Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juni 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 85/02

(BPatG: Beschluss v. 10.06.2003, Az.: 33 W (pat) 85/02)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 1999 und vom 17. Januar 2002 aufgehoben.

Gründe

I Am 17. April 1999 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die WortmarkeiOFFICE für folgende Waren bzw. Dienstleistungen angemeldet worden:

"35: integrierte Bürokommunikation, Plattform/Arbeitsumgebung für virtuelle Teams und Unternehmen, Projektmanagement und Datenmanagement-Werkzeug;

36: Plattform für Geschäftsprozesse, Geschäftsabwicklung;

38: Unified-Massaging-Lösung mit Internet-Telefonie, Anrufbeantworter, Fax, Email und SMS-Mitteilungen, Emailto-Voice, Real-Time-Chat;

41: Seminare und Schulungen für den Aufbau und das Management von virtuellen Teams und Unternehmen;

42: Spezielle Software mit Bedienungsoberfläche mit einem einzigen Formular für das Versenden von Nachrichten unabhängig des Mediums (Fax, Voice, SMS, Email, Brief), Software für Sicherheit und integrierte Kommunikation und Computer Supported Collaborated Workspace (CSCW)".

Mit zwei Beschlüssen vom 12. November 1999 und vom 17. Januar 2002, von denen der zweite als Erinnerungsbeschluss von einem Mitglied des Patentamts erlassen worden ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Erstprüferin wird das gerade im Bereich der Datenverarbeitung in die deutsche Sprache eingebürgerte Wort "Office" von den beteiligten Verkehrskreisen ohne Weiteres als "Büro, Geschäftsstelle" verstanden. Es sei eine glatt beschreibende (Sach-)Angabe, der es für sich genommen an Unterscheidungskraft fehle. Auch der vorangestellte Buchstabe "i" begründe nicht die Unterscheidungskraft. Im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen aus dem EDV-Bereich stelle er, wie etwa bei "IR" oder "IP(-Adresse)", eine Abkürzung für den Begriff "Internet" dar. Der Verkehr werde die Marke daher als Hinweis darauf verstehen, dass die Dienstleistungen über ein Büro ("Office") angeboten und mit Hilfe des Internets erbracht würden. Außerdem sei die Marke auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, da es sich bei der Bezeichnung "iOFFICE" um eine Angabe über Art, Inhalt, Thematik und Zielsetzung der Dienstleistungen handele. Den Ausführungen zur fehlenden Unterscheidungskraft hat sich der Erinnerungsprüfer angeschlossen.

Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Zur Begründung führt er aus, dass es sich bei der Anmeldemarke um keine normale Ausdrucksweise sondern um eine unterscheidungskräftige lexikalische Erfindung handele. Es sei nicht einmal eindeutig, in welche Bestandteile die angemeldete Marke aufgeteilt werden könne, da sie nur als Einwortzeichen angemeldet sei. Selbst wenn man die von der Markenstelle vorgenommene Aufgliederung vornehmen würde, sei nicht eindeutig, dass der Buchstabe "i" ein übliches Kürzel für den Begriff "Internet" darstelle. Er werde für zahlreiche Bezeichnungen der Daten- und Telekommunikationstechnik verwendet, etwa für "Intel" oder "Information" in "IT" (Information Technology). Auch "OFFICE" weise keinen für die angemeldeten Waren ohne Weiteres erkennbaren beschreibenden Sinngehalt auf. Selbst wenn jeder der Bestandteile Teil von Ausdrücken zur Bezeichnung der Dienstleistungen wäre, so wäre die Anmeldemarke dennoch eine der Struktur nach ungewöhnliche Verbindung von bekannten Ausdrücken. Auch sei sie nicht freihaltungsbedürftig, da ihr kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden könne.

Ergänzend weist der Anmelder darauf hin, dass das Patentamt die Marke 300 44 610.1 "i-Office" und das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt die Marke 1222637 "iOFFICE" für schutzfähig erachtet haben, die beide prioritätsjünger als die hier angemeldete Marke seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Die Gesamtbezeichnung "iOffice" ließ sich weder in der Literatur noch im Internet als Sachbegriff belegen. Insbesondere im deutschsprachigen Internet tauchte die Bezeichnung nur markenmäßig als erkennbar frei gewählter Produktname auf, zumeist als Name eines Softwareprodukts des japanischen Unternehmens Neo Japan Inc. und als Bezeichnung einer Sammlung von Büroprogrammen, die für Macintosh-Computer bestimmt sind, und die sich damit in die i-Zeichenserie des Herstellers Apple einfügt (z.B. "iMac", "iBook", "iTunes", etc.). Auch im englischsprachigen Internet ließ sich der angemeldete Begriff (nur) in markenmäßiger Verwendung als Produktname für verschiedene Produkte, zumeist Software, auffinden.

Auch aus der Art der Wortbildung lässt sich kein eindeutiger, unmittelbar beschreibender Bedeutungsinhalt der angemeldeten Marke entnehmen. Im Gegensatz zur Auffassung des Anmelders ist für den Verkehr allerdings schon aufgrund der uneinheitlichen Groß- und Kleinschreibung, aber auch wegen der Geläufigkeit des Begriffs "office" ohne Weiteres ersichtlich, dass die Marke aus dem vorangestellten Buchstaben "i" und dem angefügten Wort "OFFICE" zusammengesetzt ist. Zwar kommt der Bedeutungsgehalt "Internet" für das vorangestellte "i" in Betracht. So wird z.B. das Büroprogramm "iOffice 2000", das nach Eingabe des Suchworts "ioffice" im deutschsprachigen Internet von Suchdiensten am häufigsten genannt wird, als "webbasierte Groupware-Anwendung" erläutert (vgl. z.B. http://home.aventa.de/pv/software/office.htm). Auch steht das "i" bei der Produktbezeichnung "iMac", auf dem die i-Serie der Macintosh-Computer basiert, für "Internet" (vgl. Microsoft Press Computer Lexikon Fachwörterbuch Ausg. 2002 ,S. 360), so dass auch die entsprechende Bezeichnung des für dieses Computersystem bestimmten Apple-Büroprogramms "iOffice" in diesem Sinn verstanden werden könnte (wahrscheinlicher ist allerdings ein Verständnis als willkürliche Einfügung in die i-Bezeichnungsserie von Apple).

Jedoch stellt der Buchstabe "i" weder in der Groß- noch in der Kleinschreibung eine offizielle Abkürzung für das Internet dar. Es handelt sich nur um eine Interpretationsmöglichkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2002, 33 W (pat) 198/02 - "i_Park" und Beschluss des 25. Senats vom 1. August 2002, 25 W (pat) 67/01 - "iSite"). So kann der Buchstabe "i" etwa folgende, lexikalisch belegbaren weiteren Bedeutungen aufweisen:

"integrated", "intelligent", "information", "immediate", "indirect" (vgl. Schulze, Computerkürzel, 1998; Vlietstra, Dictionary of Acronyms and Technical Abbreviations).

Im Hinblick sowohl auf den zweiten Markenbestandteil "office", dessen Bedeutung im Sinne von "Büro" außer Frage steht, als auch auf die angemeldeten Dienstleistungen kommen selbst bei den internetorientierten Dienstleistungen noch weitere Interpretationsmöglichkeiten des ersten Markenbestandteils "i" in Betracht, auch wenn sie insoweit nicht lexikalisch nachgewiesen werden konnten: "image", "industry", "interactive", "internal", "intra-".

Unter mehreren möglichen beschreibenden Bedeutungsgehalten kann damit der Gesamtmarke kein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden. Solche mehrdeutigen Bezeichnungen eignen sich in der Regel nicht zur beschreibenden Verwendung (vgl. z.B. BPatGE 38, 182, 183 -MAC m.w.N., 40,85 - CT). Es ist daher nicht erkennbar, dass die angemeldete Marke im Verkehr zur Bezeichnung eines Merkmals i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen "kann".

Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2001, 413, 414 - SWATCH, m.w.N.; GRUR 2001, 240, 241 - SWISS ARMY; MarkenR 2001, 407 - antiKALK). Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH MarkenR 2001, 408, 409 - INDIVIDUELLE m.w.N.).

Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Weder konnte ihr, wie oben ausgeführt, ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden, noch waren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 10.06.2003
Az: 33 W (pat) 85/02


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