Landesarbeitsgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 21. Dezember 2000
Aktenzeichen: 7 Ta 220/00

(LAG Düsseldorf: Beschluss v. 21.12.2000, Az.: 7 Ta 220/00)

Die Erinnerung des Vertreters der Staatskasse gegen die Festsetzung der weiteren Vergütung (§ 124 Abs. 3 BRAGO) ist unzulässig, wenn das Rückzahlungsverlangen gegen Treu und Glauben verstößt. Davon ist auszugehen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles das Vertrauen der anderen Seite rechtfertigen, der Fall sei endgültig abgeschlossen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts S. werden

der richterliche Beschluss des Arbeitsgerichts Krefeld

vom 13.04.2000 und der Beschluss des Rechtspflegers

vom 18.01.2000 aufgehoben.

Die Erinnerung des Bezirksrevisors gegen den Fest-

setzungsbeschluss vom 14.04.2000 wird als unzulässig

verworfen.

Gründe

A.

Nach Abschluss des zugrunde liegenden Rechtsstreits wurde dem Kläger mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.09.1995 rückwirkend ab Antragstellung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe bewilligt, dass er ab 01.01.1996 monatliche Raten von 230,-- DM zu zahlen habe. Anschließend reichte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zahlung der Prozesskostenhilfevergütung ein und machte gleichzeitig die weitere Vergütung geltend. Die PKH-Vergütung wurde am 10.01.1996 festgesetzt. Mit Schreiben vom 17.04.1997 bat der Beschwerdeführer um Auszahlung der weiteren Vergütung. In diesem Schreiben ging er davon aus, dass durch Ratenzahlungen des Klägers zwischenzeitlich sämtliche Kosten einschließlich der weiteren Vergütung ausgeglichen seien. Tatsächlich hatte der Kläger bis dahin keinerlei Zahlungen geleistet. Mit Beschluss vom 28.07.1997 stundete der Rechtspfleger die Ratenzahlungen bis zum 31.12.1997. Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 01.04.1998 teilte der Rechtspfleger dem Beschwerdeführer mit, dass auch nach dem 31.12.1997 keine Ratenzahlungen erfolgt seien. Es erging in diesem Schreiben die Aufforderung an den Kläger, die Ratenzahlungen aufzunehmen, andernfalls der Prozesskostenhilfebeschluss aufgehoben würde. Der Beschwerdeführer leitete die Aufforderung an den Kläger weiter. Mit Schreiben vom 31.03.1999 bat der Beschwerdeführer erneut um die Auszahlung der weiteren Vergütung. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:

In dem Rechtsstreit

K../. Fa. S. u. B.

habe ich den Kläger im Anschluss an das Schreiben des Gerichts vom

01. April des vergangenen Jahres gebeten, seine Ratenzahlungen in

Höhe von monatlich 230,-- DM unverzüglich wieder aufzunehmen. Ich

gehe davon aus, dass dies auch tatsächlich geschehen ist. Abgesehen

hiervon dürften die schon vor dem Beschluss vom 28. Mai 1997 zu

entrichtenden Raten dazu ausgereicht haben, die den Kläger treffenden

Kosten unter Einschluss der Differenz zwischen den PKH-Gebühren und

den gesetzlichen Gebühren zu decken. Ich bitte daher um Überprüfung und

Auszahlung der weiteren Vergütung nach Maßgabe des § 124 BRAGO in

Höhe von 1.035,-- DM.

Daraufhin wurde mit Beschluss vom 14.04.1999 die weitere Vergütung antragsgemäß festgesetzt und der Betrag an den Beschwerdeführer überwiesen. Mit Schreiben vom 18.08.1999 forderte der Rechtspfleger den Beschwerdeführer zur Rückzahlung des Betrages auf. Dies wurde dort wie folgt begründet:

In dem Rechtsstreit

K. ./. Fa. S.u. B.

wurde Ihnen aufgrund Ihres Anschreibens vom 31.03.1999 und der

Liquidation vom 21.12.1995 die Differenz zwischen Wahl- und PKH-

Anwaltsgebühren i. H. v. 1.035,-- DM ausgezahlt. Zum Zeitpunkt dieser

Auszahlung waren die nicht gezahlten PKH-Raten i. H. v. zusammen

2.667,75 DM gegen Ihren Mandanten zum Soll gestellt.

Nach Auszahlung der Gebühren an Sie wurde uns jedoch von der

Gerichtskasse Düsseldorf mitgeteilt, dass diese Kosten von Ihrem

Mandanten nicht eingetrieben werden konnten. Nach den gesetzlichen

Vorschriften steht Ihnen daher der ausgewiesene Differenzbetrag nicht

zu.

Am 17.12.1999 legte der Bezirksrevisor gegen die Festsetzung der weiteren Vergütung vom 14.04.1999 Erinnerung ein mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und den ausgezahlten Betrag in Höhe von 1.035,-- DM wieder einzuziehen. Daraufhin hob der Rechtspfleger mit Beschluss vom 18.01.2000 den Festsetzungsbeschluss vom 14.04.1999 auf. Die Beschwerde des Beschwerdeführers, der sich für zur Rückzahlung nicht verpflichtet ansieht, gegen diesen Beschluss, hat die Richterin mit Beschluss vom 13.04.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers.

B.

Auf die zulässige (§ 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO) Beschwerde des Rechtsanwalts S.gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 13.04.2000 war, wie geschehen, zu beschließen.

Das Recht des Bezirksrevisors zur Einlegung der Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss war verwirkt, weil der aus einer Änderung des Beschlusses zugunsten der Staatskasse sich ergebende Anspruch auf Rückzahlung der weiteren Vergütung (vgl. Gerold/Schmidtvon Eicken, BRAGO, 14. Aufl., § 128 Rdn. 28) gegen Treu und Glauben verstieße.

Zwar kann der Vertreter der Staatskasse eine Erinnerung wegen überhöhter Vergütungszahlung im Regelfall bis zum Ablauf des auf die Festsetzung folgenden Kalenderjahres einlegen (§ 7 GKG analog) (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 144; OLG Köln JurBüro 1998, 539). Dies schließt es jedoch nicht aus, dass eine solche Erinnerung dann als nicht mehr zulässig anzusehen ist, wenn die Rückforderung des überzahlten Betrages gegen Treu und Glauben verstieße. Davon ist auszugehen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles das Vertrauen der anderen Seite rechtfertigen, der Fall sei endgültig abgeschlossen (vgl. von Eicken, a. a. O., Rdn. 27 und 28; Swolana/Hansens, BRAGO, 7. Aufl., § 128 Rdn. 17; aus der Rechtsprechung: OLG Hamm NJW 1973, 574, OLG Frankfurt NJW 1975, 706). So liegen die Dinge hier.

Die Festsetzung der weiteren Vergütung nach § 124 Abs. 3 BRAGO konnte überhaupt nur dann Sinn machen, wenn irgendwelche Beträge von Seiten des Klägers bei der Gerichtskasse eingezahlt worden waren, die über die in § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichneten Kosten und Ansprüche hinausgingen, da nur insoweit eine Verpflichtung zur Auszahlung an den Beschwerdeführer bestand (vgl. von Eicken, a. a. O., § 124

Rdn. 7; Göttlich/Mümmler/Braun/Rehberg, BRAGO, 19. Aufl., Beigeordneter Rechtsanwalt , Abschn. 9.2). Nimmt man die gesamte Entwicklung seit Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch hinzu, konnte für den Beschwerdeführer bei Erhalt des Beschlusses vom 14.04.1999 kein Zweifel bestehen, dass der Kläger inzwischen Ratenzahlungen in einer Höhe geleistet hatte, die auch die weitere Vergütung abdeckten. Nachdem nämlich auf die erste Bitte des Beschwerdeführers um Auskehrung der weiteren Vergütung vom 17.04.1997 zunächst mit Beschluss des Rechtspflegers vom 28.05.1997 eine Stundung der Ratenzahlungen bis zum 31.12.1997 erfolgt war und am 01.04. des folgenden Jahres vom Rechtspfleger, der in dem Beschwerdeverfahren die Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrnahm, mitgeteilt worden war, dass der Kläger auch in der Folgezeit die Ratenzahlungen nicht aufgenommen hatte, erfolgte dann auf die zweite Bitte des Beschwerdeführers zur Auszahlung der weiteren Vergütung mit Schreiben vom 31.03.1999, in dem er seine Auffassung zum Ausdruck gebracht hatte, dass auf seine seinerzeit an den Kläger ergangene Aufforderung, die Ratenzahlungen aufzunehmen, dieser zwischenzeitlich seinen Ratenzahlungsverpflichtungen zur Gänze nachgekommen sei, jetzt umgehend (Beschluss vom 14.04.1999) die Festsetzung und anschließend sofort die Auszahlung der weiteren Vergütung.

Unter diesen Umständen brauchte der Beschwerdeführer nicht mehr damit zu rechnen, dass der Bezirksrevisor 10 Monate später Erinnerung einlegen würde. Auch

von Eicken sieht a. a. O. (Rdn. 27) die Zahlung der weiteren Vergütung des § 124 entsprechend der Berechnung des Rechtsanwalts als einen solchen Fall an, in dem der Vertrauensgrundsatz zum Tragen kommen kann.

An dieser Einschätzung ändert sich auch dadurch nichts, dass der Rechtspfleger den Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 19.08.1999 zur Rückzahlung aufgefordert hatte. Erstens hatte der Rechtspfleger keine Kompetenz, den Festsetzungsbeschluss wieder zu ändern. Zudem war seine Begründung für das Rückzahlungsverlangen nicht nachvollziehbar. Die Ratenzahlungen waren von Anfang an, d. h. seit dem 01.01.1996 ausgeblieben, was dem Rechtspfleger ausweislich seiner zahlreichen Vermerke in den Akten bekannt war. Die Mitteilung der Gerichtskasse konnte insoweit keine neue Situation schaffen. Auch wenn man das Erinnerungsrecht des Bezirksrevisors zu diesem Zeitpunkt noch nicht als verwirkt ansehen wollte (die Entscheidung insoweit kann daher offen bleiben), brauchte der Beschwerdeführer unter den vorgenannten Umständen nach weiteren ca. vier Monaten nicht mehr mit einer Inanspruchnahme zu rechnen.

C.

1. Eine Kostenentscheidung war nicht angezeigt (§ 128 Abs. 5 BRAGO).

2. Gegen diesen Beschluss findet keine weitere Beschwerde statt (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

gez.: Dr. Rummel






LAG Düsseldorf:
Beschluss v. 21.12.2000
Az: 7 Ta 220/00


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