Landgericht Bonn:
Beschluss vom 10. März 2004
Aktenzeichen: 6 T 48/04

(LG Bonn: Beschluss v. 10.03.2004, Az.: 6 T 48/04)

Der Gebührenstreitwert für eine Räumungsklage richtet sich nach dem 12-fachen Betrag der Monats-Nettomiete.

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 13. Februar 2004 gegen den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 10. Februar 2004 - 108 C 4/04 - wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gem. §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen ist unbegründet.

Die unter dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Namen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelnden Klägerinnen haben vertreten durch die Rechtsanwälte K und Kollegen in T als Prozessbevollmächtigte gegen den Beklagten im schriftlichen Vorverfahren am 29.01.2004 ein Versäumnisurteil erstritten, durch das dieser entsprechend den Klageanträgen zum einen zur Räumung der von den Klägerinnen angemieteten Wohnung als auch zur Zahlung eines Betrages von 2.138, 36 EUR nebst 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7.01.2004 verurteilt worden ist.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Siegburg den Gegenstandswert auf insgesamt 8.064,80 EUR festgesetzt und in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass hiervon ein Teilbetrag von 5.926,44 EUR (12 x 493,84 EUR) auf den Räumungsanspruch entfallen, der gemäß ständiger Rechtsprechung des Amtsgerichts Siegburg nach der Netto-Miete berechnet werde.

Hiergegen richtet sich die als sofortige Beschwerde bezeichnete Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen. Diese vertreten unter Hinweis auf die Handhabung durch andere Zivilabteilungen die Ansicht, dass als Streitwert bei Räumungsstreitigkeiten jeweils die Brutto-Jahresmiete in Ansatz zu bringen sei.

Das Amtsgericht hat im Rahmen des Streitwertbeschlusses vom 10.02.2004 den Streitwert für die Räumungsklage zutreffend unter Zugrundelegung der Netto-Miete mit 5.926,44 EUR festgesetzt.

Bei seiner Streitwertfestsetzung befindet sich das Amtsgericht in Übereinstimmung mit der inzwischen langjährigen, ständigen Praxis der Kammer.

Die Kammer hat sich auf Grund eigener Überprüfung und Überzeugungsbildung der Rechtsprechung angeschlossen, der zufolge Mietnebenkosten bei der Streitwertfestsetzung gem. § 16 GKG nicht zu berücksichtigen sind (vergl. die Entscheidungen des 16., 19. und 22. Zivilsenats des OLG Köln, veröffentlicht in WUM 2001, S. 33; WUM 1996, S. 288; WUM 1998, S. 609 jeweils mit ausführlichen weiteren Nachweisen).

Angesichts des Meinungsstreits in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage weist Schneider (vergl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rd.Nr. 3087) zutreffend darauf hin, dass eine sinnvolle Alternative nur darin bestehen kann, entweder alle Nebenkosten ohne weitere Differenzierung zu berücksichtigen oder gar keine. Eine weitergehende Differenzierung innerhalb der Nebenkosten nach verbrauchsabhängigen und verbrauchsunabhängigen ist abzulehnen, da hierdurch, wie die kaum mehr überschaubare Entscheidungsvielfalt in diesem Bereich zeigt, der gerade auch im Bereich der Streitwertfestsetzung erforderlichen Rechtsklarheit ohne zwingenden Grund entgegengewirkt wird.

In diesem Zusammenhang ist, wie in dem Beschluss des 19. Zivilsenates (vergl. aaO) eingehend ausgeführt worden ist, auch zu berücksichtigen, das die Zugrundelegung der Brutto-Miete bei der Berechnung des Streitwertes nach § 16 GKG darauf beruht, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 14.07.1955 (vergl. BGHZ 18, 168) von der bis dahin herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Nachkriegszeit abgewichen ist. Dabei handelte es sich insbesondere um zeitbedingte Sonderleistungen wie Instandsetzungskosten, Lastenausgleichsabgaben und Baukostenzuschüsse. Solche Verhältnisse gibt es heute in der Regel nicht mehr.

Dem entsprechend geht die Tendenz der neueren Rechtsprechung dahin, nur noch auf den Netto-Mietzins ohne Berücksichtigung vereinbarter Nebenleistungen abzustellen (vergl. über die oben genannten Entscheidungen des OLG Köln hinaus die Nachweise bei Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 RdNr. 16 "Mietstreitigkeiten").

Bei der Abwägung zwischen den beiden oben aufgezeigten Alternativen sprechen die überzeugenderen Argumente für die Zugrundelegung der Netto-Miete.

Zum einen spricht hierfür, dass in dem Mietverträgen ganz überwiegend zwischen dem Mietzins und den Nebenkosten unterschieden wird. Die Zahlung des Mietzinses stellt die Hauptleistungspflicht des Mieters für die Haupt(Gegen)-Leistungspflicht des Vermieters, die Gebrauchüberlassungspflicht an den Räumen dar. In völliger Übereinstimmung hiermit befindet sich die Regelung, dem zufolge die Kaution nach dem Netto-Mietzins berechnet wird. Dass auch die Verkehrsauffassung den Mietzins so versteht kommt u. a. auch in den Anzeigen zur Vermietung von Wohnraum zum Ausdruck. Dort wird überwiegend allein der Mietzins zzgl. Nebenkosten genannt, was ebenfalls dafür spricht, dass die beteiligten Kreise die Netto-Miete mit dem Begriff Miete verbinden.

Gegen diese am Wortsinn ausgerichtete Argumentation spricht auch nicht der Umstand, dass heute die Höhe der Nebenkosten im Vergleich zu der Kaltmiete oft keinen geringen Kostenfaktor mehr darstellt. Denn die Nebenkosten sind in nicht unerheblichen Umfang gleichwohl auf Vermieter-Seite ein durchlaufender Posten, stellen somit auch aus Sicht des Mieters kein Entgeld für eine Leistung des Vermieters dar. Daher ist die heutige Situation nicht mehr mit der vergleichbar, die - wie schon ausgeführt - dem BGH in seiner Entscheidung vom 14.07.1955 (vergl. BGH a.a.O.) dazu bewogen hat, von der bis dahin bestehenden Ansicht zur Zugrundelegung des Netto-Mietzinses abzuweichen.

Auch wenn zu Recht der 19. Zivilsenat des OLG Köln (vergl. a.a.O.) darauf hingewiesen hat, dass die Regelungen in §§ 554 Abs. 1 BGB (alter Fassung), d. h. § 543 Abs. 2 BGB (neuer Fassung) und § 9 Abs. 2 MHG (alter Fassung) entsprechend § 569 Abs. 3 BGB (neuer Fassung) für die Kündigung zwar aus sinnvollen Gründen auf die Brutto-Miete bzw. den erhöhten Mietzins abstellen,gilt, dass dies aber gerade wegen der speziellen Interessenlage bei Kündigung nicht dazu zwingt, diese Regelungen zu verallgemeinern und auch der Streitwertfestsetzung gem. § 16 GKG zu Grunde zu legen. In diesem Bereich hat der Grundsatz des klaren, eindeutigen Maßstabes zur Berücksichtigung des Streitwertes Vorrang.

Letztlich sprechen auch soziale Aspekte, die der Regelung des § 16 GKG ohnehin zu Grunde liegen, dafür, den Streitwert niedrig zu halten.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 25 Abs. 4 GKG.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: bis 300,- EUR (unter Zugrundelegung von 1 1/2 Rechtsanwaltsgebühren zzgl. Auslagenpauschale und MWSt aus einem Differenzstreitwert von 1.628,64 EUR).






LG Bonn:
Beschluss v. 10.03.2004
Az: 6 T 48/04


Link zum Urteil:
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