Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. August 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 79/04
(BPatG: Beschluss v. 24.08.2006, Az.: 25 W (pat) 79/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 24. März 2004 aufgehoben.
Der Widerspruch aus der Marke 394 07 444 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Marke Grafik der Marke 30240244.6 ist am 23. Juni 2003 unter der Nummer 302 40 244 für die Waren und Dienstleistungen
"Gespeicherte Programme und/oder elektronische Komponenten zur Messwerterfassung und Messwertverarbeitung und Datenübertragung in der Automobiltechnik, Avionik und Nautik; Zusatzgeräte für Datenverarbeitungsanlagen (soweit in Klasse 9 enthalten) zur Aufbereitung, Veränderung, Übermittlung und Darstellung von Daten; gespeicherte Programme zur Analyse, Messwerterfassung und Messwertverarbeitung in der Medizintechnik; elektronische Geräte der Medizintechnik zur Analyse, Messwerterfassung und Messwertverarbeitung; Erstellen von Programmen zur Messwerterfassung, Messwertverarbeitung und Datenübertragung in der Automobiltechnik, Avionik und Nautik sowie Erstellen von Programmen zur Analyse, Messwerterfassung und Messwertverarbeitung in der Medizintechnik; Entwicklungsdienstleistungen für Multimedia-, Audio-, Video-, Telekommunikations-, Automobil-, Medizin- und Sicherheitsprodukte"
in das Markenregister eingetragen worden.
Dagegen hat die Inhaberin der seit dem 17. August 1995 für die Waren
"Datenverarbeitungs- und Datenübertragungsgeräte und daraus zusammengestellte Anlagen, deren periphere Einheiten, Ersatz- und Einzelteile; Datenverarbeitungsprogramme; Handbücher für die genannten Waren; Aufzeichnungsmedien, insbesondere Magnetplatten"
unter der Nummer 394 07 444 eingetragenen Marke AIX Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 24. März 2004 die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie hat zuletzt mit Schriftsatz vom 26. April 2004 - der Widersprechenden mit Begleitschreiben des Bundespatentgerichts vom 15. Juli 2004 zu Händen ihres Zustellungsbevollmächtigten Patentanwalt A... in B... per Empfangsbekennt- nis zugestellt - die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat hierauf nicht erwidert.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobene Widerspruch war gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen. Der Widerspruch kann hier schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Widersprechende nach Erhebung der Benutzungseinrede im Beschwerdeverfahren eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im maßgeblichen Benutzungszeitraum nicht glaubhaft gemacht hat. Auf Seiten der Widerspruchsmarke können daher bei der Frage der Verwechslungsgefahr i. S. von § 9 Abs. 2 MarkenG keine Waren berücksichtigt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).
Da die Widersprechende ihre Einrede nicht auf einen Benutzungszeitraum beschränkt hat und die am 17. August 1995 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 25. Juli 2003 bereits länger als fünf Jahre im Markenregister eingetragen war, greift hier die Einrede mangelnder Benutzung sowohl für den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG als auch für den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ein (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 15). Danach hätte die Widersprechende eine ernsthafte Benutzung ihrer Marke sowohl für den Zeitraum von fünf Jahren vor Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke als auch für den Zeitraum von fünf Jahren rückgerechnet vom Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung glaubhaft machen müssen. Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren jedoch weder hierzu noch sonst zur Sache geäußert.
Das Gericht ist bei der vorliegenden Entscheidung im Verfahren ohne mündliche Verhandlung nicht gehalten, den Beteiligten Äußerungsfristen zu setzen oder einen beabsichtigten Entscheidungstermin mitzuteilen. Vielmehr ist es in diesem Fall zur Wahrung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs ausreichend, wenn die jeweiligen Schriftsätze dem Gegner übersendet werden und ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, sich hierzu innerhalb einer angemessenen Frist zu äußern (vgl. BGH GRUR 1997, 223, 224 - Ceco; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 37, 41).
Gerichtliche Aufklärungshinweise nach § 82 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 139, 278 ZPO waren ebenfalls nicht veranlasst. Insbesondere war der Senat nicht gehalten, die Widersprechende auf die nötige Vorlage von Mitteln zur Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung hinzuweisen. Denn ein derartiger Hinweis hätte zu Lasten der Verfahrensgegnerin in Widerspruch zu der ausschließlich der Widersprechenden obliegenden Verantwortung für die Beibringung geeigneter Tatsachen und Beweismittel und damit zu dem für Benutzungsfragen geltenden Beibringungsgrundsatz (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 2, 37) sowie der Neutralitätspflicht des Gerichts gestanden (BPatG GRUR 2000, 900, 902 - Neuro-Vibolex).
Zwar obliegt nach § 139 Abs. 1 ZPO dem Gericht die Pflicht, auf die Beibringung der zur Rechtsfindung notwendigen Tatsachen- und Beweismittel hinzuwirken. Diese Fürsorgepflicht findet jedoch dort ihre Grenzen, wo - wie vorliegend - die darlegungs- und beweisbelastete Beteiligte ihrer Pflicht zur Erklärung (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht nachkommt und insbesondere entsprechende Hinweise an eine Partei deren verfahrensrechtliche Position stärken und gleichzeitig die der anderen Partei schwächen würden (vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 - ESTRAVITAL; BPatG GRUR 2000, 900, 902 - Neuro-Vibolex; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 39). Dies gilt umso mehr, als die Grundanforderungen an die Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung in ständiger Rechtsprechung geklärt und keine neueren abweichenden Entwicklungen zu verzeichnen sind.
Nachdem die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke bereits im Hinblick auf die durchgreifende Nichtbenutzungseinrede Erfolg hat, kommt es auf die Frage, ob zwischen den Marken eine Verwechslungsgefahr besteht, nicht mehr an.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.
BPatG:
Beschluss v. 24.08.2006
Az: 25 W (pat) 79/04
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