Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2011
Aktenzeichen: 26 W (pat) 135/09
(BPatG: Beschluss v. 12.01.2011, Az.: 26 W (pat) 135/09)
Tenor
Die Beschwerde und der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr werden zurückgewiesen.
Gründe
I Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung der für die Waren
"20 Waren aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Kombination mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle; Dekorationsartikel aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Kombination mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle; Figuren (Statuetten) aus Holz und/oder Kunststoff; Gestelle für Dekorationsartikel aus Holz oder Kunststoff, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Verbindung mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle; Kunstgegenstände aus Holz und/oder Kunststoff; Kunsttischlerartikel; Pyramiden aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Kombination mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle; Pyramidengestelle aus Holz und/oder Kunststoff, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Kombination mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle;
21 Kerzenleuchter, nicht aus Edelmetall; (Leuchter-)Gestelle aus Holz und/oder Kunststoff (nicht elektrisch);
28 Christbaumschmuck; Spiele; Spielzeug"
bestimmten dreidimensionalen Marke 306 64 166.6 mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, letztendlich teilweise zurückgewiesen, nämlich für alle Waren mit Ausnahme der Waren der Klasse 28 "Christbaumschmuck; Spiele; Spielzeug". Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der angemeldeten Marke fehle für alle übrigen Waren jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), weil es sich insoweit um die Form der beanspruchten Waren handele und diese von anderen branchenüblichen Formen des entsprechenden Warenbereichs nicht so erheblich abweiche, dass der Verkehr darin einen Hinweis auf die Herkunft der Waren aus dem Unternehmen des Anmelders sehen werde. Wie der Anmelder selbst vorgetragen habe, handele es sich bei der angemeldeten dreidimensionalen Marke um ein Gestell. Ein solches Gestell werde von den im Warenverzeichnis aufgeführten Waren der Klassen 20 und 21 umfasst.
Dagegen wendet sich der Markeninhaber mit der Beschwerde. Er hat das Verzeichnis der Waren in der Beschwerdebegründung auf die Waren
"20 Waren, ausgenommen Sitzmöbel, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Kombination mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle; Dekorationsartikel aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Kombination mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle; Figuren (Statuetten) aus Holz und/oder Kunststoff; Gestelle für Dekorationsartikel aus Holz oder Kunststoff, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Verbindung mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle; Kunstgegenstände aus Holz und/oder Kunststoff; Kunsttischlerartikel, ausgenommen Sitzmöbel; Pyramiden aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Kombination mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle; Pyramidengestelle aus Holz und/oder Kunststoff, soweit in Klasse 20 gehörend, auch in Kombination mit anderen Werkstoffen, ausgenommen Edelmetalle;
21 Kerzenleuchter, nicht aus Edelmetall; (Leuchter-)Gestelle aus Holz und/oder Kunststoff (nicht elektrisch);
28 Christbaumschmuck; Spiele; Spielzeug"
beschränkt und trägt vor, auf Grund der Ausführungen im Beschluss des Erstprüfers dränge sich der Verdacht auf, dass dieser bei der angemeldeten Marke an bestimmte Sitzmöbel, nämlich Hocker, gedacht habe. Deshalb seien Sitzmöbel, an denen der Anmelder nicht interessiert sei, nunmehr aus dem Warenverzeichnis ausgenommen worden. Der Anmelder räumt unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken ein, dass es bei diesen schwieriger als bei anderen Markenformen sein könne, deren Unterscheidungskraft festzustellen. Gleichwohl ist er der Ansicht, dass der angemeldeten Marke nicht nur für die Waren der Klasse 28, sondern auch für die nunmehr noch beanspruchten Waren der Klassen 20 und 21 die erforderliche Unterscheidungskraft zukomme, weil sie neben typischen technischen Merkmalen und Ausstattungselementen eine charakteristische Gestaltung aufweise, die vom Branchenüblichen deutlich abweiche. Seine Auffassung zur Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke stützt er ferner unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2009, 667 ff. -Bild, T-Online u. a.) und des BPatG (GRUR 2009, 683 ff. -Schwabenpost) auf eine Anzahl in der Klasse 20 eingetragener, seiner Ansicht nach vergleichbarer dreidimensionaler Marken.
Der Anmelder beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. November 2007 und 27. April 2009 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Ferner beantragt er, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
II Die zulässige Beschwerde des Anmelders erweist sich auch nach der im Beschwerdeverfahren erklärten Einschränkung des Warenverzeichnisses als unbegründet. Der angemeldeten Marke fehlt auch für sämtliche Waren der Klassen 20 und 21, wie sie in dem neuen Warenverzeichnis vom 28. Juli 2009 aufgeführt sind, die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Produkte eines Unternehmens gegenüber den Produkten anderer Unternehmen aufgefasst zu werden; denn die Hauptfunktion einer Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH MarkenR 2006, 395 -FUSSBALL WM 2006 m. w. N.). Diese Grundsätze finden auch bei der Beurteilung dreidimensionaler Marken Anwendung, die aus der Form der Ware bestehen. Bei ihnen sind die Kriterien für die Unterscheidungskraft keine anderen als für die übrigen Markenkategorien (EuGH MarkenR 2006, 322, Rn. 24 -Storck/HABM). Wie bei jeder anderen Markenform ist auch bei der dreidimensionalen, die Ware selbst darstellenden Markenform allein zu prüfen, ob der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen einen Herkunftshinweis sieht (EuGH MarkenR 2003, 187, Rn. 41 f., 46 -
Linde, Winward und Rado).
Eine dreidimensionale Marke, die allein aus der Form der Ware besteht, wird jedoch vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine herkömmliche Wortund Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Gewöhnlich schließen Verbraucher daher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung nicht auf die betriebliche Herkunft (EuGH a. a. O. -Storck/HABM, Rn. 25). Dementsprechend gehen der EuGH und der BGH in ihrer Rechtsprechung bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, trotz Anlegung des beschriebenen großzügigen Prüfungsmaßstabs davon aus, dass solchen Marken im Allgemeinen die erforderliche konkrete Unterscheidungskraft fehlt; denn die dreidimensionale naturgetreue Wiedergabe eines der Gattung nach im Warenverzeichnis aufgeführten Erzeugnisses ist häufig nicht geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren (BGHZ 166, 65, Rn. 17 -Porsche Boxster; MarkenR 2007, 486, Nr. 24 Fronthaube).
Die notwendige Unterscheidungskraft besitzt eine dreidimensionale, aus der Form der Ware bestehende Marke nur dann, wenn sie erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht (EuGH GRUR 2006, 235 -Standbeutel) und deshalb vom durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Rede stehenden Waren als Herkunftshinweis aufgenommen wird. Die Warenform muss es dem Verkehr ermöglichen, die betreffenden Waren auch ohne analysierende Betrachtungsweise sowie ohne besondere Aufmerksamkeit oder nähere Prüfung von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2004, 428 -Henkel; GRUR Int. 2005, 135 -Maglite). Weist das Warenumfeld bereits eine große Vielfalt an Formen auf, in die sich die angemeldete Marke ohne weiteres einfügt, so ist die Unterscheidungskraft zu verneinen, sofern sich nicht ausnahmsweise feststellen lässt, dass der Verkehr die Produkte der verschiedenen Hersteller auf dem betreffenden Warengebiet anhand der Form voneinander unterscheidet (PAVIS PROMA, BPatG 26 W (pat) 193/04 -Waschmitteltablette).
Hiervon ausgehend ist im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Anmelders die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke auch für die im eingeschränkten Verzeichnis aufgeführten Waren der Klassen 20 und 21 zu verneinen.
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich nach den eigenen Angaben des Anmelders gegenüber der Markenstelle um ein "Gestell". Dieses besteht ausweislich der vom Anmelder eingereichten zeichnerischen Darstellungen der Marke aus verschiedenen Blickwinkeln aus drei gleichlangen, gedrechselten Beinen sowie einem darauf befestigten, ebenfalls gedrechselten Oberteil, das als Abstellfläche genutzt werden kann. Ein "Gestell" der beanspruchten Art kann nicht nur -bei entsprechend stabiler Ausführung -als Sitzhocker, sondern darüber hinaus auch als Blumenhocker oder als Abstellund Präsentationsfläche für andere Gegenstände dienen. Solche Blumenhocker fallen nicht unter die vom Anmelder nunmehr aus dem Warenverzeichnis ausgenommenen Sitzmöbel und werden folglich vom nunmehr geltenden Warenverzeichnis weiterhin umfasst. Sie fallen sowohl unter den weiten Warenoberbegriff der Waren aus Holz und anderen, im Einzelnen aufgeführten Materialien als auch -bei entsprechend hochwertiger Ausführung unter die weiteren Warenoberbegriffe der "Kunstgegenstände aus Holz und/oder Kunststoff". Sie sind ferner ein figürlicher Gegenstand und daher auch unter die Warenbezeichnung "Figuren (Statuetten) aus Holz und/oder Kunststoff" subsumierbar bzw. stehen zumindest in einem engen sachlichen Bezug zu diesen Waren. Als kleinere Ausführung kann die als Marke beanspruchte Warenform auch als Kerzenleuchter bzw. Leuchtergestell, wie in der Klasse 21 beansprucht, dienen.
Von den gerichtsbekannten branchenüblichen Blumenhockern, die üblicherweise aus einem dreioder vierbeinigen Untergestell sowie einer Abstellfläche bestehen und die unterschiedlich geformte (auch gedrechselte) Beine und häufig auch eine runde Abstellfläche aufweisen, weicht die angemeldete Warenformmarke allenfalls geringfügig ab, so dass es in Bezug auf diese Waren an für die Bejahung der Unterscheidungskraft notwendigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine erhebliche Abweichung der angemeldeten Warenformmarke von der Norm oder der Branchenüblichkeit fehlt.
Darüber hinaus stellt die angemeldete Warenformmarke auch ein Pyramidengestell dar, wie es in Klasse 20 des Warenverzeichnisses aufgeführt ist, und damit zugleich einen wesentlichen Teil von (Weihnachts-)Pyramiden, wie sie ebenfalls im Warenverzeichnis in der Klasse 20 aufgeführt sind. Auch in Bezug auf diese Waren ist ein umfangreicher Formenschatz im Verkehr feststellbar, wie sich aus den vom Anmelder als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 eingereichten Beispielen erzgebirgischer Volkskunst entnehmen lässt und nicht zuletzt auch vom Anmelder selbst in diesem Schriftsatz zugestanden worden ist. Von der Vielfalt der verschiedenen, teilweise ebenfalls dreibeinigen Pyramidengestelle weicht das vom Anmelder als Marke angemeldete Gestell nicht so deutlich ab, dass der Verkehr hierin zugleich einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen würde. Vielmehr stellt die angemeldete Warenform eine Kombination von an sich bekannten Elementen (gedrechselte Beine bzw. Verwendung von drei nach oben hin zusammenlaufenden Beinen) dar bzw. lehnt sich zu eng an solche bekannten Elemente an, um vom Verkehr zugleich als Marke und nicht nur als eine weitere, gefällige Ausführungsform verstanden zu werden.
Soweit sich der Anmelder demgegenüber auf eine angebliche Voreintragung vergleichbarer Marken berufen hat, ist zunächst festzustellen, dass es insoweit bereits an der konkreten Benennung angeblich vergleichbarer voreingetragener Marken fehlt. Im Übrigen stellt die Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer Marke aber auch eine der freien Ermessensausübung unzugängliche Rechtsfrage dar. Weil dem Deutschen Patentund Markenamt insoweit kein Ermessensspielraum zur Verfügung steht, scheidet auch eine anspruchsbegründende Selbstbindung dieser Behörde aus. Insbesondere ist das Deutsche Patentund Markenamt deshalb auch nicht verpflichtet, die in § 8 MarkenG normierten Schutzhindernisse unberücksichtigt zu lassen und einem Eintragungsantrag deshalb stattzugeben, weil das angemeldete Zeichen auf identische oder vergleichbare Art und Weise wie ein Zeichen gebildet ist, dessen Eintragung als Marke sie bereits bewilligt und das sich auf identische oder ähnliche Waren und Dienstleistungen bezieht (EuGH MarkenR 2008, 163, 167, Nr. 39 -Terranus). Die Beschwerde des Anmelders konnte daher keinen Erfolg haben.
Auch der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war zurückzuweisen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr steht gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Sie wird nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. BPatGE 26, 17, 22) nur in solchen Fällen angeordnet, in denen es, z. B. wegen eines vorwerfbaren Fehlers der Vorinstanz, unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten. Ein solcher vorwerfbarer Verfahrensfehler ist aber weder vom Anmelder aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Auch eine grob fehlerhafte Anwendung der maßgeblichen materiellen Bestimmungen des Markenrechts ist nicht feststellbar. Vielmehr hat die Markenstelle die Anmeldung zu Recht und mit weitgehend zutreffender Begründung teilweise zurückgewiesen. Deshalb muss auch der Rückzahlungsantrag erfolglos bleiben.
Dr. Fuchs-Wissemann Dr. Schnurr Reker Bb
BPatG:
Beschluss v. 12.01.2011
Az: 26 W (pat) 135/09
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