Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 307/04
(BPatG: Beschluss v. 28.06.2006, Az.: 7 W (pat) 307/04)
Tenor
Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I.
Gegen das Patent 102 21 114 mit der Bezeichnung Dichtung für Strömungsmaschinen, dessen Erteilung am 11. September 2003 veröffentlicht worden ist, hat die A... Ltd. & Co. KG in B...
am 11. Dezember 2003 Einspruch erhoben.
Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei.
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende u. a. die schon im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften 1. DE 34 24 661 A1, 2. Werkstoff mit Zukunft, Hohlkugeln und Hohlkugelstrukturen, Prospekt, Fraunhofer Institut Fertigungstechnik Materialforschung, 4 Seiten, Jahr 2001, genannt.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten in der erteilten Fassung unter Ersetzung des Patentanspruchs 1 durch den am 28. Juni 2006 überreichten Patentanspruch 1.
Der geltende Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:
Dichtung für Strömungsmaschinen, die an Rotorelementen und/oder einem Stator angeordnet oder ausgebildet ist, um bei thermischer Wechselbeanspruchung nahezu konstante Spaltmaßverhältnisse einzuhalten, dabei die Dichtung aus punktuell miteinander verbundenen Hohlkugeln oder Hohlkugeln und Hohlkugelsegmenten gebildet ist, wobeimaximal 25 % der Oberfläche der Hohlkugeln einen Kontakt zu jeweils benachbarten weiteren Hohlkugeln aufweisen.
Die geltenden Patentansprüche 2 bis 30 sind auf die weitere Ausgestaltung der Dichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 gerichtet.
Es ist nach Abs. [0013] der Streitpatentschrift Aufgabe der Erfindung, eine Dichtung für Strömungsmaschinen vorzuschlagen, die auch bei stark wechselnden thermischen Beanspruchungen nahezu konstante Spaltmaßverhältnisse gewährleisten kann, die einen höheren Wirkungsgrad in weiten Grenzen bewirken.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt in der geltenden Fassung keine patentfähige Erfindung dar, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der zuständige Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur mit langjähriger Erfahrung bei der Entwicklung von Dichtungen für Strömungsmaschinen.
Die Dichtung nach Patentanspruchs 1 mag zwar neu sein, sie beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die DE 34 24 661 A1 zeigt eine Dichtung für Strömungsmaschinen, die an einem Stator angeordnet oder ausgebildet ist, um bei thermischer Wechselbeanspruchung geringe Spaltmaße, also im Wesentlichen konstante Spaltmaßverhältnisse, einzuhalten (vgl. Oberbegriff des Patentanspruchs 1 und S. 4, letzter Satz). Weiter zeigt diese Druckschrift, dass die Dichtung aus punktuell miteinander z. B. durch Sintern verbundenen Hohlkugeln gebildet ist (Patentanspruch 5 i. V. m. S. 8, Z. 1 und 2).
Einen Hinweis auf einen Bereich, wonach, wie der geltende Patentanspruch 1 des Streitpatents vorgibt, maximal 25 % der Oberfläche der Hohlkugeln einen Kontakt zu jeweils benachbarten weiteren Hohlkugeln aufweisen sollen, ist der genannten Druckschrift nicht zu entnehmen.
Eine Kontaktoberfläche bis maximal 25 % ist jedoch keineswegs ungewöhnlich für eine Hohlkugelpackung. Es ist auch für Laien ohne weiteres erkennbar, dass bei punktuellem Aneinanderliegen von Kugeln die dabei in Berührung kommenden Kontaktflächen nur wenige, auf jeden Fall weniger als 25 % ihrer Oberfläche umfassen. Da dem zuständigen Fachmann diese Zusammenhänge geläufig sind, kennt dieser auch die Zunahme der in Kontakt stehenden Kugeloberflächen, die sich zwangsläufig ergibt, wenn die Kugeln wie zum Beispiel durch das in der DE 34 24 661 A1 vorgeschlagene Sintern (S. 6, letzter Absatz) unter einen äußeren Zwang (z. B. Druck, Temperatur) gesetzt und dabei oder durch andere Fügemaßnahmen wie z. B. Löten oder Schweißen (S. 11, Z. 6 - 9) verbunden werden. Die Hohlkugeln kommen dabei zwangsläufig in Abhängigkeit von der Verbindungsart mehr oder weniger miteinander in Kontakt. Wie es auch in der genannten Druckschrift auf der Seite 9/Übergang zur Seite 10 zum Ausdruck kommt, kann die gewünschte Festigkeit bzw. Elastizität und die angestrebte Porosität der Hohlkugelstruktur z. B. durch bestimmte Sinterbedingungen eingestellt werden. Deren Auswahl erfolgt im Rahmen eines die normale ingenieurmäßige Bemessungs- und Konstruktionstätigkeit nicht überschreitenden Vorgangs. Eine erfinderische Tätigkeit ist deshalb auch für die Begrenzung auf maximal 25 % der Oberfläche der Hohlkugeln für einen Kontakt zu jeweils benachbarten weiteren Hohlkugeln nicht zu erkennen.
Hohlkugelsegmente, die nach dem Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 ebenfalls Bestandteil der Dichtung sein können, stellen sich zwangsläufig ein, wenn durch Bearbeitung oder Anstreifen z. B. der Schaufelspitzen der Turbine die aus Hohlkugeln bestehende Dichtungslage teilweise abgetragen wird.
Somit gelangt der Fachmann in nahe liegender Weise durch den Stand der Technik nach der DE 34 24 661 A1 zur Dichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1.
Soweit die Patentinhaberinnen geltend machen, dass die Hohlkugeln nach der DE 34 24 661 A1 im Unterschied zum Patentgegenstand einen (nichtmetallischen) Kern enthielten, führt das zu keiner anderen Beurteilung in der Sache, da der geltende Patentanspruch 1 einen solchen nicht ausschließt. Darüber hinaus enthält auch der weitere Stand der Technik nach dem in der Streitpatentschrift zitierten Prospekt des Fraunhofer Institut Fertigungstechnik Materialforschung schon einschlägige Hinweise auf Hohlkugelstrukturen für den Einsatz als abrasive Dichtungen (2. Seite: Herstellung - Eigenschaften - Anwendung, rechte Spalte), bei denen die einzelnen Hohlkugeln mit unterschiedlichem Flächenberührungsgrad (3. Seite, Bilder in der rechten Spalte) anordnet sind. Bei den bekannten Hohlkugeln geht deren aus Styropor bestehender Kern bei der Wärmebehandlung der Kugeln durch Pyrolyse im Wesentlichen verloren. (S. 2 des Prospekts, linke Seite).
Dass in den Patentansprüchen 2 bis 30 noch Merkmale von patentbegründender Bedeutung enthalten sind, haben die Patentinhaberinnen nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch nicht erkennbar.
Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.
BPatG:
Beschluss v. 28.06.2006
Az: 7 W (pat) 307/04
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2223a7afe8bd/BPatG_Beschluss_vom_28-Juni-2006_Az_7-W-pat-307-04