Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 9. Juli 2002
Aktenzeichen: 13A D 18/02

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 09.07.2002, Az.: 13A D 18/02)

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der vollständigen und ungeschwärzten Verwaltungsvorgänge BK 4a 98-001 nach Maßgabe der Verfügung des Beigeladenen zu 2. vom 16. Januar 2002 rechtmäßig ist.

Gründe

Nach Überprüfung der vollständigen und ungeschwärzten Verwaltungsvorgänge BK 4a 98-001 durch den Senat erweist sich die Verweigerung der Vorlage dieser Vorgänge im Klageverfahren 1 K 6480/98 VG Köln nach Maßgabe der Verfügung des Beigeladenen zu 2. vom 16. Januar 2002 als rechtmäßig.

Nach dem durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess unveränderten § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten verweigern, wenn, was hier in Betracht kommt, die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Gemäß dem durch das vorgenannte Bereinigungsgesetz geänderten § 99 Abs. 2 VwGO stellt das Oberverwaltungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten .... rechtmäßig ist. Die dahingehende Rechtmäßigkeitsprüfung ist ausgehend von Sinn und Zweck des § 99 Abs. 2 VwGO, den Interessenkonflikt zwischen Geheimhaltungsanspruch einerseits sowie Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und eine im Sinne des anzuwendenden Rechts richtige Entscheidung andererseits einer vertretbaren Lösung zuzuführen, umfassend und nicht auf die Begründung der obersten Aufsichtsbehörde beschränkt.

Vgl. hierzu auch den Beschluss des Fachsenats vom 14. Juni 2002 - 13a D 21 u. 22/02 -.

Demgemäß kommt es für die Rechtmäßigkeitsprüfung entscheidend auf das Ergebnis der Verweigerungsentscheidung der obersten Aufsichtsbehörde an. Wiese nämlich die Begründung der Verweigerung Mängel auf und würde allein deshalb vom Gericht ihre Rechtswidrigkeit festgestellt, obgleich die Verweigerung im Ergebnis gerechtfertigt ist, würde eine Offenlegung infolge fehlerhaft ausgeübter Behördenentscheidung das Geheimnisschutzrecht der betreffenden Partei ohne innere Rechtfertigung verletzen und eine vertretbare Konfliktlösung nicht getroffen. Kommt es mithin auf das behördliche Entscheidungsergebnis an, kann schon deshalb im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt bleiben, dass das Verwaltungsgericht einen Teil des geheimen Akteninhalts durch Übersendung der ungeschwärzten Verfügung des Beigeladenen zu 2. an die Beigeladene zu 1. letzterer offen gelegt hat, weil hierdurch die Rechtmäßigkeit der Verweigerungsentscheidung des Beigeladenen zu 2. nicht berührt wird.

Die Verweigerung der Vorlage von Akten bzw. Aktenteilen setzt nach der hier nur in Betracht kommenden Alternative des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zunächst voraus, dass diese Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Ist das der Fall, hat die oberste Aufsichtsbehörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten des Rechtsstreits unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen. Dies sind im vorliegenden dreipoligen telekommunikationsrechtlichen Rechtsstreit einerseits das aus dem Verfassungsrecht abgeleitete Recht auf Geheimnisschutz der einen Partei und das Interesse der anderen Partei an Durchsetzung der vom anzuwendenden Fachgesetz verfolgten Belange des Gemeinwesens sowie das Recht auf effektiven Rechtsschutz und dem dienende Verfahrensrechte des Drittenbeteiligten andererseits. Bei dieser Abwägung ist infolge des Verhältnismäßigkeitsgebots das Interesse an effektivem Rechtsschutz der diesen beanspruchenden Partei ihrer prozessualen Position und Schutzbedürftigkeit angemessen einzubringen, d. h. nur in dem Umfang und mit dem Gewicht, wie die Partei der Kenntnis des verweigerten Akteninhalts zur Verfolgung ihres Rechtsschutzbegehrens im Haupsachverfahren bedarf. Auch kann das öffentliche Interesse an der Verwirklichung der Ziele des anzuwendenden Fachgesetzes bei der Abwägung nur dann Gewicht beanspruchen, wenn in der jeweiligen prozessualen Situation die öffentlichen Belange erkennbar und nachhaltig tatsächlich gefährdet sind. Kann dem Verhältnismäßigkeitsgebot folgend deshalb dem einen oder anderen Interesse allenfalls geringes Gewicht beigemessen werden, muss wegen des Ranges des grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsanspruchs die Interessenabwägung regelmäßig zugunsten der diesen Schutz beanspruchenden Partei ausfallen.

Hiervon ausgehend erweist sich die Entscheidung des Beigeladenen zu 2., die in Nr. 5 seiner Verfügung vom 16. Januar 2002 aufgelisteten Teile der Verwaltungsvorgänge durch Blattentnahme oder Textschwärzung nicht vorzulegen, jedenfalls im Ergebnis als rechtmäßig.

Der Fachsenat erachtet diese Aktenteile als nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim zu haltende Inhalte. Der für das Telekommunikationsrecht zuständige 13. Senat des angerufenen Oberverwaltungsgerichts hat zum Anspruch eines Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen auf Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Verwaltungsverfahren (Regulierungsverfahren) durch Beschluss vom 12. Mai 1999 - 13 B 632/99 - ,MMR 1999, 553, bereits wie folgt entschieden:

"Gem. § 30 VwVfG hat ein Verfahrensbeteiligter Anspruch darauf, dass u. a. seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden. Dieser Anspruch wird allgemein als Geheimhaltungsanspruch mit Offenbarungsvorbehalt verstanden, wobei dem Geheimhaltungsinteresse zunächst Priorität zukommt. Soweit keine vom Geheimhaltungsanspruchsträger eingeräumte oder gesetzlich vorgesehene Offenbarungsbefugnis gegeben ist, ist eine Berechtigung zur Offenbarung dann allgemein anerkannt, wenn eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ein überwiegendes Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit oder Dritter ergibt.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. März 1986 - 7 C 71.83 -, BVerwGE 74, 115; Knemeyer, NJW 1984, 2241 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 30 Rdn. 16 ff.; Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 30 Rdn. 7.

§ 30 VwVfG und die dazu entwickelten Grundsätze gelten auch für das Entgeltregulierungsverfahren nach dem Dritten Teil und Zehnten Teil, 3. Abschnitt, des Telekommunikationsgesetzes (§§ 23 ff., 73 ff. TKG). Sonderregelungen betreffend den Geheimhaltungsanspruch für das Regulierungsverfahren existieren insoweit nicht. Auch die gerichtsförmige Ausgestaltung des Regulierungsverfahrens durch die Beschlusskammern erfordert keine für den Geheimhaltungsanspruchsinhaber verschärften Maßstäbe. Denn die Grundsätze zur Offenbarungsberechtigung sind aus denjenigen zur Verweigerung der Aktenvorlage aus Geheimhaltungsgründen durch die Behörde nach § 99 VwGO, die analog anzuwenden sind auf die Gewährung bzw. Nichtgewährung von Akteneinsicht durch das Gericht nach § 100 VwGO

vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 100, Anm. 3a,

abgeleitet worden und letztere dürften jedenfalls bei der gegebenen Konstellation nicht zu einer abweichenden Gewichtung führen, weil die Abwägung der dann widerstreitenden, beiderseits grundgesetzlich verankerten Interessen nur in besonderen Einzelfällen zu einer Geheimnispreisgabe führen wird, nicht aber allein wegen des Gesichtspunktes des rechtlichen Gehörs. Auch konkurriert im Regulierungsverfahren, das trotz Sonderregelungen ein Verwaltungsverfahren bleibt, mit dem Geheimhaltungsanspruch das einfach- rechtliche Verfahrensrecht zur Stellungnahme zu allen entscheidungserheblichen Gesichtspunkten und nicht etwa wie im gerichtlichen Verfahren das Verfassungsrecht des rechtlichen Gehörs, so daß im Regulierungsverfahren eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Gewichtung der widerstreitenden Interessen nicht aus Verfassungsgründen geboten ist. Selbst für das gerichtsförmig ausgestaltete förmliche Verwaltungsverfahren (§§ 63 ff VwVfG) ist die Anwendung der zu § 30 VwVfG entwickelten Grundsätze nicht zweifelhaft. Schließlich folgt aus der Beiladung eines Dritten zum Regulierungsverfahren nicht ohne weiteres auch seine Beteiligung an einem eventuellen nachfolgenden gerichtlichen Verfahren; jedenfalls setzt die Position eines Rechtsmittelführeres eine Verletzung eigener Rechte durch die Regulierungsentscheidung voraus, die für einen Beigeladenen des Verwaltungsverfahrens nicht zweifelsfrei erscheint.

Ein Abweichen von den dargestellten Grundsätzen zur Offenbarungsberechtigung erfordert auch nicht das mit dem Regulierungsverfahren nach dem Telekommunikationsgesetz verfolgte Gesetzesanliegen, einem infolge fehlenden Wettbewerbs und deshalb den Regulierungsmechanismen des Wettbewerbsmarktes nicht unterliegenden, marktbeherrschenden Unternehmen eine gesamtwirtschaftlich schädliche, preismissbräuchliche Ausnutzung seiner Stellung zu Lasten des Verbrauchers zu unterbinden."

Dem schließt sich der erkennende Fachsenat für die Rechtmäßigkeitsprüfung nach § 99 Abs. 2 VwGO an. Der verwaltungsverfahrensrechtliche Geheimhaltungsanspruch bleibt, soweit die Verwaltungsentscheidung im gerichtlichen Verfahren angefochten ist, über den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung hinaus existent, weil das Verwaltungsverfahren wegen des noch offenen Fortbestandes der Verwaltungsentscheidung noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Jedenfalls können im Verwaltungsverfahren der Geheimhaltung unterliegende Vorgänge ihrem Wesen nach im gerichtlichen Verfahren keiner anderen Charakterisierung und keinem anderen Schutz unterliegen, so dass sich der Geheimhaltungsanspruch auch im gerichtlichen Verfahren letztlich aus § 30 VwVfG ableitet.

Der 13. Senat hat zum Geheimnisbegriff im Telekommunikationsrecht ferner durch Beschluss vom 8. November 2000 - 13 B 15/00 -, NVwZ 2001, 820, Folgendes ausgeführt:

"Der Senat hat bereits durch Beschluss vom 12. Mai 1999 - 13 B 632/99 - entschieden und hält daran fest, dass der Anspruch eines Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens auf Wahrung seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch die Behörde aus § 30 VwVfG ein Recht mit Offenbarungsvorbehalt darstellt, das nur zurück tritt bei vom Geheimnisschutzinhaber oder vom Gesetz eingeräumter Offenbarungsbefugnis oder bei einem Überwiegen des dem Interesse des Geheimnisschutzinhabers widerstreitenden Offenbarungsinteresses der Allgemeinheit oder schutzberechtigter Dritter.

Bei der vorliegend nur in Betracht kommenden Offenbarungsbefugnis auf Grund einer Interessenabwägung misst der Senat dem Geheimhaltungsinteresse des betroffenen Verfahrensbeteiligten eine hohe Bedeutung zu. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Unternehmens sind unter Einsatz von betrieblichgeschäftlichen Leistungen und/oder Finanzaufwand gewonnene, für die Geschäftstätigkeit verwertete oder verwertbare Einrichtungen, Abläufe, Kenntnisse und Ähnliches, die selbst Vermögenswert verkörpern und daher dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallendes Eigentum des Unternehmens darstellen. Geheimnischarakter können neben den entgeltrelevanten Umständen und Vorgängen wie den konkreten Umsatzzahlen, Verbrauchsmengen, Kostenfaktoren, Kalkulationen und Ähnlichem auch die Methodik der Entgeltberechnung und Einbringung der verschiedenen branchen- und unternehmensspezifischen Kostenfaktoren in die Entgelte tragen, wenn dies als Knowhow grundsätzlich von Wert, nur einem beschränkten Personenkreis bekannt und für Außenstehende wissenswert ist sowie die Kenntnis Außenstehender von dem Geheimnis dem Geheimschutzträger zu einem nicht unerheblichen Nachteil gereichen kann.

Der Senat verbleibt auch dabei, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis eines Unternehmens der Telekommunikationsbranche seinen Geheimnischarakter nicht schon deshalb verliert, weil es in einem früheren Regulierungsverfahren der zuständigen Behörde offen gelegt und dort von anderen Verfahrensbeteiligten eingesehen worden ist. Erst dann geht der Geheimnischarakter verloren, wenn der Geheimschutzinhaber selbst auf den Schutz verzichtet oder das vermeintliche Geheimnis einem großen Kreis Außenstehender allgemein bekannt ist. Weder gibt der Geheimschutzinhaber durch pflichtgemäße Vorlage seiner geheimen Unterlagen an die Regulierungsbehörde und seinerseits - möglicherweise aus Sorglosigkeit - nicht verhinderte Offenlegung des Geheimnisses durch die Behörde an Dritte seinen Geheimnisschutzanspruch auf noch steht mit Einsicht eines Dritten in geheime Unterlagen fest, dass sie in ihrer Bedeutung erkannt und einem größeren Kreis Interessierter vermittelt worden sind. Allerdings kommt Akten/Aktenteilen der Charakter eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nicht oder nicht mehr zu, die - wenn auch nur fachbezogenes - Allgemeinwissen, also nichts geheimes Neues beinhalten oder deren Inhalt sich dem Betrachter ohne zugehörige, aber nicht offen gelegte Unterlagen oder nach Unkenntlichmachung von Teilen nicht mehr erschließt.

Der Senat verbleibt schließlich dabei, dass auch im - besonders ausgestalteten - telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierungsverfahren keine anderen Grundsätze bezüglich der Offenbarungsbefugnis der Behörde bestehen als im allgemeinen Verwaltungsverfahren. Dass in diesem Zusammenhang dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung des Beschlusskammerverfahrens gegenüber dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Geheimschutzanspruch grundsätzlich überwiegendes Gewicht zukomme, was erfordere, dass der Betroffene zur Durchsetzung seines Geheimschutzanspruchs in jedem Einzelfall nachvollziehbar und substantiiert darlegen müsse, welche konkreten Nachteile bei einer Geheimnisoffenbarung drohten, lässt sich dem Telekommunikationsgesetz und den Gesetzesmaterialien dazu nicht entnehmen. Ein solcher Ansatz führt nahezu zur Aushöhlung des Geheimnisschutzanspruchs und trägt zudem den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht Rechnung. Zunächst dürfte es dem beschriebenen Charakter des Geheimhaltungsanspruchs als Schutzrecht mit Offenbarungsvorbehalt entsprechen, dass die sich auf eine Offenbarungsbefugnis berufende Behörde ein überwiegendes öffentliches Offenbarungsinteresse darlegt. Jedenfalls aber erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Gewährung von Einsicht in geheime Akten/Aktenteile an Beteiligte eines telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierungsverfahrens und damit die Geheimnispreisgabe zur Erreichung des angestrebten Zwecks, dass ist die wirksame Entgeltkontrolle, geeignet und erforderlich ist und dies zur Überzeugung dargelegt wird.

Vgl. zu den Auswirkungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der Interessenabwägung beim Geheimnisschutz, Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15. Januar 1970 - 1 BvR 13/68 -, BVerfGE 27, 345 (352).

Die vorzitierte bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung belegt im Übrigen, dass selbst im förmlichen Disziplinarverfahren für ein Abrücken von den allgemeinen Grundsätzen zur Offenbarungsbefugnis der Behörde aufgrund Interessenabwägung kein Anlass besteht.

Die Antragstellerin hat bereits mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1999 im Ergebnis überzeugend dargelegt, dass die im Tenor angeführten Akten/Aktenteile Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Allerdings geht der Senat bei im Einzelfall verbleibenden Zweifeln wegen der Bedeutung des Geheimnisschutzrechts von der Geheimniseigenschaft der einzelnen Unterlage aus.

Auch das vorliegend im Mittelpunkt stehende, unter erheblichem personellen und finanziellen Aufwand entwickelte Knowhow einer auf die speziellen, telekommunikationsrechtlichen Anforderungen angelegten Methodik der Kostenberechnung für Telekommunikationsdienstleistungen ist ein vermögenswertes Internum der Antragstellerin und zugleich von Wissenswert für andere Unternehmen der Branche, dessen Bekanntwerden für erstere von nicht unerheblichem Nachteil sein kann. Das gilt selbst dann, wenn die die Methodik - ggf. nur grob - beschreibenden streitbefangenen Unterlagen keine konkreten Zahlen etwa über Umsätze auswerfen oder konkrete Zahlen unkenntlich gemacht worden sind. Schon die Kenntnis der abstrakten Beschreibung der Gesamtheit der Berechnungsmethodik stellt aus Sicht des Senats für ein Konkurrenzunternehmen der Telekommunikationsbranche einen Vermögenswert dar, weil die Kenntnis dessen eigene Entwicklungskosten ersparen, Fehlkalkulationen verhindern und die Entwicklung von Marktstrategien fördern kann. Die in den streitbefangenen Unterlagen der Antragstellerin beschriebene Entgeltberechnungsmethodik ist, wie von ihr glaubhaft dargelegt, als Gesamtwerk ein Novum, wenn auch die Neuentwicklungen auf allgemein bekannten Erkenntnissen aufbauen, und erstmals für eine Entgeltberechnung im Regulierungsverfahren angewandt wurden. Sie ist als Ganzes lediglich einem überschaubaren Kreis von Unternehmensangehörigen der Antragstellerin bekannt. Die Kenntnisnahme dieser Methode durch Dritte ermöglicht ihnen, diese unter Ersparung eigener Entwicklungskosten ggf. für eigene Produkte zu übernehmen und hilft Fehlkalkulationen beim Preis zu vermeiden. Letzteres stellt für ein dem Wettbewerb in der Telekommunikationsbranche ausgesetztes Unternehmen einen erheblichen Vorteil dar; dem steht der im Grundsatz nicht hinzunehmende Verlust eines entsprechenden, aus eigener Kraft geschaffenen Wettbewerbsvorsprungs der Antragstellerin gegenüber. Überdies erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das von der Preisgestaltung des Marktbeherrschers im Einzelnen Kenntnis erlangende Unternehmen hieraus Marktstrategien des Konkurrenten ableitet und seinerseits zum Nachteil des Konkurrenten wettbewerbliche Strategien entwickeln kann."

Auch dem schließt sich der Fachsenat für die Rechtmäßigkeitsprüfung nach § 99 Abs. 2 VwGO an.

Der Fachsenat hat an der Richtigkeit der Bewertung der Inhalte der den Verwaltungsvorgängen entnommenen Blätter und der geschwärzten Zeilen, Wörter und/oder Zahlenangaben als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Beigeladenen zu 2. und zuvor durch die Regulierungsbehörde keine Zweifel und schließt sich dieser Bewertung an. Die Aktenteile beinhalten nicht offenkundige, sondern nur einem begrenzten Personenkreis der Klägerin bekannte Betriebsinterna von wirtschaftlichem Wert und wettbewerblichem Interesse für andere Unternehmen - wie etwa innerbetriebliche Strukturen und Abläufe, Kalkulationen und Kostenpositionen, Markteinschätzungen etc. -, die der Klägerin bei Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu einem nicht unerheblichen Nachteil gereichen können. Eine Gewissheit oder gar Nachweisbarkeit des Nachteils und ein Nachteilseintritt bereits in absehbarer Zukunft ist insoweit nicht erforderlich.

Die Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zu Gunsten des von der Klägerin beanspruchten Geheimnisschutzes aus.

Das von der Beklagten wahrgenommene Interesse an einer Herbeiführung der Ziele der Regulierung und das Interesse der Beigeladenen zu 1. an effektivem Rechtsschutz treten hinsichtlich derjenigen geheimen Aktenteile, die die Portierung betreffen, gegenüber dem Geheimnisschutzinteresse der Klägerin schon deshalb zurück, weil es auf sie im vorliegenden Rechtsstreit nicht ankommt. Gegenstand der Klage 1 K 6480/98 VG Köln ist der Beschluss der Beklagten vom 8. Juli 1998 - BK 4a 98-001 -, der sich mit Entgelten für Leistungen mit Portierung nicht befasst, so dass die Portierung betreffende Inhalte für das Klageverfahren unerheblich sind. Insoweit sind schützenswerte Interessen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. nicht erkennbar.

Schützenswerte Interessen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. hinsichtlich der Aktenteile mit Geheimnischarakter sind auch mit Blick auf den Hauptantrag der Klägerin im Klageverfahren, das maßgebend für die Beurteilung der Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Beteiligten und für die Gewichtung seiner Interessen ist, nicht erkennbar. Insoweit sind die Aktenteile nämlich unerheblich, weil sie tatsächliche Entgeltgrundlagen betreffen, während der Hauptantrag lediglich eine vom Tatsächlichen unabhängige Rechtsfrage betrifft.

Im Hinblick auf den - für den Fall der jedenfalls nicht auszuschließenden Erfolglosigkeit des Hauptantrages gestellten - Hilfsantrag 2 a) der Klägerin sind die Geheimnischarakter tragenden Aktenteile nur erheblich, soweit die Klägerin ein Entgelt höher als die vorläufige Festsetzung durch die Beklagte begehrt; nur dahingehend ist der auch auf eine teilweise Aufhebung des Bescheids vom 8. Juli 1998 gerichtete Hilfsantrag zu interpretieren. Mit diesem Begehren wird sie aber aller Voraussicht nach beim Verwaltungsgericht nicht durchdringen können, wenn sie die geheimen Nachweise über ihre nach der Telekommunikations- Entgeltregulierungsverordnung relevanten Kosten nicht führt oder die entsprechenden Inhalte der Verwaltungsvorgänge im gerichtlichen Verfahren nicht freigibt. Zwar verweigert die Beklagte die Offenlegung der diesbezüglichen Aktenteile, dies jedoch lediglich deswegen, weil sich die Klägerin insoweit auf Geheimnisschutz beruft. Im Rahmen der Verpflichtungsklage ist jedoch grundsätzlich der Kläger dazu aufgerufen, die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und ggf. nachzuweisen. Für den telekommunikationsrechtlichen Entgeltrechtsstreit folgt das insbesondere aus dem materiellen Recht der Telekommunikations- Entgeltregulierungsverordnung und des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 der Zusammenschaltungsrichtlinie RL 97/33. Kommt der Kläger der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nach, hat die Verpflichtungsklage regelmäßig keinen Erfolg. Es verbliebe für diesen Fall bei der vorläufigen Entgeltfestsetzung, gegen die sich jedoch weder die Klägerin noch die Beigeladene zu 1. wendet. Insoweit wird die Beigeladene zu 1. bei Nichtoffenlegung der geheimen Teile des Verwaltungsvorgangs nicht stärker betroffen oder schlechter gestellt, als sie selbst hinzunehmen bereit ist, und bedarf sie deshalb keines weiter gehenden Schutzes , also auch keiner Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO zu ihren Gunsten. Auf ihre Ausführungen in ihrer Stellungnahme vom 14. Juni 2002 kommt es daher nicht an.

Mit der Ablehnung der von der Klägerin - im Falle der Vorab- Entgeltgenehmigungspflichtigkeit - beantragten Entgelthöhe und der vorläufigen Festsetzung eines niedrigeren Entgelts durch die Beklagte ist zudem dem Anliegen des Telekommunikationsgesetzes nach Herbeiführung eines funktionsfähigen Wettbewerbs genüge getan, weil davon ausgegangen werden kann, dass die vorläufig festgesetzte Entgelthöhe jedenfalls nicht wettbewerbsverzerrend wirkt. Bei Nichtoffenlegung der geheimen Aktenteile (Kostennachweise der Klägerin) droht dem Wettbewerb voraussichtlich kein höheres Entgelt.

Auch dem Interesse an alsbaldiger Planungssicherheit für den Wettbewerb kommt kein durchgreifendes Gewicht zu. Besteht die Klägerin weiterhin auf ihrem Geheimnisschutz, wofür gegenwärtig alles spricht, kann der Wettbewerb seine Preise auf der Grundlage der vorläufig festgesetzten Entgelte ohne Rücklagen für eventuelle spätere Entgeltnachforderungen der Klägerin kalkulieren. Gibt die Klägerin ihren Geheimnisschutzanspruch für den vorliegenden Entgeltstreit auf, stellt sich die Problematik der widerstreitenden Interessen nicht und befindet sich der Wettbewerber in der normalen Situation, dass er mit gerichtlich ermittelten Entgelten auf der Grundlage nachgewiesener Kosten und entsprechenden Nachforderungen der Klägerin rechnen muss. Insoweit droht den Wettbewerbern bei durchgreifendem Geheimnisschutz hinsichtlich ihrer Planungsicherheit keine Schlechterstellung.

Die äußerst hilfsweise von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung ihres Entgeltgenehmigungsantrages erscheint dem Fachsenat aus gegenwärtiger Sicht unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zum einen äußerst unwahrscheinlich, zum anderen führte sie zu keinem Nachteil für die mit dem Geheimschutzinteresse der Klägerin konkurrierenden Interessen der Beklagten und Beigeladenen zu 1., weil diese in einem gerichtlichen Verfahren im Anschluss an die Neubescheidung verfolgt werden könnten.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das nach der Verfügung des Beigeladenen zu 2. komplett zu entnehmende Blatt 120 im Volltext in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen enthalten ist, und dass der Senat davon ausgeht, dass die Begründung der Schwärzungen auf Blatt 167 auch diejenigen auf den Blättern 154 u. 155 erfasst, für die Verfügung des Beigeladenen zu 2. keine separate Begründung enthält.






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Az: 13A D 18/02


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