Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. Januar 1997
Aktenzeichen: 4 0 123/96 U.
(LG Düsseldorf: Urteil v. 07.01.1997, Az.: 4 0 123/96 U.)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Bundesgebiet ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin anerkannten Bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse
erbracht werden.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung des angegriffenen Zeichens zu. Sie kann sich weder auf markenrechtliche Ansprüche aus den §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 5, 15 Abs. 2, 3 MarkenG noch auf Ansprüche nach den Grundsätzen über den Schutz einer berühmten Marke aus den §§ 12, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB berufen.
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I.
Ansprüche aus §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5, 15 Abs. 2 MarkenG scheitern bereits daran, daß die zugunsten der Klägerin eingetragenen X bzw. das entsprechende Firmenschlagwort nicht geeignet sind, mit der angegriffenen Bezeichnung der Beklagten Verwechslungen hervorzurufen, weil es jedenfalls an der erforderlichen Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit bzw. Branchennähe fehlt. Dabei kann zwar zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß sich die ursprüngliche Kennzeichnungskraft der Klagemarke ganz erheblich dadurch erhöht hat, daß die X zur Bezeichnung von Schneidwaren im Verkehr einen hohen Bekanntheitsgrad haben" und die Bezeichnung bekanntermaßen auch Kennzeichen des Unternehmens ist (vgl. BGH GRUR 1957, 287 - PlasticumX; OLG Düsseldorf GRUR 1957, 439 - Xszeichen; OLG Düsseldorf GRUR 1959, 238 - Traubenträger), so daß aufgrund der großen Bekanntheit der Klagemarke der Ähnlichkeitsbereich dieses Zeichens grundsätzlich weit zu ziehen ist.
Bei der Beurteilung des Vorliegens von Verwechslungsgefahr im engeren oder weiteren Sinn, also der Frage, ob die angesprochenen Verkehrskreise durch die gegenüberstehenden Bezeichnungen zu der irrigen Annahme verleitet werden, die Waren stammten aus dem selben Geschäftsbetrieb oder zwischen den beteiligten Unternehmen bestünden jedenfalls irgendwelche wirtschaftlichen Zusammenhänge kommt es jedoch nicht nur auf den Grad der Kennzeichnungskraft der schutzbeanspruchten Bezeichnung und dem Grad der Ähnlichkeit der betroffenen Bezeichnungen an, sondern auch auf die Beurteilung der Warenähnlichkeit bzw. Branchennähe. Zwischen den genannten Bestimmungsfaktoren besteht zwar eine Wechselwirkung dergestalt, daß je höher die Kennzeichnungskraft ist und je ähnlicher die einander gegenüberstehenden Bezeichnungen sind, desto we-
niger nah die Branchen sein müssen, in denen die beteiligten Unternehmen tätig sind, um Verwechslungsgefahr zu begründen, und umgekehrt (BGH, GRUR 1966, 2 67 (269) -White Horse; GRUR 1975, 606 (609) - IFA; GRUR 1990, 1042 (1044) - Datacolor; GRUR 1991, 863 (864) - Avon; Groß-kommentar-Teplitzky, UWG, § 16 UWG, Rn. 362). Allerdings kann selbst die Identität der Bezeichnungen dann nicht zur Annahme von Verwechslungsgefahr führen, wenn der Verkehr die Unternehmen weder organisatorisch noch wirtschaftlich in Verbindung bringt, weil sie in völlig verschiedenen Branchen tätig sind (BGH, GRUR 1966, 267 (269) - White Horse; GRUR 1990, 1042 (1044) - Datacolor; GRUR 1991, 863 (865) - Avon) . Etwa ist eine verkehrsbekannte langjährige einseitige Ausrichtung eines Unternehmens auf einen sehr spezifischen Tätigkeitsbereich nicht geeignet, Verkehrsvorstellungen über mögliche Ausweitungen in ganz andere Tätigkeitsbereiche hervorzurufen (BGH, GRUR 1984, 471 (473) - Gabor/Caber; a.a.O. (865) - Avon). Das gilt gleichermaßen für Ausweitungen des eigenen Tätigkeitsbereichs dieses Unternehmens wie für wirtschaftliche Verbindungen mit anderen Unternehmen. Denn auch die Vorstellung von solchen Verbindungen setzt regelmäßig gewisse Anhaltspunkte voraus, die etwa in Gemeinsamkeiten der betroffenen Tätigkeitsbereiche gesehen werden können. Diese Gemeinsamkeiten können etwa in der Zugehörigkeit der Waren zu einer durch einen gemeinsamen Oberbegriff sinnvoll verbindbaren Kategorie oder in der wechselseitigen Verwendung von Hersteller- oder Vertriebs-Knowhow bestehen, unter Umständen auch bereits in Berührungen der Tätigkeitsbereiche in Randgebieten (BGH, GRUR 1986, 253 (254) - Zentis/Säntis; GRUR 1991, 863 (865) - Avon) . Im Verhältnis der Parteien liegen hinreichende, Branchennähe begründende Gemeinsamkeiten indessen nicht vor. Zwischen Schneidwaren und Bekleidungsstücken als den Waren, für die eine Benutzung des angegriffenen Zeichens in Rede steht, sind solche - oben bezeichneten - Gemeinsamkeiten nicht erkennbar.
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Soweit die Klägerin daher auf das Klagezeichen nach Anlage K 2 abstellt, welches im Warenverzeichnis u.a. Bekleidungsstücke aufweist, kann die Beklagte ihrer Inanspruchnahme mit Erfolg entgegenhalten, daß eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke im Sinne der §§ 25, 26 MarkenG gerade für Bekleidungsstücke von der Klägerin nicht hinreichend dargetan ist. Dabei ist bereits fraglich, ob dann, wenn der Zeicheninhaber die Absicht der Ausdehnung seines Geschäftsbetriebes auf die in Rede stehenden Waren nicht dargetan hat, sondern sich auf die Anbringung des Zeichens allein auf Werbegeschenken beruft, eine funktionsgerechte, rechtserhaltende Benutzung im Sinne des § 26 MarkenG überhaupt vorliegen kann. Die Beantwortung der Frage nach der generellen Eignung von Werbegeschenken für die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung kann jedoch dahinstehen. Denn um beurteilen zu können, ob auch in Fällen der Verwendung als Werbegeschenk überhaupt eine ernsthafte und wirtschaftlich sinnvolle Benutzung vorliegt, bedarf es jedenfalls einer detaillierten Darlegung des Umfanges der geltend gemachten Verwendung. Da die Warenzeichenklasse "Bekleidungsstücke" zudem sehr weit gefaßt ist, so daß es bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit durchaus zu unterschiedlichen Bewertungen kommen kann und die Klägerin sich auf die Verwendung des Klagezeichens auf von einander zu unterscheidende Waren wie T-Shirts, Schürzen, Schals und Krawatten berufen hat, hätte es insoweit eines substantiierten Vortrages, d.h. zumindest einer Aufgliederung und zahlenmäßig belegten Darstellung der Verbreitung bedurft, die die Klägerin -trotz Hinweises der Beklagten - nicht gegeben hat.
II.
Die Klägerin kann sich aber auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte nutze den guten Ruf oder die Wert-
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Schätzung einer ihr, der Klägerin, geschützten bekannten Kennzeichnung in unlauterer Weise für sich aus, § 14 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. MarkenG.
Die Xsmarke der Klägerin mag zwar - was zu ihren Gunsten unterstellt werden kann - eine bekannte Marke sein, insoweit fehlt es aber bereits an einer Identität oder hinreichenden Ähnlichkeit mit dem angegriffenen Wort-/Bildzeichen der Beklagten, da einerseits der Bildbestandteil des angegriffenen Zeichens nicht so prägend ist, daß der Wortbestandteil "X" bei einer gebotenen Gesamtbetrachtung in den Hintergrund tritt (vgl. zur Ermittlung des prägenden Zeichenbestandteils nur BGH GRUR 1996, 406, 407 - Juwel), andererseits selbst die einander gegenüberstehenden Bildbestandteile einen gewissen Abstand voneinander aufweisen. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen ist zu berücksichtigen, daß dann, wenn ein aus mehreren Bestandteilen bestehendes Zeichen Wort- und Bildbestandteile aufweist, der Verkehr sich im allgemeinen eher am Wortbestandteil orientiert, wenn dieser einfach erkennbar und seinem Sinn nach ohne weiteres erfaßbar ist, wie dies bei dem Begriff "X" der Fall ist. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, daß das angegriffene Zeichen sein Gesamtgepräge allein durch den Bildbestandteil erhält und der Wortbestandteil gänzlich zurücktritt und bei einer Beurteilung daher außer acht gelassen werden kann. Aber auch hinsichtlich der Ähnlichkeit der Bildbestandteile der einander gegenüberstehenden Zeichen lassen sich Unterschiede ausmachen, die für die Beurteilung einer möglichen Rufausbeutung oder Minderung der Wertschätzung nicht außer acht gelassen werden können. So hat die Klägerin zwar zutreffend unter Hinweis auf die bereits zu den Xszeichen ergangenen Entscheidungen darauf hingewiesen, daß die wesentlichen Merkmale des ihr geschützten Xszeichens in der besonders eigenartigen, aus geometrischen Formen unü Figuren (Kreisen, Dreiecken, ge-
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raden und gewinkelten Linien) sich zusammensetzenden, in Schattenrißmanier stark schematisierten Xdarstellung besteht (vgl. BGH aaO, S. 289 - Plast icumX) und daß auch der Bildbestandteil des angegriffenen Zeichens eine stilisierte Xdarstellung mit abgewinkelten Armen und Beinen und nach außen gestellten Füßen wiedergibt. Im Unterschied zum Klagezeichen bestehen die X bei dem angegriffenen Zeichen jedoch nicht nur aus geometrischen Formen. Die nebeneinander stehenden X berühren sich nicht und sind nach Art eines "Graffitto", d.h. einer in einzelnen Merkmalen überzeichneten Darstellung, wiedergegeben. So prägen die völlig überproportionierten Hände der Figuren, die ihre beiden Arme - auch insoweit im deutlich hervortretenden Unterschied zum Klagezeichen - erhoben haben, den Gesamteindruck des Bildzeichens, der sich insoweit auch für den flüchtigen Betrachter von dem des Klagezeichens deutlich unterscheidet. Da aber die objektive Möglichkeit einer Rufübertragung u.a. jedenfalls voraussetzt, daß das geschützte Zeichen in dem angegriffenen Zeichen überhaupt wiedererkannt werden kann, damit die Übertragung einer Gütevorstellung denkbar ist, was bei den bisher entschiedenen Fällen zur Rufausbeutung aufgrund der identischen Übernahme des geschützten Zeichens gegeben war (vgl. BGH GRUR 1983, 247 - Rolls Royce; BGH GRUR 85, 550 - X) stehen diese Abweichungen des angegriffenen Zeichens von der Klagemarke und damit die relative Unähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen einer markenrechtlichen Inanspruchnahme aus dem Gesichtspunkt der Rufübertragung entgegen. Darüberhinaus fehlt es aber auch deshalb an der objektiven Möglichkeit einer Rufübertragung, weil nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargetan ist, inwieweit der für die Klägerin bestehende gute Ruf auf dem Gebiet der Schneidewaren eine Werbewirkung und Ausstrahlung auf dem Gebiet modischer Bekleidungsstücke haben soll. Bei Luxusartikeln wie in den Fällen "X" oder "X" ist nachvollziehbar, daß auch in branchen-
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fremden Bereichen durch das Anhängen an den guten Ruf eines Zeichens der Eindruck entstehen kann, der Verbraucher erwerbe ein Produkt, das gegenüber dem der Konkurrenz besser ist und Vorzüge hat. Um ein solches Luxusprodukt oder Erzeugnis mit Prestigewert handelt es sich hier jedoch nicht. Welche auf den weit entfernt liegenden Bereich der Bekleidung übertragbare Gütevorstellung der Verkehr gleichwohl mit dem Xszeichen verbinden soll, ist vor diesem Hintergrund von der Klägerin nicht hinreichend dargetan.
III.
Eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung, die den geltend gemachten Unterlassungs-, naspruch auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Nr. 3, 2. Alt. MarkenG rechtfertigen könnte, scheidet ebenfalls aus. Denn mangels Übereinstimmung der einander gegenüberstehenden Zeichen ist eine Ausstrahlung der Wirkung des einen Zeichens auf das andere ausgeschlossen, da bei einer Benutzung des angegriffenen Wort-/Bildzeichens "X" auf Bekleidungsstücken der Beklagten keine nachteiligen Imageauswirkungen auf "Xsprodukte" der Klägerin zu befürchten sind.
IV.
Die Klägerin kann aber auch gegenüber der Beklagten nicht den Schutz einer berühmten Marke gegen Verwässerungsgefahr in Anspruch nehmen, §§ 12, 823 Abs. 1 BGB. Denn das Klagevorbringen rechtfertigt trotz des hohen Bekanntheitsgrades des Zeichens insbesondere für Messer nicht die Annahme, daß das Xszeichen (heute noch) die für die Berühmtheit erforderliche überragende Bekanntheit beim allgemeinen Publikum besitzt. Nach den von der Klä-
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gerin in Bezug genommenen Meinungsumfragen (Anlagen K 6 -K 8) ist allenfalls von einem ungestützten Bekanntheitsgrad der Xszeichen von circa 70 % auszugehen, was jedoch für die Annahme einer berühmten Marke nicht ausreicht (vgl. BGH GRUR 1991, 863 - Avon). Zudem fehlt es auch insoweit aufgrund mangelnder Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen an der Gefahr einer Verwässerung des geschützten Zeichens.
V.
Die zwischen den Parteien ebenfalls kontrovers diskutierte Frage, ob aufgrund der Eintragung ins Musterregister von einem für die Annahme einer Begehungsgefahr erforderlichen Benutzungswillen hinsichtlich des angegriffenen Zeichens ausgegangen werden kann, kann daher im Ergebnis ebenso dahinstehen wie die Frage, ob es sich bei der zumindest in Aussicht genommenen Benutzung des angegriffenen Zeichens um eine im Sinne des Markengesetzes zeichenmäßige handelt.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Streitwert: 100.000 DM
Dr. Meier-Beck
Schuh-Offermanns
Fricke
LG Düsseldorf:
Urteil v. 07.01.1997
Az: 4 0 123/96 U.
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