Oberlandesgericht München:
Urteil vom 10. Juli 2008
Aktenzeichen: 29 U 3316/03
(OLG München: Urteil v. 10.07.2008, Az.: 29 U 3316/03)
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 30. April 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,€ Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I.
Der Kläger ist Berufsfotograf. Die Beklagte verlegt die ZeitungenWundH.
Die Parteien standen seit 1971 in Geschäftsverbindung. Der Kläger übersandte den Redaktionen derWund desHzum Teil auf deren Ersuchen, im Übrigen auf eigene Veranlassung bis in die 90er Jahre Schwarz/Weiß-Abzüge seiner Fotografien. Die auf kartonstarkem Barytpapier in den Formaten 24 cm x 30 cm oder 30 cm x 40 cm hergestellten Abzüge waren auf der Rückseite in jedenfalls nahezu allen Fällen mit dem Namen und der Adresse des Klägers versehen und wiesen in den meisten Fällen auch den StempelaufdruckFoto nur leihweiseauf. In den den Sendungen der Fotos beigefügten Lieferscheinen fand sich regelmäßig der Vermerkzur Archivauswahl, zum Teil auch der Hinweisleihweise zur Auswahl. Aus dem vom Kläger übersandten Material suchten die Redaktionen Fotos heraus, die sie in ihre Bildarchive nahmen, und sandten die übrigen Fotos an den Kläger zurück. Honorarzahlungen erhielt der Kläger, wenn die Fotos veröffentlicht wurden. Von den Redaktionen nach der Veröffentlichung nicht mehr benötigte Fotos sandte die Beklagte an den Kläger zurück. Seit 1975 berechnete der Kläger der Beklagten für einbehaltene Abzüge eine Archivgebühr.
Seit Ende der 90er Jahre entwickelte sich ein Sammlermarkt für Pressefotografien. Inzwischen werden für zeitnah nach den Aufnahmen vom Fotografen selbst hergestellte Abzüge (so genannte Vintage Prints) auf Auktionen und bei Verkäufen nicht unerhebliche Preise erzielt.
Nachdem die Beklagte mehr als zehn Jahre keine Fotos des Klägers mehr veröffentlicht hatte, forderte er seine Fotos von der Beklagten zurück. Auf dieses Verlangen schickte die Beklagte dem Kläger ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht die in den 90er Jahren übersandten Fotos sowie weitere 63 Abzüge, die im Rahmen der normalen Archivarbeiten aufgefunden worden waren. Die Übersendung weiterer Fotos machte die Beklagte von der Zahlung eines Stundensatzes von 300 DM zuzüglich Umsatzsteuer für das Heraussuchen der Fotos des Kläger aus dem Gesamtbestand von 600.000 Schwarz/Weiß-Fotos ihres Bildarchivs abhängig, in dem die Archive derWund desHzusammengefasst sind.
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe die Fotos der Beklagten nur leihweise überlassen. Er hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, sämtliche, mindestens 437, Schwarz/Weiß-Barytabzüge von näher beschriebenen klägerischen Fotos herauszusuchen und an ihn herauszugeben. Hilfsweise hat er eine Stufenklage erhoben, mit der er Auskunft über die Abzüge und deren Herausgabe begehrt hat.
Die Beklagte, die der Klage entgegengetreten ist, hat die Ansicht vertreten, die Klageanträge seien nicht hinreichend bestimmt. Sie habe die einbehaltenen Abzüge mit Zahlung der Archivgebühr vom Kläger gekauft und zu Eigentum erworben. Es sei ihr wegen des unverhältnismäßigen Aufwands nicht zuzumuten, die Fotografien aus ihrem Archiv herauszusuchen.
Mit Urteil vom 30. April 2003, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen wie folgt verurteilt:
Die Beklagte wird verurteilt, 437 Schwarz/Weiß-Barytabzüge von Fotos des Klägers im Format DIN A 4 und größer bis 30/40 cm an den Kläger herauszugeben, die dadurch gekennzeichnet sind, dass auf der Rückseite jedes Abzugs u. a. der vollständige Name des Klägers (Karsten de Riese) angegeben ist und ferner dadurch gekennzeichnet sind, dass sie folgenden Themen zugeordnet werden können, af der Rückseite jedes Fotos die nachfolgend jeweils angegebene Lieferscheinnummer des Klägers tragen und dass sie ebenfalls auf der Rückseite jedes Fotos eine Negativnummer aufweisen, die in den jeweils zugehörigen Bereich der angegebenen Negativnummern fällt, nämlich
Anzahl FotosThema des FotosMaßgebliche Lieferschein-Nr. des Klägers auf der Rückseite des FotosAnlagen-Nr. des LieferscheinsBereich der Negativ-Nr. auf der Rückseite des Fotos4 Büroberufe381K 30608-10, 85116 Prominenten-Portraits334K 29140/IV, 178, 193, 218, 398-99, 613-17, 673-763 Büroberufe389K 33267-9922 Portraits446K 34398-992 Pharmazie454K 35267-9212 Energie II2209K 371747-5011 Pharmazie2216K 381817-215 Energie III2230K 391766-67, 1495 Komet/Transrapid 042252K 401824-299 Dt. Herzzentrum2277K 411547-522 Energie2288K 421544-62, 1657, 19179 Argentinien II2308K 43364-6514 Unfallklinik M2372 aK 44570-7619 R Klinik M2387 aK 461161-765 Energie KWU/O2449K 472026-283 Biergarten2497K 482076-893 Rentner im Biergarten2510K 49353, 564-666 Jugendstil-Fassaden2592K 501056-573 Autobahnbau2703K 511982-853 Malende Alte2816K 521658-632 Montenegro2817K 53211-165 Aufgelassener Bahnhof2818K 541516-18, 2124-90, 23075 div. Themen/Davidoff2848K 551626-28, 1731-33, 22471 Jumbojet, div. Th.2906K 57189, 661, 1267, 1290, 1709-303 Ägypten2907K 591771-18162 Universität R2957K 611552-572 Bundeswehr2958K 631412-266 Verleger3170 aK 65299, 2540-5020 Verleger3170 bK 66299, 2540-5044 Verleger3212K 67299, 2540-503 H B3347K 682448-60, 2503-174 BMW3349K 692011-253 Spanien II3366K 52570-26056 documenta3384K 62314-3415 UdSSR3385K 71847-832 Ägypten II3401K 101771-18161 Geld/Banken3416K 71606-11473 UdSSR/Moskau3447K 731845-634 Ägypten III3448K 751771-18163 Bayern3489K 77278-26183 Forschung3594K 79282-269127 Menschen u. Berufe3797K 812663-912 F.-J. S3797K 8127328 Ägypten IV/Industrie3812K 831771-18169 UdSSR/Moskau3813K 851842-9915 Bayerische Börse3926K 862842-504 Kurbetrieb3943K 872338-857 Ägypten/Kairo3944K 1331631-48, 1771-18167 Kongresszentrum/Bad G3945K 881522-277 Taubertal4089K 892337-46, 2367-854 Bundeswehrhochschule M4090K 911928-456 Behinderte/Alte4122K 92281-304810 Klinik P, Mü.4123K 941296-132010 Büros dt. Betriebe4144K 95397-29701 Berufe4185K 97€€ 18 Hochbau BW-Hochschule4266K 991412-2714 Bayerische Börse4267K 1012842-504 Firmenportraits4362K 1021119-30003 div. Themen4363K 1042873-31972 Transrapid 064472K 10532996 Firmenportrait Bayer. Rück4845K 1071119-30007 Ägypten4920K 1081771-1816Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klageantrag sei hinreichend bestimmt und dem Kläger stehe ein Anspruch auf Herausgabe von 437 Abzügen aus § 985 BGB zu. Auf Grund der vom Kläger vorgelegten Zu- und Rücksendungsunterlagen und der Aussagen der vernommenen Zeuginnen dazu, mit welcher Sorgfalt das Versandnachweissystem geführt worden sei, gelangte das Landgericht zu der Auffassung, dass die 437 im Klageantrag beschriebenen Abzüge der Beklagten zugegangen seien; die Beklagte habe ihre Behauptung, Abzüge aus dieser Gruppe zurückgesandt zu haben, nicht unter Beweis gestellt.
Der Senat hat auf die Berufung der Beklagten zunächst mit Urteil vom 12. Februar 2004 das landgerichtliche Urteil insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden war, und die Klage insgesamt abgewiesen.
Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof dieses Senatsurteil mit Urteil vom 14. Dezember 2006 € I ZR 34/04 (GRUR 2007, 693 ff. €Archivfotos), auf das Bezug genommen wird, insoweit aufgehoben, als darin die Klage in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang abgewiesen worden war, und die Sache insoweit zurückverwiesen. Die Beklagte habe weder durch Übereignung noch Ersitzung Eigentum an den Abzügen erlangt; sie könne dem Herausgabeverlangen auch kein Recht zum Besitz entgegenhalten, weil der Kläger die bestehenden Verträge über die zeitweise Überlassung der Abzüge spätestens mit Erhebung der Klage gekündigt habe. Der Beklagten sei es auch trotz des mit der Rückgabe verbundenen Aufwands zuzumuten, die Bilder herauszugeben; der Herausgabeanspruch entfalle nicht deshalb nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, weil die Beklagte die Fotoabzüge in ihr umfangreiches Archiv eingestellt hat, ohne deren direktes Auffinden anhand des Namens des Klägers zu ermöglichen. Der Senat habe Feststellungen dazu nachzuholen, ob die Beklagte die Abzüge noch in Besitz habe.
Die Beklagte beantragt,
das landgerichtliche Urteil aufzuheben, soweit sie darin in zur Herausgabe von 437 Schwarz/Weiß-Barytabzügen von Fotos des Klägers verurteilt wird.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Verlust von 437 Schwarz/Weiß-Barytabzügen gemäß Ziffer I. des landgerichtlichen Urteils einen angemessenen Betrag, dessen in das Ermessen des Senats gelegt werde, mindestens aber einen Betrag von 131.100,€ Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und vertritt die Auffassung, dass die Beklagte es zu vertreten habe, falls ihr die Herausgabe nicht mehr möglich sei; sie sei ihm dann zum Schadensersatz verpflichtet.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Termine vom 30. Oktober 2003 und vom 10. Juli 2008 Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil dem Kläger gegen die Beklagte aus § 985 BGB ein Anspruch auf Herausgabe der 437 noch streitgegenständlichen Abzüge zusteht. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer einer Sache vom Besitzer deren Herausgabe verlangen.
1. Dass der Kläger Eigentümer der Abzüge ist, steht nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ebenso fest wie der Wegfall der die Beklagte zum Besitz berechtigenden Vertragsverhältnisse und die Erfolglosigkeit des Einwands der Beklagten, die Anspruchsgeltendmachung sei treuwidrig.
2. Im Streitfall ist nach dem Parteivorbringen auch davon auszugehen, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Abzüge noch in Besitz hat.
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass die streitgegenständlichen 437 Abzüge bei der Beklagten angekommen sind (vgl. S. 16 d. landgerichtlichen Urteils). Diese Feststellung hat der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen; konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten könnten, werden von der Beklagten nicht aufgezeigt.
Die Beklagte räumt hinsichtlich 121 Abzügen selbst ein, diese erhalten zu haben (vgl. S. 7 ihres Schriftsatzes v. 25. Januar 2008 = Bl. 452 d. A.).
Hinsichtlich der weiteren Abzüge trägt die Beklagte nichts vor, was die auf die vom Kläger vorgelegten Unterlagen und die Aussagen von Mitarbeiterinnen des Klägers gestützte Würdigung des Landgerichts erschüttern könnte. Insbesondere stellt auch die Beklagte nicht in Frage, dass es sich bei den Unterlagen um Durchschläge der seinerzeit vom Kläger oder dessen Mitarbeiterinnen gefertigten Zuleitungsschreiben handelt. Sie zeigt auch keinen Umstand auf, der Anlass für die Annahme bieten könnte, dass derartige Schreiben verfasst worden wären, ohne dass die Zusendung tatsächlich erfolgt sei. Insbesondere setzt die Beklagte durch die bloße Wiederholung des Vortrags im ersten Rechtszug dazu (vgl. S. 3 - 5 d. Beklagtenschriftsatzes v.13. Januar 2003 = Bl. 190 - 192 d. A.) im Berufungsverfahren (vgl. S. 5 - 7 d. Beklagtenschriftsatzes v. 25. Januar 2008 = Bl. 450 - 452 d. A.) lediglich ihre eigene Würdigung des klägerischen Unterlagen und der Zeugenaussagen an die Stelle derjenigen des Landgerichts; da sie keinen Rechtsfehler des Landgerichts aufweist, ist diese Vorgehensweise nicht geeignet, die landgerichtliche Würdigung in Frage zu stellen.
b) Im Streitfall ist nach dem Parteivorbringen auch davon auszugehen, dass der mit der Zusendung der Abzüge begründete Besitz der Beklagten andauert.
aa) Für einen Eigentumsherausgabeanspruch nach § 985 BGB muss ein Kläger darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Erhebung der Klage Besitzer der herausverlangten Sache war (BGH NJW 1988, 2597 (2599) m. w. N.). Dabei ist jedoch den Schwierigkeiten, denen ein Kläger hinsichtlich des Vortrags zum Besitz eines Beklagten begegnet, Rechnung zu tragen.
(1) So liegt in der Behauptung eines Beklagten, er finde eine Sache, die er in Besitz genommen hatte, zur Zeit nicht, noch nicht der Vortrag, er habe den Besitz an der Sache verloren (vgl. BGH, Urt. v. 12. Mai 1982 € VIII ZR 132/81, juris, dort Tz. 22 (= WM 1982, 749 ff.), v. BGH in Tz. 40 d. Urt.Archivfotoszitiert). Mangels Bestreitens ist in einem derartigen Fall die Besitzbehauptung des Klägers zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
(2) Ein Kläger genügt seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen sich ergibt, dass der Beklagte in einem vor Klageerhebung liegenden Zeitpunkt im Besitz der Sache gewesen ist; denn dafür, dass die beklagte Partei auch weiter im Besitz der Sache geblieben ist, spricht € insbesondere dann, wenn der Beklagte keine näheren Angaben über die Art und Weise des behaupteten Besitzverlustes macht € die allgemeine Kontinuitätsvermutung (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 17. Februar 1993 € 11 U 43/92, zitiert nach juris;Eckertin:Schulze/Dörner/Ebert, BGB, 5. Auflage 2007, § 985 Rz. 8;Gurskyin:Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 985 Rz. 57;Medicusin: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 985 Rz. 60; für den Fall des Besitzes bei Klageerhebung auchBassengein:Palandt,BGB, 67. Aufl. 2008, § 985 Rz. 16).
Das folgt schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass einem Kläger Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute kommen können, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich des Beklagten fallen, und diesen deshalb nach dem Gebot redlicher Prozessführung (§ 242 BGB) eine prozessuale Erklärungspflicht trifft (vgl. BGH NJW 2008, 982 Tz. 16;Gregerin:Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, vor § 284 Rz. 34 f.; vgl. auchBornkammin:Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. 2008, § 5 Rz. 3.23). Nur wenn der Beklagte dieser Obliegenheit genügt, ist die weitere Darlegung wiederum Sache des an sich darlegungspflichtigen Klägers; kommt der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, so gilt die Behauptung des Klägers als zugestanden (vgl.Greger, a. a. O., vor § 284 Rz. 34c; vgl. auchBornkamm, a. a. O.).
bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger den derzeitigen Besitz der Beklagten hinreichend dargetan, ohne dass diese hinreichend bestritten hätte.
Die Beklagte bestreitet ihren Besitz schon nicht in berücksichtigungsfähiger Weise. Sie schließt lediglich aus dem Umstand, dass seit Oktober 2000 bei der Nutzung ihres Archivs keine Abzüge des Klägers mehr aufgetaucht seien, darauf, dass sich die Abzüge nicht mehr im Archiv befänden. Sie hat aber weder das Archiv auf das Vorhandensein von Abzügen des Klägers gesichtet € das lehnt sie seit Beginn des Rechtsstreits aus Kostengründen ab €, noch konkrete Umstände genannt, aus dem sich ihr Besitzverlust ergäbe. Letztlich erschöpft sich ihr Vortrag in der Behauptung, sie habe € ohne ordnungsgemäß danach gesucht zu haben € die Abzüge nicht finden können. Das stellt schon keinen Vortrag dar, den einmal erlangten Besitz verloren zu haben.
Im Übrigen hat sie mit diesem Vorbringen ihrer Informationsobliegenheit aus § 138 Abs. 4 ZPO über Kenntnisse, die sie zwar nicht aus eigener Wahrnehmung hat, sich aber beschaffen kann (vgl. BGH NJW 1995, 130 (131) m. w. N.), nicht Genüge getan, so dass ihr ein Bestreiten mit Nichtwissen verwehrt ist.
Das Vorbringen der Beklagten wäre auch nicht beachtlich, wenn man darin nicht nur ein Bestreiten des klägerischen Vortrags ihres Besitzes mit Nichtwissen, sondern ein ausdrückliches Bestreiten als falsch sehen wollte. Denn im Streitfall fällt die Frage, ob die Beklagte noch Besitzerin der Abzüge ist, in deren betriebliche Sphäre. Es hätte schon deshalb dieser oblegen, den klägerischen Vortrag hierzu unter Darstellung der einzelnen Verlustvorgänge so substantiiert zu bestreiten, dass der Klägerin die Möglichkeit eröffnet gewesen wäre, diesem Vorbringen unter Beweisantritt entgegenzutreten. Dieser Anforderung genügt der pauschale Vortrag der Beklagten nicht.
3. Da die Behauptung des Klägers, die Beklagte sei im Besitz der noch streitgegenständlichen Abzüge, zugestanden ist, kann er gemäß § 985 BGB deren Herausgabe verlangen. Über den hilfsweise gestellten Antrag auf Verurteilung der Beklagten zum Schadensersatz ist deshalb nicht zu entscheiden.
III.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Erstreckung der Abwendungsbefugnis auf die Hauptsache trägt dem Umstand Rechnung, dass das landgerichtliche Urteil durch seine Bestätigung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar wird (vgl. BGH, Beschl. v. 27. August 1993 € IV ZB 14/93, juris Tz. 3;Hüßtegein:Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 708 Rz. 11).
3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.). Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
OLG München:
Urteil v. 10.07.2008
Az: 29 U 3316/03
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