ArbG Gelsenkirchen:
Urteil vom 15. Januar 2014
Aktenzeichen: 2 Ca 1310/13
(ArbG Gelsenkirchen: Urteil v. 15.01.2014, Az.: 2 Ca 1310/13)
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 03.05.2013 ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die vom 02.07.2013 datierende Abmahnung ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
4. Der Streitwert wird auf 4.950 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Entfernung zweier - wegen Nichtvorlage eines erweiterten Führungszeugnisses erteilter - Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin.
Die Klägerin ist gelernte Kranken- und Altenpflegerin und seit dem 01.06.2001 bei dem Beklagten als Mitarbeiterin im Sozial- und Erziehungsdienst beschäftigt, zuletzt mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 15,5 Stunden bei einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von rund 3.300 Euro. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2009 Mitglied der Mitarbeitervertretung. Zur Wahrnehmung der ihr seit dem Jahr 2013 als stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung obliegenden Aufgaben ist die Klägerin im Umfang von 19,5 Wochenstunden freigestellt.
Der Beklagte ist gemäß § 2 seiner Satzung als gemeinnütziger Verein korporatives Mitglied im Caritas-Verband für die Stadt H e. V. und über diesen dem deutschen Caritas-Verband e. V. in Freiburg angeschlossen. Zweck des Vereins ist die Förderung der Hilfe für Menschen mit Behinderungen, der Altenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Erziehung, der Volks- und Berufsbildung und des Wohlfahrtswesens sowie die selbstlose Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind (§ 2 Absatz 2 der Vereinssatzung). Zur Zweckerfüllung erbringt der Beklagte personenzentrierte Dienstleistungen, damit Menschen mit Behinderungen, Erkrankungen und sozialen Schwierigkeiten selbstbestimmt leben können und somit eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Der Beklagte betreibt in verschiedenen Regionen Nordrhein-Westfalens Behindertenheime, Außenwohnungen, Einrichtungen der tagesstrukturierten Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit geistigen Behinderungen.
Der Beklagte beschäftigt rund 900 Mitarbeiter und ist unter anderem in mehrere Wohnverbünde unterteilt.
Die Klägerin war ursprünglich im Wohnverbund A tätig, wechselte dann in den Wohnverbund Q und ist seit ca. dem Jahr 2010 im Wohnverbund D tätig. Dort war sie zunächst ein halbes Jahr lang im U-Haus eingesetzt, bevor sie ihre aktuelle Tätigkeit als persönliche Assistentin in dem Objekt E in H aufnahm, welches zum Bereich "Dezentrales Wohnen" gehört. Im Wohnverbund D betreuen ca. 15 Mitarbeiter acht Klienten im Haus - dort befindet sich auch das Mitarbeiterzimmer - und 22 Klienten in dezentralen Außenwohnungen. Der Klägerin sind zwei volljährige Klienten zugeordnet. Der Wohnverbund D bietet Wohnraum und Betreuung für erwachsene Menschen mit ausgeprägten psychischen Beeinträchtigungen, die zum Teil aus der Forensik beurlaubt worden sind, und umfasst folgende Standorte:
D-Haus, in H
Betreuung und Behandlung, in H
Haus X, in H
Dezentrales Wohnen, in H.
Aufgrund des für die Mitarbeiter im Bereich "Dezentrales Wohnen" erhöhten Risikos, gerade beim Aufsuchen der Außenwohnungen, galten in der Vergangenheit Beschäftigungsverbote für Schwangere.
Zum 01.05.2010 trat § 30a Bundeszentralregistergesetz (BZRG) in Kraft. Danach wird einer Person auf Antrag ein erweitertes Führungszeugnis erteilt,
1.
wenn die Erteilung in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist oder
2.
wenn dieses Führungszeugnis benötigt wird für
a)
die Prüfung der persönlichen Eignung nach § 72a des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe -,
b)
eine sonstige berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder
c)
eine Tätigkeit, die in einer Buchstabe b vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.
In das erweiterte Führungszeugnis sind Verurteilungen wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit und Freiheit von Minderjährigen aufzunehmen, auch wenn ihr Ausmaß für eine Aufnahme in ein normales Führungszeugnis nicht ausreicht (§ 32 Absatz 5 BZRG).
Am 23.09.2010 beschloss die Deutsche Bischofskonferenz eine Rahmenordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen. Diese wurde im Jahre 2011 in den Bistümern umgesetzt und richtet sich gem. Ziffer I § 1 Absatz 2 auch an alle sonstigen kirchlichen Rechtsträger und ihre Einrichtungen in Bezug auf ihre seelsorglichen, caritativen, liturgischen oder sonstigen pastoralen Tätigkeiten, Aufgaben oder Unternehmungen im Bereich der Diözese Essen. Die Präventionsordnung lautet auszugsweise wie folgt:
II. Personalauswahl
§ 2 Persönliche Eignung
(1) Kirchliche Rechtsträger tragen Verantwortung dafür, dass nur Personen mit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen betraut werden, die neben der erforderlichen fachlichen auch über die persönliche Eignung verfügen.
(2) Personen, die im Rahmen ihrer dienstlichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit Kinder und Jugendliche betreuen oder mit diesen regelmäßig in sonstiger Weise Kontakt haben können, dürfen in keinem Fall eingesetzt werden, wenn sie rechtskräftig wegen einer Straftat nach §§ 171,174 - 184g, 225, 232 - 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuches verurteilt worden sind.
§ 3 Erweitertes Führungszeugnis
(1) Zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 2 haben sich kirchliche Rechtsträger bei der Einstellung und im regelmäßigen Abstand von fünf Jahren von den eingesetzten Personen ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen zu lassen.
...
(3) Darüber hinaus gilt die Verpflichtung nach Abs. 1 unabhängig vom Beschäftigungsumfang für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den nachfolgend aufgeführten Bereichen, soweit sie Kontakt mit Kindern und Jugendlichen im Sinne von § 2 Abs. 2 haben:
1. Kirchengemeinden
...
5. Arbeit mit erwachsenen Schutzbefohlenen
...
(4) Die Pflicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses besteht auch für andere vergleichbar tätige Personen, die aufgrund der Art ihrer Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen Kontakt haben können. Hierzu zählen in der Regel Honorarkräfte, Praktikanten, Freiwilligendienstleistende und Mehraufwandsentschädigungskräfte (1-Euro-Jobber). Das Nähere kann in einer Ausführungsbestimmung geregelt werden.
Der mit der Klägerin abgeschlossene Dienstvertrag nimmt in seiner Präambel Bezug auf das Leitbild der Caritas.
Im Frühjahr 2012 begann die Beklagte mit der Umsetzung der Präventionsordnung und erstellte in diesem Zusammenhang den Entwurf eines Schulungsprogramms zur Vermeidung von Missbrauch und verlangte von ihren Mitarbeitern die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses. Die den Mitarbeitern für die Beantragung entstehenden Verwaltungsgebühren werden von dem Beklagten vollständig übernommen.
Mit Schreiben vom 22.06.2012 forderte der Beklagte die Klägerin auf, ein erweitertes Führungszeugnis beim Servicecenter Personal, in H bis zum 31.08.2012 vorzulegen. Durch ein Erinnerungsschreiben vom 06.12.2012 forderte der Beklagte die Klägerin erneut auf, das erweiterte Führungszeugnis bis spätestens zum 10.01.2013 einzureichen.
Die Klägerin beantragte bei der zuständigen Behörde die Erteilung eines erweiterten Führungszeugnisses. Dieser Antrag wurde abgelehnt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, inwieweit dies - wie der Beklagte unter Verweis auf die bei den übrigen Mitarbeitern bewilligten Anträge meint - auf das Verhalten der Klägerin selbst zurückzuführen ist.
Unter dem 03.05.2013 erteilte der Beklagte der Klägerin eine Abmahnung wegen Nichtvorlage des erweiterten Führungszeugnisses. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.05.2013 forderte die Klägerin den Beklagten vergeblich auf, die Abmahnung zu entfernen. Unter dem 02.07.2013 wurde die Klägerin erneut wegen Nichtvorlage des erweiterten Führungszeugnisses abgemahnt. Für die weiteren Einzelheiten der Abmahnungen wird auf die vorgelegten Kopien (Bl. 3 und 31 d. A.) Bezug genommen.
Mit ihrer am 13.06.2013 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen eingegangenen Klage und der am 01.08.2013 eingegangenen Klageerweiterung begehrt die Klägerin die Entfernung der Abmahnungen aus ihrer Personalakte.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei weder in Anwendung der Präventionsordnung des Bistums Essen noch in Anwendung des Bundeszentralregistergesetzes berechtigt, von ihr die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses anzufordern. Sie habe noch nie Kinder oder Jugendliche betreut, hierfür fehle es ihr auch an der erforderlichen Qualifikation. Sie habe während ihrer gesamten Beschäftigungszeit bei dem Beklagten keinerlei beruflichen Kontakt zu Minderjährigen gehabt und es bestünde für sie auch keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu minderjährigen Praktikanten, Auszubildenden und Bundesfreiwilligendienstleistenden. Sie betreue volljährige, psychisch erkrankte Menschen mit teils strafrechtlich relevanter Vorgeschichte; in diesem Bereich sei es - wie das Beschäftigungsverbot für Schwangere zeige - gar nicht zulässig, Kinder und Jugendliche einzusetzen; es gebe daher dort auch tatsächlich keine Praktikanten. Soweit 2 bis 3 Jugendliche pro Jahr in der Einrichtung tätig seien, beziehe sich dies ausschließlich auf Bereiche, in denen - wie beispielsweise in der Tagesstätte des U-Hauses - ein Gefährungspotenzial nicht gegeben ist.
Sie gehe damit auch keiner Tätigkeit nach, die in vergleichbarer Weise geeignet sei, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.
In anderen Bereichen, in denen es zu einem Kontakt mit Kindern und Jugendlichen kommen könnte, könne sie nicht eingesetzt werden. So komme ein Einsatz im Kinder- und Jugendwohnheim des Fachbereichs Autismus mangels entsprechender Qualifikation als Erzieherin oder Sozialarbeiterin nicht in Betracht. Ein Einsatz im U-Haus sei nicht möglich, da die dort zu verrichtende pflegerische Tätigkeit Arbeiten in Zwangshaltung sowie das Heben und Tragen schwerer Gewichte erfordere und sie aufgrund eines schweren Bandscheibenvorfalls sowie Arthrose nach Einschätzung der Betriebsärztin dort nicht eingesetzt werden solle. Im Übrigen bestreite sie, dass im U-Haus Schülerpraktikanten eingesetzt werden. Im Tagesstättenverbund würden ausschließlich Altentherapeuten, Psychotherapeuten sowie Heilerzieher eingesetzt, die über eine pädagogischtherapeutische Ausbildung verfügen, die sie nicht habe. Im Übrigen würden im Tagesstättenverbund allenfalls 1 bis 2 Jugendliche pro Jahr ein Praktikum absolvieren.
Auch im Rahmen ihrer Tätigkeit als stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung habe sie keinen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. Sie betreue insoweit ausschließlich Mitarbeiter der Beklagten. Zu diesen gehörten weder Praktikanten noch Bundesfreiwilligendienstleistende oder Auszubildende. Ganz überwiegend sei sie insoweit am Standort der Mitarbeitervertretung auf der Cstraße in H oder unter der Anschrift der Geschäftsführung Vstraße in H tätig. Bei der Beklagten sei zudem eine Jugendvertretung deshalb nicht eingerichtet, weil - wie eine Umfrage ergeben habe - keine Jugendlichen bzw. minderjährigen Mitarbeiter beschäftigt würden.
Selbst wenn eine Verpflichtung zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses bestehen sollte, sei zu berücksichtigen, dass sie hiergegen jedenfalls nicht schuldhaft verstoßen habe. Zudem sei das Vorgehen des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung bedenklich, da Leiharbeitnehmer nicht zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses aufgefordert würden.
Letztlich habe der Beklagte das Recht zur Abmahnung verwirkt, nachdem seit der erstmaligen Aufforderung durch den Beklagten bis zur ersten Abmahnung bereits rund 11 Monate vergangen seien.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 03.05.2013 ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen und
2. den Beklagten zu verurteilen, die vom 02.07.2013 datierende Abmahnung ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, er sei verpflichtet, gemäß § 3 der Präventionsordnung, welche für den Beklagten normativen Charakter habe - also unmittelbar und zwingend gelte - in Verbindung mit § 30 a Abs. 1 Ziffer 1 BZRG das erweiterte Führungszeugnis anzufordern, so dass sich die Weigerung der Klägerin als Verletzung dieser damit korrespondierenden arbeitsvertraglichen Verpflichtung darstelle. Da bei dem Beklagten minderjährige Praktikanten, Auszubildende und Bundesfreiwilligendienstleistende tätig seien und minderjährige Klientinnen und Klienten begleitet würden, hätten grundsätzlich alle Mitarbeiter die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, weshalb alle Mitarbeiter verpflichtet seien, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Schon aufgrund der Größe der Beklagten mit rund 900 Mitarbeitern und der offensiven Förderung von Schülerpraktikanten könne nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Kontakten mit Kindern und Jugendlichen kommen könne, z. B. im Rahmen von Kooperationen oder Projekten mit Kindergärten, Schulen, Konfirmationsgruppen oder Praktikanten und Auszubildenden. Insbesondere aus der Benennung der dritten Fallgruppe, § 30 a Abs. 1 Ziff. 2 litt. c BZRG werde ersichtlich, dass dem Arbeitgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zugebilligt werden müsse, denn nur er könne einschätzen, ob und inwieweit unter dem bei ihm gegebenen betrieblichen Verhältnissen Mitarbeiter zu Minderjährigen Kontakt aufnehmen könnten, mit denen ein Gefährdungspotential verbunden sei. Nicht nur der Hausmeister im Kinderheim oder die Köchin in der Kindertagesstätte, sondern auch Verwaltungsmitarbeiter, welche mit minderjährigen Auszubildenden und Praktikanten regemäßigen Kontakt hätten oder leicht herstellen könnten, fielen unter die spezifische Schutzregelung des § 30 a BZRG. Ein Bedürfnis zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses ergebe sich zudem aus § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz.
Der Beklagte behauptet weiter, die Klägerin sei in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Mitarbeitervertretung im gesamten Geschäftsbereich Ruhrgebiet unterwegs und habe so auch Kontakt mit minderjährigen Klienten und Praktikanten. Somit habe sie neben der ständigen Möglichkeit des unmittelbaren Kontaktes zu Bewohnern oder Praktikanten innerhalb der Dienststelle auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme im gesamten Geschäftsbereich des Ruhgebiets. Zum Geschäftsbereich Ruhrgebiet gehöre - was unstreitig ist - unter anderem das Kinder- und Jugendwohnheim des Fachbereichs Autismus, in welchem derzeit auf sechs stationären Plätzen Klienten im Alter zwischen 14 und 17 Jahren betreut würden. Eine zuverlässige Abgrenzung zu Jugendlichen könne sie deshalb gerade nicht garantieren, zumal eine eigenständige Jugend- und Auszubildendenvertretung in der Mitarbeitervertretungsordnung nicht vorgesehen und unstreitig nicht vorhanden sei.
Im Wohnverbund D, in welchem die Klägerin tätig ist, würden grundsätzlich auch Schülerpraktikanten nach sorgfältiger individueller Prüfung eingesetzt. Hierbei handele es sich um ca. 2-3 Jugendliche pro Jahr. Konkret seien im Jahr 2013 im U-Haus eine jugendliche Praktikantin während der Osterferien und zwei jugendliche Praktikantinnen im Juli eingesetzt worden. Es bestehe schon seit Jahren eine Kooperation mit dem T Gymnasium. Die Schülerpraktikanten würden weniger in den einzelnen Wohnungen der Klienten, sondern in den öffentlichen Sozialbereichen wie Fluren, Aufenthaltsräumen und der Tagesstruktur eingesetzt. Die Einrichtungsleitung beabsichtige, aufgrund der Personalfluktuation und des Klientenaufbaus im Bereich Dezentrales Wohnen künftig weitere jugendliche Schülerpraktikanten einzusetzen. Der Umstand, dass für Schwangere in der Vergangenheit ein Beschäftigungsverbot gegolten habe, schließe den Einsatz von jugendlichen Praktikanten in diesem Bereich nicht aus. Der erforderliche Schutz der Jugendlichen werde durch die enge Aufsicht eines Fachkundigen, wie auch der Klägerin, gewährleistet. Bei dem Wohnverbund D handle es sich um eine relativ kleine Einheit mit entsprechend übersichtlichen Raumangeboten, die bereits im täglichen Begegnungsverkehr einen zwingenden und permanenten Kontakt zwischen der Klägerin und potenziell in der Einrichtung befindlichen Minderjährigen bedeuteten. Insbesondere in den zur Verfügung gestellten Diensträumen sei es nahezu ausgeschlossen, dass es nicht zu einer Begegnung zwischen Mitarbeitern und minderjährigen Praktikanten komme.
Im Tagesstättenverbund biete der Beklagte für Jugendliche regelmäßig Praktikanten- und Hospitationsstellen an. Über alle Fachbereiche des Tagesstättenverbundes und über ein Jahr betrachtet befänden sich dort bis zu 2 jugendliche Kandidaten in je zweimal 6-wöchigen Praktika zum HEP-Helfer, 7 bis 8 Schüler in 3-wöchigen Schulpraktika, sowie einmal jährlich eine Konfirmandengruppe (10 bis 15 Kinder/Jugendliche) in Begleitung eines Pfarrers.
Im Hinblick auf den demografischen Wandel und den zu erwartenden Fachkräftemangel solle Schülern ab 16 Jahren im Rahmen eines 2-wöchigen Praktikums die zentralen Aspekte der Einrichtungskonzeption in einem festgelegten, näher beschriebenen Prozess erfahrbar gemacht werden. Dieser festgelegte Prozess, für dessen Einzelheiten auf den Schriftsatz des Beklagten vom 07.08.2013, Seite 12f (Bl. 62f d. A.) verwiesen wird, werde derzeit in einer Piloteinrichtung im Geschäftsbereich Ruhrgebiet des Beklagten überprüft. Jeder Praktikant erhalte eine feste Praktikumsbegleitung. Nur die enge Begleitung der Hospitanten biete unverzügliche Reaktionsmöglichkeiten zum Schutz des Jugendlichen. Es sei einleuchtend, dass ein erweitertes Führungszeugnis der Mitarbeiter - gerade bei den kurzfristigen Schülerpraktika - bereits bei Praktikumsantritt vorliegen müsse, was bei einer kurzfristigen Beantragung praktisch unmöglich sei.
Aber selbst wenn es derzeit nicht zu einem Kontakt mit Minderjährigen gekommen sein sollte, so sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund ihres Arbeitsvertrages, mit dem die Geltung des TVöD-B vereinbart worden sei, zulässigerweise im gesamten Einrichtungsbereich des Beklagten eingesetzt werden könne (§ 4 TVöD-B) und somit auch immer die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu Minderjährigen bestehe. Es seien auch in jeder Einrichtung nicht nur Fachkräfte eingesetzt, so dass die Klägerin als gelernte Altenpflegerin auch in anderen Einrichtungen eingesetzt werden könne. Es bestehe zudem eine wohnverbundsübergreifende Vertretungsregelung. Die von der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen bestreite sie mit Nichtwissen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf ersatzlose Entfernung der mit Schreiben vom 03.05.2013 und 02.07.2013 erteilten Abmahnungen aus ihrer Personalakte.
1.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen(vgl. BAG, Urteil vom 23.06.2009, Az. 2 AZR 606/08, juris; BAG, Urteil vom 27.11.2008, Az. 2 AZR 675/07, juris).
Bei der Abmahnung handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam. Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (vgl. BAG, Urteil vom 23.06.2009, Az. 2 AZR 606/08, juris). Eine solche missbilligende Äußerung des Arbeitsgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung unwirksam ist (vgl. BAG, Urteil vom 22.02.2001, Az. 6 AZR 398/99, juris; BAG, Urteil vom 16.11.1989, Az. 6 AZR 64/88, juris). Sie ist insbesondere dann unwirksam, wenn sie formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unzutreffende Tatsachen enthält, auf Tatsachen beruht, die vor Gericht nicht bewiesen werden können, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, unverhältnismäßig ist, verwirkt ist, trotz zutreffender Tatsachen durch Ehrverletzungen oder unsachliche Werturteile die Grenzen des vertraglichen Rügerechts überschreitet, oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Abmahnung besteht (vgl. BAG, Urteil vom 23.06.2009, Az. 2 AZR 606/08, juris).
2.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 03.05.2013 und 02.07.2013 nach §§ 242, 1004 BGB.
Die Klägerin hat durch die Nichtvorlage des erweiterten Führungszeugnisses keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, denn der Beklagte war - zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnungen - nicht berechtigt, die Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses von der Klägerin zu verlangen.
2.1
Ein Anspruch des Beklagten auf Vorlage des erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses ergibt sich nicht aus § 30a Absatz 1 BZRG.
2.1.1
Nach § 30a Absatz 1 BZRG wird einer Person auf Antrag ein erweitertes Führungszeugnis erteilt, wenn 1. die Erteilung in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist oder wenn 2. dieses Führungszeugnis benötigt wird a) für die Prüfung der persönlichen Eignung nach § 72a des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe -, b) eine sonstige berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder c) eine Tätigkeit, die in einer Buchstabe b vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.
Mit dem zum 01.05.2010 in Kraft getretenen § 30 a BZRG wurde das sog. erweiterte Führungszeugnis eingeführt, in welchem aus Gründen des Kinder- und Jugendschutzes auch Verurteilungen zu geringen Freiheits- oder Jugendstrafen aufgeführt werden, um so dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, insbesondere alle Verurteilungen nach den in der Norm genannten Vorschriften in sein Handeln mit einzubeziehen (BT-Dr 16/12427, Seite 7). Die damit zusammenhängende Belastung oder auch Schlechterstellung der Betroffenen wird mit der Vorgabe verknüpft, dass ein solches erweitertes Führungszeugnis auf Antrag des Betroffenen ausschließlich für einen besonderen, begrenzten Adressatenkreis auszustellen ist. Dies folgt aus § 30 a Absatz 1 BZRG. Es ist nur zu erteilen, wenn die Erteilung in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist oder wenn dieses Führungszeugnis für die Prüfung der persönlichen Eignung nach § 72 a SGB VIII - Kinder und Jugendhilfe -, eine sonstige berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder eine Tätigkeit benötigt wird, die in vergleichbarer Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.
2.1.2
Die Voraussetzungen des § 30a Absatz 1 Ziffer 1 BZRG sind vorliegend entgegen der Ansicht des Beklagten nicht erfüllt. Bei der Präventionsordnung handelt es sich schon weder im formellen noch im materiellen Sinne um eine gesetzliche Bestimmung im Sinne von § 30a Absatz 1 Ziffer 1 BZRG. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass in § 3 der Präventionsordnung eine separate Regelung zur Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen unter Bezugnahme auf § 30a Absatz 1 Ziffer 1 BZRG getroffen worden wäre. Vielmehr heißt es, dass sich kirchliche Rechtsträger ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 BZRG vorlegen lassen müssen, so dass pauschal auf die Regelung des § 30a Absatz 1 BZRG verwiesen wird.
2.1.3
Auch die Voraussetzungen des § 30a Absatz 1 Ziffer 2 BZRG liegen nicht vor.
Abgesehen von den Fällen, in denen die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gesetzlich vorgesehen ist, sollte mit § 30a Absatz 1 Ziffer 2 BZRG aufgrund des Zweckes des Gesetzes, nämlich dem Kinder- und Jugendschutz, eine Regelung getroffen werden, für alle diejenigen, die "kinder- oder jugendnah" tätig sind oder werden sollen (vgl. BT-Dr 16-12427, S. 7). Legt man insbesondere § 30 a BZRG Abs. 1 Ziff. 2 c vor dem Zweck des Gesetztes aus, so wird deutlich, dass nicht alle Mitarbeiter erfasst sind, sondern eben nur diejenigen, von denen eine besondere Gefahr für Kinder und Jugendliche vor dem Hintergrund der erfassten Straftatbestände ausgeht, die also regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und nicht lediglich gelegentlich auf sie treffen, wie jeder andere Unbeteiligte auch (vgl. Joussen, NZA 2012, 776 [779]). Bei Erziehern, Ausbildern und Betreuern sowie bei Trainern einer Kinder- oder Jugendmannschaft wird man dies sicher bejahen können. Andererseits sind aber auch immer grundgesetzlich geschützte Interessen der betroffenen Arbeitnehmer sowie datenschutzrechtliche Bestimmungen wie § 32 Absatz 1 Satz 1 BDSG zu berücksichtigen. Bei dem Mitarbeiter eines Kinder- und Jugendverbandes beispielsweise oder einem Organisten wäre also im Einzelfall darauf abzustellen, inwieweit dieser in besonderen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen kommt. Es können also nicht nur der Hausmeister im Kinderheim oder die Köchin in der Kindertagesstätte, sondern auch Verwaltungsmitarbeiter, welche mit minderjährigen Auszubildenden und Praktikanten regelmäßigen Kontakt haben oder leicht herstellen können, unter die spezifische Schutzregelung des § 30 a Absatz 1 Ziffer 2 BZRG fallen. Denn nur bei einer weiten Auslegung werden Personen erfasst, die zwar nur Hilfstätigkeiten ausüben, dabei aber häufig in engen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen treten (vgl. Löwisch/Mysliwiec, NJW 2012, 2389 ff. mit Hinweis auf ein Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe- und Familienrecht vom 27.07.2010, Das Jugendamt 2010, Seite 427 (429)). Auch wenn man dem Arbeitgeber in diesem Zusammenhang einen gewissen Beurteilungsspielraum zubilligen muss, da nur er einschätzen kann, ob und inwieweit unter den bei ihm gegebenen betrieblichen Verhältnissen Mitarbeiter zu Minderjährigen Kontakte aufnehmen können, mit denen ein Gefährdungspotential verbunden ist (vgl. Löwisch/Mysliwiec, a.a.O.), so ist auch hier zu beachten, dass die Aufforderung des Arbeitgebers gegenüber Beschäftigten, die keine zur Kontaktaufnahme mit Minderjährigen geeignete Tätigkeit ausüben, zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses ein Verstoß gegen § 32 BDSG darstellen kann.
Der Beklagte hat nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass die Klägerin tatsächlich eine Tätigkeit ausübt, die geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen im Sinne von § 30a Ziffer 2 c) BZRG aufzunehmen. Im Einzelnen:
(1)
Die Klägerin ist seit dem Jahr 2010 im Wohnverbund D und dort im Objekt E des Bereichs "Dezentrales Wohnen" eingesetzt und betreut zwei volljährige Klienten. In dem Bereich "Dezentrales Wohnen" werden auch ausschließlich volljährige, psychisch erkrankte Klienten betreut. Die anderen Standorte des Wohnbereichs D befinden sich über das Stadtgebiet H verteilt. Auch dort werden jedoch nur volljährige Klienten betreut.
(2)
Die Klägerin hatte im Rahmen ihrer über 12jährigen, vertraglichen Tätigkeit auch bislang keinen unmittelbaren Kontakt zu minderjährigen Praktikanten, Auszubildenden oder Bundesfreiwilligendienstleistenden. Unstreitig wurden in dem Bereich des Dezentralen Wohnens bislang keine Minderjährigen beschäftigt. Der Beklagte behauptet pauschal, dass die Einrichtungsleitung beabsichtige, aufgrund der Personalfluktuation und des Klientenaufbaus im Bereich Dezentrales Wohnen künftig weitere jugendliche Schülerpraktikanten einzusetzen. Diese ohne weitere Angaben insbesondere zum zeitlichen Horizont behauptete Beabsichtigung genügt nicht, um aktuell bzw. zum Zeitpunkt der Abmahnungen von einem Kontakt der Klägerin mit Minderjährigen im Sinne von § 30a Absatz 1 Ziffer 2c BZRG ausgehen zu können.
Zudem hat der Beklagte keinen einzigen Namen eines minderjährigen Auszubildenden, Praktikanten oder sonstigen Jugendlichen benannt, der - in dem nach Ansicht der Kammer relevanten Zeitraum zwischen dem Aufforderungsschreiben vom 22.06.2012 und dem Zugang der Abmahnung vom 03.05.2013 bzw. 02.07.2013 - in dem Umfeld der Klägerin eingesetzt war.
Selbst wenn man zugunsten des Beklagten davon ausgehen würde, dass im Jahr 2013 im U-Haus insgesamt 3 Schülerpraktikantinnen eingesetzt wurden, so genügt auch dies angesichts der Entfernung zu dem von der Klägerin betreuten Objekt nach Auffassung der Kammer nicht, um eine Vorlagepflicht nach § 30a Absatz 1 Ziffer 1c) BZRG zu begründen. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, aufgrund welcher konkreten Umstände es trotz der Entfernung der Einrichtungen zu einem Kontakt zu Minderjährigen mit gewisser Regelmäßigkeit gekommen ist bzw. üblicherweise kommen kann. Für die Kammer ist daher nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin eine Tätigkeit verrichtet, die es ihr ermöglicht, Kontakt zu Schülerpraktikanten im U-Haus aufzunehmen.
Auch wenn nach dem Vortrag des Beklagten im Rahmen der aktuell geschlossenen "Bildungsoffensive" vermehrt minderjährige Praktikanten eingesetzt werden und Schüler ihre dreiwöchigen Schulpraktika im Tagesstättenverbund sollen ableisten können, so scheint der für den Ablauf festgelegte Prozess auch nach dem Vortrag der Beklagten bisher nur in einer Piloteinrichtung im Geschäftsbereich Ruhrgebiet des Beklagten überprüft zu werden. Solange in der Einrichtung, in welcher die Klägerin seit nunmehr über 3 Jahren tätig ist, noch keine minderjährigen Praktikanten eingesetzt werden, ist gerade nicht anzunehmen, dass die Klägerin eine Tätigkeit ausübt, die geeignet ist, den Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. In diesem Zusammenhang ist dem Beklagten zwar zuzustimmen, dass ein erweitertes Führungszeugnis der betroffenen Mitarbeiter bereits bei Praktikumsantritt vorliegen müsste. Es ist jedoch - zumal angesichts des von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 07.08.2013 (Bl. 62f d. A.) dargelegten Verfahrensablaufs, nicht davon auszugehen, dass jegliche Art von Praktika - insbesondere Schülerpraktika - von heute auf morgen beantragt und durchgeführt werden, selbst wenn man einen möglichen Einsatz im "Dezentralen Wohnen" unterstellen würde.
(3)
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin aufgrund ihres Arbeitsvertrages, mit dem die Geltung des TVöD-B vereinbart wurde, im gesamten Einrichtungsbereich des Beklagten eingesetzt werden könnte und somit auch immer die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu Minderjährigen bestehe.
Zwar war die Klägerin nicht von Beginn an im Dezentralen Wohnen eingesetzt, sondern in den Jahren vor 2010 auch im Wohnverbund A sowie im Wohnverbund Q, allerdings ist die Klägerin nun seit 2010 im "Dezentralen Wohnen" eingesetzt und es bestehen keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie in eine Einrichtung versetzt würde, in welcher - wie im Kinder- und Jugendheim des Fachbereichs Autismus - Kontakt zu minderjährigen Klienten oder Praktikanten bestehen würde. Allein die abstrakte Möglichkeit einer Versetzung oder Abordnung nach § 4 TVöD-B rechtfertigt nach Ansicht der Kammer noch nicht die vorsorgliche Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses. Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der von dem Beklagten behaupteten wohnverbundübergreifenden Vertretungsregelung. Insoweit fehlt es an einem konkreten Sachvortrag dahingehend, in welchen Einrichtungen/Wohnverbünden die Klägerin nach welcher Vertretungsregelung vertretungsweise tätig werden muss bzw. in der Vergangenheit auch tatsächlich tätig wurde. Auf die Frage, inwieweit die Klägerin aufgrund ihrer Qualifikation und gesundheitlichen Situation zu Tätigkeiten in anderen Einrichtungen des Beklagten in der Lage wäre und verpflichtet werden könnte, kommt es daher vorliegend nicht an.
(4)
Aus dem Vorbringen des Beklagten ergibt sich auch nicht, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Mitarbeitervertretung in besonderer Weise Kontakt mit Kindern und jugendlichen Klienten oder Praktikanten aufnehmen kann. Die Klägerin hat angegeben, dass sie in ihrer Eigenschaft als stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung zu keiner Zeit Kontakt zu Minderjährigen hatte und dass im Geschäftsbereich Ruhrgebiet des Beklagten keine minderjährigen Mitarbeiter beschäftigt würden, sie auch überwiegend an den Standorten Cstraße und Vstraße in H tätig sei.
Wenn der Beklagte in diesem Zusammenhang angibt, im Geschäftsbereich Ruhrgebiet seien minderjährige Praktikanten eingesetzt gewesen, so ist nicht ersichtlich, ob die Klägerin in ihrer Funktion als Mitglied der Mitarbeitervertretung für diese Minderjährigen überhaupt zuständig war. Dem Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass eventuelle Treffen zwischen der Klägerin und minderjährigen Mitarbeitern im Büro der Mitarbeitervertretung stattfinden könnten, so dass sich die Häufigkeit, Ablauf usw. ihrer Kenntnis entziehen würden. Der Vortrag der Beklagten bietet der Kammer jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnungen sich der Klägerin in der Eigenschaft als Mitglied der Mitarbeitervertretung die Möglichkeit bot, in vergleichbarer Weise Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, wie dies bei Personen der Fall ist, die Minderjährige beruflich oder ehrenamtlich beaufsichtigen, betreuen, erziehen oder ausbilden. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass es in dem streitgegenständlichem Zeitraum überhaupt Minderjährige gab, für die die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Mitarbeitervertretung zuständig gewesen wäre.
2.2
Ein Anspruch des Beklagten auf Vorlage des erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses ergibt sich auch nicht aus §§ 2, 3 der Präventionsordnung für das Bistum Essen.
Da § 30 a BZRG abschließend regelt, wann auf Antrag ein erweitertes Führungszeugnis zu erteilen ist, kann die Präventionsordnung für das Bistum Essen die Vorlagepflicht nicht erweitern. Die Kirchen können bei den von § 30 a BZRG erfassten Personen erweiterte Führungszeugnisse einholen. Es finden dann dort jedoch die datenschutzrechtlichen Regelungen der Kirchen Anwendung, aus denen sich ebenfalls eine Beschränkung der Erhebung arbeitsplatzrelevanter Daten ergibt (vgl. vgl. Löwisch/Mysliwiec, a.a.O., Seite 2392). Dementsprechend stellt § 3 der Präventionsordnung auch darauf ab, dass das erweiterte Führungszeugnis von Personen vorzulegen ist, die mit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen betraut sind oder mit diesen regelmäßig in sonstiger Weise Kontakt haben können. Voraussetzung ist also auch hier, dass, wenn Kinder und Jugendliche nicht dienstlich oder ehrenamtlich betreut werden, zumindest regelmäßig in sonstiger Weise die Möglichkeit der Kontaktaufnahme bestehen muss. Dass dies vorliegend der Fall ist, vermochte der Beklagte - wie ausgeführt - nicht ausreichend darzulegen.
2.3
Der Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass ein weiteres Bedürfnis zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses sich aus § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz ergebe. Auch § 25 JArbSchG sieht vor, dass Personen, die einschlägig vorbestraft sind, Jugendliche nicht beschäftigen sowie im Rahmen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 1 nicht beaufsichtigen, nicht anweisen, nicht ausbilden und nicht mit der Beaufsichtigung, Anweisungen oder Ausbildung von Jugendlichen beauftragt werden dürfen.
Der Beklagte hat nicht einmal dargelegt, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum mit der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen beauftragt war oder diese tatsächlich anwies oder ausbildete. Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass hier bereits die Möglichkeit der Kontaktaufnahme ausreicht und es auf einen tatsächlichen Kontakt gar nicht mehr ankomme, so wurde nach Ansicht der Kammer nicht hinreichend vorgetragen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum bereits die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme hatte, die über eine Begegnung, die auch ansonsten an jeder Stelle zwischen Erwachsenen und Minderjährigen stattfinden kann, hinausgeht. Würde man in diesem Zusammenhang ausreichen lassen, dass nur die rein theoretische Möglichkeit einer Begegnung besteht, so könnte nahezu jeder - größere - Arbeitgeber von jedem Arbeitnehmer die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses fordern, was jedoch mit der Vorschrift des § 30a BZRG nicht in Einklang zu bringen wäre.
2.5
Ob die Abmahnung auch aus anderen, von der Klägerin geltend gemachten Gründen zu entfernen ist, konnte die Kammer nach alledem dahinstehen lassen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Absatz 2 ArbGG i.V.m. § 91 Absatz 1 ZPO. Der Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III.
Der nach § 61 Absatz 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert wurde mit 1,5 Bruttomonatsvergütungen der Klägerin, insgesamt 4.950 Euro, in Ansatz gebracht. Für die erste Abmahnung wurde eine Bruttomonatsvergütung und für die weitere, auf den gleichen Sachverhalt gestützte Abmahnung eine halbe Bruttomonatsvergütung berücksichtigt.
ArbG Gelsenkirchen:
Urteil v. 15.01.2014
Az: 2 Ca 1310/13
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1f3e971bbb76/ArbG-Gelsenkirchen_Urteil_vom_15-Januar-2014_Az_2-Ca-1310-13