Bundespatentgericht:
Urteil vom 23. Februar 2005
Aktenzeichen: 4 Ni 26/04
(BPatG: Urteil v. 23.02.2005, Az.: 4 Ni 26/04)
Tenor
1. Das europäische Patent EP 0 350 866 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 350 866 (Streitpatent), das am 11. Juli 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der amerikanischen Patentanmeldung US 220021 vom 15. Juli 1988 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 68910025 geführt. Ein gegen das Patent erhobener Einspruch ist vom Europäischen Patentamt zurückgewiesen worden. Das Streitpatent umfasst 11 Vorrichtungs- und einen Verwendungsanspruch.
Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
Fotodetektorsystem zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals in Abhängigkeit von der Position einer Lichtquelle (43) in Bezug auf das System, das einen Fotodetektor (41) für die Ausgabe des elektrischen Signals in Abhängigkeit vom Betrag der auf den Fotodetektor (41) einfallenden Lichtmenge und ein Lichtmoduliersystem (Lichtmodulator) (12; 30, 32) zum Modulieren der auf den Fotodetektor (41) einfallenden Lichtmenge in Abhängigkeit von der Position der Lichtquelle (43) in Bezug auf den Fotodetektor (41) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass ein Lichtdiffusor (11; 40) zwischen dem Fotodetektor (41) und dem Lichtmodulator (12; 30, 32) zum diffusen Ausbreiten bzw. Zerstreuen des dort anfallenden Lichts angeordnet ist.
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 11 und den Verwendungsanspruch 12 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin behauptet, dass das Merkmal 4 in Anspruch 1 "Mittel zum Diffundieren von Licht" den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen sei. Bezüglich Anspruch 4 rügt sie u.a., dass in den ursprünglichen Unterlagen die Kappe nicht im Zusammenhang mit dem Diffusor genannt sei. Auch die Merkmale 2 und 3 hält sie nicht für ursprünglich offenbart. Darüber hinaus ist sie der Ansicht, dass der Gegenstand des Patents weder neu ist, noch auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Zur Begründung beruft sie sich u.a. auf folgende Druckschriften:
- JP-Y 52-46134 (Anlage D 1)
- JP-U 59-151126 (Anlage D 2)
- JP-U 60-100628 (Anlage D 3)
- JP-A 62-194925 (Anlage D 4)
- JP-O 57-151533 (Anlage D 5)
- JP-U 51-150185 (Anlage D 6)
- M. Ninomiya, Detektor für Sonnenstrahlungsmengen, in: Journal of Nippondenso Technical Disclosure vom 20. April 1980, S. 27 (Anlage D 7)
- US 3 0641 31 (Anlage D 8)
- DE 2 320 852 (Anlage D 9)
- DE 24 27 623 (Anlage D 10)
- DE 29 41 053 A1 (Anlage D 11)
- DE 39 02 028 A 1 (Anlage D 12)
- JP-A 61-210915 (Anlage D 13)
Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 350 866 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass an die Stelle der erteilten Ansprüche die in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 11 treten, die wie folgt lauten:
1. Verwendung eines Fotodetektorsystems zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals in Abhängigkeit von der Position einer Lichtquelle (43) in Bezug auf das System, das einen Fotodetektor (41) für die Ausgabe des elektrischen Signals in Abhängigkeit vom Betrag der auf den Fotodetektor (41) einfallenden Lichtmenge und ein Lichtmoduliersystem (Lichtmodulator) (12; 30, 32) zum Modulieren der auf den Fotodetektor (41) einfallenden Lichtmenge in Abhängigkeit von der Position der Lichtquelle (43) in Bezug auf den Fotodetektor (41) aufweist, bei dem ein Lichtdiffusor (11; 40) zwischen dem Fotodetektor (41) und dem Lichtmodulator (12; 30, 32) zum diffusen Ausbreiten bzw. Zerstreuen des dort anfallenden Lichts angeordnet ist, zu Erzeugung eines Steuersignals, das ein Kühlsystem steuert.
2. Verwendung des Systems nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Diffusor (11; 40) optisch zwischen dem Fotodetektor (41) und dem Lichtmodulator (12; 30, 32) installiert ist.
3. Verwendung des Systems nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Menge der Lichtübertragung des Diffusors (40) eine Funktion der Dicke desselben bildet.
4. Verwendung des Systems nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Diffusor (40) eine im Wesentlichen transparente Kappe aufweist, welche den Fotodetektor (41) überdeckt, und dass die Kappe eine lichtabsorbierende Kolorierung und eine Dicke aufweist, welche in vorbestimmten Teilen derselben variiert, um eine positionsabhängige Charakteristik der Fotodetektoreinrichtung zu erzeugen.
5. Verwendung des Systems nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Lichtmodulator Überzüge (30, 32) aufweist, welche am Diffusor (12) angebracht sind, um beinahe alle außer den vorbestimmten Teilen des Eingangs des Fotodetektors (41) zu okkludieren.
6. Verwendung des Systems nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Überzug (30) einen ersten Teil aufweist, der die Lichtübertragung von der Lichtquelle (43) zum Eingang des Fotodetektors (41) verhindert.
7. Verwendung des Systems nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Lichtmodulator eine Abdeckung (12) aufweist, die derart installiert ist, dass mit Ausnahme des vorbestimmten Teils des Eingangs des Fotodetektors (41) beinahe alle Teile okkludiert werden.
8. Verwendung des Systems nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Diffusor (11, 40) halbkugelartig ausgebildet ist.
9. Verwendung des Systems nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Lichtmodulator eine Sonnenlichtsperreinrichtung zum Verhindern des Einfalls von Sonnenlicht auf den Eingang des Fotodetektors (11) mit Ausnahme eines vorbestimmten Bereichs des Einfallwinkels () aufweist.
10. Verwendung des Systems nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass der vorbestimmte Bereich des Einfallwinkels () des Sonnenlichts einen vorbestimmten Bereich des Höhenwinkels einschließt.
11. Verwendung des Systems nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass der vorbestimmte Bereich des Einfallwinkels () des Sonnenlichts einen vorbestimmten Bereich von Azimuthwinkeln aufweist.
Der Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang für patentfähig.
Gründe
Die zulässige Klage, mit der die in Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a) und c) EPÜ iVm Art. 54 Abs. 1, 2 und Art. 56 EPÜ vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der unzulässigen Erweiterung geltend gemacht werden, ist begründet.
I Das Streitpatent betrifft ein Fotodetektorsystem zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals in Abhängigkeit von der Position einer Lichtquelle in Bezug auf das System. Nach der Patentbeschreibung gibt es im Stand der Technik eine Vielzahl derartiger Systeme, die jedoch oft komplexe Rechen- und Auswertungsschaltungen erfordern, teuer und in Verbindung mit den elektronischen Signalanalysesystemen sperrig sind. Das will die Erfindung mit dem in den Patentansprüchen niedergelegten Merkmalen verbessern und ein kompaktes, zuverlässiges, einfaches und günstiges System schaffen. Ein bevorzugter Anwendungsbereich ist dabei die Steuerung von Kühl- oder Heizsystemen bei Fahrzeugen.
Als Fachmann ist ein Diplom-Physiker anzusehen, der über Berufserfahrung in der Entwicklung von Fotodetektorsystemen für Kühlsysteme verfügt.
1. Zum Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag ist nicht neu.
Die Druckschrift (D1) zeigt ein Fotodetektorsystem zum Erzeugen eines elektrischen Ausgangssignals. Die Größe des Signals hängt von der Position einer Lichtquelle in Bezug auf das System ab, wie sich aus Figur 3 entnehmen lässt. Dort zeigt nämlich die Kurve A bei einem Einfallswinkel von 180¡ (d.h. Lichteinfall senkrecht von oben) ein Minimum. Das System weist einen Fotodetektor 4 für die Ausgabe des elektrischen Signals in Abhängigkeit der auf den Fotodetektor fallenden Lichtmenge auf (S 4 Z 20 - 22). Ein beispielsweise aus Opalglas bestehender Lichtmodulator (Blende 5, S 3 Z 23) dient zum Modulieren der auf den Fotodetektor fallenden Lichtmenge in Abhängigkeit von der Position der Lichtquelle in Bezug auf den Fotodetektor, wie sich aus dem Vergleich der Kurven A und B in Figur 3 ablesen lässt. Die lichtdurchlässigen Teile 6 der Lichtempfangsabdeckung 1 sind zwischen dem Fotodetektor und dem Lichtmodulator angeordnet (Fig 1) und streuen das auf den Fotodetektor einfallende Licht (S 3 Z 25 - 26, S 7 Z 9 - 13). Sie wirken also als Licht diffundierendes Mittel. Die Vorrichtung nach Druckschrift (D1) umfasst somit alle Merkmale des Gegenstandes des Patentanspruches 1.
Dem Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass dem Gegenstand nach (D1) eine andere Zielsetzung, nämlich eine weitgehende Unabhängigkeit des Fotodetektorausgangssignals von der Einfallsrichtung zu erreichen, zu Grunde liegt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein Fotodetektorsystem mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 aus (D1) bekannt ist. Insbesondere lässt sich das Merkmal des Lichtmodulators zum Modulieren der auf den Fotodetektor fallenden Lichtmenge in Abhängigkeit von der Position der Lichtquelle zweifelsfrei aus Figur 3 entnehmen.
Die Patentansprüche 2 bis 11 gemäß Hauptantrag sind ebenfalls nicht rechtsbeständig. Die Klägerin hat diese echten Unteransprüche substantiiert angegriffen, der Beklagte hat jedoch nicht im Einzelnen dargelegt, dass in ihnen Merkmale enthalten sind, die die Patentfähigkeit begründen könnten. Auch der Senat vermag Derartiges nicht zu erkennen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 12 gemäß Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Für den Fachmann liegt es nahe, das Fotodetektorsystem zur Erzeugung eines ein Kühlsystem steuernden Steuersignals zu verwenden. Einen Hinweis auf diese Verwendung erhält er beispielsweise aus Druckschrift (D8). Das dort beschriebene Fotodetektorsystem dient dazu, Jalousien bzw. Lüftungsschlitze zu steuern (Fig 1, Sp 2 Z 48 - Sp 3 Z 28).
2. Zum Hilfsantrag Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist auf die Verwendung eines Fotodetektorsystems zur Erzeugung eines Steuersignals, das ein Kühlsystem steuert, gerichtet. Diesem Fotodetektorsystem, das dem im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beschriebenen Fotodetektorsystem entspricht, fehlt ebenfalls die Neuheit. Zur Begründung wird auf die Ausführungen zum Hauptantrag hingewiesen. Die Verwendung dieses bekannten Systems zur Erzeugung eines Steuersignals ist für den Fachmann naheliegend, wie die Ausführungen zum Patentanspruch 12 gemäß Hauptantrag zeigen.
Die Patentansprüche 2 bis 11 gemäß Hilfsantrag sind ebenfalls nicht rechtsbeständig. Sie unterscheiden sich von den Patentansprüchen 2 bis 11 gemäß Hauptantrag lediglich durch die geänderte Patentkategorie, die aber - wie zum Patentanspruch 1 ausgeführt - die Patentfähigkeit nicht begründen kann.
II Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG iVm § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zu vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG iVm § 709 ZPO.
Schuster Obermayer Richter Obermayer ist im Ruhestand und deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Schuster Dr. Hartung Klante Dr. Zehendner Be
BPatG:
Urteil v. 23.02.2005
Az: 4 Ni 26/04
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/20ccadb2cef9/BPatG_Urteil_vom_23-Februar-2005_Az_4-Ni-26-04