Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 24. März 2006
Aktenzeichen: 6 U 212/05

(OLG Köln: Urteil v. 24.03.2006, Az.: 6 U 212/05)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.10.2005 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 164/05 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Be g r ü n d u n g

I.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, auch unter wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsgesichtspunkten, gehört. Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen, das unter anderem Mobiltelefone vertreibt.

Die Fa. L. warb in einer im M. T. vom 02.05.2005 erschienenen Anzeige für das "XtraPac" der Beklagten zum Preis von 39,95 EUR. Das Angebot bestand aus einem U.-Mobiltelefon sowie der als "XtraCard" bezeichneten Netzzugangskarte der Beklagten mit einem Startguthaben von 10 EUR. Das beworbene Mobiltelefon war mit einem SIM-Lock versehen, d.h. es konnte für einen Zeitraum von 24 Monaten nur über eine "XtraCard" der Beklagten betrieben werden, sofern der Erwerber sich nicht für die Möglichkeit entschied, gegen Zahlung des in der Werbung ausgewiesenen Betrages von weiteren 99,50 EUR zu einem anderen Mobilfunkanbieter zu wechseln. Hinsichtlich der Einzelheiten der Werbung wird auf die nachstehend im Klageantrag wiedergegebene Einblendung Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass diese Werbung gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung verstoße und deshalb nach Maßgabe der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerblich unlauter sei, weil das Gebot zur Angabe eines Endpreises auch im Fall einer Bewerbung der vorliegenden Art für ein Prepaid-Handy die Kenntlichmachung der - nach Verbrauch des Startguthabens anfallenden - verbrauchsabhängigen Telefonkosten erfordere.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,

wie nachstehend wiedergegeben unter Preisangabe für den Kauf von Mobiltelefonen in Verbindung mit dem Abschluss eines Mobilfunkvertrages zu werben, ohne Angaben zu den verbrauchsabhängigen Kosten des Mobilfunkvertrages zu machen:

pp.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

wobei sie der Rechtsauffassung des Klägers entgegen getreten ist.

Das Landgericht hat dem Unterlassungsbegehren des Klägers mit Urteil vom 18.10.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, antragsgemäß stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 und 6 PAngV i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG vorliege, weil die verbrauchsabhängigen Kosten als notwendiger Preisbestandteil nicht angegeben worden sind. Hiergegen wendet die Beklagte sich mit der Berufung, wobei sie sich auf die Entscheidung des Senats vom 09.06.2000 - 6 U 45/00 - (GRUR-RR 2001, 10 - Free & Easy Christmas-Set) stützt. Der Kläger verteidigt das Urteil.

II.

Die zulässige Berufung führt in der Sache zum Erfolg. Die beanstandete Werbung, für welche die Beklagte grundsätzlich auch eine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft, soweit die Zeitungsanzeige von ihrer Händlerin, der Fa. L. veranlasst worden ist, verstößt entgegen der von der Kammer vertretenen Ansicht nicht gegen das Gebot zur Angabe eines Endpreises und ist deshalb nicht als wettbewerblich unlauter i.S. der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 6 PAngV zu untersagen.

1.

Das Landgericht ist allerdings mit Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte als Anbieter von Waren und Leistungen gegenüber Letztverbrauchern grundsätzlich zur Angabe von Endpreisen, d.h. Preisen, welche sämtliche Preisbestandteile einbeziehen, verpflichtet ist, § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV. Diesem Erfordernis wie im Übrigen dem Gebot der Preisklarheit und Preiswahrheit des § 1 Abs. 6 PAngV genügt die Beklagte indes, indem der auf das fragliche Angebot entfallende Endpreis mit dem Betrag von 39,95 EUR ausgewiesen worden ist.

Die Pflicht zur Angabe eines Endpreises kann namentlich bei kombinierten Angeboten ausnahmsweise dann entfallen, wenn sich einzelne Preiskomponenten nicht bestimmen lassen, was insbesondere bei zeitabhängigen oder von dem Verbrauchsverhalten des Erwerbers abhängigen Kosten der Fall sein kann. Im Bereich der Werbung für Mobiltelefone ist der Bundesgerichtshof von diesen Voraussetzungen regelmäßig dann ausgegangen, wenn gleichzeitig mit dem Erwerb des Telefongeräts ein Netzkartenvertrag mit dem Anbieter abzuschließen war. Die mit dem obligatorischen Netzkartenvertrag verbundenen, Laufzeit- und verbrauchsabhängigen Kosten wie Aktivierungskosten, Abschluss- und Monatsgebühr sowie Tarife/Telefongebühren sind in diesen Fällen zwar nicht mit dem nur auf das Handy entfallenden Preis zu einem einheitlichen Endpreis zusammenzurechnen, wohl aber sind die genannten Preisbestandteile hinreichend deutlich kenntlich zu machen (vgl. BGH WRP 2006, 84 - Aktivierungskosten II; GRUR 1999, 261 - Handy für 0,00 DM; GRUR 1999, 264 - Handy-Endpreis).

So liegt der Fall hier aber nicht. Der angegebene Preis von 39,95 EUR stellt vielmehr den auf die beworbene Kombination aus Mobilfunkgerät "U. n. v." und Netzzugangskarte "XtraCard" - diese inklusive eines "Startguthabens" von 10 EUR - ordnungsgemäß gebildeten Endpreis dar. Im Unterschied zu den höchstrichterlich entschiedenen Fällen handelt es sich vorliegend nämlich um ein Angebot für ein so genanntes Prepaid-Handy, bei welchem - anders als bei einem den Abschluss eines Netzkartenvertrages vorsehenden Kombinationsangebot - mit dem gleichzeitigen Erwerb der "XtraCard" keine weiteren Kosten notwendig verbunden sind. Unzweifelhaft gilt dies für feste Kosten wie Anschluss- und Monatsgebühren, worauf die Anzeige werbend Bezug nimmt ("ohne mtl. Grundpreis"). Entgegen der Auffassung des Klägers entstehen mit Wahrnehmung des beworbenen Angebots aber auch nicht schon verbrauchsabhängige Kosten wie Telefongebühren, weshalb es nicht der ergänzenden Angabe der Tarifstrukturen bedarf. Anders als der Kläger meint, ist das Entstehen derartiger Kosten nämlich von einer rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Folgeentscheidung des Verbrauchers abhängig. Hat er das Startguthaben verbraucht, stehen ihm nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien drei Möglichkeiten offen: entweder kann er das Handy nur noch passiv nutzen, d.h. er hält das Gerät während der Dauer des SIM-Lock allein zum (kostenlosen) Empfang von Gesprächen/SMS-Nachrichten etc. bereit, ohne selbst Gebühren auszulösen. Oder, will der Erwerber das Mobiltelefon weiterhin aktiv nutzen, muss er entweder ein neues "Guthaben" bei der Beklagten erwerben, was praktisch durch Kauf einer von ihr gesondert offerierten "XtraCash"-Karte zu geschehen hat, oder er kann sich aus der Vertragsbeziehung zur Beklagten gänzlich freikaufen, indem er - wie in der Werbung ausgewiesen - 99,50 EUR zahlt und sodann zu einem Konkurrenzanbieter seiner Wahl wechseln kann.

Der Einwand des Klägers mag zutreffen, dass die überwiegende Mehrheit der angesprochenen Verbraucher dazu neigen wird, von der zweiten Alternative Gebrauch zu machen. Das rein passive Bereithalten eines Mobiltelefons ohne jegliche aktive Nutzung über einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren hinweg dürfte kaum üblichen Verkehrsgepflogenheiten entsprechen, und nur bei Fortsetzung einer zur Beklagten bestehenden Vertragsbeziehung, d.h. dem Erwerb einer "XtraCash"-Karte, macht die Inanspruchnahme des beworbenen "XtraPac"-Angebots wegen der sonst anfallenden hohen Ablösekosten wirtschaftlich Sinn. Derartige wirtschaftliche Überlegungen über die Preiswürdigkeit der beworbenen Waren oder Leistungen, nämlich über mit der Wahrnehmung des Angebots noch nicht unmittelbar und notwendig verbundene, sondern erst nachfolgend entstehende Kosten, begründen indes noch nicht eine aus der Preisangabenverordnung resultierende Pflicht zur Kenntlichmachung dieser nur möglicherweise und aufgrund neuer rechtlicher Entscheidungen (Kauf einer "XtraCash"-Karte der Beklagten) entstehenden Preise/Kosten. Der Senat hat hierzu in seiner von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung vom 09.06.2000 - 6 U 45/00 (GRUR-RR 2001, 10, 12 - Free & Easy Christmas-Set), welcher gleichfalls Werbung für ein Prepaid-Handy zugrunde gelegen hatte, ausgeführt:

"Das danach mit der PAngVO verfolgte Ziel, dem Endverbraucher durch Angabe von den Geboten der Preisklarheit und Preiswahrheit genügenden Endpreisen einen Preisvergleich zu gestatten und es ihm zu ermöglichen, sich über das auf dem Markt befindliche Waren- und Leistungsangebot zu informieren, gebietet es indessen nicht, ebenfalls die Angabe über die Tarifstruktur und die Telefongebühren des Mobilfunkdienstleisters in die streitbefangene Werbung aufzunehmen. Dabei ist es zwar richtig, dass diese Angabe dem angesprochenen Verkehr eine Vorstellung über den Wert der Pre-Paid-Card vermittelt, weil sich daraus entnehmen lässt, wie oft diese wie lange für welche Gespräche genutzt werden kann. Derartige Informationen über den Wert eines beworbenen Angebots sind indessen nach der PAngVO nicht geschuldet, die dem Verbraucher lediglich eine Möglichkeit zum Preisvergleich verschaffen soll und will. Andernfalls wären nach der PAngVO zu jeder Preisangabe für jegliches in Betracht zu ziehende Waren- und/oder Leistungsangebot und in jeder Preiswerbung zusätzlich qualitative Gesichtspunkte zu nennen, die dem Verkehr eine Vorstellung über die Brauchbarkeit, Lebensdauer und sonstige Güte des Angebotes gestatten, was dem Verbraucher wiederum nur dann eine optimale Vergleichsmöglichkeit gestatten würde, wenn für die qualitative Einordnung des Produkts durch alle Anbieter und Werbenden einheitliche Kriterien verwendet würden. Eine derartige Ausweitung der Pflicht zur Preisangabe überfordert aber die aus Gründen ordnender Zweckmäßigkeit und des Verbraucherschutzes erlassene PAngVO, die dem Verbraucher anhand des Vergleichs der Endpreise eine schnelle und zuverlässige Information über das auf dem Markt befindliche Angebot ermöglichen will."

An diesen Feststellungen, welche, soweit ersichtlich, in der Literatur durchgehend Zustimmung erfahren haben (vgl. Fezer-Wenglorz, UWG, § 4 - S 14 Rn. 103; Harte/Henning-Völker, UWG, § 1 PAngV, Rn. 19), hält der Senat auch im Streitfall fest. Der Umstand allein, dass anders als in der früheren Fallkonstellation bei Inanspruchnahme des beanstandeten "XtraCash"-Angebots ein Betrag von 99,50 EUR zu entrichten ist, um die sonst zweijährige Sperrung der SIM-Karte für Mobilfunknetze anderer Anbieter aufzuheben, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Insoweit handelt es sich um einen sich zwar auf die Preiswürdigkeit des Angebots auswirkenden, mit diesem aber nicht zwangsläufig verbundenen Umstand, und auf diesen kommt es, wie ausgeführt, unter dem Gesichtspunkt eines Wettbewerbsverstoßes wegen Verletzung aus der Preisangabenverordnung resultierender Pflichten nicht an.

Für seine gegenteilige Auffassung beruft sich der Kläger ohne Erfolg auf die Vorschrift des § 1 Abs. 3 PAngVO. Diese Regelung gestaltet es bei entsprechenden Verkehrsgewohnheiten, anstelle des Endpreises von Dienstleistungen bestimmte Verrechnungssätze anzugeben (Harte-Henning/Völker aaO Rn. 42). Ihr kann nicht die Pflicht zur Benennung von Einzelheiten verbrauchsabhängiger Telefontarife zusätzlich zum Endpreis entnommen werden.

Anlass, die wettbewerbsrechtliche Lauterkeit der angegriffenen Werbung unter sonstigen Aspekten, insbesondere dem einer möglichen Gefahr der Irreführung des Verkehrs i.S. des § 5 UWG, zu beurteilen, bietet der Vortrag des Klägers nicht.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage, welche Preisangaben bei der Bewerbung eines prepaid-Handys erforderlich sind, höchstrichterlich bislang nicht entschieden ist.






OLG Köln:
Urteil v. 24.03.2006
Az: 6 U 212/05


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