Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juni 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 134/04
(BPatG: Beschluss v. 12.06.2006, Az.: 29 W (pat) 134/04)
Tenor
1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2003 und vom 18. März 2004 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen
"Werbung, insbesondere Rundfunkwerbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Ausbildung; rundfunktechnische Beratung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Rundfunk über das Internet"
zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke 302 23 173.0 ROCKLAND SACHSEN-ANHALT soll für Waren und Dienstleistungen der Klasse 9: Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, CDs, Minidiscs und andere Tonträger;
Klasse 35: Werbung, insbesondere Rundfunkwerbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung;
Klasse 38: Telekommunikation, Sendung und Weitersendung von Rundfunkprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk und über das Internet sowie durch ähnliche technische Einrichtungen;
Klasse 41: Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten, insbesondere Produktion von Rundfunksendungen, auch von Rundfunksendungen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art, Veranstaltung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich, Tonproduktion;
Klasse 42: rundfunktechnische Beratung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Rundfunk über das Internet;
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung des Zeichens für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen mit Beschluss vom 10. Dezember 2003 und - die dagegen gerichtete Erinnerung - mit Erinnerungsbeschluss vom 18. März 2004 zurückgewiesen. Sie vertritt die Auffassung, das angemeldete Zeichen beschreibe - zumindest mittelbar - als inhaltlichthematische Sachangabe verbunden mit einer geographischen Herkunftsangabe alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Der Verkehr verstehe in dem Wortzeichen lediglich einen Hinweis auf Rockmusik (-veranstaltungen), die im Bundesland Sachsen-Anhalt stattfinden. Soweit die Waren und Dienstleistungen nur mittelbar beschrieben würden, stehe insgesamt die sachbezogene, und nicht eine betriebsbezogene Information im Vordergrund.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde vom 21. Mai 2004 (Bl. 5 ff. d. A.) trägt die Anmelderin vor, dass die Bezeichnung "Rockland" in Alleinstellung im allgemeinen Sprachgebrauch nicht üblich sei. Insbesondere würden weder Rundfunkwerbung, rundfunktechnische Beratungsleistungen noch ein Rundfunkprogramm, selbst wenn es um Rockmusik gehe, damit beschrieben. Auf jeden Fall verfüge das Zeichen unter Berücksichtigung des großzügigen Maßstabs, der anzulegen sei, über eine gewisse Unterscheidungskraft, die eine Eintragung erlaube. Hinzuweisen sei dabei insbesondere auf die bisherige Eintragungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts, das bereits die Zeichen "Rockland Radio" und "Rockland" eingetragen habe.
Die Anmelderin beantragt daher (sinngemäß), die Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 und vom 18. März 2004 aufzuheben und das angemeldete Zeichen einzutragen.
Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche zur beschreibenden Verwendung der Wortfolge "ROCKLAND SACHSEN-ANHALT" sowie deren beider Bestandteile wurde der Anmelderin übersandt.
II.
1. Die gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg, da dem Zeichenwort "ROCKLAND SACHSEN-ANHALT" lediglich für die beanspruchten Dienstleistungen
"Werbung, insbesondere Rundfunkwerbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Ausbildung; rundfunktechnische Beratung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Rundfunk über das Internet"
kein Schutzhindernis gem. §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 MarkenG entgegensteht.
2. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229 - Rn. 27 ff. - BioID; Mitt. 2005, 511 - Rn. 23 - THOMSON LIFE/ LIFE; GRUR 2004, 1027 - Rn. 42 ff. - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK). Kann einem Zeichen für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden, oder handelt es sich auch sonst um eine verständliche Wortfolge der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so fehlt ihm die Unterscheidungskraft (st. Rspr.; BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK; WRP 2001, 1082, 1083 - marktfrisch; GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHOEN). Diese ist dabei zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2005, 763, 764 - HAVE A BREAK; MarkenR 2004, 116, 120 Rn. 50 - Waschmittelflasche, MarkenR 2003, 187, 190 Rn. 41 - Linde u. a.). Unter Berücksichtigung des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs ist das angemeldete Zeichen daher nur schutzfähig, soweit die Abnehmer für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen darin einen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen sehen und nicht ohne weiteres den beschreibenden Begriffsinhalt erfassen.
2.1. Die angemeldete Kombinationsmarke "ROCKLAND SACHSEN-ANHALT" ist dem Verkehr ohne weiteres verständlich als Synonym für "Rockmusik in/ aus dem Bundesland Sachsen-Anhalt". Sie setzt sich aus dem Begriff "Rockland" und der geographischen Herkunftsangabe für das Bundesland "Sachsen-Anhalt" zusammen. "Rockland" ist lexikalisch zwar nicht nachweisbar, allerdings ist es dem Verkehr ohne weiteres verständlich als "Rock(-musik-)land" für die Bezeichnung einer bestimmten Musikrichtung, die "Rock" genannt wird. Da das Verständnis einer Wortverbindung nicht davon abhängt, dass sie in einem Wörterbuch verzeichnet ist, kommt es auf einen lexikalischen Nachweis nicht an (vgl. EuGH MarkenR 2004, 111 - BIOMILD; BGH WRP 2002, 982, 984 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I). Maßgeblich ist allein, ob sie das Publikum als sachbeschreibenden Hinweis versteht. Bereits die ersten 20 Treffer der Suchmaschine "Google" beim Stichwort "Rock" beziehen sich auf die Musikrichtung, und nicht auf das deutsche Wort für ein Kleidungsstück der Damenoberbekleidung (vgl. German Rock; Rock am See; Hard Rock; Musik, Rock; Deutsches Rockn-Popmuseum; digital ROCK). Die Interpretation des Begriffs "Rockland" als "Land der Rockmusik" liegt für den Verkehr dagegen schon deshalb nahe, da er in musikalischer Hinsicht eine Reihe weiterer "Länder" kennt: Gerade Sachsen-Anhalt wirbt mit Höhepunkten "im 1. Quartal 2006 im Musikland Sachsen-Anhalt" (www.anhaltweb.de/contentid-19-3x96x0x0x2x111x96x92x.html). TangoDanza verzeichnet hunderte von Milongas (Tanzveranstaltungen), wobei "Deutschland zweifelsohne das Tangoland Europas ..." ist (www.google.de; Stichwort: Tangoland). Dagegen soll "Finnland ... nach Argentinien, Spanien und Frankreich das viertgrößte Tangoland" sein (a. a. O.). Im Archiv der Berliner Zeitung ist unter dem Titel "Der letzte Tango" ein Bericht verzeichnet, in dem die Frau "zu Hause in Argentinien, dem Tangoland" sitzt. Beklagt wird in einer Online-Tageszeitung für Karlsruhe die Qualität der Popmusik in Deutschland mit den Worten "Keiner will es haben, keiner will mit ihm und sowieso ist alles doof. Armes Popland Deutschland." (www.kanews.de/cdtipps/news.php4€show=rge200513-649E). Auch Österreich wird trotz Aufzählung einiger Stars als "eher ärmliches Popland" (www.trioexklusiv.at/sitex/index.php/page.70/...) bezeichnet. Der NDR ist dagegen Medienpartner des "Musikland Mecklenburg-Vorpommern". "Unter diesem Titel entwickelt sich daher in jedem Jahr ein reiches Konzertleben..." (www.ndr.de/ndr_pages_std/0,2570,OID242002,00.html).
2.2. Im Zusammenhang mit den Waren "Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, CDs, Minidiscs und andere Tonträger" bzw. den Dienstleistungen "Telekommunikation, Sendung und Weitersendung von Rundfunkprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk und über das Internet sowie durch ähnliche technische Einrichtungen; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten, insbesondere Produktion von Rundfunksendungen, auch von Rundfunksendungen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art, Veranstaltung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich, Tonproduktion" wird der Verkehr daher nur einen sachbeschreibenden Hinweis auf Musikveranstaltungen oder Rundfunkprogramme sehen, die sich mit Rockmusik beschäftigen, die in Sachsen-Anhalt gespielt, produziert oder ausgestrahlt wird. Da die Bezeichnung "Rockland" ausweislich der Recherche des Senats besonders für Radiosender beliebt ist - neben der Anmelderin mit Radio Rockland Sachsen-Anhalt gibt es außerdem "Rockland Radio - Classic Rock", "ROCKLAND DIGITAL", "ROCKLAND-MUSIC" und "ROCKLAND VIENNA" - scheidet in Bezug auf die vorgenannten Waren und Dienstleistungen, die in engem Zusammenhang mit der Produktion oder Vermarktung von Musik stehen, eine andere Bedeutung für "ROCKLAND SACHSEN-ANHALT" im Sinn von "Land der Röcke, Hosen bzw. Felsen" aus. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Zeichen allerdings bereits dann nicht schutzfähig, wenn es in einer seiner möglichen Bedeutungen Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450 ff. - DOUBLEMINT).
3. Weder ein gegenwärtiges Freihaltebedürfnis noch ein Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ist allerdings in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen "Werbung, insbesondere Rundfunkwerbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Ausbildung; rundfunktechnische Beratung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Rundfunk über das Internet" ersichtlich. Die angemeldete Wortfolge "ROCKLAND SACHSEN-ANHALT" stellt insoweit keinen hinreichend konkreten beschreibenden Hinweis auf die beanspruchten Dienstleistungen dar. Zwar ist der Begriff - wie oben gezeigt - sprachüblich gebildet, im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen kann jedoch mangels einer eindeutigen und klaren Sachangabe kein hinreichend enger beschreibender Bezug festgestellt werden. Auch bei der Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" steht die technische Dienstleistung der Realisierung und Fertigung von Programmen, nicht das Einsatzgebiet im Vordergrund. Mit dieser Aufgabe beschäftigte Unternehmen fertigen Datenverarbeitungsprogramme allgemein und vielseitig für unterschiedliche Marktsegmente.
3.1. Die Dienstleistungen "Werbung, insbesondere Rundfunkwerbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung", und zwar jeweils als Dienstleistungsangebot für Dritte, werden in der Regel nicht nach dem speziellen Segment benannt, für das sie erbracht werden (BPatG 29 W (pat) 146/01 - family matters). Werbeagenturen und -unternehmen legen sich nicht auf thematische Zielgruppen fest, sondern allenfalls auf ein bestimmtes Medium, wie Fernsehen, Internet, Rundfunk oder Printmedien. Unternehmensverwaltungen segmentieren u. a. nach Unternehmensgröße, nicht aber nach inhaltlicher Ausrichtung der zu verwaltenden Unternehmen.
3.2. Auch für die Dienstleistung "Ausbildung" ist das angemeldete Zeichen weder beschreibend, noch eine im Vordergrund stehende Sachangabe oder ein Wort als solches, da die Vorstellung, in dem Bundesland Sachsen-Anhalt würden im Wesentlichen Rockmusiker ausgebildet werden, oder es gebe dort eine spezielle Ausbildung für Rockmusiker eher fern liegend ist.
3.3. Die Dienstleistungen "rundfunktechnische Beratung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Rundfunk über das Internet" können sich zwar unter Anderem auf die technische Produktion eines Tonträgers oder einer Rundfunksendung beziehen, die sich mit Rockmusik im "ROCKLAND SACHSEN-ANHALT" beschäftigt. Der Bezug zwischen diesen Dienstleistungen und der "rundfunktechnischen Beratung" oder dem "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" ist aber nicht so hinreichend eng, dass der Verkehr ohne weiteres und ohne Unklarheiten diesen beschreibenden Begriffsinhalt erfassen wird (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 - BerlinCard). Eine rundfunktechnische Beratung lässt sich einerseits nicht nur auf ein Bundesland begrenzen, da es zwar Landessender gibt, die technischen Probleme aber überregional auftreten. Andrerseits bezieht sich die Beratung nicht ausschließlich auf das Thema "Rockmusik", sondern wird vielmehr technische, nicht aber inhaltlichthematische Probleme der Programmgestaltung betreffen. Unternehmen, die Programme für die Datenverarbeitung erstellen, sind ebenfalls weder auf ein bestimmtes Bundesland festgelegt, noch erstellen sie ausschließlich Programme für Rockmusik.
4. Aus den oben genannten Gründen waren die Beschlüsse der Markenstelle teilweise aufzuheben, soweit sich das angemeldete Zeichen für die näher bezeichneten Dienstleistungen nicht in einer produkt- bzw. dienstleistungsbeschreibenden Sachangabe erschöpfte.
BPatG:
Beschluss v. 12.06.2006
Az: 29 W (pat) 134/04
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