Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Juni 2007
Aktenzeichen: 25 W (pat) 93/06
(BPatG: Beschluss v. 01.06.2007, Az.: 25 W (pat) 93/06)
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 11. November 2003 angemeldete Marke 303 58 652 PowerLyzerist am 18. März 2004 für die Waren und Dienstleistungen
"Planung und Entwicklung von technischen Geräten zur Messung und Auswertung von elektrischen Größen einschließlich Ruhestrom und Ruhespannung in mobilen Bordnetzen, insbesondere für automotive Anwendungen; Planung und Entwicklung von technischen Geräten zur Analyse und Beeinflussung der Energieströme von Komponenten, insbesondere im Fahrzeugbereich; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung zur Berechnung und Erstellung einer Energiebilanz aus Messergebnissen und sonstigen Daten; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere für Automobile und deren Teile; Durchführung von technischen Messungen; technische Beratung; Installation, Kalibrierung und Funktionsprüfung von Messgeräten; Datenspeicherung; technische Geräte zur Messung und Auswertung von elektrischen Größen einschließlich Ruhestrom und Ruhespannung in mobilen Bordnetzen, insbesondere für automotive Anwendungen; technische Geräte zur Analyse und Beeinflussung der Energieströme von Komponenten (nicht für medizinische Zwecke), insbesondere im Fahrzeugbereich; Datenverarbeitungsprogramme zur Berechnung und Erstellung einer Energiebilanz aus Messergebnissen und sonstigen Daten; Diagnoseapparate, nicht für medizinische Zwecke; Messgeräte (elektrisch); Spannungsmesser; Datenverarbeitungsgeräte; Datenspeicher"
in das Markenregister eingetragen worden.
Die Inhaberin der für die Waren
"Elektrische Geräte zur Erfassung elektrischer Größen; Computersoftware und Computerhardware zur Weiterleitung und Auswertung elektrischer Größen"
am 30. Juli 1999 national unter der Nummer 399 33 807 und am 1. September 2005 als Gemeinschaftsmarke unter der Nummer 3 412 764 eingetragenen Marke PowerLizerund hat dagegen Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 17. Mai 2006 durch eine Prüferin des höheren Dienstes die angegriffene Marke wegen der beiden Widersprüche gelöscht.
Die Markenstelle geht von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken aus. Ohne weiteres sei Identität, bzw. engste Ähnlichkeit zwischen den sich gegenüber stehenden Waren gegeben. Zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke und den Waren der Widerspruchsmarken sei ein mittlerer bzw. zumindest ein geringer Ähnlichkeitsbereich zugrunde zulegen. Es sei ein mittelgradiger bis strenger Maßstab an den Abstand der Marken anzulegen, um die Gefahr von Verwechslungen zu beurteilen. Die angegriffene Marke halte den erforderlichen Abstand nicht ein. Die beiden Wortmarken besäßen bereits schriftbildlich eine hohe Ähnlichkeit. Sie seien bis auf einen Buchstaben identisch. Darüber hinaus seien die Marken bei klanglicher Betrachtungsweise identisch, da der Buchstabe "y" im konkreten Begriff genauso wie der Buchstabe "i" ausgesprochen werde, so dass eine hohe klangliche Ähnlichkeit vorliege. Darüber hinaus liege auch begriffliche Ähnlichkeit vor.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dagegen Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss aufzuheben und die Widersprüche zurückzuweisen.
Die Markenstelle übersehe, dass jedenfalls die von der angegriffenen Marke umfassten Produkte "technische Beratung; Datenspeicherung; Datenspeicher" keine Entsprechung im Verzeichnis der Widerspruchsmarken fänden. Jedenfalls für diese Produkte hätte die angegriffene Marke nicht gelöscht werden dürfen. Außerdem habe es die Markenstelle unterlassen, sich mit dem offensichtlichen Begriffsinhalt der Widerspruchsmarken auseinanderzusetzen. Die Widerspruchsmarken würden als Zusammenfassung der beschreibenden Angabe "Kraftanalyse" oder "Energieanalyse" oder als Hinweis auf ein leistungsverstärkendes technisches Gerät aufgefasst. Die Bedeutung des Bestandteils "Power" liege auf der Hand. Zusätze wie "Lizer" oder "zer" deuteten nach allgemeinem Verständnis auf eine Leistung des Zuführens oder Verstärkens, im vorliegenden Fall möglicherweise auch des analysierens hin. Das DPMA habe bereits in der Vergangenheit verschiedene Marken gelöscht bzw. nicht eingetragen, die aus dem Wort "Energizer" bestanden. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarken sei deshalb sehr gering. Die angegriffene Marke läge nicht im geschützten Identitätsbereich der Widerspruchsmarken. Die Markenstelle habe auch nicht den Umstand berücksichtigt, dass die angesprochenen Verkehrskreise unter Fachleuten der Technik zu suchen seien. Diese begegneten einer Produktbezeichnung mit erhöhter Aufmerksamkeit, zumal wenn es sich um eine zumindest auch beschreibende Angabe handele.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Widerspruchsmarke "PowerLizer" sei schutzfähig und ihr Schutzumfang nicht eingeschränkt. Die Wörter "Lyzer", "Lizer" oder "zer" seien weder in der deutschen noch in der englischen Sprache bekannt. Mit dem Wort "Energizer" sei die Widerspruchsmarke nicht zu vergleichen, da es das Verb "energize" mit der Bedeutung "ansteuern" gebe. Die gängigen englischen Übersetzungen für die Verben "zuführen" bzw. "verstärken" seien dagegen "apply" bzw. amplify". Zu Recht habe die Markenstelle auch angenommen, dass zwischen den Waren der Widerspruchsmarke und den Waren/Dienstleistungen "technische Beratung; Datenspeicherung; Datenspeicher" eine Ähnlichkeit bestehe. Mit den Waren "Datenspeicher" bestehe engste Ähnlichkeit und die Dienstleistungen "technische Beratung; Datenspeicherung" lägen mit den Waren der Widerspruchsmarke im mittleren Ähnlichkeitsbereich. Die Waren "Computersoftware" und "Computerhardware" seien in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Datenspeicher zu sehen. Demzufolge ergebe sich auch ohne weiters die Ähnlichkeit zur Dienstleistung "Datenspeicherung". Auch die Dienstleistung "technische Beratung" werde umfangreich im Zusammenhang mit der Anschaffung und Betreuung von elektrischen Geräten sowie Computersoftware und Computerhardware erbracht.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 - PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen ausgeglichen werden kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 26).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken "PowerLizer" ist durchschnittlich. Ein Wort "Lizer" gibt es weder in der deutschen noch in der englischen Sprache. Selbst wenn unter Anlehnung an das Wort "energizer" die Widerspruchszeichen andeuten sollten, dass Kraft und Energie verstärkt werde, so wäre die Wortbildung insgesamt phantasievoll und die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke immer noch durchschnittlich. Im Gegensatz zu dem Wort "energize" (ua Antrieb geben) ist ein Wort "powerize" oder "powerlize" weder bekannt noch ermittelbar, so das seine Wortbildung wie "PowerLizer" für etwas Verstärkendes nicht nahe liegt und sprachunüblich ist.
Alle Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke weisen zumindest noch eine Ähnlichkeit mit den Waren der Widerspruchsmarken auf. Zum Teil könnten die sich gegenüberstehenden Waren sogar identisch sein.
Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren/Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie - was zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet sind, wobei vom größten Schutzumfang der älteren Marke auszugehen ist (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 44).
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind die Waren und Dienstleistungen "technische Beratung; Datenspeicherung; Datenspeicher" mit den Waren "Computersoftware und Computerhardware zur Weiterleitung und Auswertung elektrischer Größen" ähnlich. Die genannten Waren der Widerspruchsmarken lösen oft einen technischen Beratungsbedarf aus, dessen Befriedigung von den gleichen Anbietern zum Teil auch als selbständige Dienstleistung zusätzlich angeboten wird, so dass noch eine Ähnlichkeit besteht. Die "Datenspeicher", zu denen z. B. Festplatten gehören, können ein Teil der Computerhardware darstellen bzw. diese unmittelbar ergänzen. Bei Weiterleitung und Auswertung von elektrischen Größen, für welche die "Computersoftware und Computerhardware der Widerspruchsmarke bestimmt sind, erfolgt regelmäßig eine entsprechende Datenspeicherung, so dass zwischen den Waren der Widerspruchsmarken und der Dienstleistung "Datenspeicherung" ebenfalls noch eine Ähnlichkeit zu bejahen ist, da sich die Waren und Dienstleistungen unmittelbar ergänzen.
Die Waren "technische Geräte zur Messung und Auswertung von elektrischen Größen einschließlich Ruhestrom und Ruhespannung in mobilen Bordnetzen, insbesondere für automotive Anwendungen; technische Geräte zur Analyse und Beeinflussung der Energieströme von Komponenten (nicht für medizinische Zwecke), insbesondere im Fahrzeugbereich; Diagnoseapparate, nicht für medizinische Zwecke; Messgeräte (elektrisch); Spannungsmesser" der angegriffenen Marke und die Waren "Elektrische Geräte zur Erfassung elektrischer Größen" weisen zueinander eine erhebliche Ähnlichkeit auf und sind teilweise sogar identisch. Ebenso können die "Datenverarbeitungsgeräte" und die "Datenverarbeitungsprogramme zur Berechnung und Erstellung einer Energiebilanz aus Messergebnissen und sonstigen Daten" der angegriffenen Marke mit den Waren "Computerhardware zur Weiterleitung und Auswertung elektrischer Größen" der Widerspruchsmarken identisch bzw. erheblich ähnlich sein.
Die Dienstleistungen "Planung und Entwicklung von technischen Geräten zur Messung und Auswertung von elektrischen Größen einschließlich Ruhestrom und Ruhespannung in mobilen Bordnetzen, insbesondere für automotive Anwendungen; Planung und Entwicklung von technischen Geräten zur Analyse und Beeinflussung der Energieströme von Komponenten, insbesondere im Fahrzeugbereich; Durchführung von technischen Messungen; Installation, Kalibrierung und Funktionsprüfung von Messgeräten" weisen eine Ähnlichkeit zu den Waren "Elektrische Geräte zur Erfassung elektrischer Größen; Computersoftware und Computerhardware zur Weiterleitung und Auswertung elektrischer Größen" der Widerspruchsmarken auf, da sich die Waren und Dienstleistungen unmittelbar ergänzen und von den gleichen Firmen angeboten werden können.
Die Dienstleistungen "Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung zur Berechnung und Erstellung einer Energiebilanz aus Messergebnissen und sonstigen Daten; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere für Automobile und deren Teile" der angegriffenen Marke sind ähnlich mit den Waren "Computersoftware zur Weiterleitung und Auswertung elektrischer Größen" der Widerspruchsmarken, da diese Dienstleistungen die Waren der Widerspruchsmarke zum Gegenstand haben können.
Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren bzw. Dienstleistungen wirken, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren bzw. Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH, MarkenR 2006, 67 - Picasso). Anzuknüpfen ist dabei an das Verbraucherleitbild des EuGH, der auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der entsprechenden Waren bzw. Dienstleistungen abstellt (EuGH GRUR 2004, 943 -SAT.2).
Selbst soweit für die hier relevanten Waren und Dienstleistungen vorwiegend der Fachverkehr als maßgeblicher Verkehrskreis in Betracht kommt, der regelmäßig Kennzeichnungen mit größerer Aufmerksamkeit begegnet als Laien, liegt eine so hochgradige Ähnlichkeit der Zeichen vor, dass Verwechslungen in erheblichem Umfang unvermeidlich sind. Gerade Fachleute, die auf dem einschlägigen Waren- und Dienstleistungsgebiet regelmäßig über entsprechende Englischkenntnisse verfügen, werden beide Marken als englischsprachige Wortbildungen auffassen. Darauf deutet bereits das allgemein bekannte Wort "Power" hin. Außerdem gibt es im englischen eine Reihe von Wörtern, welche auf "-izer" bzw. "yzer" enden (z. B. organizer, tranquillizer, catalyzer, electrolyzer). Die Buchstaben "i" bzw. "y" werden in diesen Wörtern ebenso wie z. B. in der jeweils dritten Silbe die englischen Verben "energize" und "analyse" (bzw. amerikanisch "analyze"), die in den hier zu vergleichenden Marken möglicherweise anklingen, in gleicher Weise wie "ai" ausgesprochen. Es liegt damit eine praktisch gleich klingende Aussprache nahe, da im Englischen "i" und "y" in entsprechenden Lautverbindungen häufig gleich artikuliert werden. Selbst soweit die Buchstabe "i" und "y" deutsch ausgesprochen werden sollten, klingen sie ähnlich und es ist sogar auch insoweit mit einer identischen Aussprache zu rechnen, da der Buchstabe "y" teilweise auch wie "i" artikuliert wird.
Da mit klanglichen Begegnungen der Marken auch beim Fachverkehr zu rechnen ist, führt die klangliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken dazu, dass eine Verwechslungsgefahr bereits aus diesem Gesichtspunkt besteht. Es kommt nicht mehr darauf an, ob die Marken auch wegen des Schriftbilds verwechselbar sind.
Da die Zeichen in ihrer Gesamtheit keinen ohne weiteres erkennbaren unterschiedlichen Begriffsgehalt aufweisen, gibt es auch keine begrifflichen Merkhilfen, die eine Verwechslungsgefahr verhindern könnten. Erst recht gilt dies für die Gefahr klanglicher Verwechslungen, wenn die Marken identisch ausgesprochen werden, womit in erheblichem Umfang zu rechnen ist. Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke meint, eine Abgrenzung ergebe sich daraus, dass "Lyzer" eher auf das Wort "Analyse" hindeute, während "Lizer" eher in Richtung "Verstärkung", "Steigerung" deute, kann dies bei identischer oder nahezu identischer Aussprache eine Verwechslungsgefahr nicht verhindern. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Verkehr solche analytischen Überlegungen regelmäßig nicht anstellt.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat daher keinen Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.
BPatG:
Beschluss v. 01.06.2007
Az: 25 W (pat) 93/06
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