Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. März 2006
Aktenzeichen: 5 W (pat) 8/05
(BPatG: Beschluss v. 06.03.2006, Az.: 5 W (pat) 8/05)
Tenor
Der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Juli 2005 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Juli 2005, mit dem ihr Antrag auf Umschreibung des Gebrauchsmusters 203 08 160.9 (Streitgebrauchsmuster) zurückgewiesen worden ist.
Das eine Glühhaube betreffende Streitgebrauchsmuster wurde unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 23. Mai 2002 aus der DE 102 24 020.5-24 am 19. Mai 2003 von der A... GmbH angemeldet und am 4. September 2003 in das Register eingetragen.
Am 29. Oktober 2003 wurde mit Beschluss des AG Stendal über das Vermögen der Gebrauchsmusterinhaberin das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt B... zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2004 forderte die Beschwerdeführerin zunächst den patentanwaltlichen Vertreter der Schuldnerin zur Übertragung des Gebrauchsmusters sowie des Prioritätspatentes auf mit der Begründung, es handele sich um eine widerrechtliche Entnahme, und teilte mit, gegen das Patent, gestützt auf widerrechtliche Entnahme, vorsorglich Einspruch erhoben zu haben. Mit Schreiben vom 30. Januar 2004 machte sie den Anspruch auf Übertragung der Schutzrechte gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter geltend. Am 26. März 2004 setzte sie ihm eine letzte Frist bis zum 1. April 2004 und kündigte Vindikationsklage an, falls bis zu diesem Datum ihre Übertragungsansprüche nicht erfüllt seien.
Daraufhin erklärte Rechtsanwalt B... mit Schreiben vom 1. April 2004 nach Prüfung der Rechtslage und Rücksprache mit dem Vertreter der Insolvenzschuldnerin die Freigabe der beiden Schutzrechte aus der Insolvenzmasse.
Mit ihrer Eingabe vom 28. April 2004 beantragte die Beschwerdeführerin die Umschreibung beider Schutzrechte. Das Patent ist inzwischen auf die Beschwerdeführerin umgeschrieben (Umschreibebestätigung vom 28. Januar 2005), die daraufhin am 8. Februar 2005 den Einspruch zurückgenommen hat. Mit Beschluss des 11. Senats vom 28. Februar 2005 (11 W (pat) 314/04) ist das Patent aufrecht erhalten worden.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die Freigabeerklärung des Verwalters habe unter den konkreten Umständen keiner Angabe des Begünstigten bedurft, da sie unter Bezug auf das Schreiben der Beschwerdeführerin erfolgt sei. Die Freigabe sei nicht an die A... GmbH erfolgt, da diese insol- vent sei und nicht durch die Freigabe begünstigt sein könne.
Mit Beschluss vom 20. Juli 2005 hat die Gebrauchsmusterstelle den Umschreibungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass mit der Freigabe des Gebrauchsmusters das Verfügungsrecht wieder auf die eingetragene Inhaberin übergegangen sei, deren Umschreibungsbewilligung bislang nicht vorliege. Der Rechtsübergang könne deshalb noch nicht als nachgewiesen angesehen werden.
Gegen die am 5. August 2005 zugestellte Entscheidung ist am 5. September 2005 Beschwerde eingelegt worden.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Umschreibung des Gebrauchsmusters auf die C... GmbH anzu- ordnen.
Sie meint, die Freigabe streitbefangener Massegegenstände durch den Verwalter auf den Schuldner sei unwirksam und beruft sich hierzu auf ein Zwischenurteil des OLG Karlsruhe vom 25. Juli 2003 (14 U 207/01). Die Erklärung der Freigabe gegenüber dem Vertreter der Beschwerdeführerin könne daher nur so zu verstehen sein, dass die Freigabe zu Gunsten der Beschwerdeführerin erfolgt sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn die nach § 8 Abs. 4 Satz 1 GbmG erforderlichen Voraussetzungen für eine Umschreibung des Streitgebrauchsmusters auf die Beschwerdeführerin liegen vor. Nach dieser Vorschrift vermerkt das Patentamt eine Änderung in der Person des Inhabers des Gebrauchsmusters, wenn sie ihm nachgewiesen ist.
1. Unter einer Änderung in der Person ist jeder Wechsel des Rechtsinhabers zu verstehen (Busse/Schwendy, 6. Aufl., 2003, § 30 PatG Rdn. 48).
Ein solcher ist erfolgt:
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A... GmbH ist nach § 80 Abs. 1 InsO das Recht der Schuldnerin, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Wie sich aus § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO ergibt, steht dem Verwalter die Möglichkeit offen, Gegenstände aus der Insolvenzmasse freizugeben (MünchKomm zur InsO-Lwowski, 2001, § 35 InsO Rdn. 84).
In Betracht kommt, die Erklärung des Verwalters vom 1. April 2004 als echte oder als unechte Freigabe zu qualifizieren.
a) Bei der echten Freigabe wird der Gegenstand aus dem Insolvenzbeschlag gelöst und der Schuldner erlangt die Verfügungsbefugnis über ihn zurück (Münch-Komm-Lwowski, a. a. O., Rdn. 85). Sie erfolgt mit einer einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung des Verwalters gegenüber dem Schuldner, die den Willen, die Massezugehörigkeit auf Dauer aufzugeben, bestimmt erkennen lässt (BGHZ 127, 156, 163; Uhlenbruck, 12. Aufl., 2003, § 35 InsO Rdn. 23).
Die echte Freigabe kommt in Betracht, wenn die Kosten für die Verwaltung und Verwertung des Gegenstandes den voraussichtlichen Verwertungserlös übersteigen werden. Beispiele sind die Verhinderung der Belastung der Masse mit Realsteuern (z. B. Grundsteuern), Umsatzsteuern oder Umweltaltlasten. Sie kann auch aus taktischen Gründen erfolgen, indem der Verwalter gegenüber absonderungsberechtigten Gläubigern mit der Freigabe droht, um als Gegenleistung Kostenbeiträge für die Durchführung einer freihändigen Verwertung zu erzielen, beispielsweise gegenüber Grundpfandgläubigern, die bei einer Freigabe auf eine wenig lukrative Verwertung im Wege der Zwangsversteigerung angewiesen wären (MünchKomm-Lwowski, a. a. O., Rdn. 90 - 95).
Bei der unechten Freigabe gibt der Verwalter einen massefremden Gegenstand an einen Aussonderungsberechtigten frei (Uhlenbruck, a. a. O., Rdn. 29).
b) Die Erklärung des Verwalters vom 1. April 2004 ist als unechte Freigabe zugunsten der Beschwerdeführerin zu qualifizieren.
Gegen die Annahme einer echten Freigabe spricht schon der formale Umstand, dass die Erklärung nicht gegenüber dem Schuldner sondern gegenüber der Beschwerdeführerin erfolgt ist. Die in dem Schreiben vom 1. April 2004 angesprochene Rücksprache mit dem Vertreter der Insolvenzschuldnerin kann schon deshalb keine konkludente Freigabeerklärung der Schuldnerin gegenüber darstellen, da sie ersichtlich die Entscheidung über die Freigabe lediglich vorbereiten sollte.
Des weiteren ist vor dem Hintergrund der oben genannten Fallgruppen einer echten Freigabe auch kein Grund ersichtlich, warum das Gebrauchsmuster an die Schuldnerin zurückfallen sollte.
Soweit die Beschwerdeführerin damit argumentiert, die Erklärung des Verwalters vom 1. April 2004 könne schon deswegen keine Freigabe zu Gunsten der Schuldnerin darstellen, weil eine solche unzulässig sei, wenn es sich wie hier bei der Schuldnerin um eine Kapitalgesellschaft handele, ist dieser auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe gestützten Argumentation mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2005 (IX ZR 281/03) der Boden entzogen. Denn der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil die Entscheidung des OLG Karlsruhe aufgehoben und die Freigabe für zulässig erachtet.
Während der Annahme einer echten Freigabe die genannten Hindernisse im Wege stehen, lässt sich die Erklärung jedoch zwanglos als unechte Freigabe verstehen:
Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Schreiben vom 30. Januar 2004 Ansprüche wegen widerrechtlicher Entnahme des Erfindungsgegenstandes geltend gemacht und zum Beleg Unterlagen vorgelegt. Zur Vermeidung der Vindikationsklage gemäß § 8 PatG i. V. m. § 13 Abs. 3 GbmG hat sie den Verwalter zur Übertragung der Schutzrechte aufgefordert. Damit hat sie ein zur Aussonderung gemäß § 47 InsO berechtigendes Recht geltend gemacht (Uhlenbruck, § 47 InsO, Rdn. 67; MünchKomm zur InsO-Ganter, § 47 InsO, Rdn. 339) und dies mit Schreiben vom 26. März 2004 unter Fristsetzung zum 1. April 2004 wiederholt. Wenn daraufhin der Verwalter unter Bezugnahme auf dieses Schreiben und nach Prüfung der Rechtslage und Rücksprache mit dem Vertreter der Insolvenzschuldnerin die Freigabe erklärt, so ist dies verständigerweise dahin aufzufassen, dass die Freigabe nach Prüfung der Begründetheit des Vindikationsanspruchs an die Beschwerdeführerin als Aussonderungsberechtigte erfolgt ist.
2. Die Umschreibung erfordert, dass die Änderung in der Person des Inhabers dem Deutschen Patent- und Markenamt nachgewiesen ist.
Dieser Nachweis hat angesichts des Charakters der Umschreibung als Registerverfahren urkundlich zu erfolgen. Über die Zulänglichkeit des Nachweises entscheidet das Deutsche Patent- und Markenamt in freier Beweiswürdigung. Bei Zweifeln steht es dem Amt frei, weitere Nachweise anzufordern. Werden berechtigte Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Übertragung des Schutzrechts nicht ausgeräumt, hat das Deutsche Patent- und Markenamt die Umschreibung zu versagen (Busse/Schwendy, § 30 PatG Rdn. 68).
Nach den Umschreibungsrichtlinien (BlPMZ 2002, 11) genügt gemäß Ziffer 1.1.2 der Nachweis durch sonstige Unterlagen, aus denen sich die rechtsgeschäftliche Übertragung ergibt. Diese liegen mit der Aufforderung zur Freigabe und der Freigabeerklärung vor. Eine Umschreibebewilligung der Schuldnerin, durch deren Fehlen das Amt sich an der Umschreibung gehindert gesehen hat, ist nicht erforderlich, da das Schutzrecht nicht zu Gunsten der Schuldnerin freigegeben worden ist.
Da kein Anlass zu berechtigten Zweifeln an der Rechtswirksamkeit der Übertragung besteht, hat die Umschreibung zu erfolgen.
BPatG:
Beschluss v. 06.03.2006
Az: 5 W (pat) 8/05
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