Landgericht Bonn:
Urteil vom 3. Juli 2007
Aktenzeichen: 11 O 142/05
(LG Bonn: Urteil v. 03.07.2007, Az.: 11 O 142/05)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern unverlangt und ohne Vertragsabschluss Vertragsbestätigungen zuzuschicken bzw. zuschicken zu lassen mit der Bezugnahme auf ein vorangegangenes Telefongespräch.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 30.000 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist der Dachverband von 16 Verbraucherzentralen und 22 weiterer Organisationen. Er nimmt die Beklagte, das ... Telekommunikationsunternehmen auf Unterlassung mit der Behauptung gleichgelagerter Wettbewerbsverstöße in Anspruch. Dazu bezieht er sich auf die "Fälle" T , H , G , J , E , K , U , D , N, O , L , S , P , V , y, Q und R . In den genannten "Fällen" wurden Telefongespräche zwischen Endkunden und Mitarbeitern der Beklagten oder von dieser Beauftragten geführt. Dabei wurden jeweils Produkte der Beklagten angesprochen. Nach den Telefongesprächen wurden den Telefonanschlussinhabern Auftragsbestätigungen von der Beklagten übersandt. Im "Fall" R ist streitig, ob sich die Auftragsbestätigung auf ein unstreitig geführtes Telefonat oder - so die Beklagte - auf einen in einem W- - Shop erteilten Auftrag des Kunden R bezog. In den "Fällen" N, y und R ist unstreitig, dass die Telefonkunden im fraglichen Telefongespräch keinen Auftrag an die Beklagte erteilt haben.
Der Kläger behauptet, auch in den weiteren "Fällen" hätten die Verbraucher anlässlich der Telefongespräche keinen Auftrag erteilt.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern unverlangt und ohne Vertragsabschluss Vertragsbestätigungen zuzuschicken bzw. zuschicken zu lassen mit der Bezugnahme auf ein vorangegangenes Telefongespräch.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, im "Fall" S sei keine Tarifumstellung bei den Kunden erfolgt; jenen seien keine Kosten entstanden. Im "Fall" des Zeugen N habe die Zeugin I versehentlich auf Grund einer Fehlbedienung des Kundensystems einen Auftrag des Zeugen N für den Tarif XXL Local in das System eingebucht. Da der Fehler unmittelbar nach der Eingabe erkannt worden sei, sei der Auftrag vor dessen Ausführung storniert worden. Der Kunde habe durch dies Versehen keinen Nachteil erlitten. Im "Fall" des Zeugen Dr. y sei ihrem Mitarbeiter, dem Zeugen X ein Fehler bei der Bedienung des Computersystems unterlaufen, wodurch versehentlich ein entsprechender Auftrag eingebucht worden sei. Nachdem dieser Fehler erkannt worden sei, sei eine sofortige Rückumstellung erfolgt. In den Fällen versehentlich versandter Auftragsbestätigungen seien die Aufträge auch gegenüber den Kunden storniert worden. In den "Fällen" N und y liege ihrerseits keine Wettbewerbshandlung vor. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N, Dr. Y und X. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.05.2007 (Bl. 198 - 204 d.A.) verwiesen.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig. Die Einwendungen der Beklagten hinsichtlich der Fassung des Klageantrags stellen die Zulässigkeit des Antrags nicht in Frage.
II.
Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 3, 7 Abs. 1, verlangen.
1. Der Klageantrag ist nicht zu weitgehend. Er umfasst nicht den Fall, dass ein Telefonkunde der Beklagten telefonisch einen Auftrag erteilt, diesen jedoch in Ausübung des Widerrufsrechts aus § 312d BGB widerruft. In jener Konstellation läge ein Vertragsabschluss vor. Der Klageantrag ist ferner dahin auszulegen, dass die Wendung "mit der Bezugnahme auf ein vorangegangenes Telefongespräch" bedeutet, dass der Auftragsbestätigung jeweils ein Telefongespräch vorangegangen ist, in dem der zeitlich später durch Zusendung der Auftragsbestätigung bestätigte Vertrag angeblich geschlossen worden sein soll. Es handelt sich ersichtlich um eine an den konkreten Gegebenheiten der zur Begründung des Klageantrags angeführten "Fälle" orientiertes Kriterium, mittels dessen das beantragte Verbot konkretisiert wird. Es schließt u.a. Konstellationen aus, bei denen per Auftragsbestätigung bestätigte Verträge bei Hausbesuchen, bei Veranstaltungen wie Messen, an Kundenständen oder in Läden geschlossen worden sein sollen. Dass die Beklagte in ihren Auftragsbestätigungen auf ein zugrunde liegendes Telefongespräch Bezug nehmen müsste, wird ersichtlich vom Antrag nicht gefordert. Ein solches Erfordernis passt nicht dazu, dass dem Kläger der Inhalt der Auftragsbestätigungen bekannt ist. Ihm kann keine Auslegung des Klageantrags unterstellt werden, die von vornherein im Widerspruch zum Wortlaut der Auftragsbestätigungen stünde.
2. Die Klage ist auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zum "Fall" Y begründet.
a. Der Zeuge Dr. Y hat bekundet, er habe die Hotline der Beklagten angerufen, weil er eine unerwünschte Häufung von telefonischer Werbung habe abstellen wollen. Am Ende des Telefongesprächs habe der Mitarbeiter der Beklagten gefragt, ob der Zeuge die neuen Tarife der W1 kenne. Er, der Zeuge habe darauf erwidert, daran habe er kein Interesse. Wenig später sei eine Auftragsbestätigung vom 13.11.2005 gekommen. Außer dieser Auftragsbestätigung habe er eine inhaltlich übereinstimmende Auftragsbestätigung vom 16.11.2005 Anlage K19, Bl. 97 d.A. erhalten. Diese Aussage ist glaubhaft. Auch nach Vortrag der Beklagten, ihrem Mitarbeiter, dem Zeugen X sei ein Fehler bei der Bedienung des Computersystems unterlaufen, wodurch versehentlich ein entsprechender Auftrag eingebucht worden sei, ist ein Auftrag vom Zeugen Dr. y nicht erteilt worden. Dass der Zeuge Dr. Y die Auftragsbestätigungen vom 13. und 16.11.2005 erhalten hat, steht auf Grund der Vorlage dieser Urkunden fest. Aus der Aussage des Zeugen X ergibt sich nichts Abweichendes. Der Zeuge hat letztlich nur Mutmaßungen geäußert. An den Vorgang selbst konnte er sich nicht erinnern. Der Zeuge stellte nicht in Frage, das vom Zeugen Dr. y bekundete Telefongespräch mit diesem geführtzu haben. Einen Zusammenhang des Inhalts des Telefongesprächs mit dem Inhalt der Auftragsbestätigungen vermochte der Zeuge nicht darzulegen. Er mutmaßte, das "System" könne von sich aus vorgegeben haben, den vorher vom Zeugen Dr. y genutzten Einfachtarif mit einer Grundgebühr von 15,60 € in den Tarif Z /W-Net mit einer Grundgebühr von 15,95 € umzuwandeln. Er könne aber auch festgestellt haben, dass wenn er etwas an den Daten (betreffend den Telefonanschluss des Zeugen Dr. y) ändere, das nur mit (dem Tarif) Z gehe. Zu den Auftragsbestätigungen hat er zunächst bekundet, er habe gewusst, dass eine Auftragsbestätigung über die Änderungen herausgehe; ob das auch das mit (der Umstellung des Tarifs auf) Z betreffen würde, wisse er nicht. Auf Nachfrage hat er ausgesagt, das mit der Auftragsbestätigung wisse er nicht. Das habe er sich nur so überlegt. Für ihn sei der Auftrag beendet, wenn das System ihn nehme, dann sei er durch.
b. Das festgestellte Verhalten der Beklagten und/oder deren Mitarbeiters, des Zeugen X stellt ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs dar. Damit ist es zugleich eine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Da die Klägerin den Klageantrag durch die Wendung "zu Zwecken des Wettbewerbs" im Sinne der vor Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geltenden Anforderungen bestimmt und damit ein subjektives (finales) Element zur tatsächlichen Anspruchsvoraussetzung erhoben hat, kann dahinstehen, ob zum Begriff der Wettbewerbshandlung als subjektives Tatbestandsmerkmal die Absicht einer Wettbewerbsförderung gehört (so Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. A., § 2 UWG Rdn. 22, 24; für eine objektive Bestimmung des Begriffs demgegenüber Piper/Ohly, UWG, 4. A., § 2 Rdn. 20). Telefonische Werbung mit anschließender Auftragsbestätigung ist eine Handlung mit dem Ziel, den eigenen Absatz zu fördern. Entsprechend wird damit dieser Zweck regelmäßig bewusst und zweckbestimmt gefördert. Die Möglichkeit, dass der Zeuge X nicht gewusst hat, dass das Telefongespräch mit dem Zeugen Dr. y eine Auftragsbestätigung auslöste, stellt ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs nicht in Frage. Denn die Auftragsbestätigung ist eine Handlung der Beklagten zum Zweck des Wettbewerbs, weil diese einer durch menschliches Verhalten bewusst gesteuerten Programmierung ihres "Systems" (so die Terminologie des Zeugen X; s. auch Schriftsatz der Beklagten vom 15.09.2006, S. 7 zum "Fall N", Bl. 132 d.A.) zuzuordnen und dies "System" bewusst gegenüber Kunden wie dem Zeugen Dr. y eingesetzt worden ist. Entscheidend ist damit, dass dies "System" auf Änderungen der Bedingungen des Telefonanschlussvertrags mit dem Endkunden reagiert. Darauf, ob und wie weit Mitarbeiter der Beklagten die Zusammenhänge des "Systems" durchschauen, kommt es insoweit nicht an. Es ist deshalb für das Merkmal der Wettbewerbsförderungsabsicht unerheblich, ob der Zeuge X wusste, dass von ihm veranlasste Änderungen bezüglich des Telefonanschlusses des Zeugen Dr. y zu einer Auftragsbestätigung der Beklagten führten. Es kann dahinstehen, ob und ggfls. wie die Wettbewerbsförderungsabsicht von bloßen Versehen abzugrenzen ist. Ein solches liegt nämlich nicht vor. Worin die "Fehlbedienung des Kundensystems" (Schriftsatz der Beklagten vom 15.09.2006, S. 7 zum "Fall N", Bl. 132 d.A.) oder der "Fehler bei der Bedienung des Computersystems" (Schriftsatz der Beklagten vom 15.09.2006, S. 9 zum "Fall y", Bl. 134 d.A.) gelegen haben sollte, erläutert die Beklagte nicht. Das darin liegende Problem mangelnder Substanziierung kann hier offen bleiben. Der Zeuge X hat jedenfalls das in das "System" eingegeben, was er eingeben wollte. Auf ein Versehen hat er sich nicht berufen. Die nach seiner Aussage offene Frage, ob die übersandten Auftragsbestätigungen die Konsequenz seines Eingriffs in Daten desTelefonanschlusses des Zeugen Dr. y waren oder ohne seinen Befehl vom "System" veranlasst wurden, ist für den Begriff der Wettbewerbsförderungsabsicht nicht erheblich. Anders könnte es zwar sein, wenn ein Fehler des "Systems" die Ursache der erteilten Auftragsbestätigungen wäre. Das behauptet die Beklagte aber nicht.
Bei Zugrundelegung der Aussage des Zeugen Dr. y liegt ein Verstoß der Beklagten gegen §§ 7 Abs. 1, 3 UWG vor.
aa. Die Zusendung von Auftragsbestätigungen, denen kein Vertragsschluss zugrunde liegt, sondern ein Telefongespräch mit für die Beklagte werbendem Inhalt, stellt eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG dar. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte durch die Zusendung der Auftragsbestätigungen nicht die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG aufgeführten Regelbeispiele verwirklicht hat. Offensichtlich unerwünschte Werbung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG liegt nicht vor; Auftragsbestätigungen stellen keine Werbung dar. Die Klage richtet sich auch nicht gegen die von der Beklagten veranlassten Telefonanrufe bei ihren Kunden (s. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Ein solcher lag im "Fall" y auch nicht vor. Das ändert jedoch nichts daran, dass eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG gegeben ist. Belästigend ist eine Wettbewerbshandlung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird (Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucksache 15/1487 S. 20). Zwar geht es vorliegend in erster Linie um den Inhalt der Auftragsbestätigungen. Diese sind aber nur der Endpunkt der Handlung, die mit Werbung in Telefongesprächen eingeleitet wird. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung wird dem Telefonkunden eine Wettbewerbshandlung aufgedrängt. So gesehen kommt es nicht darauf an, ob dem Kunden ein Auftrag oder etwas anderes Absatzrelevantes als Ergebnis der telefonischen Werbung bestätigt wird. Deshalb hat die Kammer auch in dem zwischen den gleichen Parteien geführten Rechtsstreit 11 O 74/06 in der auf ein Telefongespräch folgenden Übersendung einer Bestätigung des Einverständnisses eines Verbrauchers mit konzernübergreifender Werbung ("Konzerneinwilligungsklausel") eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG gesehen (Urteil vom 09.01.2007, veröffentlicht in NRWE).
bb. Hat ein Marktteilnehmer - hier der Zeuge Dr. y - einen telefonischen Auftrag nicht erteilt, wird ihm die Bestätigung aufgedrängt. Das wird wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Entscheidungsfreiheit des Adressaten als störend empfunden. "Unzumutbar" im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG ist ein Verhalten, das einen Marktteilnehmer mit finanziellen Aufwendungen belastet oder seine Privatsphäre etwa durch ungerechtfertigte Inanspruchnahme seiner Zeit beeinträchtigt (vgl. Plaß in Ekey u.a., Heidelberger Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 2. A., § 7 Rn 38ff. zur Telefonwerbung). Beides ist hier der Fall. Die Zusendung von Bestätigungsschreiben über in Wirklichkeit nicht erteilte Aufträgen belastet die Empfänger mit Zeitaufwand und Kosten. Dafür ist die Aussage des Zeugen Dr. y ein beredtes Beispiel. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, er habe sich nach der Auftragsbestätigung widersprechend an die Beklagte gewendet. Er habe eine Telefonrechnung erhalten, in der die bestätigte Tarifumstellung umgesetzt gewesen sei. Er sei mehrfach beim " W-Punkt" in F gewesen. Dort habe er einen Mitarbeiter gefunden, der für die Rückumstellung auf den alten Tarif gesorgt habe. Auch die Aussage des Zeugen N zeigt die unzumutbaren Auswirkungen unrichtiger Auftragsbestätigungen der Beklagten. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, auf seine telefonische Beschwerde habe eine Mitarbeiterin der Beklagten ihm gesagt, das gehe jetzt nicht, dass das storniert werde; erst Aufträge erteilen und dann die nicht ausführen, das gehe nicht; er müsse wenigstens 3 Monate den Tarif haben, bevor das geändert werden könnte. Die Aussage des Zeugen N bestätigt diejenige des Zeugen Dr. y. Beide Zeugen haben lebensnah die Probleme geschildert, in die Telefonkunden kommen, wenn sie derartige Auftragsbestätigungen zugesandt erhalten. Dabei besteht in den "Fällen" N und y die Besonderheit, dass die Beklagte einräumt, dass den Auftragsbestätigungen keine entsprechenden Kundenaufträge zugrunde lagen. In beiden Fällen seien nach dem Beklagtenvortrag sofortige Rückumstellungen erfolgt. Sollte letzteres der Fall gewesen sein, schützt es jedenfalls nicht vor Kund Mühen, unrichtige Auftragsbestätigungen aus der Welt zu schaffen.
cc. Wie die Formulierung "ist insbesondere anzunehmen" in § 7 Abs. 2, 1. Hs. UWG zeigt, regelt Abs. 2 die Fälle der unzumutbaren Belästigung nicht abschließend. Allerdings bedarf bei Nichterfüllung eines Regelbeispiels die Unlauterkeit im Sinne des § 3 UWG konkreter Begründung (Piper/Ohly, aaO, § 3 Rdn. 26 ff.). Sie ergibt sich hier aus der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers. Sein Wille, einen Auftrag nicht zu erteilen, wird durch die entgegenstehende Auftragsbestätigung missachtet. § 7 UWG schützt die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, aaO, § 7 Rdn. 8; die aA von Piper/Ohly, aaO, § 7 Rdn. 1 würde durch Anwendung von § 3 UWG ohne Zwischenschaltung von § 7 Abs. 1 UWG zum gleichen Ergebnis gelangen). Da Klageantrag und Urteilsformel sich auf Auftragsbestätigungen an Verbraucher beziehen, kann die besondere Interessenlage im kaufmännischen Rechtsverkehr außer Betracht bleiben. Der Zeuge Dr. y ist Verbraucher (§§ 2 Abs. 2 UWG, 13 BGB).
dd. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 3 UWG liegen vor. Die Zusendung von Auftragsbestätigungen, denen eine Einverständniserklärung der betroffenen Verbraucher nicht zugrunde liegt, ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher als Marktteilnehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die Auftragsbestätigungen haben zur Folge, dass sie in den Telefonrechnungen der Beklagten umgesetzt werden. Es kann dahinstehen, ob die Erheblichkeit auch dann zu bejahen wäre, wenn fehlerhaften Auftragsbestätigungen unverzüglich und problemlos abgeholfen würde. Die Aussagen der Zeugen Dr. y und N zeigen aber, dass dies selbst bei nach eigener Kenntnis der Beklagten unrichtigen Auftragsbestätigungen nicht sichergestellt ist. Der Zeuge Dr. y hat eine Telefonrechnung erhalten, die auf der unrichtigen Auftragsbestätigung basierte. Der Vortrag der Beklagten, die nicht erteilten Aufträge seien nicht nur intern, sondern auch gegenüber den Kunden storniert worden, ist allenfalls insofern zutreffend, als dies erst nach Intervention der Kunden N und Dr. y erfolgt ist. Entschuldigungs- oder Richtigstellungsschreiben der Beklagten gibt es offenbar nicht. Dies war Gegenstand der Erörterung der mündlichen Verhandlung.
ee. Im Ergebnis würde sich nichts ändern, wenn die Urteilsformel nicht auf § 7 Abs. 1 UWG gestützt werden könnte. Dann käme es zunächst darauf an, ob die Konstellation dem Regelbeispiel des § 4 Nr. 1 UWG unterfällt. Dafür kann angeführt werden, dass die schriftliche Behauptung eines in Wirklichkeit nicht erteilten telefonischen Auftrags sich gegenüber geschäftsungewandten Verbrauchern als Versuch der Überrumpelung - mithin als intensive unsachliche Einflussnahme oder sogar als Ausübung psychischen Drucks (vgl. Piper/Ohly, aaO, § 4 Rdn. 1/f.) - darstellt. Auch dies kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn das Verhalten der Beklagten unter keinen der gesetzlichen Beispielstatbestände subsumiert werden könnte, stünde seine Unlauterkeit im Sinne der Generalklausel des § 3 UWG außer Frage. Einen entsprechenden Standpunkt hat das OLG Köln im Verfahren 6 U 3/07 zum Urteil der Kammer vom 05.12.2006 - 11 O 54/06 - betreffend die Übersendung von Einverständnisbestätigungen zur "Konzerneinwilligungsklausel" im Beschluss vom 12.03.2007 eingenommen. An jenem Verfahren waren der Kläger und ein zum Konzern der Beklagten gehöriges Unternehmen beteiligt. Es wird davon ausgegangen, dass der Beschluss auch der Beklagten bekannt ist. Die Zusendung von Auftragsbestätigungen ohne zugrunde liegenden Auftrag ist noch wettbewerbsschädlicher als die Bestätigung, mit konzernübergreifender Werbung einverstanden zu sein (s. dazu auch das erwähnte Verfahren 11 O 74/05).
c. Die Verjährungseinrede greift nicht durch. Im "Fall" y datiert die erste Auftragsbestätigung vom 13.11.2005. Dies ist der frühest mögliche Zeitpunkt der Kenntniserlangung im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Der "Fall" y ist mit Schriftsatz vom 11., bei Gericht eingegangen am 12.05.2006 (Bl. 83 d.A.) in den Rechtsstreit eingeführt worden. Der Schriftsatz ist "demnächst" (§ 167 ZPO), nämlich am 16.05.2006 zugestellt worden. Ob Verjährung bezogen auf den "Fall" N eingetreten wäre, kann offen bleiben. Für die Verurteilung der Beklagten reichen die Feststellungen zum "Fall" y aus. Insoweit ist Verjährung nicht eingetreten.
d. Einer Ausschöpfung der weiteren Beweisangebote bedarf es nicht. Für die Verurteilung genügt das zum "Fall" y Festgestellte. Der Zeuge y war glaubwürdig. Das zeigt sich in seiner detaillierten, durch unstreitigen Sachverhalt und weitere Beweismittel gestützten Aussage. Eine Belastungstendenz gegen die Beklagte war nicht festzustellen. Entsprechendes gilt für den Zeugen N. Die insgesamt von Unsicherheit über den Aussagegegenstand und das von ihm bediente "System" der Beklagten gekennzeichnete Aussage des Zeugen X konnte in der Sache nicht überzeugen. Gleichwohl hat sich auch dieser Zeugunvoreingenommene Darstellung bemüht.
Die aus dem "Fall" y abzuleitende Wiederholungsgefahr besteht fort. Die weiteren "Fälle" würden nicht zu einer Veränderung der Entscheidung führen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, die Entscheidung zurvorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
Gegenstandswert: 25.000 €
LG Bonn:
Urteil v. 03.07.2007
Az: 11 O 142/05
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