Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. November 2005
Aktenzeichen: 10 W (pat) 1/03

(BPatG: Beschluss v. 17.11.2005, Az.: 10 W (pat) 1/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) - Prüfungsstelle für Klasse C 03 C - hat die Patentanmeldung 195 16 628.0-45 (Stammanmeldung) vom 5. Mai 1995 mit der Bezeichnung "Bildung einer Silberbeschichtung auf einem glasartigen Substrat" durch Beschluss vom 21. Dezember 1999 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der 14. Senat des Bundespatentgerichts (BPatG) im Verfahren 14 W (pat) 43/00 durch Beschluss vom 23. November 2001, auf Grund einer mündlichen Verhandlung vom selben Tag, zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist der Anmelderin am 17. Januar 2002 zugestellt worden.

Am 22. November 2001 hat die Anmelderin beim DPMA eine weitere Patentanmeldung eingereicht. Laut Anmeldungsformular handelt es sich dabei um eine Teilung aus der vorliegenden Stammanmeldung. Das DPMA hat die Unterlagen für die Teilanmeldung erst mit Verfügung vom Mai 2002 an das BPatG weitergeleitet. Weil zu diesem Zeitpunkt das Beschwerdeverfahren in der Stammanmeldung bereits abgeschlossen war, hat das BPatG die Unterlagen für die Teilanmeldung wieder an das DPMA zurückgeschickt.

Daraufhin hat das DPMA durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C 03 C vom 14. August 2002 festgestellt, dass die Teilungserklärung vom 22. November 2001 unwirksam sei. Zur Begründung wird ausgeführt, die Teilungserklärung habe während der Anhängigkeit der Stammanmeldung in der Beschwerdeinstanz beim BPatG gegenüber dem DPMA nicht wirksam abgegeben werden können. Wirksam hätte sie nur werden können, wenn sie vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens dem BPatG zugeleitet worden wäre. Eine Weiterleitung sei jedoch im vorliegenden Fall vor der mündlichen Verhandlung des BPatG und der Verkündung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr möglich gewesen. Im übrigen sei es Aufgabe der Anmelderin gewesen, in der Verhandlung auf die am Vortag gegenüber dem DPMA erklärte Teilung hinzuweisen. Somit sei die vorliegende Teilungserklärung gegenstandslos.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie stellt die Anträge,

- den angefochtenen Beschluss in vollem Umfang aufzuheben und - die in der Patentanmeldung 195 16 628.0-45 abgegebene Teilungserklärung vom 22. November 2001 als wirksam zu erklären.

Zur Begründung ihrer Beschwerde macht die Anmelderin geltend, sie habe darauf vertrauen dürfen, dass das DPMA die Teilungserklärung noch während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens an das BPatG weiterleiten würde, wie dies auch in vergleichbaren Fällen geschehen sei. Im vorliegenden Fall sei die Weiterleitung unterblieben, weil das Patentamt die in den Anmeldungsunterlagen vom 22. November 2001 enthaltene Teilungserklärung sechs Monate lang übersehen habe. Dieser Fehler des Patentamts dürfe sich nicht zum Nachteil der Anmelderin auswirken. Die Teilungserklärung müsse daher als wirksam betrachtet werden.

Die Anmelderin regt an, zur Frage des Vertrauensschutzes bei nicht rechtzeitiger Weiterleitung einer an den falschen Adressaten gelangten Erklärung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Das Patentamt hat zutreffend festgestellt, dass die am 22. November 2001 abgegebene Teilungserklärung nicht wirksam geworden ist.

1. Die dem DPMA gegenüber abgegebene Teilungserklärung ist nicht wirksam, weil Adressat einer Teilungserklärung das BPatG ist, solange die Anmeldung sich dort in der Beschwerdeinstanz befindet (Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl, § 39 Rn 9; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 39 Rn 39). Dies ergibt sich daraus, dass die Anmeldung im Laufe des Erteilungsverfahrens gemäß § 39 Abs 1 PatG jederzeit mit der Folge geteilt werden kann, dass die abgetrennte Teilanmeldung in der Verfahrenslage weiterzubetreiben ist, in der sich die Stammanmeldung vor der Teilung befunden hat, weshalb das Beschwerdegericht nach einer Teilung im Erteilungsbeschwerdeverfahren auch zur Entscheidung über den Gegenstand der Teilanmeldung berufen ist (siehe BGH GRUR 1999, 148, 149 - Informationsträger).

Auch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach mit der Teilungserklärung nicht zwingend bereits ein bestimmter abzutrennender Teil der Anmeldung definiert werden muss (BGH GRUR 2003, 47 - Sammelhefter), ändert nichts daran, dass bei einer Teilung der Anmeldung im Erteilungsbeschwerdeverfahren die Teilungserklärung erst mit dem Eingang beim BPatG wirksam werden kann (vgl BPatG - 20. Senat -, BlPMZ 2005, 212, 213 Abschnitt II A 1). Weiterhin ist nämlich in diesem Fall das BPatG jedenfalls für die Prüfung der Wirksamkeit der Teilung zuständig (Schulte, aaO, § 39 Rn 36).

2. Die Teilungserklärung wäre wirksam geworden, wenn sie das Patentamt rechtzeitig an das Bundespatentgericht weitergeleitet hätte (BPatGE 17, 33, 34 f). Hierfür war es entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss nicht erforderlich, dass die Teilungserklärung beim BPatG vor der mündlichen Verhandlung des 14. Senats und der Verkündung der Beschwerdeentscheidung einging. Vielmehr hätte ein Zugang beim BPatG vor dem rechtskräftigen Abschluss des Erteilungsbeschwerdeverfahrens, dh bis zur Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses vom 23. November 2001, genügt (vgl BGH GRUR 2000, 688, 689 - Graustufenbild; Schulte, aaO, § 39 Rn 27). Nachdem dieser Beschluss der Anmelderin am 17. Januar 2002 zugestellt und gegen den Beschluss keine Rechtsbeschwerde eingelegt worden ist, ist er mit Ablauf des Montags, 18. Februar 2002, rechtskräftig geworden (§ 102 Abs 1 PatG, § 222 Abs 1 und 2 ZPO, § 188 Abs 2 BGB). Durch die Weiterleitung der Teilungserklärung im Mai 2002 konnte daher deren Wirksamkeit nicht mehr herbeigeführt werden.

3. Die Wirksamkeit der Teilungserklärung kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Anmelderin auf deren rechtzeitige Weiterleitung - auch im Hinblick auf eine Gleichbehandlung mit anderen Anmeldern - habe vertrauen dürfen.

Es entspricht zwar der üblichen Praxis des Patentamts, dass dort eingehende Teilungserklärungen an das BPatG weitergeleitet werden, sofern die von der Teilung betroffene Stammanmeldung dort anhängig ist. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zudem anerkannt, dass ein Verfahrensbeteiligter, der einen fristgebundenen Schriftsatz bei einer unzuständigen Stelle eingereicht hat, uU auf die Weiterleitung des Schriftsatzes an die zuständige Stelle vertrauen darf. Dies gilt etwa für eine Prozesspartei, die eine Rechtsmittelschrift fälschlicherweise an das bislang mit der Sache befasste Gericht gesandt hat. Wegen ihres in Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip begründeten Anspruchs auf ein faires Verfahren darf die Partei u.U. darauf vertrauen, dass der Schriftsatz im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an das zuständige Rechtsmittelgericht weitergeleitet wird (vgl BVerfGE 93, 99, 113 ff. Abschnitt C II 1 und 2).

Ob ein Anmelder uU auf die rechtzeitige Weiterleitung einer fälschlicherweise an das DPMA adressierten Teilungserklärung auf Grund einer entsprechenden Anwendung der genannten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte oder im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz vertrauen darf, kann jedoch im vorliegenden Zusammenhang dahin gestellt bleiben. Denn auch die Anerkennung eines Vertrauensschutzes hätte nicht zur Folge, dass das Patentamt neben dem BPatG zur Entgegennahme der Teilungserklärung zuständig gewesen wäre und die Erklärung daher als rechtzeitig eingegangen zu gelten hätte (vgl BVerfG aaO S 115, Abschnitt C II 2 b). Die in dem angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung wäre somit auch dann zutreffend, wenn durch die verzögerte Weiterleitung der Teilungserklärung ein schutzwürdiges Vertrauen der Anmelderin verletzt worden sein sollte. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine versäumte oder verzögerte Weiterleitung lediglich im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein. Darüber ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu entscheiden.

4. Die vorliegende Entscheidung gibt keinen Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Weder waren im vorliegenden Fall von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang noch nicht beantwortete Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 100 Abs 2 PatG).

Püschel Martens Rauch Pr






BPatG:
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