Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2009
Aktenzeichen: 27 W (pat) 196/09

(BPatG: Beschluss v. 07.12.2009, Az.: 27 W (pat) 196/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Beschluss vom 13. November 2007 die für die Waren Computerprogramme; Computer-Software; Computer-Software in Form einer Reihe von Anwendungen für die Informationsverwaltung; Computer-Software, auf die mittels weltweiter Computerinformationsnetzwerke oder von einer Website im Internet zugegriffen werden kann und/oder die online mittels derselben heruntergeladen werden kann; Compact-Discs; CD-Roms; Medien zum Speichern und/oder zur grafischen Reproduktion von Informationen, Daten, Signalen, Bildern und/oder Ton; Mausmatten; Teileund Zubehör für die vorstehend genannten Warenerfolgte Anmeldung der Wortmarke DST zunächst für alle beanspruchten Waren und auf die Erinnerung der Anmelderin, welcher teilweise stattgegeben wurde, mit Beschluss vom 29. Mai 2009 nur noch für die Waren Computerprogramme; Computer-Software; Computer-Software in Form einer Reihe von Anwendungen für die Informationsverwaltung; Computer-Software, auf die mittels weltweiter Computerinformationsnetzwerke oder von einer Website im Internet zugegriffen werden kann und/oder die online mittels derselben heruntergeladen werden kann; Compact-Discs; CD-Roms; Medien zum Speichern und/oder zur grafischen Reproduktion von Informationen, Daten, Signalen, Bildern und/oder Tonnach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen, weil es sich bei der Buchstabenfolge "DST" um die gängige Abkürzung für "Daylight Saving Time" handele, womit in der englischen Sprache die Sommerzeit bezeichnet werde. Da die zurückgewiesenen Waren einen engen Bezug zur Sommerzeit aufwiesen, da sie z. B. für Winter-/Sommerzeitumstellungen bestimmt und geeignet sein oder entsprechende Programme enthalten könnten, sei die Anmeldemarke für diese Waren nicht eintragbar. Soweit sich die Anmelderin auf angeblich vergleichbare Voreintragungen berufe, komme diesen keine eine andere Entscheidung rechtfertigende Bedeutung zu; zudem seien die genannten Drittmarken mit der Anmeldemarke nicht vergleichbar.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 29. Mai 2009 aufzuheben.

Sie hält die Anmeldemarke auch für die zurückgewiesenen Waren für schutzfähig, weil sich diese Waren nicht an ein Fach-Publikum mit spezifischen IT-Kenntnissen, sondern an das allgemeine Publikum richteten, welchem die Bedeutung der Abkürzung nicht bekannt sei. Selbst wenn dies aber wider Erwarten doch der Fall sei, sei die Anmeldemarke für sich genommen nichts sagend und auch kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das nur als solches verstanden werde; hinzu komme, dass die Buchstabenfolge "DST" mehrdeutig sei, was für einen Markenschutz ausreiche. Schließlich fehle auch der erforderliche enge sachliche Bezug der Sommerzeit zu den beanspruchten Waren. Die Buchstabenfolge "DST" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen daher als Fantasiebegriff aufgefasst. Für die Schutzgewährung sprächen auch die Voreintragungen, denen entgegen der Ansicht der Markenstelle Indizwirkung zukomme.

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II. A. Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt. Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

1. Mit der Markenstelle geht auch der Senat davon aus, dass die angemeldete Bezeichnung nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen ist.

a) Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG geht auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurück, der wiederum mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) GMV wortidentisch ist. Da die Auslegung der vorgenannten europarechtlichen Normen nach Art. 234 EGV allein dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten ist, ist auch für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Unterscheidungskraft" in § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausschließlich dessen Rechtsprechung maßgeblich und für alle nationalen Gerichte bindend. Danach ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen, derzufolge diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren soll, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] - Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] -BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] -SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] -Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] - SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] -Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] -Das Prinzip der Bequemlichkeit).

b) Dies ist bei der vorliegend zu beurteilenden angemeldeten Kennzeichnung der Fall, weil sie nur einen im Vordergrund stehenden, die zurückgewiesenen Waren beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 -marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

c) Wie auch die Anmelderin letztlich nicht in Abrede stellt und die Markenstelle durch zahlreiche Nachweise belegt hat, ist die Buchstabenfolge "DST" nicht nur im allgemeinen englischen Sprachgebrauch, sondern insbesondere in Zusammenhang mit IT-spezifischen Produkten für "daylight saving time" und damit zur Bezeichnung der Sommerzeit gebräuchlich.

d) Soweit die Anmelderin auf angebliche weitere Bedeutungen der Buchstabenfolge hingewiesen hat, spielt dies -ungeachtet der Frage, ob sich aus der von ihr vorgelegten Aufzählung überhaupt eine hinreichende Mehrdeutigkeit ergibt -schon deshalb keine Rolle, weil es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Schutzrechtsversagung bereits ausreicht, wenn eine angemeldete Kennzeichnung -selbst wenn sie bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt -in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 [Rz. 21] -Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 [Rz. 32] -DOUBLEMINT; MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 97] -POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 38] -BIOMILD).

e) Wie sich den Belegen der Markenstelle weiter entnehmen lässt, wird die Buchstabenfolge in dieser Bedeutung auch zumindest von denjenigen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise verstanden, die sich privat oder beruflich mit Waren und Dienstleistungen aus dem IT-Bereich befassen, in welchem die englische Sprache vorherrschend ist. Soweit die Anmelderin darauf hingewiesen hat, dass die unter die Oberbegriffe des Warenverzeichnisses fallenden Produkte sich nicht nur an ein Fachpublikum, sondern an die Allgemeinheit richteten, steht dies der Verneinung der Schutzfähigkeit nicht entgegen. Der Schutz ist einer angemeldeten Marke nämlich schon dann zu versagen, wenn die beschreibende Bedeutung einer Kennzeichnung nicht nur unerheblichen Teilen des Verkehrs bekannt ist. Da das Fachpublikum aber stets Teil der allgemeinen Bevölkerung ist, steht sein (beschreibendes) Verständnis einer Kennzeichnung der Eintragung nur dann nicht entgegen, wenn der zu ihm gehörende Bevölkerungskreis nur eine unbedeutende Größe hat. Da im Bereich der Informationstechnik aber als Fachpublikum nicht nur diejenigen zu zählen sind, die sich beruflich mit dieser Materie befassen, sondern auch der in diesem Gebiet gegenüber anderen technischen Gebieten ziemlich große Personenkreis der an Fragen der Informationstechnologie interessierten sog. "Laien", die über vertiefte Kenntnisse dieser Technologie verfügen, kann davon, dass das IT-spezifische Fachpublikum, welchem die Bedeutung der Abkürzung "DST" geläufig ist, gegenüber der Gesamtbevölkerung quantitativ nicht ins Gewicht falle, so dass es auf seine Kenntnis nicht ankommen könne, keine Rede sein. Aus diesem Grund reicht die Kenntnis des sog. Fachpublikums über den beschreibenden Gehalt der Anmeldemarke für eine Schutzrechtsversagung aus, auch wenn sich die im Warenverzeichnis genannten Produkte nicht nur an ein Fach-, sondern an das allgemeine Publikum richten.

f) Wie die Markenstelle ausreichend nachgewiesen hat, gibt es auch zahlreiche Computerprogramme, welche sich unter anderem, aber auch vorrangig mit der -in der Regel automatisierten -Frage der Umstellung von Winterauf Sommerzeit und umgekehrt befassen. Da unter das nur nach Oberbegriffen formulierte Warenverzeichnis aber auch solche Programme fallen, kann entgegen der Ansicht der Anmelderin der für eine Verneinung der Unterscheidungskraft erforderliche enge Bezug zwischen der beschreibenden Bedeutung der Anmeldemarke und den Waren, für welche sie eingetragen werden soll, vorliegend nicht verneint werden. Ob unter das Warenverzeichnis auch andere Waren fallen, für welche die Anmeldemarke keine beschreibende Bedeutung haben kann, spielt dabei keine Rolle, da bereits der Umstand, dass unter das Warenverzeichnis eine einzige Ware zu zählen ist, für welche eine Kennzeichnung beschreibend ist, nach ständiger Rechtsprechung zur Schutzversagung führt.

g) Soweit die Anmelderin sich schließlich auf die Eintragung von ihrer Ansicht nach vergleichbaren Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die vorliegend zu beurteilende Anmeldemarke. Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder nämlich keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen nämlich weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] -Terranus); GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 -Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 -Henkel; BPatG MarkenR 2007,351, 352 f. -Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. -Papaya). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbietet die Markenrechtsrichtlinie es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] -Bild.T-Online.de und ZVS).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung insbesondere des Europäischen Gerichtshofs, von der die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten und damit auch der Senat wegen der Bindungswirkung des Art. 234 EGV nicht ohne vorherige erneute Vorlage an den Europäische Gerichtshof abzuweichen berechtigt sind, vermag der Senat der gegenteiligen Auffassung des 29. Senats (vgl. GRUR 2009, 683 -SCHWABENPOST) nicht näherzutreten.

2. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zutreffend die Eintragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

Schwarz Kruppa Lehner Bb






BPatG:
Beschluss v. 07.12.2009
Az: 27 W (pat) 196/09


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