Bundesgerichtshof:
Urteil vom 8. Mai 2008
Aktenzeichen: IX ZR 54/07
(BGH: Urteil v. 08.05.2008, Az.: IX ZR 54/07)
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 12. März 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der zuvor als Sequester eingesetzte Rechtsanwalt L. wurde in dem am 1. Oktober 1996 über das Vermögen der Abwicklungsgesellschaft K. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren zum Verwalter bestellt. Am 7. Januar 2003 wurde L. aus dem Amt abberufen und zugleich der Kläger zum Verwalter ernannt.
Die Schuldnerin verfügte nach Angaben des Verwalters L. im Herbst des Jahres 1996 über liquide sowie kurzfristig realisierbare Mittel in Höhe von 10.436.000 DM. Er verfolgte das Liquidationskonzept, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin unter dem Dach neu gegründeter Auffanggesellschaften, die später veräußert werden sollten, fortzusetzen. Aus Mitteln der Masse gründete L. die mit einem Stammkapital von 500.000 DM ausgestattete "H. GmbH" und die mit einem Stammkapital von 50.000 DM versehene "H. S. GmbH". Am 16. Dezember 1996 fasste die Gläubigerversammlung unter 8. folgenden Beschluss:
"Aufgrund der Komplexität der geschäftlichen Tätigkeit und der schwierigen betriebswirtschaftlichen Aufgabenstellung sowie der daraus folgenden Risiken wird der Verwalter ermächtigt, das Unternehmen bis zu einem totalen Verlust der Masse fortzuführen. Der Verwalter ist jedoch verpflichtet, die werbende Tätigkeit einzustellen, sobald ein Liquiditätsverlust in Höhe von 4 Mio. DM erreicht ist."
Anlässlich dieser Versammlung wurden die Beklagten in den Gläubigerausschuss gewählt. Im Zeitraum von Dezember 1996 bis Juli 1999 gewährte L. den beiden Auffanggesellschaften Darlehensmittel in Höhe von insgesamt 8.095.000 DM, die uneinbringlich sind. Gegenüber dem Insolvenzgericht erteilte L. bis in das Jahr 2001 Berichte, die auf fortlaufend steigende Einnahmen hindeuteten.
Der Kläger meint, die Beklagten seien mit Rücksicht auf den am 16. Dezember 1996 gefassten Beschluss der Gläubigerversammlung zu einem Einschreiten verpflichtet gewesen, soweit L. den Auffanggesellschaften über den Betrag von 4 Mio. DM hinaus Darlehen gewährt habe. Das Landgericht hat die (einschließlich eines Zinsschadens) auf Zahlung von 2.266.566,10 € und auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich des Zukunftsschadens gerichtete Klage mangels einer Pflichtwidrigkeit der Ausschussmitglieder abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht mit Rücksicht auf die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede zurückgewiesen. Mit seiner von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I.
Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in ZIP 2007, 735 abgedruckt ist, geht aus folgenden Erwägungen von einer Verjährung des Ersatzanspruchs aus: Mangels einer speziellen gesetzlichen Regelung verjährten Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder eines Gläubigerausschusses nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist des § 852 BGB a.F. Die Verjährungsfrist sei spätestens Ende des Jahre 1999 in Gang gesetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Schaden entstanden, weil nach Abwicklung der Verkaufsgeschäfte festgestanden habe, dass infolge des kapitalersetzenden Charakters der Darlehen eine Rückzahlung seitens der Auffanggesellschaften nicht erfolgen werde. Der Masse sei der Kenntnisstand des damaligen Verwalters L. zuzurechnen, der zweifelsfrei von seinen eigenen Pflichtverletzungen und denen der Beklagten Ende des Jahres 1999 Kenntnis gehabt habe. Die fehlende Bereitschaft des früheren Verwalters L. , Ersatzansprüche gegen die Beklagten zu verfolgen, führe nicht zu einer Hemmung der Verjährung. Zwar dürfe ein Verwalter, der die Masse geschädigt habe, keinen Vorteil daraus ziehen, dass den Gläubigern mangels Bestellung eines neuen Verwalters die Geltendmachung des Anspruchs nicht möglich sei. Deswegen beginne in diesem Verhältnis die Verjährungsfrist erst mit der Kenntnis eines neu bestellten Verwalters von den die Ersatzpflicht des früheren Verwalters begründenden Tatumständen. Dieser Gesichtspunkt sei auf die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Ausschussmitglieder jedoch nicht übertragbar, zumal das Gesetz nur in einem Sonderfall (§ 207 BGB) eine Verjährungshemmung aus dem Näheverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem herleite. Im Falle einer Schadensersatzpflicht von Ausschussmitgliedern sei eine Personenidentität zwischen dem Verwalter und dem Schädiger nicht gegeben. Diese Konstellation ähnele der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist von drei Jahren bei Schadensersatzansprüchen eines Mandanten gegen seinen Anwalt (§ 51b BRAO a.F.), wo die Rechtsprechung im Rahmen einer sekundären Haftung durch eine Aufklärungspflicht des Anwalts über seine Ersatzpflicht mit der Folge einer neuen Verjährung Abhilfe schaffe. Ebenso sei den Interessen der Masse genügt, wenn sie den früheren Verwalter, gegen den die Verjährung erst nach Kenntnisnahme durch den neuen Verwalter laufe, in Haftung nehmen könne.
II.
Diese Ausführungen tragen - wie die Revision zu Recht rügt - die Klageabweisung nicht. Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch, weil die hier maßgebliche Verjährungsfrist erst mit der Kenntnisnahme des Klägers von dem Schaden und den Ersatzpflichtigen im Jahre 2003 zu laufen begonnen hat und bei Zustellung der Klage Anfang Mai 2004 noch nicht verstrichen war.
1. Im Streitfall wurde - wie nachfolgend auszuführen ist - die Verjährungsfrist erst nach dem 1. Januar 2002 in Gang gesetzt. Es kann dahin stehen, ob für die Bestimmung der Verjährungsfrist die § 852 BGB a.F. nachgebildete Vorschrift des § 62 InsO in der bis zum 14. Dezember 2004 maßgeblichen Fassung (§ 62 InsO a.F.) oder gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die allgemeine Regelung der §§ 195, 199 BGB zur Anwendung gelangt. Die in beiden Alternativen maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen.
a) Unter der Geltung der Konkursordnung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Schadensersatzansprüche gegen Konkursverwalter und Mitglieder eines Gläubigerausschusses innerhalb der Frist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. verjähren (BGHZ 93, 278, 286; 159, 25, 28 f betreffend den Konkursverwalter; 126, 138, 144 betreffend den Vergleichsverwalter und die Mitglieder eines Gläubigerbeirats nach § 44 VerglO). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der Insolvenzrechtsordnung aufgegriffen, indem er für die Haftung des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses durch § 62 Satz 1, § 71 Satz 2 InsO a.F. in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 852 Abs. 1 BGB a.F. eine an die Kenntnis der Verletzten geknüpfte dreijährige Verjährungsfrist angeordnet hat (MünchKomm-InsO/ Brandes, 1. Aufl. § 62 Rn. 1).
b) Zwar bestimmt sich der Beginn der Verjährung für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2002 grundsätzlich nach dem neuen Recht (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Da der Kläger erst im Jahre 2003 von dem Anspruch Kenntnis erlangen konnte, würde sich der Verjährungsbeginn infolge der Streichung des § 852 BGB a.F. nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB richten. Dieser Vorschrift gemäß beginnt die Verjährung in leichter Abwandlung zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. bereits zu laufen, wenn der Berechtigte von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis hatte oder nur infolge grober Fahrlässigkeit Kenntnis nicht hatte (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 108). Freilich sahen § 62 Satz 1, § 71 Satz 2 InsO a.F. für die Haftung des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung der Verjährungsvorschriften vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) und damit über den Zeitpunkt des 1. Januar 2002 hinaus abweichend einen von positiver Kenntnis abhängigen Verjährungsbeginn vor.
c) In vorliegender Sache kann offen bleiben, ob die Verjährung im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 14. Dezember 2004 auf der Grundlage des § 62 InsO a.F. oder bereits der §§ 195, 199 BGB zu beurteilen ist. Beide Regelungen sehen übereinstimmend eine Verjährungsfrist von drei Jahren vor. Unterschiede bestehen lediglich im Blick auf den Beginn der Verjährungsfrist, die Rahmen des § 62 InsO a.F erst mit der positiven Kenntnis, im Rahmen der §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bereits mit der grob fahrlässigen Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schädigers in Gang gesetzt wird. Da der Kläger erst im Jahr 2003 zum Verwalter bestellt wurde, konnte die dreijährige Verjährungsfrist bei Klagezustellung im Mai 2004 - gleich ob man den Verjährungsbeginn an den Zeitpunkt der Kenntnisnahme oder der grob fahrlässig ungenutzten Kenntnismöglichkeit knüpft - noch nicht verstrichen sein.
2. Die Haftung des Verwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses ist innerhalb der Konkursordnung und der im Streitfall einschlägigen Gesamtvollstreckungsordnung gleichförmig ausgestaltet. § 8 Abs. 1 Satz 2 GesO regelt die Haftung des Verwalters in Übereinstimmung mit der gleichlautenden Bestimmung des § 82 KO (Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO 4. Aufl. § 8 Rn. 115). Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haften analog § 89 KO für die ordnungsgemäße Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben (Kilger/ K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 15 GesO Anm. 3a). Demgemäß sind in einem Gesamtvollstreckungsverfahren bei der Inanspruchnahme des Verwalters wie auch der Ausschussmitglieder uneingeschränkt die zur Konkursordnung entwickelten Rechtsgrundsätze heranzuziehen.
3. Eine durch ein pflichtwidriges Verhalten des Konkursverwalters (§ 82 KO) hervorgerufene Schmälerung der Masse bildet einen die Gemeinschaft der Gläubiger treffenden Gesamtschaden, der während der Dauer des Verfahrens durch Zahlung an die Konkursmasse auszugleichen ist. Da das der Gemeinschaft zugewiesene Verwaltungs- und Verwertungsrecht dem Konkursverwalter zusteht, kann dieser Schadensersatzanspruch nicht von einem einzelnen Masse- oder Konkursgläubiger, sondern nur durch einen Sonderverwalter oder neu bestellten Verwalter verfolgt werden (BGHZ 159, 25, 26 m.w.N.; ebenso für den nach jetzigem Recht gemäß § 92 InsO zu verfolgenden Gemeinschaftsschaden: MünchKomm-InsO/Brandes, 2. Aufl. §§ 60, 61 Rn. 116; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rn. 127; FK-InsO/Kind, 4. Aufl. § 60 Rn. 32; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 60 Rn. 75; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 60 Rn. 30). Da Schadensersatzansprüche gegen einen Konkursverwalter nur durch einen Sonderverwalter oder einen neu bestellten Verwalter verfolgt werden können, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst zu laufen, wenn dieser Verwalter von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt hat (BGHZ 113, 262, 280; 159, 25, 28 f; ebenso auf der Grundlage des § 62 Satz 1 InsO, § 199 BGB: MünchKomm-InsO/Brandes, aaO § 62 Rn. 3; FK-InsO/Kind, aaO § 62 Rn. 4; Kübler/ Prütting/Lüke, aaO § 62 Rn. 2; Graf-Schlicker/Mäusezahl, InsO § 62 Rn. 5; Uhlenbruck, aaO § 62 Rn. 2).
4. Der Gläubigerausschuss hat die Funktion eines von den Gläubigern unabhängigen selbstständigen Organs, das die ihm vom Gesetz übertragenen Rechte und Pflichten wahrnimmt. Seine Mitglieder unterliegen einer Haftung, wenn ihr Aufsichtsverschulden zu einer Schädigung der Masse führt (§ 89 KO). Während der Dauer des Konkursverfahrens können gemäß § 6 KO Schadensersatzansprüche gegen Ausschussmitglieder nur von dem Verwalter verfolgt werden (RGZ 20, 108, 109 f; 31, 119, 122; BGHZ 71, 253 ff; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 89 Rn. 1; Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 89 Rn. 2; ebenso für den nach jetzigem Recht gemäß § 92 InsO zu verfolgenden Gesamtschaden: Münch-Komm-InsO/Schmidt-Burgk, aaO § 71 Rn. 13; Jaeger/Gerhardt, aaO § 71 Rn. 4; FK-InsO/Kind, aaO § 60 Rn. 32, § 71 Rn. 7; Kübler/Prütting/Kübler, aaO § 71 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO § 71 Rn. 4).
5. Die dreijährige Frist wird erst ab der möglichen Kenntniserlangung durch einen Sonderverwalter oder neu bestellten Verwalter in Gang gesetzt, wenn sich - wie im Streitfall - die Pflichtverletzung der Ausschussmitglieder in einer fehlerhaften Überwachung des früheren Verwalters manifestiert (Kirchhof ZInsO 2007, 1122 ff; vgl. ferner OLG Saarbrücken NZI 1998, 44: "spätestens").
a) Unter der Geltung der Konkursordnung war anerkannt, dass ein Sonderverwalter zu berufen ist, wenn der bestellte Verwalter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Ausübung seines Amtes verhindert ist (Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 78 Rn. 9; Jaeger/Weber, aaO § 78 Rn. 6). In Anlehnung an diese Praxis sah der Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung in § 77 bei rechtlicher oder tatsächlicher Verhinderung des Insolvenzverwalters die ausdrückliche Möglichkeit der Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters vor (BT-Drucks 12/2443 S. 20, 131). Diese Bestimmung wurde im Gesetzgebungsverfahren gestrichen, weil die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht auch ohne besondere Regelung als zulässig erachtet wird (BT-Drucks. 12/7302 S. 162; Uhlenbruck, InsO aaO § 56 Rn. 31). Eine tatsächliche Verhinderung des Verwalters ist wegen der in seiner Person bestehenden Interessenkollision gegeben, sofern Schadensersatzansprüche gegen ihn selbst geltend gemacht werden sollen. Zur Durchsetzung derartiger Ansprüche ist ein Sonderverwalter einzusetzen (BGH, Beschl. v. 1. Februar 2007 - IX ZB 45/05, ZIP 2007, 547, 548 Rn. 5; MünchKomm-InsO/Graeber, aaO § 56 Rn. 156).
b) Eine tatsächliche Verhinderung des Verwalters liegt gleichfalls vor, sofern es um die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Ausschussmitglieder geht, die auf einer unzureichenden Überwachung des Verwalters beruhen. In dieser Situation ist der Verwalter der gleichen Interessenkollision wie bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen sich selbst ausgesetzt. Der Verwalter haftet nämlich für den von ihm verursachten Schaden gesamtschuldnerisch neben den ihrerseits wegen der Verletzung ihrer Kontrollpflichten haftenden Ausschussmitgliedern (Kilger/K. Schmidt; aaO § 89 KO Anm. 2; Jaeger/Weber, aaO § 89 Rn. 3; FK-InsO/Kind, aaO § 71 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Schmidt-Burgk, aaO § 71 Rn. 22; Ganter in Festschrift für Gero Fischer 2008 S. 121, 133). Wird der gegen die Ausschussmitglieder gerichteten Klage stattgegeben, hat der Verwalter Ausgleichsansprüche zu befürchten (§ 426 BGB), weil ihn im Innenverhältnis zu den Ausschussmitgliedern die alleinige Verantwortung trifft. Aus diesen Erwägungen ist - sofern der Verwalter nicht bereits, wie im Streitfall, abberufen ist - ein Sonderinsolvenzverwalter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Ausschussmitglieder zu bestellen, die wegen dessen unzureichender Überwachung neben dem Verwalter ersatzpflichtig sind (FK-InsO/Kind, aaO § 71 Rn. 7; Nerlich/ Römermann/Delhaes aaO).
c) Hängt wie bei eigenen Pflichtwidrigkeiten des Verwalters eine Geltendmachung des Anspruchs gegen Ausschussmitglieder von der Bestellung eines neuen Verwalters ab, ist diesem Umstand bei dem Verjährungsbeginn Rechnung zu tragen. Die Verjährung wird - ebenso wie bei der Inanspruchnahme des Verwalters - erst mit der Kenntniserlangung durch den neuen Verwalter in Lauf gesetzt, falls die gegen die Ausschussmitglieder gerichteten Ersatzansprüche eine unzureichende Überwachung des früheren Verwalters zum Gegenstand haben. Auch in diesem Fall ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts der Sache nach eine Personenidentität von Verwalter und Schädiger gegeben, weil der Verwalter für die den Ausschussmitgliedern vorgeworfene Pflichtwidrigkeit im Innenverhältnis allein einzustehen hat.
d) Die Masse und folglich die Gläubiger können nicht darauf verwiesen werden, dass ihren Interessen genügt sei, weil die Verjährungsfrist gegen den Verwalter als Primärverpflichteten erst nach Bestellung eines neuen Verwalters zu laufen beginnt. Diese Würdigung des Oberlandesgerichts liefe darauf hinaus, dass die Masse letztlich auf Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter beschränkt wäre und die von dem Gesetz ausdrücklich eröffneten Ersatzansprüche gegen Ausschussmitglieder, denen bei Leistungsunfähigkeit des früheren Verwalters besondere Bedeutung zukommt, in den praktisch gewichtigen Fällen einer unzureichenden Kontrolle des Verwalters nicht durchgesetzt werden könnten.
III.
Der Senat kann jedoch, weil keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der mit der Klage allein unter dem Gesichtspunkt der Überschreitung der Kreditmarge von 4 Mio. DM verfolgte Schadenseratzanspruch entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Dem von der Gläubigerversammlung unter 8. gefassten Beschluss kann nicht die Verpflichtung der Mitglieder des Gläubigerausschusses entnommen werden, jeder die Grenze von 4 Mio. DM überschreitenden Kreditvergabe entgegenzutreten.
1. Zum Haftungsgrund hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Kläger habe einen durch die - unterstellten - Pflichtverletzungen entstandenen Schaden der Masse allenfalls in Höhe eines Betrages von 488.283,75 € schlüssig dargelegt. Da sich die Kredite am 10. Januar 1997 auf lediglich 2.750.000 DM belaufen hätten und der Darlehensstand die Summe von 4 Mio. DM somit deutlich unterschritten habe, seien die Beklagten zunächst nicht zu einem Eingreifen verpflichtet gewesen. Mangels Anhaltspunkten für eine von dem Verwalter beabsichtigte Überschreitung der Grenze von 4 Mio. DM seien die Beklagten nicht gehalten gewesen, von ihm Zwischenberichte über den Stand des Kredits anzufordern. Dem Zwischenbericht vom 11. August 1997 sei jedoch ein Darlehensstand von 6.665.000 DM zu entnehmen gewesen. In Kenntnis dieses Umstandes hätten die Beklagten die Vergabe des weiteren Darlehens über 955.000 DM verhindern müssen.
2. Dieser Würdigung, die rechtsfehlerhaft den Wortlaut des unter 8. gefassten Beschlusses der Gläubigerversammlung außer Betracht lässt (vgl. BGHZ 124, 39, 44 f), kann nicht gefolgt werden.
a) Das Revisionsgericht bindende Feststellungen zur Auslegung des Beschlusses hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht getroffen. Das Berufungsgericht hat lediglich eine Pflichtverletzung der Beklagten unterstellt, den Beschluss jedoch, wie in der Würdigung zum Ausdruck kommt, ein Schaden sei "allenfalls in Höhe von 488.283,75 € schlüssig" dargetan, keiner umfassenden rechtlichen Prüfung unterzogen. Davon abgesehen wäre eine das Klagebegehren stützende Auslegung des Berufungsgerichts nicht bindend, weil sie - wie nachfolgend dargelegt - den Wortlaut des Beschlusses als der hier allein maßgeblichen Auslegungsgrundlage außer Betracht lässt.
b) Der Beschluss der Gläubigerversammlung ermächtigte den Verwalter, die Schuldnerin bis zu einem totalen Verlust der Masse fortzuführen, verpflichtete ihn aber zugleich, die werbende Tätigkeit bei einem Liquiditätsverlust in Höhe von 4 Mio. DM einzustellen. Der Beschluss verhält sich nicht zu bestimmten Maßnahmen wie der Gründung und Kreditierung von Auffanggesellschaften. Das Berufungsgericht hat ihn dahin verstanden, dass der Gesamtvollstreckungsverwalter verpflichtet gewesen sei, die werbende Tätigkeit der Auffanggesellschaften einzustellen, sobald ein Liquiditätsverlust von 4 Mio. DM erreicht sei. Dies hat die Revision nicht angegriffen. Da das Liquidationskonzept eine Verlagerung des Geschäftsbetriebs von der Schuldnerin auf die Auffanggesellschaften vorsah, kommt es auf die Einstellung der werbenden Tätigkeit der Schuldnerin nicht an. Die Zulässigkeit der Kreditvergaben an Auffanggesellschaften ist somit unter dem Gesichtspunkt der Gesamtliquidität der Schuldnerin und der Auffanggesellschaften zu bewerten. Dass bei diesen insgesamt ein Liquiditätsverlust in der kritischen Höhe vorgelegen habe, hat der Kläger - wie das Landgericht unangegriffen ausgeführt hat - nicht dargetan. Er hätte nur vorgelegen, wenn nach Saldierung sämtlicher Mittelabflüsse und -zuflüsse die insgesamt frei verfügbaren Geldmittel gegenüber dem Anfangsbestand um 4 Mio. DM vermindert worden wären. Der Beschluss, dessen rechtliche Verbindlichkeit nicht durch die in der mündlichen Verhandlung geäußerten Zweifel an seiner wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit berührt wird, befasst sich folglich allein mit einer Liquiditätssicherung bei der Schuldnerin und den von ihr gegründeten Tochtergesellschaften. Der Betrag von 4 Mio. DM bildet damit entgegen der Auffassung des Klägers nicht die Obergrenze einer Kreditvergabe. Da der Kläger den Beklagten alleine vorwirft, die vermeintliche Obergrenze einer Kreditgewährung missachtet zu haben, und keine sonstigen Beanstandungen gegen ihre allgemeine Kontrolltätigkeit erhebt, kann das Klagebegehren keinen Erfolg haben.
Ganter Raebel Kayser Gehrlein Fischer Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 10.02.2006 - 1 O 120/04 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 12.03.2007 - 3 U 45/06 -
BGH:
Urteil v. 08.05.2008
Az: IX ZR 54/07
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