Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. September 2008
Aktenzeichen: 3 Ni 22/04
(BPatG: Beschluss v. 01.09.2008, Az.: 3 Ni 22/04)
Tenor
1.
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Klägerin I.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 26. Juni 2007 hat der erkennende Senat der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurde auf 5.000.000,--€ festgesetzt. Aufgrund dieses Urteils hat die Rechtspflegerin am Bundespatentgericht durch den angegriffenen Beschluss vom 27. Mai 2008 die von der Beklagten an die Erinnerungsführerin zu erstattenden Kosten auf 53.064,00 € festgesetzt und die weitergehenden mit Kostenfestsetzungsantrag vom 12. November 2007 geltend gemachten Kosten in Höhe von 41.574,05 € für den mitwirkenden Rechtsanwalt als nicht erstattungsfähig zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin ausgeführt, dass die Kosten der Doppelvertretung durch Patentund Rechtsanwalt im vorstehenden Verfahren nicht notwendig waren, da auch nach den Ausführungen der Klägerin I die für eine Anerkennung dieser Kosten als notwendig erforderlichen "besonderen rechtlichen Schwierigkeiten", denen der Patentanwalt ohne die Hilfe eines Rechtsanwalts alleine nicht zu begegnen vermag, nicht vorgelegen hätten. Auch die nach den Ausführungen der Klägerin I zum Zeitpunkt der Beauftragung des mitwirkenden Rechtsanwalts bestehenden rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Nichtigkeitsbeklagten und Wettbewerbern der Klägerin I sowie dem Hersteller eines von der Klägerin I vertriebenen Fentanylpflasters, rechtfertigten keine andere Bewertung, da ein Verletzungsverfahren zwischen der Klägerin I und der Nichtigkeitsbeklagten zu keinem Zeitpunkt anhängig gewesen sei und deshalb ein Abstimmungsbedarf nicht bestanden habe. Allein die Befürchtung, die Gegenseite könne eine Verletzungsklage erheben und eine "rein vorsorgliche" Doppelvertretung", könne kostenrechtlich nicht zu Lasten der unterliegenden Partei gehen. Dies gelte auch hinsichtlich des Prozesses zwischen der Nichtigkeitsbeklagten und dem Hersteller eines von der Klägerin I vertriebenen Fentanylpflasters vor dem Landgericht München, der im Übrigen nicht das gegenständliche deutsche Patent zum Gegenstand habe. Anders als in einem parallelen Verletzungsverfahren, in dem sich dieselben Parteien wie im Nichtigkeitsverfahren gegenüberstünden und das Urteil des Nichtigkeitsverfahrens unmittelbare Auswirkungen auf das Verletzungsverfahren haben könne, bestünden solch enge, unmittelbare Verknüpfungen mit nicht am Verletzungsverfahren beteiligten Dritten nicht. Es bestehe somit für die Klägerin I kein irgendwie gearteter Koordinierungsbedarf.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Erinnerung der Klägerin I, soweit die Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts in Höhe von 33.012,-€ als nicht erstattungsfähig angesehen wurden. Sie macht geltend, dass trotz der Verschiedenheit der Schutzrechte die Frage, der Nichtigkeit des hierzu parallelen Streitpatents von erheblicher Bedeutung für das Verletzungsverfahren vor dem LG München sei, die Klägerin I davon ausgehen musste, dass die Beklagte ebenfalls ein Verletzungsverfahren anstrengen werde und deshalb die Mitwirkung eines Rechtsanwalts angezeigt gewesen sei und ein Abstimmungsund Koordinierungsbedarf bestanden habe.
Die Klägerin I beantragt, den angefochtenen Beschluss insoweit aufzuheben als die Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt als nicht erstattungsfähig zurückgewiesen worden sind und diese Kosten mit 33.012,00 € festzusetzen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und ausgeführt, dass eine Doppelvertretung nicht als sachdienlich veranlasst gewesen sei, da die Klägerin I weder von der Beklagten aus dem Streitpatent noch aus einem anderen Schutzrecht der zugehörigen Patentfamilie verwarnt worden sei, die Klägerin auch nicht Partei im Verletzungsverfahren vor dem LG München sei und dieses nicht das Streitpatent, sondern das aus der DE-Prioritätsanmeldung entstandene EU-Patent und ein hieraus abgezweigtes Gebrauchsmuster betreffe.
Die Rechtspflegerin am Bundespatentgericht hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die gemäß § 23 Abs. 2 RPflG i. V. m. § 104 Abs. 3 ZPO, §§ 84 Abs. 2, 121 Abs. 2 PatG zulässige Erinnerung ist unbegründet und zurückzuweisen, da die von der Klägerin I mit Kostenfestsetzungsantrag vom 20. Dezember 2007 (Bl. 1574 d. A.) in Ansatz gebrachten Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts, welche nunmehr mit 33.012,00 € beziffert werden, nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO notwendig waren. Diese Kosten sind deshalb in dem angegriffenen Beschluss vom 17. April 2008 (Bl. 1641-1649 d. A.) zu Recht als nicht erstattungsfähig zurückgewiesen worden.
1.
Der Senat teilt die Auffassung, dass eine entsprechende Anwendung der für Verfahren in Patentstreitsachen in § 143 Abs. 3 PatG geregelten Erstattungsfähigkeit von Gebühren und Auslagen des mitwirkenden Patentanwalts in Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht abzulehnen ist (vgl. Rogge in Benkard, PatG 10. Aufl., § 84 Rdn. 31; BPatG BlPMZ 2008, 82, 63 -Doppelvertretung im Patentnichtigkeitsverfahren). Einer solchen entsprechenden Anwendung der mit § 143 Abs. 3 PatG anerkannten allgemeinen -und im Gegensatz zur früheren Rechtslage gemäß § 143 Abs. 5 PatG unbeschränkten -Erstattungspflicht der Kosten bei Doppelvertretung steht mangels einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke das Analogieverbot entgegen. Denn der Gesetzgeber hat mit dem KostRegBerG v. 13. Dezember 2001 (BGBl. I 3656, 3761) und der seit 1. Januar 2002 geltenden Neufassung des § 143 Abs. 3 PatG in Kenntnis einer schon zuvor bestehenden und auch bis dahin nur von der Rechtsprechung ausgefüllten Gesetzeslücke den Anwendungsbereich des § 143 PatG nicht auf Patentnichtigkeitsverfahren erstreckt (vgl. hierzu bereits BPatG BlPMZ 2008, 22, 63 -Doppelvertretung im Patentnichtigkeitsverfahren).
2.
Danach ist für das Patentnichtigkeitsverfahren hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines mitwirkenden Rechtsanwalts auf den nach § 84 Abs. 2 PatG anwendbaren allgemeinen Kostengrundsatz des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzustellen, wonach dem Gegner die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten sind, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtverteidigung notwendig waren. Insoweit wird in dem angegriffenen Beschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass bei Prüfung der Notwendigkeit darauf abzustellen ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte, wobei die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen darf und lediglich gehalten ist, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH GRUR 2005, 271 m. w. N.). Dabei ist jede Partei zudem verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung möglichst gering zu halten (vgl. auch Hartmann in Baumbach /Lauterbach ZPO, 66. Aufl., § 91 Rdn. 29; BVerfG NJW 1990, 3073; BGH FamRZ 2004, 866). Dieses Gebot sparsamer Prozessführung wird in § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO für die Kosten durch die Vertretung mehrerer Rechtsanwälte dahingehend konkretisiert, dass diese Kosten diejenigen eines Rechtsanwalts nicht übersteigen dürfen, sofern kein Wechsel stattgefunden hat. Diese Beschränkung gilt nach der Rechtsprechung auch dann, wenn sich Spezialfragen stellen (vgl. Baumbach / Lauterbach ZPO 66. Aufl., § 91 Rdn. 136).
3.
Zu berücksichtigen ist auch, dass insoweit für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist (BGH GRUR 2005, 294; NJW 2003, 901, 902 -Auswärtiger Rechtsanwalt I), wenn dies auch von einer Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls nicht entbindet (vgl. hierzu bereits Beschluss des Senats vom 11. Februar 2008 Az. 3 ZA (pat) 39/08; BPatG BlPMZ 2008, 22, 63 -Doppelvertretung im Patentnichtigkeitsverfahren) und eine Erstattungsfähigkeit ausnahmsweise begründen kann. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall mit Fug darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungsoder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (BGH GRUR 2005, 294; NJW 2003, 901, 902 -Auswärtiger Rechtsanwalt I).
4.
Hieraus folgt, dass eine Doppelvertretung im Patentnichtigkeitsverfahren nur in solchen besonders gelagerten Ausnahmefällen als notwendig i. S. v. § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden kann, in denen im Einzelfall -wie der angegriffene Beschluss zutreffend hervorhebt -"besondere rechtliche Schwierigkeiten" gegeben sind, denen der Patentanwalt ohne die Hilfe eines Rechtsanwalts alleine nichtzu begegnen vermag (vgl. auch BPatG BlPMZ 2008, 22 -Doppelvertretung im Patentnichtigkeitsverfahren) oder im Hinblick auf unmittelbare Auswirkungen auf ein Verletzungsverfahren, in denen eine rechtliche Abstimmung geboten sein kann und wegen der insoweit maßgeblichen Rechtsfragen die Mitwirkung eines Rechtsanwalts auch im Nichtigkeitsverfahren als zur vollen Wahrnehmung der eigenen Belange sachdienlich angesehen werden kann. Wie in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt ist, fehlt es aber vorliegend bereits deshalb an derartigen Gründen, welche im Einzelfall eine Doppelvertretung rechtfertigen können, weil die Klägerin I weder von der Beklagten aus dem Streitpatent oder aus einem anderen Schutzrecht der zugehörigen Patentfamilie verwarnt worden ist noch Partei im Verletzungsverfahren vor dem LG München ist und dieses Verfahren auch nicht das Streitpatent betrifft, sondern ein auf der DE-Prioritätsanmeldung basierendes EU-Patent und ein hieraus abgezweigtes Gebrauchsmuster. Es war deshalb in vorliegendem Verfahren mangels unmittelbarer Auswirkungen der Art und Weise des Angriffs und der Verteidigung des Streitpatents auf sonstige Rechtspositionen der Klägerin I nicht notwendig, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO allein im Hinblick auf eine theoretisch mögliche Verletzungsklage und der Auswirkungen des vorliegenden Verfahrens auf Dritte und auf weitere Schutzrechte die Mitwirkung eines Rechtsanwalts zu veranlassen, zumal die Parteien dem Gebot einer sparsamen Prozessführung unterliegen. Ob das vorliegende Nichtigkeitsverfahren erhebliche Bedeutung für das Verletzungsverfahren vor dem LG München hat, ist deshalb -ungeachtet der hiermit angeblich verbundenen tatsächlichen Fragestellungen, welche die Klägerin I nicht präzisiert hat -bereits aus den genannten Gründen nicht erheblich, da diese grundsätzlich keine hinreichende Veranlassung für eine notwendige Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren und Belastung der Gegenseite mit den erheblichen Mehrkosten begründen können.
5. Auch sonstige Umstände, wie besondere rechtliche Schwierigkeiten des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens, welche eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich, zumal sich die Klägerin I hierauf nicht berufen hat. Insoweit ist maßgeblich, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit der Kosten auf eine Betrachtung ex ante abzustellen ist (vgl. auch Bork in Stein-Jonas ZPO, 22. Aufl., § 91 Rdn. 80; Hartmann in Baumbach/Lauterbach ZPO, 66. Aufl., § 91 Rdn. 103 m. w. N. auf die Rspr.; OLG Hamm Rpfleger 2001, 616, 617 -Kosten eines Privatgutachtens; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 572) und es für die Beurteilung der zur vollen Wahrnehmung der eigenen Belange der Klägerin I erforderlichen Schritte nicht darauf ankommt, welche einzelnen Umstände im Verlauf des Verfahrens aufgrund einer rückschauenden Betrachtung eine mitwirkende Beauftragung eines Rechtsanwalts hätten rechtfertigen können und ob die Mitwirkung tatsächlich Einfluss auf den Verfahrensverlauf genommen hat, sondern es ist ausschließlich maßgeblich, ob die Klägerin I im Zeitpunkt der Mandatserteilung eine mitwirkende Vertretung durch einen Rechtsanwalt als sachdienlich ansehen durfte. Derartige Umstände sind jedoch nicht ersichtlich.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 84 Abs. 2 PatG, 97 Abs. 1 ZPO, wonach der unterliegenden Erinnerungsführerin die Kosten des Erinnerungsverfahrens aufzuerlegen sind. Der Wert des Erinnerungsverfahren wird entsprechend der Höhe der geltend gemachten Kosten mit 33.012,00 € festgesetzt.
Dr. Schermer Dr. Schuster Engels Be
BPatG:
Beschluss v. 01.09.2008
Az: 3 Ni 22/04
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