Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juli 2006
Aktenzeichen: 20 W (pat) 48/03

(BPatG: Beschluss v. 05.07.2006, Az.: 20 W (pat) 48/03)

Tenor

Der Beschluss des Patentamts vom 14. März 2003 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Fortführung des Prüfungsverfahrens an das Patentamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für H 03 F durch Beschluss vom 14. März 2003 mangels Klarheit des im abhängigen Patentanspruch 9 beanspruchten Merkmals "reaktive Impedanz" zurückgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung wurden die Druckschriften

(1) DE 199 16 902 A1

(2) DE 197 54 785 A1,

(3) US 4 285 010,

(4) J. Koch: "Piezoxide-Wandler", Valvo GmbH Hamburg, 1973, Seiten 157 und 158 und

(5) US 6 127 886 diskutiert.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss des Patentamts vom 14. März 2003 aufzuheben und das Patent mit den Patentansprüchen 1-16, überreicht in der mündlichen Verhandlung, und noch anzupassenden Unterlagen zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

1. Puls-Echo-Gerät umfassend mindestens:

- eine Signalquelle (36),

- ein der Signalquelle (36) zugeordnetes passives Kompensationselement (150),

- eine Verstärkereinrichtung (10, 11) zur Verstärkung eines von der Signalquelle (36) herrührenden Signals (S1) umfassend mindestens - ein zwischen einem ersten und einem zweiten Anschluss (A1, A2) innerhalb eines ersten Signalpfads (P1) angeordnetes aktives Verstärkerelement (100, 101, 102), das ein am ersten Anschluss (A1) eingespeistes Signal (S1) verstärkt, und - Steuerungsmittel (200, 210) zur variablen Betriebsführung des Verstärkerelements (100, 101, 102), dadurch gekennzeichnet, dass - die Verstärkereinrichtung (10, 11) einen parallel zum ersten Signalpfad (P1) angeordneten passiven zweiten Signalpfad (P2) aufweist, welcher - bei mittels der Steuerungsmittel (200, 210) deaktiviertem Verstärkerelement (100, 101, 102) zur Übertragung des Signals (S1) dient und - mit dem einen passiven Kompensationselement (150) versehen ist.

Mit dem geltenden abhängigen Patentanspruch 8 wird das Merkmal beansprucht, das zur Zurückweisung geführt hat, er lautet:

8. Puls-Echo-Gerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das passive Kompensationselement (150) als eine reaktive Impedanz ausgeführt ist.

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, die Merkmale der geltenden Patentansprüche 1-16 seien den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmbar. Im Übrigen sei der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 gegenüber dem bisher genannten Stand der Technik neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG.

Die geltenden Patentansprüche 1-16 sind ebenfalls zulässig. Der Patentanspruch 1 umfasst Merkmale des ursprünglich eingereichten Patentanspruches 1 und der ursprünglichen Beschreibung, vgl. Anmeldungsunterlagen Seite 3 Z. 31 - Seite 4 Z. 6, Seite 5 Z. 7-12 u. Seite 6 Z. 5-11 u. 26-30. Die Patentansprüche 2-7, 10-16 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen. Die Merkmale des Patentanspruches 8 sind in dem ursprünglichen Anspruch 9, die Merkmale des Patentanspruches 9 auf Seite 15 Z. 8-10 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart.

Das Patentamt - Prüfungsstelle für H 03 F - war der Ansicht, das Merkmal "reaktive Impedanz" sei dem Fachmann nicht geläufig. Das Merkmal erfordere somit eine Erklärung in der Beschreibung oder den sonstigen Unterlagen. Die im angefochtenen Beschluss angegebenen Gründe tragen jedoch die Feststellung der Unklarheit dieses Merkmals nicht. Das Merkmal "reaktive Impedanz" ist nämlich für den Fachmann, hier einem Elektroingenieur für Nachrichtentechnik, klar. Der Fachmann kennt von seiner Ausbildung her die Definition eines komplexen Widerstandes (Impedanz Z) als Summe seines Wirkwiderstandsanteils R und seines Blindwiderstandsanteils X sowie die Bezeichnungen "Resistanz" für den Wirkwiderstandsanteil R und "Reaktanz" für den Blindwiderstandsanteil X einer Impedanz Z.

Er versteht daher unter dem Merkmal "reaktive Impedanz" den reaktiven Anteil einer komplexen Impedanz Z, d. h. deren Blindwiderstandsanteil X, der entweder induktiver oder kapazitiver Natur sein kann.

Das Puls-Echo-Gerät nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist unzweifelhaft gewerblich anwendbar und auch gegenüber dem bekannt gewordenen Stand der Technik nach den Druckschriften (1) bis (5) neu, da keinem der dort beschriebenen Gegenstände alle Merkmale des Patentanspruchs 1 entnehmbar sind. Darüber hinaus ergibt sich sein Gegenstand auch nicht in nahe liegender Weise aus dem zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik nach den Druckschriften (1) bis (5).

Druckschrift (1) beschreibt ein Puls-Echo-Gerät (Anspruch 13 i. V. m. Fig. 3) umfassend eine Signalquelle 36 und eine Verstärkereinrichtung zur Verstärkung eines von der Signalquelle 36 herrührenden Signals. Das Puls-Echo-Gerät umfasst weiterhin ein zwischen einem ersten und einem zweiten Anschluss innerhalb eines Signalpfads S2 angeordnetes aktives Verstärkerelement 10 bzw. 11 (Sp. 7 Z. 36-43 i. V. m. Fig. 3 u. Z. 61-68 i. V. m. Fig. 4), das ein am ersten Anschluss eingespeistes Signal verstärkt, und Steuerungsmittel 230 (Sp. 7 Z. 61-68 i. V. m. Fig. 4) zur variablen Betriebsführung des Verstärkerelements 11, wobei die Verstärkereinrichtung einen parallel zum ersten Signalpfad S2 angeordneten zweiten Signalpfad S0 aufweist (Fig. 3).

Die Druckschrift (2) offenbart einen Zwischenverstärker für ein Telekommunikationsnetz mit schmalbandigen und breitbandigen Signalen (Zusammenfassung i. V. m. Fig. 1, 3). Der Zwischenverstärker weist offensichtlich einen ersten und einen zweiten Anschluss und ein innerhalb eines ersten Signalpfads angeordnetes aktives Verstärkerelement AMP auf, das ein am ersten Anschluss eingespeistes breitbandiges Signal verstärkt. Außerdem umfasst der Zwischenverstärker Steuerungsmittel DET zur Umschaltung des ersten Signalpfads auf einen zweiten, parallel zum ersten Signalpfad angeordneten passiven Signalpfad, welcher bei schmalbandigen Signalen anstelle des ersten Signalpfads zur Übertragung des Signals dient (Sp. 2 Z. 57 bis Sp. 3 Z. 12 i. V. m. Fig. 1 u. Sp. 4 Z. 40-46 i. V. m. Fig. 3).

Druckschrift (3) beschreibt ein Puls-Echo-Gerät (Abstract: ultra sonic imaging system) umfassend mehrere Signalquellen X1-X20, ein der jeweiligen Signalquelle zugeordnetes passives Kompensationselement L1-L20 und ein aktives Verstärkerelement PREAMPLIFIER 25 bzw. aktive Vestärkerelemente PREAMP #1 - PREAMP #20 als Verstärkereinrichtung zur Verstärkung eines von der jeweiligen Signalquelle X1-X20 herrührenden Signals (Sp. 3 Z. 31-42 i. V. m. Fig. 1 bzw. Sp. 4 Z. 6-47 i. V. m. Fig. 3).

Der Fachbuchauszug (4) zeigt Möglichkeiten zur Impedanzabstimmung von Ultraschallempfängern (Bild A6 a) u. b)).

Die Druckschrift (5) beschreibt eine Verstärkereinrichtung mit einer Signalquelle (RF signal) und einem Verstärker 6 zur Verstärkung eines von der Signalquelle (RF signal) herrührenden Signals (abstract). Die Verstärkereinrichtung umfasst außerdem ein zwischen einem ersten Anschluss 1 und einem zweiten Anschluss 2 innerhalb eines ersten Signalpfads angeordnetes aktives Verstärkerelement 6, das ein am ersten Anschluss 1 eingespeistes Signal (RF signal) verstärkt, und Steuerungsmittel (control switch 20) zur variablen Betriebsführung des Verstärkerelements 6, wobei die Verstärkereinrichtung einen parallel zum ersten Signalpfad angeordneten passiven zweiten Signalpfad aufweist, welcher bei mittels der Steuerungsmittel (control switch 20) deaktiviertem Verstärkerelement 6 zur Übertragung des Signals dient (Sp. 3 Z. 18-37 i. V. m. Fig. 2, 3).

Eine Anregung für den Fachmann, gemäß den im Patentanspruch 1 genannten kennzeichnenden Merkmalen ein Puls-Echo-Gerät mit einer Verstärkereinrichtung auszubilden, die einen parallel zu einem ersten Signalpfad angeordneten passiven zweiten Signalpfad aufweist, welcher bei mittels Steuerungsmittel deaktiviertem Verstärkerelement zur Übertragung des Signals dient, wobei die Verstärkereinrichtung mit einem passiven Kompensationselement versehen ist, ist dem derzeit in Betracht gezogenen Stand der Technik nicht entnehmbar.

Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden. Wie aus der Akte ersichtlich ist, hat zu diesen vorgenannten Merkmalen das Patentamt im Verfahren nach § 44 PatG für die Prüfung, ob der Anmeldungsgegenstand die Patentierungsvoraussetzungen nach §§ 3 und 4 PatG erfüllt, noch nicht recherchiert. Nachdem vorliegend nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten druckschriftlichen Standes der Technik ergehen kann, wofür die Prüfungsstellen des Deutschen Patent- und Markenamts mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken berufen sind, ist die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (PatG § 79, (3) Nr. 1).






BPatG:
Beschluss v. 05.07.2006
Az: 20 W (pat) 48/03


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