Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Oktober 2009
Aktenzeichen: 23 W (pat) 44/06

(BPatG: Beschluss v. 20.10.2009, Az.: 23 W (pat) 44/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154 08.05

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung 10 2005 011 028 wurde am 8. März 2005 mit der Bezeichnung "Kupferbonddraht mit verbesserten Bondund Korrosionseigenschaften" beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht.

Im Prüfungsbescheid vom 23. Januar 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse H01L u. a. auf die Druckschrift D1 JP 2003-133 361 A hingewiesen und dargelegt, die Gegenstände der damals geltenden nebengeordneten Ansprüche 1, 6, 7 und 8 seien gegenüber dem Stand der Technik gemäß der Druckschrift D1 nicht neu.

Nachdem die Anmelderin darauf hin die ursprünglichen Patentansprüche unverändert weiterverfolgt hat, hat die Prüfungsstelle die Anmeldung mit Beschluss vom 13. April 2006 zurückgewiesen.

Gegen den am 2. Mai 2006 abgesandten Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 30. Mai 2006, beim DPMA per Telefax eingegangen am 31. Mai 2006.

Der Senat hat der Anmelderin mit der Terminsladung ergänzend zu dem im Prüfungsverfahren u. a. entgegengehaltenen Abstract gemäß der Druckschrift D1 die zugehörige japanische Offenlegungsschrift sowie die im Internet abrufbare Computerübersetzung des japanischen Patentamts übersandt.

In der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2009 hat der Senat der Anmelderin außerdem noch die Druckschrift D6 Hans-Jürgen Hacke: Montage Integrierter Schaltungen, Auszug mit den S. 48 -60 und S. 71 -76, Springer-Verlag, 1987 in Ablichtung überreicht.

Die Anmelderin hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der als nächstkommend angesehene Stand der Technik gemäß der Druckschrift D1 ihrer Auffassung nach keinen Bonddraht offenbare, in dessen Oberfläche Gold angereichert ist und dessen Oberfläche neben Gold auch Kupfer enthalte, denn in dieser Entgegenhaltung werde der Bonddraht aus Kupfer lediglich mit einer Goldschicht versehen. Da diese eine bestimmte Mindestdicke aufweisen müsse, um sicher zu verhindern, dass Kupfer an die Oberfläche gelange und es trotz der Goldbeschichtung zu einer Korrosion des Drahtes komme, gebe diese Druckschrift im Gegensatz zur Anmeldung die Lehre, dass Kupfer in der Oberfläche vermieden werden müsse.

Die Anmelderin stellt in der mündlichen Verhandlung den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patentund Markenamts vom 13. April 2006 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2009, Beschreibung sowie Figuren 1 bis 7 gemäß Offenlegungsschrift.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Bondoder Feinstdraht aus Kupfer, dadurch gekennzeichnet, dass in der Oberfläche des Bondoder Feinstdrahtes Gold angereichert und Kupfer neben Gold enthalten ist."

In den nebengeordneten Patentansprüchen 4 und 5 beansprucht die Anmelderin außerdem Schutz für die Verwendung eines Bondoder Feinstdrahtes und für einen Halbleitersiliciumchip. Die beiden Ansprüche lauten:

"4. Verwendung eines Bondoder Feinstdrahtes nach einem der Ansprüche 1 bis 3 für ein Ball-Wedge-Bondverfahren."

"5. Halbleitersiliciumchip enthaltend einen aufgebondeten Bondoder Feinstdraht nach einem der Ansprüche 1 bis 3."

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 und 3 sowie hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die Anmeldung betrifft einen Kupferbonddraht mit verbesserten Bondund Korrosionseigenschaften.

Bonddrähte bilden die Anschlussleitungen zwischen den auf integrierten Halbleiterschaltungen als Anschlusselemente vorgesehenen Bondpads und entsprechenden Pads auf den Leiterplatten, auf denen Halbleiterchips üblicherweise montiert werden. Das Befestigen der Bonddrähte auf den Bondpads und den Anschlüssen auf der Leiterbahn erfolgt üblicherweise mittels des sogenannten BallWedge-Bondverfahrens. Bei diesem wird der in einer Kapillare geführte Bonddraht zunächst an seinem aus der Kapillare hervorstehenden Ende durch Abflammen zu einer Kugel (free air ball, FAB) aufgeschmolzen und die Kugel dann von der Kapillare unter Druck und Wärme auf das Bondpad auf dem Chip aufgedrückt und unter Ultraschall mit diesem verschweißt. Der Draht wird dann unter Bildung eines Drahtbogens von der Kapillare zu dem Anschluss auf der Leiterplatte geführt und auf diesen aufgedrückt, wobei der Rand der Kapillare den Draht verformt und eine keilförmige Abrißkante (wedge) im Draht erzeugt, an der der Draht beim anschließenden Abheben der Kapillare von der Leiterplatte abreißt. Danach beginnt an einem anderen Bondpad ein neuer Kontaktierzyklus mit demselben Ablauf.

Bei diesem Bondvorgang werden üblicherweise Bonddrähte aus Gold verwendet. Angesichts des geringeren Preises und der besseren elektrischen und mechanischen Eigenschaften würde man statt der Golddrähte zwar gerne Kupferdrähte verwenden, dies ist allerdings bisher daran gescheitert, dass Kupfer bei Kontakt mit Luft innerhalb kurzer Zeit oxidiert und damit seine Bondfähigkeit verliert. Bei Versuchen mit goldummantelten Kupferdrähten hat sich gezeigt, dass die bei diesen Drähten entstehenden Kupfer-Gold-Legierungen eine gegenüber den beiden Ausgangsmaterialien deutlich erhöhte Härte aufweisen, die für Bonddrähte unerwünscht ist, da beim Andrücken der harten Drähte auf die Anschlusspads des Chips Risse im Halbleitermaterial erzeugt werden können, vgl. die Abschnitte [0004] und [0005] der geltenden Beschreibungsunterlagen gemäß der Offenlegungsschrift.

Der vorliegenden Anmeldung liegt daher als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, das Ball-Wedge-Verfahren weiter zu verbessern, bei dem ein Bondoder Feinstdraht aus Kupfer auf einen Halbleiterchip gebondet wird. Weiterhin soll ein besonders geeigneter Bondoder Feinstdraht bereitgestellt werden, vgl. die Abschnitte [0007] und [0008] der Offenlegungsschrift.

Die Aufgabe wird hinsichtlich des Drahtes gemäß dem geltenden Anspruch 1 mit einem Bondoder Feinstdraht aus Kupfer gelöst, in dessen Oberfläche Gold angereichert und Kupfer neben Gold enthalten ist. Die Verbesserung des Ball-WedgeVerfahrens wird gemäß dem nebengeordneten Anspruch 4 durch die Verwendung eines solchen Drahtes erreicht. Zudem wird die Aufgabe gemäß dem nebengeordneten Anspruch 5 auch durch einen Halbleitersiliciumchip mit einem Bondoder Feinstdraht gemäß der im Anspruch 1 angegebenen Ausbildung gelöst.

Der anmeldungsgemäßen Ausbildung des Bonddrahtes liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Gold-Anreicherung in der Oberfläche des Kupferdrahtes ausreicht, um eine Korrosion des Kupferdrahtes zu verhindern und den Draht korrosionsbeständig zu machen. Dabei bleibt der Draht aber weich genug, um eine Beschädigung des Halbleitermaterials beim Andrücken auf die Anschlusspads der Chips zu verhindern, vgl. den Abschnitt [0009] der Offenlegungsschrift.

2. Der Bondoder Feinstdraht nach Anspruch 1 erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht neu. Bei dieser Sachlage kann die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche dahingestellt bleiben, vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121, II.1. -"Elastische Bandage".

Als Fachmann ist ein mit der Entwicklung von Bonddrähten betrauter berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Materialwissenschaften oder Diplom-Physiker mit den entsprechenden Kenntnissen der Aufbauund Verbindungstechnik von integrierten Schaltungen anzusehen.

3. Die Druckschrift D1 offenbart einen Bondoder Feinstdraht (bonding wire used for connecting the electrode on integrated circuit devices and the conductor wire of circuit wiring boards / Abschnitt [0001] der Computerübersetzung) aus Kupfer, auf dessen Oberfläche eine dünne Goldbeschichtung aufgetragen ist (The bonding (wire) comprises a core of a highly conductive metal, such as copper, and a coating of a precious metal, such as gold covering the surface of the core metal / Abstract; im gleichen Sinn die Computerübersetzung: A manufacturing cost is held down, and scaling is prevented and how to cover the surface of cheap metal with the precious metal can be considered as a method of realizing good junction nature. For example, in a gold plate copper bonding wire, there is a possibility that a low manufacturing cost and good junction nature are compatible / Abschnitt [0006] der Computerübersetzung).

Dieser Draht oxidiert nicht an Luft und weist somit gute Bondeigenschaften auf. Voraussetzung hierfür ist gemäß der Lehre der Druckschrift D1, dass die Goldschicht auf dem Kupferdraht eine bestimmte Mindestdicke nicht unterschreitet, da sonst die Gefahr besteht, dass die Goldschicht Risse aufweist, so dass das Kupfer bereichsweise blank liegt und oxidiert. Diese Mindestdicke für die Goldschicht beträgt gemäß der Druckschrift D1 allerdings nur 0,001 µm, also 1 nm (Since preciousmetals thickness is able to sever contact with a central metal and oxygen in the air also thin dramatically about antioxidant abilitity, the influence of covering preciousmetals thickness is small. However, when it is thin not much, since a central metal serves as nakedness easily and it becomes impossible to demonstrate antioxidant ability when a crack reaches the surface by a certain factor, it is preferred [...] the thickness of covering to be referred to as 0,001 micrometers or more / Abschnitt [0010] i. V. m. den Ausführungsbeispielen gemäß den Abschnitten [0013] und [0014] der Computerübersetzung, in Übereinstimmung mit den entsprechenden Zahlenangaben in de selben Abschnitten der japanischen Offenlegungsschrift).

Damit genügt gemäß der Lehre der Druckschrift D1 bereits eine nur wenige (nämlich drei bis vier) Atomlagen Gold aufweisende Goldbeschichtung auf dem Kupferdraht, um die Oxidation des Kupferdrahtes zu verhindern. Diese dünne Oberflächenschicht enthält neben den Goldatomen aber zwangsläufig auch Kupferatome, denn bereits bei Zimmertemperatur diffundieren Kupferatome aus dem Drahtkern in die Goldschicht hinein, die gemäß der Lehre der Druckschrift D1 aus einer elektroplattierten oder im Rahmen eines Vakuum-Beschichtungsverfahrens hergestellten Schicht besteht (As coating of the precious metals, electroplating formation is preferred. [...] Although, formation of covering by other methods, such as a chemical vapor deposition method and the physicalvapordeposition method, ispossible / Abschnitt [0011] der Computerübersetzung). Bei derart hergestellten Schichten wird die Diffusion nämlich durch die Diffusion an Korngrenzen in der Schicht bestimmt, die im Gegensatz zur Volumendiffusion bereits bei niedrigen Temperaturen, insbesondere bei Zimmertemperatur abläuft. Zum Beleg hierfür wird auf die Druckschrift D6 verwiesen, in der dieser Diffusionsprozess für eine Kupfer-Gold-Grenzfläche beschrieben ist, vgl. vor allem das Kapitel 4.1.5 auf S. 75 Mitte bis S. 76, Abs. 3 (Als nächstes sei die Korngrenzendiffusion betrachtet, die weit weniger temperaturabhängig ist und schon bei niedrigen Temperaturen, z. T. bei Raumtemperatur abläuft. Korngrenzen, Versetzungen und ähnliche Defekte können als Transportwege durch Metallschichten dienen. Das gibt diesem Effekt große praktische Bedeutung, denn die stromlos, galvanisch oder in Vakuumprozessen abgeschiedenen Schichten weisen meist eine extrem feinkörnige Struktur mit hoher Defektdichte auf, beste Voraussetzungen für diese Diffusionsart. Ihr Diffusionskoeffizient D' ist wesentlich größer als der der Volumendiffusion und das Verhältnis von Korngrenzenzu Volumendiffusion wird mit fallender Temperatur immer größer. Die Bildung von Oxidschichten aus dem Substratmaterial auf der Oberfläche, z. B. einer Au-Schicht, und damit die Verschlechterung von Übergangswiderstand, Bondund Lötbarkeit ist meist auf die Korngrenzendiffusion zurückzuführen / S. 76, Abs. 3).

Schon aufgrund dieser physikalischen Gegebenheiten weist der Bonddraht nach Druckschrift D1 eine Oberfläche auf, in der Gold angereichert und neben Gold auch Kupfer enthalten ist.

Darüber hinaus wird der Bonddraht nach der Druckschrift D1 nach dem Aufbringen der Goldschicht auf die gewünschte Dicke gezogen (it is preferred to obtain the thin wire gage [...] by carrying out wire drawing / Abschnitt [0011] der Computerübersetzung), wozu -wie für den Fachmann selbstverständlich -zwangsläufig ein Erhitzen des Drahtes notwendig ist. Auch dabei diffundieren die Goldund die Kupferatome in das jeweils benachbarte Material ein, so dass auch diese Behandlung dazu führt, dass in der Oberfläche des Drahtes Gold angereichert und Kupfer neben Gold enthalten ist. Der anmeldungsgemäße Bonddraht mit der mit Gold angereicherten Oberfläche wird ebenso auf diese Art und Weise hergestellt, vgl. die Abschnitte [0035] bis [0037] der Offenlegungsschrift.

Der Fachmann entnimmt der Druckschrift D1 somit einen Bondoder Feinstdraht, in dessen Oberfläche Gold angereichert und Kupfer neben Gold enthalten ist. Der Draht nach Anspruch 1 ist damit nicht neu.

Der geltende Anspruch 1 ist daher nicht gewährbar.

4.

Es kann dahingestellt bleiben, dass auch die Verwendung des Bondoder Feinstdrahtes nach Anspruch 4 und der Halbleitersiliciumchip nach Anspruch 5 nicht patentfähig sind, denn mit dem Patentanspruch 1 fallen wegen der Antragsbindung auch die beiden nebengeordneten Patentansprüche 4 und 5 sowie die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 und 3, vgl. BGH GRUR 2007, 862, 863 Tz. 18 -"Informationsübermittlungsverfahren II" m. w. N.

5.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.

Lokys Dr. Hock Brandt Dr. Friedrich Pr






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Az: 23 W (pat) 44/06


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