Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juni 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 385/03

(BPatG: Beschluss v. 14.06.2006, Az.: 7 W (pat) 385/03)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das Patent 100 03 516 mit der Bezeichnung Turbinenrotor für eine Dampfturbinedessen Erteilung am 24. April 2003 veröffentlicht worden ist, hat die A... GmbH in B...

am 17. Juli 2003 Einspruch erhoben.

Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei.

Zum Stand der Technik sind dabei die folgenden Druckschriften genannt worden:

D1: YAMADA, M., MIYAZAKI, M., WATENABE, O.; KAWAI, M.: Development of Integral High-Pressure-Low-Pressure Combination Rotor Forgings, Symposium STEEL FORGINGS, Williamsburg/USA 28. - 30. November 1984, ASTM Special Technical Publication 903, Philadelphia, S. 59-73, D2: SUZUKI, A., KINOSHITA, S., KIKUCHI, H.: Manufacture of Differentially Heat-Treated Turbine Rotor Forgings, Symposium STEEL FORGINGS, Williamsburg/USA 28. - 30. November 1984, ASTM Special Technical Publication 903, Philadelphia, S. 74-86, D3: SAWADA, S., OHHASHI, T., KAWAGUSHI, S.: Development of an integral MILP combination rotor forging, Workshop Proceedings: Rotor Forgings for Turbines and Generators, EPRI Proceedings, Palo Alto, September 1981, S. A-75 bis A-80.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (= Hauptantrag)

hilfsweise unter Einbeziehung der Merkmale des Patentanspruchs 2 in den Patentanspruch 1 (= Hilfsantrag 1), weiter hilfsweise unter Einbeziehung der Merkmale des Patentanspruchs 3 in den Patentanspruch 1 (= Hilfsantrag 2), weiter hilfsweise erklärte die Patentinhaberin die Teilung des Patents.

Außerdem beantragte sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet (mit ergänzter Merkmalsgliederung):

Turbinenrotor für eine Dampfturbine, a) welcher einen Hochdruckabschnitt (1) und einen Niederdruckabschnitt (3) aufweist undb) für eine drehbare Halterung in Lagern (10a, 10b) und zur Aufnahme in einem Turbinengehäuse (5) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dassc) der Turbinenrotor mit einem Ringspalt (11a) zur Aufnahme einer den Turbinenrotor umgebenden Trennplatte (11) ausgebildet ist, umd) eine thermische Gradientenbehandlung zur Beeinflussung der mechanischen Eigenschaften des Rotormaterials jedes der Druckabschnitte durch unterschiedliche thermische Behandlung zu ermöglichen, wobei, e) wenn ein axialer Abstand zwischen einer Festlegposition einer beweglichen Turbinenschaufel einer letzten Stufe des Niederdruckturbinenabschnitts und einer Festlegposition der Trennplatte (11) als A definiert istf) eine Schaufellänge der beweglichen Turbinenschaufel als B definiert ist, undg) ein axialer Abstand zwischen einer vorhergehenden Stufe der letzten Stufe des Niederdruckturbinenabschnitts und der Festlegeposition des Ringspalts als C definiert ist, h) die Festlegposition des Ringspalts auf einen Bereich von A/B > 0,9 und C > 300 mm festgelegt ist.

Laut Beschreibung, Abs. [0010], soll die Aufgabe gelöst werden, einen Turbinenrotor zu schaffen, dessen den unterschiedlichen Druckabschnitten der Turbine entsprechende Abschnitte hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften an die unterschiedlichen Anforderungen angepasst sind, so dass sie den auftretenden mechanischen Belastungen sicher Stand halten.

Die Patentansprüche 2 bis 7 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen der Gegenstand des Patentanspruchs 1 weiter ausgebildet werden soll. Patentanspruch 8 ist auf eine Dampfturbine mit einem Turbinenrotor nach den Patentansprüchen 1 bis 7 gerichtet.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Der Einspruch ist auch ausreichend substantiiert. Im Einspruchschriftsatz wird erkennbar auf die im Patentanspruch 1 genannten Merkmale eingegangen. Er ist daher zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt.

3. Der Turbinenrotor nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar.

Der zuständige Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Dampfturbinen.

3.1 Zum Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag Der Turbinenrotor nach dem Patentanspruch 1 ist gegenüber den von der Einsprechenden genannten Druckschriften D1 bis D3 neu.

Keine der Druckschriften zeigt einen Turbinenrotor im Sinne des Merkmalkomplexes e) bis h), bei dem die axiale Position eines umfangsseitigen Ringspalts am Turbinenrotor zur Aufnahme einer Trennplatte während der thermischen Gradientenbehandlung des Turbinenrotors derart festgelegt wird, dass einerseits der axiale Abstand zwischen der beweglichen Turbinenschaufel einer letzten Stufe des Niederdruckturbinenabschnitts und der Trennplatte in Relation zur Schaufellänge der beweglichen Turbinenschaufel gesetzt wird und andererseits der axiale Abstand zwischen einer vorhergehenden Stufe der letzten Stufe des Niederdruckturbinenabschnitts und der Festlegeposition des Ringspalts auf einen Mindestbereich festgelegt wird. Entsprechend sind auch die im Merkmal h) des Patentanspruchs 1 genannten Wertebereiche nicht den genannten Druckschriften zu entnehmen.

Die Druckschriften D1 bis D3 offenbaren lediglich, dass bei einer einstückigen Turbinenwelle mit dafür üblichen Werkstoffen durch eine Gradientenwärmebehandlung definierte Bereiche hoher Kriechfestigkeit (Hochdruckabschnitt) sowie hoher Zugfestigkeit und hoher Zähigkeit (Niederdruckabschnitt) eingestellt werden können.

Der Turbinenrotor des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der D1 ist zwar ein Gradientenwärmebehandlungsverfahren für einen Turbinenrotor bekannt, jedoch werden dort keinerlei Hinweise zu den Abmessungen des Turbinenrotors und seiner Beschaufelung gegeben.

Auch aus der Druckschrift 2 ist ein Gradientenwärmebehandlungsverfahren für einen Turbinenrotor bekannt. Ein den Turbinenrotor während seiner thermischen Gradientenbehandlung umgebende Trennplatte ist zwar erwähnt (S. 79, Abs. 4) und dargestellt (Fig. 3 bis 6 sowie 8), ein Ringspalt zur Aufnahme der Trennplatte ist jedoch nicht offenbart. Die Längenbemaßung in den Figuren 5 und 6 lassen lediglich einen Rückschluss darauf zu, dass die Anordnung der Trennplatte im Mitteldruckbereich der Turbinenwelle erfolgt. Abstände zwischen der Trennplatte und einzelnen Stufen der Turbinenbeschaufelung werden nicht in Beziehung zueinander gebracht.

Die Druckschrift 3 zeigt ebenfalls ein Gradientenwärmebehandlungsverfahren für einen Turbinenrotor. Dabei werden lediglich Abmessungen zu Rotorlänge und -durchmesser und zur Lage des Spaltes zwischen den Enden der Rotorwelle angegeben.

Ein linearer Zusammenhang zwischen den Abständen A gemäß Merkmal e) und B gemäß Merkmal f), der im Merkmal h) zur Festlegung des Bereiches für die Anordnung des Ringspaltes zum Ausdruck kommt, ist weder Bestandteil des Grundlagenwissens des Fachmanns noch ist ein solcher Zusammenhang in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ableitbar. Die genannten Druckschriften geben schon dadurch, dass sie die Beschaufelung nicht als Einflussfaktor für die Anordnung des Ringspalts in Betracht ziehen, auch keine Anregung, die genannten Maße in Beziehung zueinander zu stellen. Bei der axialen Festlegung des Ringspalts unter Berücksichtigung der Schaufellänge der letzten Stufe zusätzlich den axialen Abstand C einer zur letzten Stufe vorhergehenden Stufe des Niederdruckturbinenabschnitts in Betracht zu ziehen, erhält weder durch die genannten Druckschriften noch aus der täglichen Praxis des Fachmanns eine Anregung.

Die Lehre des Patentanspruchs 1 geht damit über die Anwendung allgemeinen Fachwissens hinaus.

Die übrigen im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften geben dem Fachmann im Hinblick auf den Turbinenrotor des Patentanspruchs 1 auch keine näherführenden Erkenntnisse.

Die in den Kennzeichenteilen der Unteransprüche 2 bis 7 genannten Merkmale dienen der vorteilhaften Weiterbildung des Gegenstandes nach Patentanspruch 1. Die im Kennzeichenteil des Patentanspruchs 8 genannten Merkmale dienen der Angabe eines vorteilhaften Betriebsbereiches für eine Dampfturbine mit einem Turbinenrotor nach einem der Patentansprüche 1 bis 7.

Bei dieser Sachlage war das Patent aufrechtzuerhalten.

Da bereits der Hauptantrag zum Erfolg führt, ist auf die Hilfsanträge nicht weiter einzugehen. Der nur hilfsweise gestellte Teilungsantrag ist nicht wirksam geworden. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gleichzeitig gegenstandslos.






BPatG:
Beschluss v. 14.06.2006
Az: 7 W (pat) 385/03


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