Finanzgericht Hamburg:
Urteil vom 24. November 2011
Aktenzeichen: 6 K 22/10
(FG Hamburg: Urteil v. 24.11.2011, Az.: 6 K 22/10)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Zurechnung von Dividendenerträgen und über die Anrechnung von Kapitalertragsteuern.
Die Klägerin wurde mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründet und am ... 2008 in das Handelsregister bei dem Amtsgericht A unter der Firma B. ... Verwaltungsgesellschaft mbH (HRB ...) eingetragen. Mit Beschlüssen der Gesellschafterversammlung vom 25.04.2008 und vom 07.05.2008 wurde die Neufassung des Gesellschaftsvertrages beschlossen, insbesondere in den §§ 1 (Firma) und 2 (Gegenstand). Danach ist Gegenstand des Unternehmens die Begründung und das Halten von Beteiligungen an Gesellschaften im In- und Ausland jedweder Art und die Verwaltung eigenen Vermögens, ferner der Handel mit Finanzinstrumenten auf eigene Rechnung. Das Unternehmen darf diesbezüglich Absicherungsmaßnahmen durchführen. Die Begründung und das Halten von Beteiligungen und der Handel mit Finanzinstrumenten dürfen fremdfinanziert erfolgen. Die Gesellschaft ist berechtigt, Zweigniederlassungen im In- und Ausland zu errichten und zu unterhalten. Zum Geschäftsführer wurde Herr C bestellt. Die Klägerin beschäftigt keine weiteren Arbeitnehmer.
Die Klägerin ist ein Finanzunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG), § 8b Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), das Aktien mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erwirbt und wieder veräußert.
Im Streitjahr erwarb die Klägerin jeweils am Tag vor dem Dividendenstichtag (Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Ausschüttung) dividendenberechtigte Aktien ("cum Dividende").
Die Klägerin kaufte die Aktien über eine in D, England, ansässige Brokergesellschaft, die E Ltd. ("E"). Die Transaktionen erfolgten im außerbörslichen Handel (OTC). Zu den Erwerbszeitpunkten befanden sich die Aktien in Depots des französischen F S.A. (Settlement Location).
Auf der Grundlage von mit der in D, England, ansässigen G Ltd. ("G") abgeschlossenen Verträgen -Global Master Securities Lending Agreement (Rahmenvertrag über Wertpapierleihe - WpL-Rahmenvertrag -) vom ... 2008,"H" - 2002 Master Agreement (Rahmenvertrag der Internationalen Vereinigung von Swap- und Devisenhändlern - Swap-Rahmenvertrag -) vom ... 2008Loan Agreement (Darlehensvertrag),Custody Agreement (Verwahrungsvertrag) vom ... 2008,Security and Set-Off-Deed (Wertpapier- und Aufrechnungsurkunde) vom ... 2008,"H" Schedule (Ablaufplan) to the 2002 Master Agreement vom ... 2008 undCredit Support Annex (Kreditsicherungsanhang) to the "H" Master Agreement vom ... 2008 -tätigte die Klägerin Wertpapierleih- und (Total Return) Swap-Geschäfte.In Ausübung des Rahmenvertrags über die Wertpapierleihe vom ...2008 (Global Master Securities Lending Agreement) verpflichtete sich die Klägerin am jeweiligen Tag des Gewinnverwendungsbeschlusses, der G die erworbenen Aktien darlehensweise zu überlassen. Übertragen wurden die Wertpapiere zu vollem Eigentum und zur freien Verfügung mit der Maßgabe, dass Wertpapiere gleicher Art und mit gleichem Nominalwert ("Equivalent Securities") zurückzugeben seien (Abschnitt 4 i. V. m. Abschnitt 2.1 WpL-Rahmenvertrag). Zugleich vereinbarten die Vertragsparteien als Tag der Hingabe der Wertpapiere (Loan Date) sowie als Abrechnungstag (Settlement Date) den jeweiligen Tag der Auszahlung der Dividenden.
Die G war als Entleiher verpflichtet, der Klägerin zeitgleich mit der Wertpapierleihe und spätestens zum Handelsschluss des Abrechnungstages (Settlement Date) den an sie verliehenen Wertpapieren entsprechende Sicherheiten zu gewähren (Abschnitt 5 WpL-Rahmenvertrag); die Zahlung dieser Barsicherheit sollte automatisch mit der buchmäßigen Lieferung der Wertpapiere generiert werden (Abschnitt 5.2 WpL-Rahmenvertrag).
Für den Ausgleich von Dividendenerträgen verpflichtete sich die G als Entleiher der Wertpapiere, an dem Zahlungstag der Dividenden einen diesen Erträgen entsprechenden Betrag an die Klägerin als Verleiher zu zahlen (Abschnitt 6.1 WpL-Rahmenvertrag - "Manufactured Payments"/"Manufactured Dividends" -).
Ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung zum Jahresabschluss der Klägerin auf den 31.12.2008 (Bl. 9) leistete die G Zahlungen in Höhe der Dividendenerträge (einschließlich Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag) von 12.422.340 € als Gegenleistung für die Wertpapierdarlehen an die Klägerin.
Umgekehrt verpflichtete sich die Klägerin auf der Grundlage des Swap-Rahmenvertrages mit der G, dieser einen der Ausschüttungsquote entsprechenden Betrag von 95% zu zahlen. Infolgedessen zahlte die Klägerin an die G 95% der als Ertrag gebuchten Manufactured Dividends ("Dividendenausgleichszahlungen") in Höhe von 11.801.223 €.
Nach Rückgabe der Equivalent Securities durch die G verkaufte die Klägerin diese Aktien erneut über die E.
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Transaktionen:
Aktie AnzahlKaufdatumVereinbarung über die Wertpapierleihe und GewinnverwendungsbeschlussZahlungstag der Dividenden und Loan Settlement DateVerkaufsdatum"N" AG6.500.00014.05.200815.05.2008 16.05.200803.06.2008"O" AG 960.00015.05.2008 16.05.2008 19.05.200804.06.2008"P" 750.00020.05.2008 21.05.2008 22.05.200808.07.2008"M" AG950.00020.05.2008 21.05.2008 22.05.200808.07.2008"Q" AG 22.12028.05.2008 29.05.2008 30.05.200815.07.2008Die G verwahrte die streitigen Aktien nicht selbst, sondern ließ diese im eigenen Namen, aber für Rechnung der Klägerin durch die I, J, ("I") unterverwahren ("Sub-Custodian").
Schließlich verwahrte auch die I die Aktien nicht selbst; tatsächliche Verwahrstelle war die girosammelverwahrende K Aktiengesellschaft, J ("K").
Die adressierte an die Klägerin unter "I Depotkonto ... für die G ltd." Erträgnisabrechnungen und Steuerbescheinigungen über die in das Depot eingelieferten Aktien; diesen liegen folgende Beträge zugrunde:
Bl. Nennbetrag/StückzahlBruttodividendeKapSt 20%SolZ 5,5%"N" AG17 6.500.0005.070.000 €1.014.000 €55.770,00 €"O" AG21 960.000 1.132.800 € 226.560 €12.460,80 €"P" 18 750.000 4.125.000 € 825.000 € 45.375,00 €"M" AG19 950.000 1.995.000 € 399.000 €21.945,00 €"Q" AG20 22.120 99.540 € 19.908 €1.094,94 €Summe 12.422.340 €2.484.468 €136.645,74 €Nach Rückkauf der Aktien durch E zahlte die Klägerin aus den Verkaufserlösen die Barsicherheiten an die G zurück und lieferte die von der G überlassenen Aktien an E aus.
Die Klägerin erzielte ausweislich ihres Berichts über die Erstellung des Jahresabschlusses für das Rumpfwirtschaftsjahr zum 31.12.2008 einen Jahresüberschuss in Höhe von 339.419,21 €. Das Ergebnis ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit betrug 581.670,23 €. Dieses erklärte sie mit Körperschaftsteuererklärung für 2008 vom 04.05.2009. Zugleich beantragte sie unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen der I (Aktiendepots) und der L Bank (Zinserträge) die Anrechnung von Kapitalertragsteuern, Zinsabschlag und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 2.621.322,89 €.
Der Beklagte lehnte die Körperschaftsteuerfestsetzung für 2008 mit Bescheid vom 25.01.2010 ab. Die Klägerin sei zu den Dividendenstichtagen weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien gewesen, weshalb ihr die Dividendenzahlungen gemäß § 20 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (§ 20 Abs. 2a EStG a. F.) steuerlich nicht zugerechnet werden könnten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setze der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen voraus, dass der Erwerber aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben habe, dass die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf den Erwerber übergegangen seien. Dem Erwerber müsse danach der wirtschaftliche Wert der Anteile, also deren Substanz und Ertrag, zustehen, und zwar vollständig und auf Dauer. Vorliegend habe die Klägerin zeitgleich mit der Erteilung der Kaufaufträge an E Kurssicherungsgeschäfte mit der G geschlossen. Danach seien die Kursrisiken und -chancen nicht auf die Klägerin übergegangen und somit eine der Grundvoraussetzungen für den Übergang wirtschaftlichen Eigentums nicht erfüllt worden. Dass es sich bei den Kaufaufträgen und den Swap-Geschäften um separate Rechtsgeschäfte gehandelt habe, sei unbeachtlich; die einzelnen Verträge und ihre Auswirkungen müssten in einer Gesamtbetrachtung gewürdigt werden. Mit der Verneinung wirtschaftlichen Eigentums erübrige sich zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage etwaiger Leerverkäufe und der Anerkennungsfähigkeit der vorgelegten Steuerbescheinigungen.
Die Klägerin hat am 08.02.2010 (Sprung)Klage erhoben. Der Beklagte hat der ihm am 12.02.2010 zugestellten Sprungklage am 04.03.2010 zugestimmt.
Die Klägerin trägt vor:
Sie habe als Finanzunternehmen i. S. d. § 1 Abs. 3 KWG die streitigen Aktien vor dem jeweiligen Dividendenstichtag gekauft, das Kursrisiko über ein Swapgeschäft abgesichert, die ausgeschüttete Dividende vereinnahmt und nach einer gewissen Zeit die Aktien wieder veräußert. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sei der Übergang wirtschaftlichen Eigentums nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu bestimmen. Ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums könne deshalb auch dann angenommen werden, wenn die von dem Beklagten zutreffend genannten drei Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt seien. Ausschlaggebend seien zuvorderst das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte. Hiernach habe sie, die Klägerin, wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erworben. Sie habe durch die mit E abgeschlossenen Kaufverträge unstreitig eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben. Die Aktien seien zudem mit dem Gewinnbezugsrecht als dem wesentlichen, mit der Beteiligung verbundenen Recht gekauft worden. Denn die Aktien seien einen Tag vor dem Dividendenstichtag mit dem Dividendenbezugsrecht (cum Dividende) erworben worden; dementsprechend habe sie, die Klägerin, auch die Dividendengutschriften erhalten. Der Übergang des Dividendenbezugsrechts sei somit rechtlich vereinbart, wirtschaftlich gewollt und tatsächlich durchgeführt worden.
Hinsichtlich der Stimmrechte als weitere wesentliche Anteilsrechte gehe der BFH davon aus, dass ein Verkäufer mit Abschluss des Kaufvertrags das formal noch bei ihm verbliebene Stimmrecht im Interesse des Erwerbers wahrzunehmen habe. Dies gelte jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - das Gewinnbezugsrecht auf den Erwerber übergegangen sei und hinsichtlich des Stimmrechts keine besonderen Vereinbarungen getroffen worden seien. Ungeachtet dessen sei vorliegend auch fraglich, ob die Stimmrechte überhaupt ein wesentliches Recht verkörperten. Denn es könne davon ausgegangen werden, dass bei Publikumsaktiengesellschaften alle Minderheitsgesellschafter die gleichen Interessen verfolgten und dass zudem deren Einflussmöglichkeiten faktisch bei Null lägen.
Schließlich sei das Kursrisiko unstreitig von E auf sie, die Klägerin, übergegangen. Insoweit könne nicht auf weitere Rechtsbeziehungen zu Dritten abgestellt werden. Die mit der G abgeschlossenen Swap-Geschäfte könnten somit nicht entscheidungserheblich sein. Zwar seien die Kursrisiken durch die Swap-Geschäfte im Ergebnis auf die G ausgelagert worden; dies sei gerade auch der Sinn und Zweck eines sog. Equity oder Total Return Swaps. Die Swap-Geschäfte seien ein Beweis dafür, dass die Kursrisiken von E auf sie, die Klägerin, übergegangen seien; ansonsten hätte es einer Kurssicherung nicht bedurft. Im Übrigen habe sich der BFH wiederholt gegen eine Gesamtbetrachtung voneinander unabhängiger Verträge ausgesprochen und sogar ausdrücklich entschieden, dass eine Gesamtbetrachtung dem klaren Gesetzeswortlaut des § 39 der Abgabenordnung (AO) widerspreche.
Der Beklagte missverstehe auch das Merkmal der "Dauerhaftigkeit" des Übergangs wirtschaftlichen Eigentums. Der BFH habe mehrfach entschieden, dass selbst bei einem taggleichen An- und Verkauf das wirtschaftliche Eigentum an den erworbenen Aktien begründet werde. Sie, die Klägerin, habe somit wirtschaftliches Eigentum an den fraglichen Aktien erworben, sodass ihr die Dividenden zuzurechnen seien. Zu der weiteren Streitfrage, ob die vorgelegten Steuerbescheinigungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, werde darauf hingewiesen, dass die I gemäß § 45a Abs. 3 Satz 2 HS 2 EStG nicht verpflichtet gewesen sei, auf den Steuerbescheinigungen anzugeben, an welches Finanzamt und unter welcher Steuernummer sie die Kapitalertragsteuer abgeführt habe.
Die fraglichen Aktien seien mit der Erlangung des zivilrechtlichen Eigentums durch sie, die Klägerin, im Zuge der Aktienkäufe zunächst in ihr Depot eingeliefert/eingebucht und noch am gleichen Tage kurze Zeit später mit dem Vollzug der Wertpapierleihe aus ihrem Depot wieder entnommen/ausgebucht worden. Auch im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb entstehe die Dividendenforderung und sei die Dividendenforderung zu buchen im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses, in Ausnahmefällen sogar noch früher (vgl. BFH vom 07.02.2007 I R 15/06). Und da auf den wirtschaftlichen Eigentümer abzustellen sei, habe dieser und nicht etwa der zivilrechtliche Eigentümer der Aktien im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses den Bruttodividendenanspruch zu aktivieren und im Rahmen der doppelten Buchführung die Bruttodividende als Ertrag zu verbuchen. Konsequenterweise werde die Dividende auch auf Ebene der Banken dem Konto des wirtschaftlichen Eigentümers der Aktie im Zeitpunkt des Dividendenbeschlusses gutgeschrieben, was technisch dadurch gewährleistet werde, dass das Depot des Verkäufers einen sog. "Sperrvermerk" erhalte. Für die Frage der Einkünftezurechnung dürfe nicht einmal auf den zivilrechtlichen und einmal auf den wirtschaftlichen Eigentümer oder gar auf unterschiedliche entscheidungserhebliche Zeitpunkte abgestellt werden.
Die Dividenden seien in ihrer, der Klägerin, Gewinn- und Verlustrechnung unter der Position Umsatzerlöse als Ertrag erfasst worden. Der Betrag der Umsatzerlöse in Höhe von 12.442.344,00 € errechne sich nachweislich aus der Addition der fünf Bruttodividenden. Eine andere sinnvolle Erklärung für eine davon abweichende Zusammensetzung/Errechnung der Position gebe es nicht.
In aggregierter Form lauteten die Buchungssätze wie folgt:per Bankkonto (Nettodividenden),per Forderung Finanzamt (Kapitalertragsteuer mit Solidaritätszuschlag),an Umsatzerlöse (Bruttodividenden).Die Forderung gegenüber dem Finanzamt sei aus der Position "B. 2. Sonstige Vermögensgegenstände - Steuerüberzahlungen" in ihrer, der Klägerin, Bilanz auf den 31.12.2008 ersichtlich. Der dort per 31.12.2008 ausgewiesene Betrag von 2.529.274,87 € errechne sich abzüglich der tariflichen Steuerbelastung (vor Anrechnung der Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag) gemäß den eingereichten Steuererklärungen.
Die Erläuterung zu der Position "Umsatzerlöse" in der Bilanz auf den 31.12.2008 dahingehend, dass sie, die Klägerin, mehrere Wertpapierdarlehen gegeben und dafür Barsicherheiten erhalten habe, sei zwar sachlich richtig, an dieser Stelle allerdings irreführend, da die Erläuterung nicht im Zusammenhang mit den Umsatzerlösen stehe. Der wirtschaftliche Hintergrund bestehe vielmehr darin, dass sie, die Klägerin, zur Bezahlung der gekauften Aktien von der G zunächst jeweils ein Gelddarlehen erhalten habe und unmittelbar nach der Einlieferung der gekauften und bezahlten Aktien in ihr Depot die Aktien im Rahmen der Wertpapierleihe weiter an die G geliefert worden seien. Als Sicherheit für die geliehenen Wertpapiere habe die G ihr, der Klägerin, eine Barsicherheit gewährt. Die Gewährung der Barsicherheit sei tatsächlich nicht durch Zahlung/Hinterlegung von Bargeld, sondern durch Verrechnung mit dem Gelddarlehen erfolgt. Für sie, die Klägerin, sei die Verrechnung der Barsicherheit mit dem Gelddarlehen sinnvoll, da die Konditionen für die Barsicherheit günstiger gewesen seien als die für das Gelddarlehen.
Die Klägerin beantragt, den Ablehnungsbescheid vom 25.01.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie für 2008 erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer zu veranlagen und Kapitalertragsteuer in Höhe von 2.484.468 €, Zinsabschlag in Höhe von 198,27 € sowie Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer in Höhe von 136.656,62 € auf die festzusetzende Körperschaftsteuer und den festzusetzenden Solidaritätszuschlag anzurechnen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf sein außergerichtliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:
Es liege ein Fall des Dividendenstrippings vor. Ziel sei es gewesen, der nicht anrechnungsberechtigten G über die Geschäfte mit der Klägerin zumindest teilweise die Vorteile der Anrechnung von Kapitalertragsteuer zukommen zu lassen. Dabei handele es sich um einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO. Zudem seien die Vertragsabschlüsse mit E und der G zeitlich und inhaltlich derart miteinander verbunden gewesen, dass die Klägerin über die formalen An- und Verkäufe hinaus keine Möglichkeit gehabt habe, wirtschaftlich über die Aktien zu verfügen und Kurssteigerungen abzuwarten und durch Verkäufe auszunutzen. Die Aktien seien der Klägerin somit sowohl unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs als auch unter dem Gesichtspunkt des fehlenden wirtschaftlichen Eigentums steuerlich nicht zuzurechnen gewesen. Deshalb sei eine Veranlagung für 2008 zu Recht versagt worden. Im Übrigen würden die Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit der von der Klägerin vorgelegten Steuerbescheinigungen aufrechterhalten.
Am 27.08.2010 hat ein Erörterungstermin stattgefunden; auf die Niederschrift über diesen Termin wird Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 06.10.2010 hat das Gericht der Klage stattgegeben. Am 04.11.2010 hat der Beklagte einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
Am 19.10.2011 hat ein weiterer Erörterungstermin und am 24.11.2011 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden; auf die Niederschriften über diese Termine wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Dem Gericht haben die Körperschaftsteuerakten Bd. I und die Bilanzakten zur Steuernummer ... vorgelegen.
I.
Gründe
1. Die Klage betreffend die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen ist unzulässig.
Die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge wird durch eine Anrechnungsverfügung oder einen Abrechnungsbescheid herbeigeführt. Diese stellen einen selbstständigen, von der Steuerfestsetzung zu unterscheidenden, rechtsbestätigenden Verwaltungsakt dar, der Teil des Erhebungsverfahrens ist (BFH Urteile vom 15.04.1997 VII R 100/96, BFHE 182, 506, BStBl II 1997, 787; vom 18.07.2000 VII R 32, 33/99, BFHE 192, 405, BStBl II 2001, 133; vom 26.02.2008 VIII R 1/07, BFHE 220, 229, BStBl II 2008, 659).
Im Streitfall hat der Beklagte keinen das Steuererhebungsverfahren betreffenden Verwaltungsakt erlassen. Der Ablehnungsbescheid vom 25.01.2010 betrifft ausdrücklich nur das Steuerfestsetzungsverfahren. Damit liegt kein im Wege der Sprungklage gemäß § 45 der Finanzgerichtsordnung - FGO - anfechtbarer Verwaltungsakt (Anrechnungsverfügung oder Abrechnungsbescheid) zur Steueranrechnung vor. Die Klage geht insoweit ins Leere und ist mangels Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) unzulässig.
2. Die Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 25.01.2010 ist als Sprungklage gemäß § 45 FGO zulässig.
a) Der Beklagte hat innerhalb der Monatsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO der Sprungklage dem Gericht gegenüber zugestimmt.
b) Das mit der Sprungklage gegen den Ablehnungsbescheid verfolgte Rechtsschutzbegehren der Klägerin zielt darauf, den Beklagten zu verpflichten, eine Körperschaftsteuerveranlagung für 2008 durchzuführen. Die Klägerin verfolgt damit das - eigentliche - Ziel der Anrechnung von Kapitalertragsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 31 Abs. 1 KStG.
Unzulässig ist eine Klage mangels einer objektiven Beschwer grundsätzlich dann, wenn sie auf die Festsetzung einer höheren Steuer zielt. Maßgebend für die objektive Klagebefugnis i. S. des § 40 Abs. 2 FGO ist bei Steuerbescheiden die in dem Ausspruch enthaltene Steuerfestsetzung. Die Beschwer durch einen Steuerbescheid ergibt sich grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung. Eine auf 0 € lautende Steuerfestsetzung bzw. ein Freistellungsbescheid belasten den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht. Aus § 157 AO folgt vielmehr die Regel, dass eine Rechtsverletzung nur wegen einer zu hohen Steuerfestsetzung geltend gemacht werden kann. Deshalb ist eine Anfechtungsklage gegen einen Körperschaftssteuerbescheid, in dem die Steuerschuld - wie im Streitfall - auf 0 € festgesetzt worden ist, im Allgemeinen unzulässig (vgl. BFH Urteile vom 08.11.1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91; vom 17.06.2009 VI R 46/07, BFHE 226, 53, BStBl II 2010, 72).
Diese Grundsätze treten indes zurück, wenn - wie im Fall der Klägerin - die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen nur möglich ist, soweit die entsprechenden Einkünfte bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen erfasst werden (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 31 Abs. 1 KStG). Ob die Einkünfte bei der Klägerin tatsächlich zu erfassen und veranlagen sind, betrifft die Begründetheit der Klage und nicht die Klagebefugnis gemäß § 40 Abs. 2 FGO, die nur die substantiierte Geltendmachung einer möglichen Rechtsverletzung erfordert. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nämlich erfüllt, wenn das Klagevorbringen es als zumindest möglich erscheinen lässt, dass die angefochtene Entscheidung eigene Rechte der Klägerin verletzt (vgl. BFH Urteile vom 10.10.2007 VII R 36/06, BFHE 218, 458; vom 15.12.1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527; vom 24.11.2009 I R 12/09, BFHE 228, 195, BStBl II 2010, 590).
Danach ist im Streitfall die Klagebefugnis gegeben. Denn die Klägerin hat geltend gemacht, die ausgeschütteten Dividenden, für die sie den Kapitalertragsteuerabzug begehrt, erhalten zu haben.
II.
Die Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 25.01.2010 ist jedoch unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid ist zwar rechtswidrig (1.); er verletzt die Klägerin indes nicht in ihren Rechten, § 101 Satz 1 FGO (2.).
1. Der Ablehnungsbescheid vom 25.01.2010 stellt einen Freistellungsbescheid i. S. d. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO dar; er besagt, dass die Klägerin aufgrund ihrer steuerlichen Verhältnisse für das Streitjahr 2008 materiell keine Steuer schulde (vgl. BFH Urteile vom 13.11.1979 VIII R 175/77, BFHE 129, 240, BStBl II 1980, 193; vom 09.04.2008 II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435).
Dieser Freistellungsbescheid, der einem Steuerbescheid nach § 155 Abs.1 Satz 3 AO gleichgestellt ist, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klägerin war im Streitjahr persönlich steuerpflichtig; sie war als Kapitalgesellschaft mit Sitz in A unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Sie erzielte auch ein zu versteuerndes Einkommen, das der Bemessung der Körperschaftsteuer zugrunde zu legen ist (§ 7 Abs. 1 KStG). Die Klägerin war danach zur Körperschaftsteuer zu veranlagen.
2. Das zu versteuernde Einkommen der Klägerin für 2008 enthält jedoch keine Dividendenerträge, die zur Anrechnung von Kapitalertragsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 31 Abs. 1 KStG hätten führen können. Eine Rechtsverletzung der Klägerin liegt somit nicht vor.
Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des EStG, soweit das KStG keine Sonderregelungen vorsieht (§ 8 Abs. 1 S. 1 KStG).
a) Die Klägerin erzielte im Streitjahr entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht etwa Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG. Eine Anwendung dieser Vorschrift zur Einkünfteermittlung einschließlich des Abs. 2a (heute: § 20 Abs. 5 EStG) zur Bestimmung des Anteilseigners ist ausgeschlossen, da eine Sonderregelung vorliegt.
Denn gemäß § 8 Abs. 2 KStG, der eine Sonderregelung i. S. d. Abs. 1 dieser Vorschrift darstellt, sind bei der Klägerin als unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
§ 8 Abs. 2 KStG enthält eine Rechtsfolgenverweisung und ist keine Umqualifizierungsnorm im Sinne einer Rechtsgrundverweisung. Somit sind bei einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG alle Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb. Dies entspricht nicht nur dem Ausdruck "alle", sondern auch der in § 5 Abs. 1 EStG angeordneten Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (vgl. BFH Urteil vom 04.12.1996 I R 54/95, BFHE 182,123, BFH/NV 1997, 190; Lang in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 8 Abs. 2 Rn. 26; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 8 Rn. 39; Rengers in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, § 8 Rn. 57; a. A. Frotscher in Frotscher/Maas, Kommentar zum Körperschaft-, Gewerbe- und Umwandlungssteuergesetz, § 8 Rn. 25).
Unter Berücksichtigung dessen sind alle Einkünfte der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Eine Anwendung des § 20 EStG ist im Streitfall ausgeschlossen.
b) Wie die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu ermitteln sind, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG. Danach sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Gewinn. Dieser besteht gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Anfang des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist am Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Danach muss der Gewinn der Klägerin einschließlich etwaiger Dividendenerträge nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG ermittelt werden. Denn die Klägerin gehört als Finanzunternehmen i. S. d. § 1 Abs. 3 KWG zu den buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen (vgl. § 6 Abs.1 i. V. m. § 238 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Im Streitfall sind die streitigen Aktien im Zeitpunkt der Dividendenausschüttung aber nicht der Klägerin zuzurechnen; sie erzielte dementsprechend auch keine Dividendenerträge.
aa) Der in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG geregelte sog. Grundsatz der Maßgeblichkeit bewirkt, dass der Ansatz für Vermögensgegenstände und Schulden, die nach Handelsrecht zu bilanzieren sind, grundsätzlich auch für Zwecke der Besteuerung zugrunde gelegt werden muss.
Handelsrechtlich hat der Kaufmann nur "seine" Vermögensgegenstände auszuweisen (§§ 240, 242 HGB). Bestandteil des Vermögens des Kaufmanns sind grundsätzlich die ihm zivilrechtlich gehörenden Vermögensgegenstände; das gilt jedoch nicht für solche Vermögensgegenstände, die nach der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu einer anderen Person und nach den tatsächlichen Verhältnissen wirtschaftlich Bestandteil des Vermögens jener Person sind (vgl. BFH Urteil vom 14.05.2002 VIII R 30/98, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741; BGH Urteil vom 06.11.1995 II ZR 164/94, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1996, 458). Dem Betriebsvermögen können danach nur im (wirtschaftlichen) Eigentum des Unternehmers stehende Wirtschaftsgüter zugerechnet werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 242 Abs. 1 HGB, § 39 AO). Der Erhalt von in fremdem Eigentum stehenden Geldbeträgen ist nicht als Betriebseinnahme zu erfassen (vgl. BFH Urteil vom 04.11.2004 III R 5/03, BFHE 208, 162, BStBl II 2005, 277).
bb) Bei Aktien erlangt der Erwerber (wirtschaftliches) Eigentum im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt, von dem ab er nach dem Willen der Vertragspartner über die Wertpapiere verfügen kann. Das ist in der Regel der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten, insbesondere die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen, auf den Erwerber übergegangen sind (BFH Urteil vom 15.12.1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527).
c) Die Klägerin erwarb die streitigen Aktien gemäß § 453 i. V. m. § 433 BGB in der Zeit vom 14. bis 28.05.2008 jeweils einen Tag vor dem Beschluss der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung (§ 174 AktG). Am Tag des schuldrechtlichen Erwerbs der Aktien erlangte die Klägerin auch (wirtschaftliches) Eigentum an den Aktien.
aa) Bei Aktien, die durch eine Wertpapiersammelbank - wie im Streitfall durch die K- verwahrt werden (§ 1 Abs. 2 des Depotgesetzes - DepotG -), erfolgt die Übertragung dieser Girosammeldepotguthaben zur Verschaffung des Eigentums durch Mitteilung des Verkäufers an den Sammelverwahrer, mit dem Käufer ein neues Besitzmittlungsverhältnis einzugehen. Die Girosammelbestände bilden die Grundlage für den stückelosen Effektengiroverkehr von Wertpapieren; jeder Käufer erwirbt einen Miteigentumsanteil am Wertpapiersammelbestand, so dass die Wertpapiere und Urkunden nicht bewegt werden müssen. Das Miteigentumsrecht besteht gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 DepotG in Form einer Bruchteilsquote an jedem einzelnen Wertpapier des Sammelbestands; der Depotkunde verliert dadurch sein Alleineigentum an den Wertpapieren. Der Käufer ist damit Bruchteilseigentümer an Wertpapieren gleicher Gattung, die gemeinsam im Girosammeldepot verwahrt werden. Der Sammelverwahrer belastet das Wertpapierdepot des Verkäufers und schreibt dem Käufer die Wertpapiere gut; dem Erwerber können damit die mit den Anteilen verbundenen Gewinnansprüche nicht mehr entzogen werden (vgl. Häuselmann, Die steuerbilanzielle Erfassung von Finanzinstrumenten, Seite 30; Rau/Sahl, Dividendenstripping, BB 2000, Seite 1114; Schmidt/Stoll, Dividendenstripping, DStR 2001, Seite 2141).
bb) Die Klägerin hatte danach beim Kauf der Aktien wirtschaftliches Eigentum ab dem Zeitpunkt erlangt, von dem ab sie nach dem Willen der Vertragspartner über die Wertpapiere verfügen konnte; maßgeblich war der Zeitpunkt, an dem die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen auf sie als Erwerberin übergegangen waren und nach den üblichen Abläufen beim OTC-Handel die mit den erworbenen Aktien verbundenen Gewinnansprüche regelmäßig nicht mehr entzogen werden konnten. Der nachgelagerten wertpapiertechnischen Abwicklung des Kaufvorgangs kommt dabei keine grundlegende Bedeutung zu. Auch eine erst nach dem Tag des Vertragsabschlusses erfolgende Umbuchung beeinflusst den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht (vgl. BFH Urteil vom 15.12.1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527; Beschluss vom 20.11.2007 I R 85/05, BFHE 223, 414, BFH/NV 2008, 551; Hahne, Auslegungs- und Anwendungsfragen zur gesetzlichen Neuregelung für Aktiengeschäfte um den Ausschüttungstermin, DStR 2007, 605). Hiernach waren die Aktien der Klägerin mit Abschluss des Kaufvertrags und Einlieferung in ihr Depot - noch vor Vereinbarung der Wertpapierleihe - steuerlich zuzuordnen, da sie ab diesem Zeitpunkt die typischen Merkmale eines wirtschaftlichen Eigentümers i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO erfüllte. Von diesem Zeitpunkt an war sie befugt, über die Aktien zu verfügen.
d) Der Kauf der Aktien diente im Streitfall dazu, sie im Wege des Securities Lending an die G zu verleihen. Denn noch vor diesen Erwerbszeitpunkten hatte die Klägerin am ... 2008 mit der G einen Rahmenvertrag über Wertpapierleihe ("Global Master Securities Lending Agreement") und einen Swap-Rahmenvertrag abgeschlossen. Auf der Grundlage des Rahmenvertrages über Wertpapierleihe traf die Klägerin mit der G am jeweils auf den Tag des Erwerbs der Aktien durch die Klägerin folgenden Tag des Beschlusses der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung eine Vereinbarung über die Wertpapierleihe der jeweiligen Aktien. Das (wirtschaftliche) Eigentum an den Aktien ging am jeweiligen Tag des Gewinnverwendungsbeschlusses auf die G als Entleiher über.
aa) Die Bilanzierung einer Wertpapierleihe (Wertpapierdarlehen, Securities Lending) ist gesetzlich nicht geregelt. Bei Wertpapierleihgeschäften werden Wertpapiere auf begrenzte Zeit und gegen Leistung eines Entgelts zu vollem Eigentum und zu freier Verfügung mit der Maßgabe verliehen, dass Papiere gleicher Art und Ausstattung zurückzugeben sind. Damit ist dieses Geschäft zivilrechtlich nicht als Leihe i. S. d. § 598 BGB zu qualifizieren; dem Wertpapierleihgeschäft liegt zivilrechtlich vielmehr ein Vertrag über ein Sachdarlehen (§§ 607 ff. BGB) zugrunde.
Dieser Darlehensvertrag begründet die Pflicht des Verleihers, dem Entleiher das Eigentum an den Aktien zu übertragen (§ 929 ff. BGB). Der Entleiher tritt als zivilrechtlicher Eigentümer in alle Rechte aus den Aktien ein; er wird auch wirtschaftlicher Eigentümer der entliehenen Aktien im Sinne des § 39 AO. Sämtliche Erträge aus den darlehensweise übertragenen Aktien stehen dem Entleiher zu. Ihm stehen während seiner Besitzzeit insbesondere das Dividenden- und das Stimmrecht zu. Der Entleiher ist als zivilrechtlicher Eigentümer auch berechtigt, über die Aktien zu verfügen und sie weiter zu verleihen, zu verkaufen oder zu verpfänden (vgl. Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 20 Rn. 125).
Das Wertpapier ist danach als Eigentum des Wertpapierentleihers einzubuchen; dieser passiviert eine entsprechende Rückgabeverpflichtung. Das führt dazu, dass während der Laufzeit des Wertpapierleihvertrages die Erträge aus den verliehenen Wertpapieren dem Entleiher zuzurechnen sind. Der Wertpapierverleiher bucht das Wertpapier zum Buchwert aus und eine entsprechende Sachdarlehensforderung ein; diese gehört als Surrogat für das Wertpapier zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen (vgl. BFH Urteil vom 17.10.2001 I R 97/00, BFHE 197, 63, BFH/NV 2002, 240; Merkt in Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 21; Stuhrmann in Blümich, EStG § 20 Rn. 453; Bordewin / Brandt / Adamek, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 20 Rn. 45, 46; Häuselmann/Wiesenbart, DB 1990, 2129, 2134; a. A. Bilanzierung wie beim Pensionsgeschäft: Prahl/Naumann WM 92, 1173; Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, § 340 b Rn. 24).
Der Verleiher erhält in der Regel aufgrund schuldrechtliche Abrede mit dem Entleiher ein Entgelt als Ersatz für entgehende Dividendenerträge (sog. Kompensations- oder Ausgleichszahlungen) in Höhe der Dividenden, die während der Laufzeit auf das Papier entfallen. Mitunter wird der Wertpapierleihvertrag - wie im Streitfall - mit einem (Total Return) Swap-Vertrag, der den Verleiher zur Zahlung von Ausgleichsleistungen verpflichtet, verknüpft (vgl. Rau, Wirtschaftliches Eigentum und Gewinnrealisierung bei echten Pensions- bzw. Repogeschäften, Betriebsberater - BB - 2000, Seite 2338).
bb) Die Klägerin hat die streitigen Wertpapiere auf begrenzte Zeit und gegen Zahlung einer Ausgleichsleistung an die G zu vollem Eigentum und zu freier Verfügung mit der Maßgabe verliehen, dass Papiere gleicher Art und Ausstattung zurückzugeben sind (Abschnitt 4 WpL-Rahmenvertrag). Vereinbart wurde die darlehensweise Hingabe der Wertpapiere auf der Grundlage des Rahmenvertrages über Wertpapierleihe vom ...2008 am jeweiligen Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Ausschüttung der Dividenden (Dividendenstichtag). Als Tag der Hingabe der Wertpapiere (Loan Date) sowie als Abrechnungstag (Settlement Date) hatten die Vertragsparteien den jeweiligen Tag der Auszahlung der Dividenden vereinbart. Die Wertpapiere wurden in das Depot ... der G bei der I eingeliefert und von der girosammelverwahrenden K verwahrt; die K besorgt innerhalb der Gruppe M AG die Abwicklung von Wertpapiergeschäften sowie die Wertpapierverwahrung und -verwaltung inländischer und ausländischer Wertpapiere.
Damit ging das wirtschaftliche Eigentum an den von der Klägerin verliehenen Wertpapieren am Dividendenstichtag auf die G über. Als Erwerber girosammelverwahrter Aktien erlangte die G das wirtschaftliche Eigentum mit der schuldrechtlichen Vereinbarung über die Wertpapierleihe und der Einbuchung in ihrem Depot noch vor dem Ende des Dividendenstichtages mit der Folge, dass diese und nicht die Klägerin die dividendenberechtigte Eigentümerin der Aktien wurde. Denn K als zentraler Girosammelverwahrer nimmt die Regulierung der Dividenden zum Ausschüttungszeitpunkt vor; dabei kommt die Usance K zum Tragen, am Abend des Tages der Hauptversammlung sämtliche zu diesem Zeitpunkt noch zu erfüllenden Wertpapiergutschriften oder -belastungen in den Depots nur noch "ex Dividende" vorzunehmen (vgl. Rau, Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums bei girosammelverwahrten Aktien; Kapitalertragsteuer bei Leerverkäufen über den Dividendenstichtag, DStR 2007, 1192 nebst Erwiderung von Hahne, ebenda Seite 1196). Im Streitfall gingen sonach an dem jeweiligen Dividendenstichtag die mit den Wertpapieren verbundenen Kursrisiken und -chancen auf die G als Erwerberin über; entsprechend wurden die Aktien dem Depotkonto für die G bei der I gutgeschrieben. Dabei kommt es gerade nicht darauf an, dass die Vertragspartner der Wertpapierleihe als Tag der Hingabe der Wertpapiere und als Abrechnungstag den Tag der Auszahlung der Dividenden vereinbart haben; denn der nachgelagerten wertpapiertechnischen Abwicklung des Kaufvorgangs kommt dabei keine grundlegende Bedeutung zu (vgl. BFH Urteil vom 15.12.1999 I R 29/97, a. a. O.; Beschluss vom 20.11.2007 I R 85/05, a. a. O.; Hahn, Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums bei girosammelverwahrten Aktien, DStR 2007, 1196).
cc) Dies stimmt auch mit der Auffassung des Gesetzgebers überein, wie sie in der Regierungsbegründung zur Einführung von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 06, 2878), der die Besteuerung i. R. d. Abwicklung von Aktienbörsengeschäften in zeitlicher Nähe zum Ausschüttungstermin betrifft, für den Bereich der Kapitaleinkünfte zum Ausdruck kommt. Danach lässt sich eine eindeutige Zuordnung der Aktien unter Berücksichtigung der organisatorischen Gegebenheiten nur anhand der Verhältnisse am Schlusstag (Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags) vornehmen. "Nach den wertpapier- und börsenrechtlichen Regelungen, die die objektiven Gegebenheiten des Marktes und die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer zum Ausdruck bringen, ist der Käufer als derjenige anzusehen, der vom Zeitpunkt des Kaufabschlusses allein an den wirtschaftlichen Chancen und Risiken partizipieren soll. Aus diesen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten folgt für die steuerrechtliche Qualifizierung, dass der Erwerber der Aktien als wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 39 AO zu behandeln ist mit der Folge, dass ihm die Wertpapiere steuerrechtlich zuzuordnen sind. Dementsprechend erhält er, wenn für ihn das Kapitalertragsteuer-Erstattungs-verfahren durchgeführt wird, eine Gutschrift in Höhe der Brutto-Dividende" (BR-Drs. 622/06, Seite 77). Entsprechend diesen Usancen des Wertpapiermarktes wurden die Dividendenerträge im Streitfall tatsächlich von der G und nicht von der Klägerin vereinnahmt.
dd) Daran ändert auch nichts, dass Bescheinigungen der Kapitalertragsteuer gemäß § 45a EStG an die Klägerin adressiert wurden. Die Erteilung der Steuerbescheinigung an die Klägerin hat keine konstitutive Wirkung des Inhalts, dass entsprechende Dividendenerträge von dem namentlich genannten Empfänger zu versteuern wären. Denn verfügt das Kreditinstitut, bei dem das Wertpapierdepot unterhalten wird, beispielsweise nicht über die erforderlichen Informationen zur Bestimmung des steuerlichen Anteilseigners und würde den Gläubiger der Kapitalerträge falsch bezeichnen, wäre dieser nicht zum Abzug der Kapitalertragsteuer berechtigt. Im Streitfall ist der von der I bezeichnete Inhaber des betreffenden Depots ..., die G, wirtschaftlicher Eigentümer der Dividenden und nicht die in der Anschrift fehlerhaft aufgeführte Klägerin, die die Aktien zum Zwecke der darlehensweisen Hingabe an die G erworben und in das Depot der G geliefert hat.
ee) Entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der G über die Wertpapierleihe und dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die G hat die Klägerin die Dividendenerträge auch nicht als Betriebseinnahmen in der Gewinn- und Verlustrechnung zu ihrem Jahresabschluss auf den 31.12.2008 erfasst. Die Klägerin erzielte ausweislich ihrer Gewinn- und Verlustrechnung einen Jahresüberschuss in Höhe von 339.419,21 €. Hierin enthalten sind Umsatzerlöse in Höhe von 12.422.340 €. Dieser Betrag stimmt zwar mit der Summe der Dividenden (brutto) für die von ihr im Streitjahr erworbenen Aktien überein. Gleichwohl stellen diese Umsatzerlöse nicht Dividendenerträge mit einer Abzugsberechtigung für die Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 31 Abs. 1 S. 1 KStG dar. Vielmehr handelt es sich um Entgelte aus den vereinbarten Wertpapierleihen; denn die G war als ein in Großbritannien ansässiger Entleiher verpflichtet, für die von ihr vereinnahmten Bruttodividenden als am Kapitalertragsteuer-Erstattungsverfahren teilnehmende Eigentümerin der Aktien einen diesen Bruttodividendenerträgen entsprechenden Betrag an die Klägerin zu zahlen (Manufactured Dividend; Abschnitt 6.1 WpL-Rahmenvertrag).
Die Dividenden, die während einer Wertpapierleihe ausgezahlt werden, stellen für den Entleiher - nicht für den Verleiher - grundsätzlich steuerbaren Ertrag dar. Der Entleiher leistet dafür regelhaft - so auch im Streitfall - an den Verleiher eine Ausgleichszahlung (Manufactured Dividend). Diese Manufactured Dividend stellt bei dem Verleiher steuerbares Einkommen dar; dementsprechend hat die Klägerin selbst diesen Posten in der Gewinn- und Verlustrechnung als "Gegenleistung ... für die Hingabe von Wertpapierdarlehen" erläutert. Dass die Klägerin den Ertrag in diesem Zusammenhang fälschlicherweise als Barsicherheit bezeichnet, ist unschädlich; Barsicherheiten, die von der G geleistet wurden, sind nicht erfolgswirksam zu buchen und berühren die Gewinn- und Verlustrechnung nicht.
Wenn die Klägerin nun unter Hinweis auf schlichte Buchungssätze vorträgt, dass es sich bei dem Posten von 12.422.340 € tatsächlich um Dividendenerträge handele, ihre Erläuterung in der Gewinn- und Verlustrechnung irreführend sei und nicht im Zusammenhang mit den Umsatzerlösen stehe, so handelt es sich hierbei nicht um ein substantiiertes Vorbringen, das geeignet wäre, den Vollzug der vertraglichen Abreden mit der G in Frage zu stellen und damit eine andere rechtliche Beurteilung zu ermöglichen. Daran vermag auch der weitere Einwand der Klägerin nichts zu ändern, dass die G zunächst ein Gelddarlehen zu Finanzierung des Erwerbs der Aktien gegeben habe und dieses mit der vereinbarten Barsicherheit verrechnet worden sei. Denn auch dieser Vortrag berührt die Gewinn- und Verlustrechnung nicht und lässt unberührt, dass auf der Grundlage der Vereinbarung über die Wertpapierleihe das zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentum der Aktien nebst Gewinnbezugsrecht auf die G übergegangen ist und die Klägerin die entsprechende Ausgleichszahlung (Manufactured Dividend) als Einkommen zu versteuern hat. Schließlich kann auch die Buchung der 2.529.274,87 € "Steuerüberzahlungen" zu keiner anderen Beurteilung führen. Bei diesem Betrag handelt es sich zum einen nicht, wie die Klägerin behauptet, um die Summe der Kapitalertragsteuer von insgesamt 2.484.468 € und des Solidaritätszuschlages von 136.645,74 € (insgesamt 2.621.114 €). Zum anderen würde selbst die ertragswirksame Buchung dieser Beträge nichts daran ändern, dass der Klägerin nicht die Dividendenerträge zugeflossen sind.
3. Enthalten die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin aber keine Dividendenerträge, ist auch ein Kapitalertragsteuerabzug nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 31 Abs. 1 S. 1 KStG ausgeschlossen. Denn § 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 EStG lässt eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 1 EStG), die für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge erhoben wird (§ 44 Abs. 1 S. 1 EStG), nur zu, wenn die Abzugsteuer sich auf Einkünfte bezieht, die bei der Veranlagung berücksichtigt worden sind (BFH Urteil vom 08.09.2010 I R 90/09, BFHE 231, 97, BFH/NV 2011, 338).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
FG Hamburg:
Urteil v. 24.11.2011
Az: 6 K 22/10
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