Chemie, 8. Auflage Teil B Silicium System Nr. 15 C, Seiten 303 und 304 D2 Keramische Zeitschrift (1988) Heft 5, Seiten 301 bis 303 D3 DE 33 21 589 C1 D4 Scholze/Hartmann "Einfluss von vorgebranntem Sand auf die Festigkeit von Kalksandstein", Internationales Symposium für dampfgehärtete Kalziumsilikatbaustoffe", Hannover 25./28.03.1969, Vortrag Nr. 77 D5 DE-OS 30 04 951 P1 DD-PS 160 962 P2 DE 29 35 482 C2 P3 Salmang/Scholze "Die physikalischen und chemischen Grundlagen der Keramik", Springer (1968), Seite 39 belegten Stand der Technik. Dies gelte umsomehr für die nunmehr beanspruchten Verwendungen, denn Quarzsandprodukte als Füllstoffe in kunstharzgebundenen oder mineralisch gebundenen Massen seien in keiner dieser Druckschriften erwähnt. Aus den weiteren Entgegenhaltungen D7 DE 40 40 602 A1 D8 EP 0 361 101 A1 D9 GB 2 200 931 A gehe lediglich in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift bereits abgehandelter, füllstoffhaltige Kunststoffmassen betreffender Stand der Technik hervor; es fehle an jeglicher Anregung, aus D6 möglicherweise bekannte Quarzsandprodukte als geeignete Füllstoffe anzusehen.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen sowie 1 Seite Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es sei für den Fachmann naheliegend gewesen, ein aus D6 an sich bekanntes Quarzsandprodukt für eine ausweislich der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift oder zB gemäß D7 bis D9 völlig übliche Verwendung für Quarzsand und Cristobalit in gemahlener und ungemahlener Form einzusetzen.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig; sie führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis.

1. Gegen die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche 1 bis 12 sind Bedenken in der mündlichen Verhandlung nicht mehr geltend gemacht worden und nach Auffassung des Senats auch nicht angezeigt.

Der geltende Anspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 4 und 11 in Verbindung mit Seite 6 Absatz 3 der ursprünglichen Beschreibung bzw auf die erteilten Ansprüche 1 und 7 in Verbindung mit Seite 3 Zeilen 39/40 der Streitpatentschrift zurück. Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 12 bis 15 bzw den erteilten Ansprüchen 8 bis 11.

Die Verwendung nach dem geltenden Anspruch 6 ist aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 4 und 16 in Verbindung mit Seite 6 Absatz 3 der Erstunterlagen bzw den erteilten Ansprüchen 1 und 12 in Verbindung mit Seite 3 Zeilen 39/40 der Streitpatentschrift abzuleiten. Die Verwendung nach Anspruch 7 ist dem ursprünglichen Anspruch 17 bzw dem erteilten Anspruch 13 zu entnehmen.

Die weiteren Merkmale der Ansprüche 8 bis 12 sind in den ursprünglichen Ansprüchen 3, 5 in Verbindung mit Seite 3 Absatz 6/7 der ursprünglichen Beschreibung, 6 und 8 in Verbindung mit Seite 6 Absatz 2 der ursprünglichen Beschreibung sowie 9 und 10 bzw in den erteilten Ansprüchen 2, 3, 4 in Verbindung mit Seite 3 Zeilen 33 bis 36 der Streitpatentschrift sowie 5 und 6 offenbart.

2. Die Verwendungen nach den geltenden Ansprüchen 1 und 6 sind neu.

Wie von der Patentinhaberin vorgetragen und von der Einsprechenden nicht bestritten wurde, betreffen die Druckschriften D1 bis D6 und P1 bis P3 keine kunstharzgebundenen oder mineralisch gebundenen Massen und die Entgegenhaltungen D7 bis D9 kein Quarzsandprodukt mit den gemäß Anspruch 1 und Anspruch 6 geforderten Merkmalen.

3. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 6 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zwar kann der Senat die Auffassung der Patentinhaberin nicht teilen, ein Quarzsandprodukt mit den in den geltenden Ansprüchen 1 und 6 definierten Merkmalen sei durch den Inhalt der D6 nicht vorweggenommen. Denn nach D6 wird - wie beim geltenden Patentbegehren, vgl hierzu Seite 3 Zeile 43 der geltenden Beschreibung - normaler Quarzsand eingesetzt (Sp 1 Z 22 bis 29 u 41 bis 43) und 5 bis 60 min bei 1200 bis 1550¡C erhitzt, wodurch ein Produkt mit einem Cristobalitgehalt von 60 bis 5 Prozent gebildet wird (Anspruch 1 iVm Sp 1 Z 64 bis 69). Aufgrund der identischen Verfahrensbedingungen muss das ungemahlene, den Drehrohrofen (nach der Figur der Entgegenhaltung) verlassende Produkt gleich beschaffen sein wie das patentgemäß verwendete. Der Offenbarungsgehalt der D6 geht dabei über den Einsatz von Calciumverbindungen als Mineralisator (Anspruch 1 und 1. Behandlungsstufe nach der Figur) hinaus, denn in Spalte 1 Zeile 52 bis 63 wird ein zu Gunsten der Calciumbehandlung ausfallender Vergleich mit einem mit Natriumsalz erhitztem und anschließend gemahlenem Material angestellt. Die Basis einer solchen vergleichenden Bewertung müssen mit Natriumsalz anstelle einer Calciumverbindung durchgeführte Versuche sein, für die - um den Vergleich nicht zu verfälschen - ansonsten gleiche Bedingungen beim Erhitzen zu unterstellen sind. Mit anderen Worten wird also bereits in D6 die Lehre gegeben, normalen Quarzsand für 5 bis 60 min mit Na+-Ionen als Mineralisator auf 1200 bis 1550¡C zu erhitzen; das nach dem Erhitzen anfallende, noch nicht gemahlene Material weist somit zwangsläufig sämtliche Eigenschaften des nach dem geltenden Anspruch 10 in der Rückbeziehung auf die Ansprüche 1 und 6 verwendeten Quarzsandprodukts auf.

Gleichwohl ergibt sich die Verwendung des derart vorbeschriebenen Materials als Füllstoff in kunstharzgebundenen oder mineralisch gebundenen Massen entgegen der Auffassung der Einsprechenden für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Es fehlt nämlich irgendein Hinweis oder eine Anregung in D6, dieses Material nicht wie dort nach Vermahlung zur Herstellung von Keramikwaren zu verwenden, sondern das unvermahlene Zwischenprodukt als Füllstoff in Massen mit polymeren organischen oder mit mineralischen Bindemitteln in Betracht zu ziehen.

Die Literaturstellen D1 bis D5 und P1 bis P3 können eine derartige Anregung schon deshalb nicht liefern, weil sie - wie erwähnt - eine derartige Anwendung nicht betreffen.

Auch die Dokumente D7 bis D9 geben dem Fachmann hierzu keine Veranlassung. Mit diesen in den Jahren 1988 bis 1992 veröffentlichten Druckschriften wird unstreitig auch die bekannte Verwendung von ungemahlenem Quarzsand und Cristobalitsand als Füllstoff in Kunstharzmassen belegt. Ein Hinweis, dass sich gerade das nach der Lehre der D6 aus dem Jahr 1972 anfallende Zwischenprodukt vor der Vermahlung für eine vergleichbare Verwendung besonders eignen sollte, ist aber aus keinem dieser Dokumente ohne Kenntnis der Lehre des Streitpatents abzuleiten. Vielmehr zeigen diese Entgegenhaltungen, dass (noch) ca 20 Jahre nach Veröffentlichung der D6 und ca 2 bis 4 Jahre vor dem Anmeldetag des Streitpatents die Bemühungen der Fachwelt in andere Richtungen gingen (vgl Schulte, PatG, 7. Auflage, § 4 Rdn 84).

4. Die geltenden Ansprüche 1 und 6 sind daher rechtsbeständig; mit ihnen haben die auf besondere Ausführungsformen dieser beiden Verwendungen gerichteten Unteransprüche 2 bis 5 und 7 bis 12 Bestand.

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Beschluss v. 15.04.2005
Az: 14 W (pat) 41/03


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