Landgericht Bonn:
Urteil vom 2. Dezember 2005
Aktenzeichen: 11 O 120/05
(LG Bonn: Urteil v. 02.12.2005, Az.: 11 O 120/05)
§§ 42 Abs. 1, 28 TKG stellen keine gesetzlichen Vorschriften im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar.
Tenor
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 04. August 2005 wird zu Ziffer 1. und 2. mit der Maßgabe bestätigt, dass diese wie folgt lauten:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstands
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. auf Telefonrechnungen gegenüber Endkunden der Antragsgegnerin einen „Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern“ als Reziprozitätszuschlag zu erheben, der über den von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post bzw. nunmehr der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen genehmigten, dem jeweils anderen Netzbetreiber zufließenden Aufschlag hinausgeht;
2. auf Telefonrechnungen gegenüber Endkunden der Antragsgegnerin folgende Formulierung zu verwenden:
„Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern“,
wenn sich dies auf den unter 1. beschriebenen Aufschlag bezieht.
Im übrigen wird die einstweilige Verfügung der Kammer vom 04. August 2005 aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin zu 1/4, der Antragsgegnerin zu 3/4 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung der Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des für die Antragsgegnerin aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Antragstellerin betreibt ein regionales Telekommunikationsnetz. Dieses ist mit dem Netz der Antragsgegnerin zusammengeschaltet. Die Antragsgegnerin wies in an ihre Anschlusskunden gerichteten monatlichen Rechnungen im Juli 2005 für ihre Leistungen eine Position "Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" und eine dazu gehörige Forderung aus. Auf die Rechnungskopie Anlage AS2 (Bl. 16 d.A.) wird Bezug genommen. Hintergrund dieser Position ist ein auf Antrag von Stadtnetz- und regionalen Teilnehmernetzbetreibern - u.a. der Antragstellerin - durch Beschluss der RegTP vom 20.09.2004 - BK 4d-04-030 - genehmigter Aufschlag von 25% ab 15.10.2004 auf von der Antragsgegnerin an die antragstellenden Teilnehmernetzbetreiber zu zahlende Entgelte für die Zusammenschaltungsleistungen ICP-B.1 und ICP-B.2. Mittels der angesprochenen Position in Fernmelderechnungen gibt die Antragsgegnerin diesen Aufschlag an ihre Telefonkunden weiter. Der verlangte Zuschlag und der von der RegTP genehmigte Aufschlag sind jedoch nicht deckungsgleich. Die Antragsgegnerin ermittelt den Zuschlag auf der Grundlage des in ihrem Verhältnis zu ihren Telefonkunden angesetzten Minutentaktes. Demgegenüber werden die Verbindungsentgelte für die fraglichen Telefongespräche im Verhältnis zwischen den Parteien sekundengenau abgerechnet. So beträgt der Preis für Verbindungen aus dem Netz der Antragsgegnerin in das der Antragstellerin in der Tarifzone I in der Zeit zwischen 9 und 18 Uhr pro Minute 0,0076 €, für Verbindungen in umgekehrter Richtung 0,0059 € (sog. nichtreziproke Entgelte). Die aus obigen Zahlen abzuleitende Differenz zwischen den Entgelten macht 0,002 € brutto pro Minute aus. Diesen Betrag berechnet die Antragsgegnerin pro angefangene Minute an ihre Telefonkunden weiter. Sie bietet diesen die Möglichkeit einer kostenlosen telefonischen Anfrage, für welche Rufnummern der Zuschlag berechnet wird. Die RegTP, nunmehr Bundesnetzagentur (BNA) schritt gegen die ihr bekannt gegebene Tarifierung des Zuschlags durch die Antragsgegnerin (Geltungszeitraum ab 01.03.2005) nicht ein.
Die Antragstellerin sieht in der Position "Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" einen Strafzuschlag der Antragsgegnerin, mit dem sie, die Antragstellerin angeschwärzt und wettbewerbswidrig benachteiligt werde. Das habe schon zu Reaktionen ihrer Kunden geführt. Durch die Rechnungsformulierung werde sie gegenüber Endkunden als teurer als die Antragsgegnerin dargestellt. Sie räumt ein, dass der Gesamtvorgang der Auseinandersetzung um nichtreziproke Entgelte längere Zeit zurückreicht. Von der Art der Umsetzung in Form der Rechnungsposition "Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" habe sie jedoch erst ca. einen Monat vor dem auf den 29.07.2005 datierten, am gleichen Tag als Vorausfax bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung erfahren. Dem Antrag ging eine Abmahnung der Antragsgegnerin nicht voraus. Auf diesen Antrag ist am 04.08.2005 die einstweilige Verfügung mit folgender Entscheidungsformel erlassen worden:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstands
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. auf Telefonrechnungen gegenüber Endkunden der Antragsgegnerin Zuschläge für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern zu erheben, ohne dass diese Zuschläge in voller Höhe auch tatsächlich dem jeweils anderen Netzbetreiber zufließen;
2. auf Telefonrechnungen gegenüber Endkunden der Antragsgegnerin folgende Formulierung zu verwenden:
"Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern";
3. Dritten gegenüber zu behaupten, die Rechnungsposition "Zuschlag zu Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" beruhe auf einer Verfügung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (bzw. nunmehr: Bundesnetzagentur).
Gegen Ziffer 1. und 2. der einstweiligen Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin, gegen Ziffer 3. der auf die Kosten beschränkte Widerspruch.
Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass unstreitig nicht alle Teilnehmernetzbetreiber einen Reziprozitätszuschlag erheben. Sie hält die Ausweisung der Position "Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" auf ihren Rechnungen für rechtmäßig. Es handele sich um eine Reaktion auf die einseitige Preiserhöhung anderer Anbieter, so der Antragstellerin. Sie sei nicht gehalten, den durch die RegTP genehmigten Aufschlag anders als in dem in ihrem Rechtsverhältnis zu ihren Kunden maßgeblichen Minutentakt weiterzugeben. Von ihr könne nicht verlangt werden, den fraglichen Aufschlag 1 : 1 an ihre Kunden weiterzugeben. Dazu verweist sie darauf, dass sie monatlich ca. 38 Millionen Rechnungen gegenüber ihren Endkunden ausstellt. Die Antragsgegnerin behauptet, die mit dem Aufschlag verbundenen Kosten für sie seien ganz erheblich. Schon die Information ihrer Kunden habe bereits ca. 2,4 Mio. € gekostet. Die technische Realisierung (Netzanpassung) habe weitere ca. 640.000 € gekostet. Der jährlich mit der Rechnungsstellung verbundene Mehraufwand betrage geschätzte ca. 1,6 Mio. €. Zudem habe sie den Zuschlag erst mit etwa 7 - monatiger Verspätung erhoben. Sie habe für die Umsetzung des Aufschlags keine sinnvollen Alternativen. Den Verbrauchern sei bekannt, dass unterschiedliche Abrechnungssysteme bestünden. Für diese ergebe sich daraus, dass die Telefonrechnungen gesondert "Beträge anderer Anbieter" ausweisen, dass es sich bei dem auf der Telefonrechnung ausgewiesenen Zuschlag um einen solchen der Antragsgegnerin, nicht um einen Aufschlag anderer Teilnehmernetzbetreiber handele. Es werde bei Endkunden nicht die Vorstellung hervorgerufen, der ausgewiesene Zuschlag fließe den anderen Netzbetreibern vollständig zu. Die Ausweisung des Zuschlags auf den Rechnungen stelle eine objektiv wahre Angabe dar.
Die Antragstellerin beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung in Bezug auf die Verbote unter Ziffer 1 und 2 sowie im darauf bezogenen Kostentenor aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
hilfsweise, der Antragstellerin die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung in Bezug auf die Verbote unter Ziffer 1 und 2. nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 10 Mio. € - hilfsweise einen von der Kammer festzusetzenden Betrag - zu gestatten,
höchst hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung in Bezug auf die Verbote unter Ziffer 1 und 2 gegen Sicherheitsleistung der Antragsgegnerin in Höhe von 100.000 € - hilfsweise einen von der Kammer festzusetzenden Betrag - einstweilen einzustellen.
Die Bundesnetzagentur hat unter dem 14.11.2005 zum Verfahren Stellung genommen. Auf die Stellungnahme Bl. 231, 232 d.A. wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin ist die einstweilige Verfügung zu Ziffer 1. und 2. nach mündlicher Verhandlung im Kern zu bestätigen (§§ 936, 925 ZPO).
I. Die Antragstellerin kann gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 1; 3 UWG Unterlassung der Erhebung von Reziprozitäts-Zuschlägen für telefonische Verbindungen zu anderen Netzbetreibern mittels der Rechnungsposition "Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" verlangen, die über den genehmigten, den anderen Netzbetreibern zufließenden Aufschlag hinausgehen.
1. Die Erhebung des "Zuschlags für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" ist eine Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Sie stellt ein geschäftliches Handeln dar. Die Geltendmachung des Zuschlags dient der Förderung eigener erwerbswirtschaftlicher Zwecke der Antragsgegnerin. Die Erhebung des Zuschlags wirkt sich am Markt aus. Marktteilnehmer sind auch die Verbraucher, die den geforderten Betrag zahlen sollen. Zugleich fördert die Antragsgegnerin ihre eigene Marktstellung im Verhältnis zu Mitbewerbern wie der Antragstellerin dadurch, dass sie das Entgelt erhält. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil der Zuschlag von der rechnerischen Bestimmung her darauf angelegt ist, in nahezu allen denkbaren Fällen höher zu sein als der Aufschlag, den die Antragsgegnerin gegenüber den durch diesen begünstigten Mitbewerbern wie der Antragstellerin auszugleichen hat. Denn nur wenn ein von der Regelung erfasstes Telefongespräch exakt eine oder mehrere Minuten dauert, kann der Zuschlag rechnerisch mit dem genehmigten Aufschlag übereinstimmen. In allen anderen Fällen ist der Zuschlag analog den Sekunden höher, die in Telefongesprächen jeweils bis zu einer vollen Minute zeitlich nicht erreicht werden. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob die Antragsgegnerin den so erwirtschafteten Betrag für Aufwendungen verwendet, die ihr durch die Genehmigung des Aufschlags durch die RegTP im Beschluss vom 20.09.2004 - BK 4d-04-030 - entstehen. Dieser Aufwand entstünde ihr auch, wenn sie den Aufschlag 1:1 an ihre Telefonkunden weitergäbe. Mit dem Zuschlag erreicht sie einen Vorteil im Wettbewerb, den sie ohne die Weitergabe unter Ansatz des Minutentakts im Verhältnis zum Endkunden nicht hätte. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist zur Ausfüllung des Begriffs der Wettbewerbshandlung nicht erforderlich. Durch die mittels des Aufschlags bewirkte Verbesserung ihrer Kostenstruktur fördert die Antragsgegnerin den Absatz ihrer Dienstleistungen. Daraus folgt zugleich, dass sie bei der Erhebung des Zuschlags zu Zwecken des Wettbewerbs handelt.
2. Die Ausgestaltung des Zuschlags durch die Antragsgegnerin stellt eine unlautere Wettbewerbshandlung gemäß § 3 UWG dar. Die Regelbeispiele des § 4 UWG sind jeweils nicht in vollem Umfang einschlägig.
a. Durch den Text der Telefonrechnungen "Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" behauptet die Antragsgegnerin keine Tatsachen über das Unternehmen eines Mitbewerbers (§ 4 Nr. 8 UWG). Zwar wird der Verbraucher als Endkunde der Antragsgegnerin aus der Formulierung verbunden mit der Inrechnungstellung den Schluss ziehen, dass Telefongespräche aus dem Netz der Antragsgegnerin mit Teilnehmern aus Teilnehmernetzen zumindest eines Teils anderer Anbieter für ihn teurer sind als solche innerhalb des Netzes der Antragsgegnerin. Wenn er entsprechende Erkundigungen einzieht, wird er auch erfahren, dass die Antragstellerin zu jenen Anbietern gehört. Diese Information kann er aber nicht aus der Formulierung der Rechnung entnehmen. Zwar genügt es, wenn der gemeinte Mitbewerber erkennbar ist (Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. A., § 4 Rdn. 8.12). Die Erkennbarkeit muss sich aber aus der Behauptung selbst ergeben. Daran fehlt es hier. Abgesehen davon wäre die Behauptung, dass Telefongespräche aus dem Netz der Antragsgegnerin mit Teilnehmern aus Teilnehmernetzen zumindest eines Teils anderer Anbieter für Endkunden der Antragsgegnerin teurer sind als solche innerhalb deren Netzes wahr. Ob § 4 Nr. 8 UWG den Verfügungsantrag zu 3. rechtfertigte, kann dahinstehen. Insoweit hat die Antraggegnerin die einstweilige Verfügung in der Sache hingenommen.
b. Auch die Anwendung von § 4 Nr. 11 UWG scheidet aus. Gegenstand der Erörterungen der mündlichen Verhandlung war insoweit, ob § 42 Abs. 1 TKG eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG ist. Das ist zu verneinen. Dem LG Frankfurt am Main - Urteil vom 22.04.2005 - 3/11 O 133/04 -, auszugsweise vorgelegt als Anlage AS6, ist zwar darin zuzustimmen, dass § 42 Abs. 1 TKG auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Einer Heranziehung im Rahmen von § 4 Nr. 11 UWG stehen aber Besonderheiten entgegen, die sich aus der Natur des § 42 Abs. 1 TKG als einer kartellrechtlichen Norm ergeben. Letzteres zeigt sich daran, dass § 42 TKG an § 19 GWB angelehnt ist (s. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 15/2316 S. 71 zu E § 40; Spoerr/Sellmann, N&R 2004, 98, 106), an der zugehörigen Sanktionierung in § 44 TKG mit der Parallele zu § 33 GWB und der Regelung der Kompetenz der Bundesnetzagentur in § 42 Abs. 4 TKG. Diese kartellrechtliche Regelung ist im Verhältnis zum UWG in sich abgeschlossen. § 2 Abs. 3 TKG betont den Gesichtspunkt der Spezialregelung und erklärt aus dem Bereich des Wettbewerbsrechts lediglich - und zudem unter Vorbehalt (s. dazu Enaux/König, N&R 2005, 2, 10 ff.) - die Vorschriften des GWB für anwendbar. Diese abschließende Regelung würde unterlaufen, wenn § 42 Abs. 1 TKG über § 4 Nr. 11 UWG in das Lauterkeitsrecht übernommen würde. Der Auffassung von Köhler, WRP 2005, 645, 647 Fn. 15 mwN, GWB-Verstöße seien nicht zugleich UWG-Verstöße im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, ist jedenfalls übertragen auf das Verhältnis zwischen der sektorspezifischen Regulierung des TKG zum Lauterkeitsrecht zu folgen. Dass ein Verstoß gegen § 42 Abs. 1 TKG zivilrechtliche Folgen haben kann, ändert an diesem Ergebnis nichts. Soweit die Kammer im Beschluss vom 24.10.2005 betreffend die Frage der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung eine andere Auffassung geäußert hat, hält sie daran nicht fest.
Im Übrigen dürfte § 42 Abs. 1 TKG für die hier entscheidungserhebliche Problematik durch § 28 TKG als Spezialregelung verdrängt werden. Denn es geht um die Forderung von Entgelten durch die Antragsgegnerin. Aus den zu § 42 Abs. 1 TKG genannten Gründen kann jedoch auch § 28 TKG nicht als Vorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG herangezogen werden.
c. Ob der Ziffer 1. der einstweiligen Verfügung zugrunde liegende Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 10 UWG hergeleitet werden kann, hängt von der Auslegung des Merkmals "gezielt behindert" ab. Sieht man das dabei maßgebliche Kriterium darin, ob die fragliche Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung sondern auf die Störung der fremden wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist (so Baumbach/Hefermehl/Köhler, aaO, § 4 UWG Rdn. 10.7), wäre die Anwendbarkeit der Vorschrift hier zu verneinen. Die Antragsgegnerin verschafft sich mit dem Zuschlag ein Entgelt für eine eigene Leistung aus ihrem Vertragsverhältnis mit ihrem Telefonkunden. Dadurch erhöht sie den negativen Werbeeffekt, der zu Lasten der "anderen Netzbetreiber" wie der Antragstellerin von der Tatsache ausgeht, dass der von der RegTP genehmigte Aufschlag zu Mehrbelastungen von Verbrauchern führt. Dazu ist unten Näheres auszuführen. Im Vordergrund steht für die Antragsgegnerin jedoch die Erzielung des verlangten Entgelts, zumal dies ganz überwiegend dem entspricht, was sie an die "anderen Anbieter" auszugleichen hat.
Nach anderer Ansicht muss die Behinderung des Mitbewerbers nicht das einzige Ziel des Wettbewerbers sein; dem Behindernden muss es jedoch "subjektiv gezielt" im Sinne einer Absicht auch um die Behinderung des Mitbewerbers gehen (Harte/Henning/Omsels, UWG, § 4 Nr. 10 Rdn. 7). Diese Abgrenzung erscheint wenig hilfreich, da der Begriff "gezielt" letztlich nur durch den der "Absicht" ersetzt wird. Wann eine solche bei dem typischen Zusammentreffen der Förderung eigenen Wettbewerbs und der negativen Auswirkung auf Mitbewerber vorliegen soll, wird dadurch nicht erklärt. Wenn die "Absicht" ihrerseits mit dem "finalen Ziel" gleichgesetzt wird (so Omsels, WRP 2004, 136, 142) wird das Fehlen eines tauglichen Abgrenzungskriteriums besonders deutlich. Dadurch dass der von der Antragsgegnerin verlangte Zuschlag im Normalfall höher ist als der den "anderen Netzbetreibern" von der RegTP genehmigte Aufschlag, erhöht die Antragsgegnerin den negativen Werbeeffekt des Aufschlags zu Lasten der "anderen Netzbetreiber" als Mitbewerber, wie näher auszuführen sein wird. Dies kann ihr nicht verborgen geblieben sein. Denn es liegt auf der Hand, dass der negative Effekt umso größer ausfällt je höher die Belastung des Endkunden durch Telefongespräche in das Teilnehmernetz der Antragstellerin und der übrigen vom Aufschlag begünstigten Netzbetreiber ist. Die Vergrößerung des negativen Werbeeffekts ist aber nur eine Nebenfolge einer Maßnahme zum Zweck der Erlangung höherer Einnahmen. Für die Frage der wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit solchen Verhaltens kann es nicht darauf ankommen, ob eine Nebenfolge eigenen wettbewerblichen Handelns als eine finale Zielsetzung oder Absicht (in welchem Sinn auch immer) definiert werden kann. Das würde Personen bevorteilen, die sich gegenüber Wertentscheidungen des Lauterkeitsrechts blind stellen. Der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 10 UWG ist zu entnehmen, dass die Vorschrift die Formen der individuellen Behinderung erfasst und die bloß behindernde Wirkung einer Wettbewerbshandlung nicht für die Anwendung genügt (BT-Drucks. 15/1487, S. 19). Hier kann von einer individuellen Behinderung ausgegangen werden. Denn eine solche setzt nicht voraus, dass nur ein Mitbewerber betroffen ist (Harte/Henning/Omsels, aaO, § 4 Nr. 10 Rdn. 5). Fälle, in denen wie hier eine überschaubare Gruppe von Mitbewerbern von negativen Auswirkungen einer Wettbewerbshandlung betroffen ist, können deshalb unter die individuelle Behinderung subsumiert werden. Die Gesetzesbegründung nimmt ferner die "allgemeine Marktbehinderung" vom Anwendungsbereich von § 4 Nr. 10 UWG aus (aaO). Daraus ist zu ersehen, dass eine Marktstörung, durch die unter Einsatz nicht leistungsgerechter Mittel die Marktverhältnisse verzerrt und die Grundbedingungen des Wettbewerbs sowie dessen Bestand gefährdet werden (s. Baumbach/Hefermehl/Köhler, aaO, § 4 UWG Rdn. 10.12), unter § 3 UWG, nicht unter § 4 Nr. 10 UWG zu subsumieren wäre. Eine solche kann aber durchaus gezielt herbeigeführt werden. Zum Teil wird aus der Gesetzesbegründung gefolgert, nach dem Verständnis des Gesetzgebers fielen auch nicht gezielte Behinderungen unter den Begriff der gezielten Behinderung (Fezer/Götting, Lauterkeitsrecht, Bd. 1, UWG § 4-10 Rdn. 14). Das unterliegt jedoch dem Bedenken, dass dies schwerlich mit dem Wortlaut von § 4 Nr. 10 UWG in Einklang zu bringen ist. Festgehalten werden kann jedenfalls, dass die Fälle der Behinderung in § 4 Nr. 10 UWG nicht abschließend geregelt sind. In Konstellationen, in denen eine individuelle oder gezielte Behinderung nicht bejaht werden kann, darf auf § 3 UWG zurückgegriffen werden (s. im Ergebnis Harte/Henning/Omsels, aaO, § 4 Nr. 10 Rdn. 7; Fezer/Götting, aao sowie Rdn. 8). Solange die Frage nicht durch den BGH geklärt ist, erscheint es vorzugswürdig, in nicht eindeutig zuzuordnenden Fällen wie dem vorliegenden § 3 UWG anzuwenden. Auf diese Weise können in die Gesamtbetrachtung auch die Elemente einbezogen werden, die zur Erörterung von § 4 Nr. 8 UWG Veranlassung gaben.
d. Das Verhalten der Antragsgegnerin bei der Erhöhung des genehmigten Aufschlags bis zur Höhe des den Endkunden in Rechnung gestellten Zuschlags ist unlauter.
Dies Verhalten behindert Mitbewerber wie die Antragstellerin. Wie schon angedeutet, geht von dem von der RegTP genehmigten Aufschlag eine negative Werbewirkung auf die Netzbetreiber aus, die diesen Aufschlag durchgesetzt haben. Exemplarisch kann dazu auf das Schreiben der J an die Antragstellerin vom 13.07.2005 (Anlage AS7, Bl. 52 d.A.) verwiesen werden. Darin heißt es:
" ... wurde ich von der Tagespresse .., davon in Kenntnis gesetzt, dass Bürger, welche die Verwaltung mit der Rufnummer ... über die V anwählen, mit zusätzlichen Aufschlägen in der Telefonrechnung belegt werden. ...
Weiterhin habe ich in Erfahrung gebracht, dass Ihrerseits dazu ein Antrag in der Regulierungsbehörde gestellt und ... genehmigt wurde.
Dieser Verfahrensweise kann ich nicht zustimmen, da ich es nicht für vertragskonform halte, dass bei Anwahl der ... Rufnummer über Ihr Netz Zuschläge geltend gemacht werden. Ich fordere Sie deshalb auf, kurzfristig dafür Sorge zu tragen, dass diese Mehrbelastung der Bürger unterbleibt.
...
Mit gleichem Schreiben habe ich heute den Senat und den Rechnungshof über diese Angelegenheit informiert.
..."
Die wirtschaftliche Bedeutung dieser fundamentalen Kritik am Vorgehen der Antragstellerin belegt diese durch den Vortrag, sie habe mit der J im 1. Halbjahr 2005 einen Umsatz von rund 1,1 Mio. € getätigt und eine Marge von über 400.000 € erzielt.
Auf die Mitglieder der Kammer, die zu dem von derartigen Zuschlägen potenziell betroffenen Personenkreis gehören, wirkt der Aufschlag ebenso negativ wie dies im zitierten Schreiben zum Ausdruck kommt. In der Praxis wird kein Endkunde bei einem privat veranlassten Telefonanruf mit einem derartigen Aufschlag rechnen. Erfährt der Endkunde, dass er den Aufschlag wegen des Anrufs bei einer bestimmten Zielperson zahlen soll, geht die normale Reaktion dahin, man werde diese Person demnächst nicht mehr anrufen. Ob man das tatsächlich umsetzt, ist eine andere Frage, die an dem negativen Imageeffekt zu Lasten betroffener Netzbetreiber nichts ändert. Die Handelsrichter der Kammer, die mittelständische Unternehmen betreiben, befürchten, in größerem Umfang mit derartigen Aufschlägen entweder selbst belastet oder mit Unmutsäußerungen ihrer Kunden über deren Belastung konfrontiert zu werden. Die Ansicht der Antragsgegnerin, der Endkunde gehe bei dem auf der Telefonrechnung ausgewiesenen Zuschlag von einem solchen der Antragsgegnerin, nicht einem Aufschlag anderer Teilnehmernetzbetreiber aus, entspricht nicht der eigenen Sachkunde der Kammer. Diese geht entsprechend dem Schreiben der J an die Antragstellerin vom 13.07.2005 (Anlage AS7, Bl. 52 d.A.) davon aus, dass der mündige Verbraucher jedenfalls erfährt, dass der Aufschlag als solcher von den "anderen Netzbetreibern" durchgesetzt worden ist. Die Kammer hat deshalb in der mündlichen Verhandlung auch herausgestellt, dass sie die Auswirkungen der für die Endkunden intransparenten Regelung der Aufschläge und ihrer Realisierung negativ für die Veranlasser bewertet und einen negativen Werbeeffekt zu Lasten der Antragstellerin als Folge ihres eigenen Vorgehens für gegeben erachtet.
Die auch von der Bundesnetzagentur herausgestellte autonome Verursachung der höheren Entgelte durch die alternativen Netzbetreiber, die den Aufschlag durchgesetzt haben, vermag aber nichts daran zu ändern, dass die Antragsgegnerin den konstatierten negativen Werbeeffekt zu Lasten jener Netzbetreiber durch ihre Ausgestaltung des Zuschlags auf den Telefonrechnungen der Endkunden verstärkt. Denn der von ihr verlangte Zuschlag ist im Gesamtertrag darauf angelegt, höher zu sein als der genehmigte Aufschlag. Der durch diese Erhöhung eintretende zusätzliche Negativeffekt geht, wie die Kammer aus den dargelegten Gründen festzustellen vermag, zumindest ganz überwiegend zu Lasten der "anderen Netzbetreiber". Diesen wird die Verantwortung für den gesamten von der Antragsgegnerin geforderten Zuschlag zugeschoben. Darin liegt der Sache nach sogar die Anschwärzung, ihnen fließe ein Betrag zu, der über den von der RegTP genehmigten Aufschlag hinausgeht. Das folgt daraus, dass der fragliche Rechnungstext auf jene hinweist. Das ist als Hinweis auf die Verursacher zu verstehen. Eine Differenzierung zwischen genehmigtem Aufschlag und gefordertem Zuschlag unterbleibt. Die Antragsgegnerin hat das zudem selbst dafür gesorgt, dass die von ihr verwendete Formulierung in diesem Sinn verstanden werden muss. Die Antragstellerin hat einen Ausdruck eines Internetauftritts der Antragsgegnerin vorgelegt (Anlage AS10, Bl. 55 d.A.), in dem die als "frequent asked question" aufgeführte Frage:
"Warum werden in meiner Einzelverbindungsübersicht Verbindungen doppelt mit unterschiedlichen Preisen berechnet€"
unter Bezugnahme auf den genehmigten Aufschlag u.a. dahin beantwortet wird:
"Die U ... verdient an den aus diesen Gründen gegenüber ihren Kunden notwendigen Preiserhöhungen nichts. Der Zuschlag fließt ausschließlich an die Carrier."
Klarer und mit größerer Breitenwirkung hätte die Antragsgegnerin das von ihr intendierte Verständnis des auf den Rechnungen ausgewiesenen Zuschlags kaum ausdrücken können. Diese von ihr weit verbreitete Auslegung entspricht aber nicht der Wahrheit. Diese Unwahrheit schlägt wettbewerbsrechtlich zum Nachteil der Antragstellerin aus. Sie hat eine Version verbreitet, die in der Konsequenz die alternativen Anbieter bezichtigt, einen nicht von der RegTP genehmigten Aufschlag zu erhalten. Das ist geeignet, den Betrieb der Unternehmen jener Netzbetreiber zu schädigen (s. § 4 Nr. 8 UWG). Sie hat auf diese Weise eine individuelle Behinderung einer klar umgrenzten kleineren Gruppe sog. alternativer Netzbetreiber bewirkt, zu der die Antragstellerin zu zählen ist. Diese muss ohnehin damit rechnen, Kunden nicht für sich gewinnen zu können oder solche sogar zu verlieren, die nicht für das Auslösen einer Verteuerung der bei ihnen eingehenden Telefonanrufe für den zahlungspflichtigen Anrufer verantwortlich gemacht werden wollen. Das Schreiben der J an die Antragstellerin vom 13.07.2005 (Anlage AS7, Bl. 52 d.A.) belegt das nachdrücklich. Die Erhöhung des Aufschlags durch die Abrechnung der Antragsgegnerin im Minutentakt beeinträchtigt die Marktposition der Antragstellerin zusätzlich. Durch die Formulierung auf den Endkundenrechnungen und die der Antragsgegnerin anzulastenden Begleitumstände muss sie gegen die unwahre Behauptung ankämpfen, der Zuschlag fließe ausschließlich an die Carrier.
Auch wenn man diese Verstärkung des negativen Werbeeffekts nicht als gezielte Behinderung der Antragstellerin wertet, liegen bei der Gesamtbetrachtung zusätzliche Umstände vor, die die Art der Ausweisung des Zuschlags auf den Rechnungsformularen als unlauter erscheinen lassen.
Der insofern wesentlichste Umstand liegt darin, dass die Antragsgegnerin den zusätzlichen negativen Werbeeffekt durch unwahre Angaben mit einem hohen Verbreitungsgrad im Internet gefördert hat. Von diesem Sachverhalt kann sie sich nicht dadurch lösen, dass sie die einstweilige Verfügung insoweit nicht in der Sache angreift. Lauterem Verhalten entspricht es, dass sich die Antragsgegnerin an das hält, was sie als Information verbreitet hat. Anders wird die anschwärzende Wirkung des Zuschlags und seiner Begleitumstände kaum beseitigt werden können.
Auch wenn man die Problematik ohne diese Begleitumstände bewertet, erscheint es unlauter, dass die Antragsgegnerin das von Antragstellerin verursachte Negativimage zusätzlich dadurch verstärkt, dass sie die Kosten des Aufschlags zur Förderung ihres eigenen Umsatzes erhöht. Einen dies in der Gesamtbetrachtung rechtfertigenden Grund hat die Antragsgegnerin nicht plausibel dargelegt.
Der Wiedergabe des Beschlusses der RegTP vom 20.09.2004 - BK 4d-04-030 - durch die Antragsgegnerin ist zu entnehmen, dass die RegTP nur einen Aufschlag von 25% genehmigt und den darüber hinausgehenden Antrag zurückgewiesen hat. Die Verfahrensweise der Antragsgegnerin hat jedoch zur Folge, dass dieser Betrag zum Nachteil der Endkunden der Antragsgegnerin überschritten wird. Damit steht der Rechnungszuschlag in Konflikt zum Verbraucherschutz. Das muss wegen § 1 S. 1 UWG bei der Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden. Aus gleichem Grund muss ins Gewicht fallen, dass der Zuschlag für die Telefonkunden der Antragsgegnerin intransparent ist. Dass ihnen zusätzliche Kosten durch die Abrechnung im Minutentakt entstehen, wird ihnen soweit ersichtlich nicht mitgeteilt.
Die Bundesnetzagentur hat die entsprechende Tarifierung der Antragsgegnerin nicht genehmigt sondern ist lediglich gegen diese bisher nicht eingeschritten. In der mündlichen Verhandlung ist erörtert worden, ob letztlich die Kunden der Antragsgegnerin die mit der Verwendung des Minutentakts verbundene Mehrbelastung tragen müssen. Gerade wenn man - wie dies der durch die Stellungnahme der Bundesnetzagentur bestätigten Auffassung der Kammer entspricht - in die Bewertung einfließen lässt, dass die alternativen Netzbetreiber den Aufschlag durchgesetzt haben, muss gefragt werden, warum diese nicht den dadurch verursachten Aufwand ausgleichen müssen. Dazu würden auch die Kosten der Weitergabe des Aufschlags 1:1 gehören. Der Kammer ist aus ihrer vielfachen Befassung mit Verfahren der Antragsgegnerin bekannt, dass diese mit anderen Netzbetreibern durch F+I - Verträge verbunden ist, die Fakturierung und Inkasso regeln. Die Frage, ob die Problematik dort geklärt werden könnte, blieb in der mündlichen Verhandlung unbeantwortet. Unabhängig davon besteht zwischen den Parteien ein Zusammenschaltungs- (Interconnection-) Vertrag. Dieser begründet eine Verhandlungspflicht (s. § 36 TKG aF. § 16 TKG nF bleibt dahinter nicht zurück s. Scherer, NJW 2004, 3001, 3005 unter Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte in Fn.55). Die Antragsgegnerin behauptet nicht, mit den alternativen Anbietern über die Kosten der wirtschaftlichen Realisierung des von der RegTP genehmigten Aufschlags verhandelt zu haben. Solche Verhandlungen müssten nicht von vornherein daran scheitern, dass die Antragsgegnerin entstehende Kosten in jährlicher Millionenhöhe vorrechnet. Die Antragstellerin hat bereits darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin hier nicht nachprüfbare Zahlen in den Raum stellt. Auszugehen ist davon, dass die Antragsgegnerin die mit der Antragstellerin auszugleichenden Telefongespräche sekundengenau erfasst (s. die eidesstattliche Versicherung N, Anlage AS1, Bl. 15 d.A.). Das müsste naheliegenderweise die Möglichkeit bieten, den auf die Telefongespräche mit Ziel im Teilnehmernetz der Antragstellerin entfallenden genehmigten Aufschlag in das für die Erstellung der Telefonrechnungen an die Endkunden verwendete Softwareprogramm zu übernehmen. Es ist nicht einzusehen, warum das aufwändiger sein soll als die Errechnung des bislang auf den Rechnungen ausgewiesenen Zuschlags auf der Basis des gleichen Gesprächs jedoch unter Zugrundelegung des Minutentakts.
Die Kammer muss bei der derzeitigen Sachlage nicht entscheiden, ob ein den nachgewiesenen Kosten der Antragsgegnerin entsprechender Zuschlag von dieser gegenüber ihren Telefonkunden einer Gesamtbetrachtung nach § 3 UWG standhalten würde. Für den Zeitpunkt der hier zu treffenden Entscheidung ist dies jedenfalls aus den angeführten Gründen zu verneinen. So lange der maßgeblich von der Antragsgegnerin geschaffene Informationsstand nicht korrigiert ist, wonach der gesamte Zuschlag den Carriern zukomme, stellt es ein unlauteres Verhalten im Sinne von § 3 UWG dar, Zuschläge zu erheben, die dem nicht entsprechen. Tatsächlichen Veränderungen der maßgeblichen Umstände könnte gemäß §§ 936, 927 ZPO Rechnung getragen werden.
e. Durch die Ausgestaltung des Zuschlags gemäß den Rechnungen an die Endkunden werden die sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich benachteiligt. Es geht vorliegend um ein Massengeschäft, bei dem sich Entgelterhöhungen auch dann wirtschaftlich stark auswirken, wenn sie bezogen auf einzelne Telefongespräche im Bereich unter 0,1 Cent liegen. Schon die von der Antragstellerin mitgeteilten Zahlen zu ihrem Umsatz mit der J belegen das.
3. Die Kammer hat es für erforderlich erachtet, die Entscheidungsformel zu Ziffer 1. dahin zu präzisieren, dass der gemeinte Zuschlag auf den Reziprozitätszuschlag bezogen worden ist. Dies stellt aus der Sicht der Kammer eine Klarstellung dar, die sich zweifelsfrei aus dem Vortrag der Antragstellerin herleiten lässt. Die Antragstellerin kann ferner nach erneuter Prüfung der Kammer nicht im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen, dass die Antragsgegnerin als Ausnahme zum Unterlassungsgebot den genehmigten Aufschlag überschreitende Teile des gemäß den Telefonrechnungen erhobenen Zuschlags an die anderen Netzbetreiber weiterleitet. Der Unterlassungsanspruch geht dahin, dass Erhöhungen, die über den genehmigten Aufschlag hinausgehen, nicht von der Antragsgegnerin vorgenommen werden dürfen. Auf eine Abschöpfung gleichwohl geltend gemachter Erhöhungen hat die Antragstellerin jedenfalls keinen im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzbaren Anspruch. Insoweit stellt die Entscheidungsformel zu Ziffer 1. eine teilweise Aufhebung der einstweiligen Verfügung und eine entsprechende Zurückweisung des Antrags dar. Die jetzige Fassung ist als Minus vom Antrag umfasst.
4. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Die Antragsgegnerin hat keine Telefonrechnung vorlegen können, aus der auf eine Kenntnis der Antragstellerin vom maßgeblichen Sachverhalt mehr als einen Monat vor dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung geschlossen werden könnte. Insbesondere die Anlage B10, eine Telefonrechnung der Antragsgegnerin an die Antragstellerin vom 31.05.2005, weist nicht die Formulierung "Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" sondern diejenige "Zuschlag für Verbindungen" auf, wobei diese zweimal ausgewiesene Position jeweils auf 0 gestellt ist. Eine Kenntnis der später verwendeten Formulierung auf Endrechnungen ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Antragstellerin an die Antragsgegnerin vom 13.05.2005 (Anlage B9). Der Text jenes Schreibens:
" verschiedenen Veröffentlichungen haben wir entnommen, dass Sie zukünftig bestimmte Anrufe Ihrer Festnetzkunden - unter anderem auch in das Netz der W - mit einem Zuschlag von wahrscheinlich 0,2 Eurocent pro Minute versehen wollen und dieses im Einzelverbindungsnachweis Ihrer Kunden auch entsprechend ausweisen möchten. Diese Preiserhöhung kommunizieren Sie derzeit über die verschiedenen ... Informationskanäle."
belegt nicht die erforderliche Kenntnis von der tatsächlichen Umsetzung der Mehrforderung durch die Antragsgegnerin sondern nur die Kenntnis von entsprechenden Plänen. Das reicht nicht aus. Aus dem gleichen Grund kann daraus, dass die Erhebung des Zuschlags eine längere Vorgeschichte hat, nicht entnommen werden, die Antragstellerin hätte schon eher gerichtsverwertbare Kenntnis vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt gehabt.
II. Die Antragstellerin kann ferner Unterlassung der Formulierung "Zuschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern" auf den Telefonrechnungen an ihre Endkunden gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 1; 3 UWG verlangen. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus dem Dargelegten. Was die Antragsgegnerin unter dieser Formulierung tatsächlich geltend macht, ist nicht der genehmigte Reziprozitätsaufschlag. Es ist unlauter im Sinne von § 3 UWG gleichwohl einen dahingehenden Eindruck zu erwecken. Dadurch werden die "anderen Netzbetreiber" einschließlich der Antragstellerin individuell benachteiligt. Würde die Antragsgegnerin den Aufschlag 1:1 weitergeben, wäre sie durch das Unterlassungsgebot nicht daran gehindert, die Position als genehmigten Aufschlag für Verbindungen zu anderen Netzbetreibern zu bezeichnen. Denn diese Kennzeichnung wäre wahrheitsgemäß. Die Entscheidung zu Ziffer 2. der einstweiligen Verfügung ist nicht deckungsgleich mit derjenigen zu Ziffer 1. Letztere befasst sich mit der Erhebung des Zuschlags, erstere mit dessen Bezeichnung in den Rechnungen. Die vorgenommene Klarstellung in der Entscheidungsformel entspricht der zu Ziffer 1. Zum Verfügungsgrund gilt das zu zu I. 4. Ausgeführte.
III. Die Entscheidung ist - wie sich aus dem Ausgeführten ergibt - nicht von einer kartellrechtlichen Vorfrage im Sinne von § 87 Abs. 1 S. 2 GWB abhängig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1, 93 ZPO. Die Antragstellerin hat die Kosten hinsichtlich der Ziffer 3 der einstweiligen Verfügung vom 04.08.2005 zu tragen. Sie hat die Antragsgegnerin nicht vor dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abgemahnt. Mit dem Kostenwiderspruch hat die Antragsgegnerin von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Ziffer 3 der einstweiligen Verfügung kostengünstig anzuerkennen (s. OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1535). Anhaltspunkte dafür, dass eine Abmahnung zwecklos gewesen wäre, bestehen nicht.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO. Die Vollstreckungsschutzanträge der Antragsgegnerin haben keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 712 ZPO sind nicht dargetan. Dass der Zweck der Unterlassungsgebote einer einstweiligen Anordnung nach §§ 936, 924 Abs. 3, 707 ZPO entgegensteht, ist bereits im Beschluss der Kammer vom 24.10.2005 dargelegt. Das gilt erst recht, soweit die einstweilige Verfügung nach mündlicher Verhandlung bestätigt worden ist. Insbesondere besteht kein hinreichender Anlass, die Antragstellerin in ihren Vollstreckungsmöglichkeiten einzuschränken, auch nicht in Form einer Sicherheitsleistung der Antragsgegnerin. Dass der durch § 945 ZPO gewährte Schutz nicht ausreiche, ist nicht ersichtlich.
Streitwert: Bis zum 10.10.2005 (Eingang der Widerspruchsschrift) 500.000 €, danach Gebührenstufe bis 460.000 € (450.000 € + auf den Verfügungsantrag zu 3. entfallende Kosten).
LG Bonn:
Urteil v. 02.12.2005
Az: 11 O 120/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/21f8c0a83038/LG-Bonn_Urteil_vom_2-Dezember-2005_Az_11-O-120-05