Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 10. Januar 2005
Aktenzeichen: 20 W 106/04
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 10.01.2005, Az.: 20 W 106/04)
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.000,-- EUR
Gründe
Die zulässige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Die Vorinstanzen haben die Eintragung der angemeldeten Aktiengesellschaft in das Handelsregister zutreffend abgelehnt, da die gewählte Firma unzulässig ist.
Seit Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes (HRefG) vom 22. Juni 1998 (BGBl. I S. 1474) zum 01. Juli 1998 ist zur Firma der Aktiengesellschaft in § 4 AktG nur noch vorgeschrieben, dass diese Firma den Rechtsformzusatz Aktiengesellschaft oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten muss. Die früher bestehende Verpflichtung zur Führung einer aus dem Unternehmensgegenstand der Aktiengesellschaft abgeleiteten Sachfirma wurde aufgegeben, um im Rahmen einer allgemeinen Liberalisierung des im europäischen Vergleich zu strengen Firmenrechtes für alle Gesellschaftsformen und Einzelkaufleute einheitlich eine größere Freiheit zur Bildung aussagekräftiger und werbewirksamer Firmen einzuräumen (vgl. RegBegr zum HRefG BT-Drucks 13/8444 S. 73 f; Balser/Bokelmann/Ott/Piorreck, Die Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Rn. 693).
Nach dem nunmehr einheitlich für alle Einzelkaufleute und sämtliche Handelsgesellschaften geltenden § 18 Abs. 1 HGB muss die Firma nur noch zur Kennzeichnung des Kaufmanns bzw. der Gesellschaft geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Danach kann die Aktiengesellschaft neben der seit je her zulässigen Sachfirma jetzt auch eine Personenfirma, eine Fantasiebezeichnung oder eine hieraus gebildete Mischform wählen (vgl. Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 4 Rn. 11; Lutter/Welp, ZiP 1999, 1073; BayObLGZ 2000, 83 jeweils m. w. N.).
§ 18 Abs. 2 HGB hält an dem bereits früher geltenden Grundsatz des Irreführungsverbotes fest. Er ist durch das HRefG allerdings in materieller Hinsicht dahingehend eingeschränkt worden, dass sich die zur Irreführung geeignete Angabe auf ein geschäftliches Verhältnis beziehen muss, welches aus der objektiven Sicht der betroffenen Verkehrskreise wesentlich ist (vgl. Begr RegE HRefG BT-Drucks. 340/97, S. 53; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 18 Rn. 9; Ebenroth/Boujong/Joost/Zimmer, HGB, § 18 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 4 Rn. 28 jeweils m. w. N.). In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde der Überprüfungsmaßstab dahingehend gelockert, dass die Eignung zur Irreführung im registergerichtlichen Verfahren nur zu berücksichtigen ist, wenn sie ersichtlich ist.
Die in § 18 Abs. 1 HGB vorgeschriebene Unterscheidungskraft erfordert, dass die gewählte Bezeichnung abstrakt geeignet ist, die Gesellschaft von anderen Unternehmen zu unterscheiden. Hierdurch wird auch nach dem neuen Firmenrecht grundsätzlich die Verwendung bloßer Gattungs- oder Branchenbezeichnungen bzw. einer allgemeinen Bezeichnung des Geschäftsbereiches ausgeschlossen, zumal die Verwendung derartiger Allgemeinbegriffe ähnliche Firmenbildungen für Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges häufig sperren und so dem anzuerkennenden Freihaltebedürfnis entgegenstehen würde (vgl. Hüffer, a.a.O., § 4 Rn. 12; Röhricht/Graf v. Westphalen/Ammon, HGB, 2. Aufl., § 18 Rn. 22; Ebenroth/Boujong/Joost/Zimmer, a.a.O., § 18 Rn. 18; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 18 Rn. 6; BayObLG NZG 2003, 1029). Diesbezüglich sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass der Firmenbestandteil €Grundbesitz€ sich als eine bloße Gattungs- und Branchenbezeichnung darstellt und es ihm deshalb an der originären Unterscheidungskraft fehlt.
Zwar kann diese Unterscheidungskraft durch einen individualisierenden Zusatz erreicht werden. Hierzu ist die Voranstellung der Bezeichnung €Hessen Nassau€ im vorliegenden Einzelfall jedoch nicht geeignet, da deren Verwendung gegen das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB verstößt. Dabei lässt der Senat für den vorliegenden Einzelfall dahinstehen, ob nach der Liberalisierung des Firmenrechts durch die Handelsrechtsreform und die beabsichtigte €Entsteinerung€ des Irreführungsverbotes nach § 18 Abs. 2 HGB (vgl. hierzu Schaefer, DB 1998, 1269, 1272) in Bezug auf Orts- und Regionalangaben noch an der früher erhobenen Forderung festgehalten werden muss, dass wegen der damit möglicherweise verbundenen €Bedeutungsberühmung€ dem betreffenden Unternehmen eine besondere Bedeutung innerhalb des genannten Raumes zukommen muss (so Lutter/Welp, ZiP 1999, 1073/1080; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 18 Rn. 23; Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 4 Rn. 29). Denn auch wenn man an dem Erfordernis einer besonderen Bedeutung für die angegebene Region nicht mehr festhält, so muss doch zumindest jedenfalls darauf abgestellt werden, ob im weiteren Sinn ein realer Bezug zu dem angegebenen Gebiet besteht (vgl. Ebenroth/Boujong/ Joost/Zimmer, a.a.O., § 18 Rn. 53 ff; Bokelmann, Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen, 5. Aufl., Rn. 125a). Diese Mindestvoraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt. Im Hinblick auf die weite räumliche Ausdehnung des von der Bezeichnung betroffenen Gebietes kann es zunächst nicht als ausreichend angesehen werden, dass die Gesellschaft ihren Sitz in O1 hat. Des Weiteren kann der hierfür maßgeblichen Satzung des Unternehmens nicht entnommen werden, dass die angestrebte wirtschaftliche Betätigung gerade auf das betreffende Gebiet abzielt oder einen besonderen Bezug hierzu aufweist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Hessen-Nassau um den Namen einer der elf ehemaligen preußischen Provinzen handelt, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges nicht mehr existiert. Demgegenüber ist der Begriff als Umschreibung einer Wirtschaftsregion in der heutigen Zeit gerade nicht mehr geläufig. Dem entsprechend hat auch die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde selbst geltend gemacht, der behauptete Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege im Rhein-Main-Gebiet und dem Gebiet des Landes Hessen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann aus dem Umstand, dass der Begriff Hessen-Nassau zur Umschreibung einer Region im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben nicht mehr geläufig ist, nicht geschlossen werden, dass die Bezeichnung €Hessen Nassau€ damit zu einer reinen Fantasiebezeichnung wird, deren Verwendung keinerlei Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt der Täuschungseignung unterliegt. Diesbezüglich hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Verwendung des Namens der ehemaligen preußischen Provinz Hessen-Nassau einen historischen Bezug des Unternehmens impliziert und erkennbar den Eindruck erweckt, es handele sich um ein traditionsreiches Unternehmen, welches bereits zu preußischer Zeit gegründet wurde. Dieser falsche, aber für das Wirtschaftsleben bedeutsame Eindruck wird noch dadurch bestätigt, dass in der hiesigen Region die Bezeichnung €Hessen-Nassau€ für alt eingesessene Institutionen und Unternehmen, insbesondere im kirchlichen Bereich und bei Versicherungen etabliert und bekannt ist.
Letztlich vermag auch der Hinweis auf die eingetragene Marke die Zulässigkeit der hier zu Recht beanstandeten Firma nicht zu begründen, zumal diese durch die vorangestellte Buchstabenkombination keine Identität mit der gewählten Firma aufweist und auch ein Bezug des Markeninhabers zur Antragstellerin weder aus den Anmeldungsunterlagen ersichtlich noch von der Antragstellerin deutlich gemacht worden ist.
Schließlich ist - entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde - ein Rechtsverstoß gegen europäisches Recht oder eine unzulässige Diskriminierung nicht gegeben, da für die Firma eines in Deutschland zur Anmeldung in das Handelsregister angemeldeten Unternehmens die deutschen Rechtsvorschriften der §§ 4 AktG und 18 HGB maßgeblich sind.
Die weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 10.01.2005
Az: 20 W 106/04
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