Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. März 2000
Aktenzeichen: 27 W (pat) 144/99
(BPatG: Beschluss v. 14.03.2000, Az.: 27 W (pat) 144/99)
Tenor
Die Beschwerde und der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr werden zurückgewiesen.
Gründe
I Die Marke 397 16 618 "R/4" ist für folgende Waren und Dienstleistungen bestimmt:
"Mit Programmen versehene maschinenlesbare Datenträger aller Art; Computersoftware aller Art (soweit in Klasse 9 enthalten); schriftliches Begleitmaterial für Datenverarbeitungsprogramme (wie zB Bedienungsanleitungen, Kataloge, Arbeitsanweisungen, Handbücher, Lern- und Unterrichtsmittel); Ausbildung, Schulung und Beratung im Umfeld von Datenverarbeitungsprogrammen; Erstellung, Einführung und Wartung von Programmen für die Datenverarbeitung".
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren deutschen Marken 394 08 118 "R/2" und 394 08 119 "R/3", jeweils registriert für
"Mit Programmen versehene maschinenlesbare Datenträger aller Art; Computer-Software aller Art (soweit in Klasse 9 enthalten); Datenverarbeitungsprogramme einschließlich schriftlichem Begleitmaterial, nämlich Handbücher, Kataloge, Bedienungsanleitungen und Arbeitsanweisungen; Beratung und Schulung über Einsatz und Anwendung von DV-Programmen".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentamts hat in einem Erstbeschluß die Löschung der jüngeren Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 394 08 119 angeordnet und das Verfahren über den weiteren Widerspruch ausgesetzt. Zur Begründung ist ausgeführt, es bestehe vorliegend jedenfalls die Gefahr, daß der Verkehr die Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung bringe. Selbst wenn Zahlen-Buchstaben-Folgen in abkürzungsträchtigen Bereichen wie der Datenverarbeitung keine Originalität aufwiesen, sei die Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke "R/3" durch den von der Widersprechenden getätigten "immensen Werbeaufwand" in den Medien (Fernsehspots, Anzeigen in Fachzeitschriften) nicht nur überwunden, sondern der Marke sogar ein erhöhter Schutzumfang zuzubilligen. Auch die Identität der Waren und Dienstleistungen erfordere strenge Anforderungen an den Markenabstand. Angesichts der Übereinstimmung in der Charakteristik der Zeichenbildung habe der Verkehr Anlaß zu der Annahme, die jeweiligen Waren und Dienstleistungen stammten entweder aus demselben Geschäftsbetrieb und dienten lediglich der Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen verschiedener Entwicklungsstufen, oder es bestünden zwischen den Beteiligten nähere wirtschaftliche bzw organisatorische Beziehungen.
Die Erinnerung des Markeninhabers hat dieselbe Markenstelle - besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes - zurückgewiesen. Eine vom Bevollmächtigten des Markeninhabers an sich rechtzeitig, aber ohne Angabe des Aktenzeichens der angegriffenen Marke eingereichte Erinnerungsbegründung ist erst nach Zustellung dieses Beschlusses zur Kenntnis der Erinnerungsprüferin gelangt.
Der Markeninhaber hat Beschwerde eingelegt. Er hat zunächst (hilfsweise) die Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung seiner Erinnerungsbegründung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
Der Senat hat über diese Frage vorab beraten und dem Bevollmächtigten des Markeninhabers in der Eingangsverfügung mitgeteilt, daß eine Zurückverweisung nicht beabsichtigt sei.
Zur Begründung der Beschwerde ist sodann im wesentlichen vorgetragen worden, die Widerspruchsmarke genieße keinen erhöhten Schutzumfang. Der Buchstabe "R" sei eine naheliegende Kurzbezeichnung für die eingetragenen Waren "maschinenlesbare Datenträger", die in der Fachsprache als ROMs ("Read Only Memorys") bezeichnet würden. Dieser Buchstabe sei außerdem bei Datenträgern die gebräuchliche Abkürzung für "recordable" (unter Hinweis auf die beigefügte Kopie einer CD-R Disk). Schon deshalb könne der naheliegenden Kurzbezeichnung "R" für ROMs keine besondere Originalität oder gar Kennzeichnungskraft zugemessen werden. Zahlen seien zur Unterscheidung von Produkten geradezu prädestiniert und würden von den jeweils angesprochenen Verkehrskreisen auch sofort als unterschiedlich erkannt werden. Von einer gedanklichen Verbindung beider Marken, welche sich auf die geläufige Abkürzung "R" stütze, könne nicht ausgegangen werden. Vielmehr sei der Verkehr gewohnt, Buchstaben-Zahlen-Kombinationen auch bei übereinstimmenden Buchstaben unterschiedlichen Firmen zuzuordnen, wie dies etwa bei den digitalen Netzen D1 (Telekom) und D2 (Mannesmann) der Fall sei. Der Schrägstrich der Widerspruchsmarke werde bei der klanglichen Wiedergabe nicht mitverwendet.
Die Widersprechende ist dem entgegengetreten. Sie verweist zunächst darauf, daß sie nicht nur aus einer, sondern aus zwei Marken Widerspruch erhoben habe. Beide Widerspruchsmarken seien dem einschlägigen Verkehr bestens bekannt, und insbesondere "die überaus intensiv benutzte" Widerspruchsmarke "R/3" sei offenbar auch amtsbekannt. Der beteiligte Verkehr werde daher in der angegriffenen Marke "R/4" eine Fortentwicklung der Reihe "R/2" und "R/3" erblikken und sämtliche Marken demselben Geschäftsbetrieb zuordnen. Es möge zwar sein, daß die Abkürzungen "ROM" und "CD-R" beschreibenden Charakter hätten, dies gelte aber nicht für den in diesen Abkürzungen enthaltenen Einzelbuchstaben "R". Es treffe nicht zu, daß bei klanglicher Wiedergabe der Schrägstrich in den Widerspruchsmarken nicht mitgesprochen werde.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihr Vorbringen jeweils aufrechterhalten und weiter vertieft. Der Markeninhaber hat dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der jüngeren Marke hilfsweise folgende Fassung gegeben:
"Rechnersoftware für die Rechnungsabwicklung von Krankenkassenabrechnungen (soweit in Klasse 9 enthalten)".
Er hat ferner auf die eingetragenen deutschen Marken 2 031 434 "R/3 LIVE" und 395 09 389 "R/3-Kompakt" hingewiesen. Die Widersprechende hat erwidert, die zuletzt genannte Marke sei bereits im Jahre 1997 auf sie umgeschrieben worden; sie hat dies in einem nachgereichten Schriftsatz belegt.
Der Senat hat die Zustellung einer Entscheidung an Verkündungs Statt, nicht vor dem 15. April 2000, beschlossen, um den Beteiligten ggf eine außergerichtliche vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits zu ermöglichen. Eine solche ist aber nicht erzielt worden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Deutschen Patent- und Markenamts verwiesen.
II Die Beschwerde des Markeninhabers ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.
Die vom Markeninhaber zunächst schriftsätzlich (hilfsweise) beantragte Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt wegen Nichtberücksichtigung seiner Erinnerungsbegründung kam nicht in Betracht. Die Entscheidung über die Zurückverweisung steht nach MarkenG § 70 Abs 3 Nr 2 im pflichtgemäßen Ermessen des Senats, wobei die beiderseitigen Interessen der Verfahrensbeteiligten abzuwägen sind (Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 70 Rdn 6). Das Interesse der Widersprechenden an einer zügigen Durchführung des Verfahrens überwiegt vorliegend das des Markeninhabers, keinen Instanzverlust zu erleiden. Die Ursache der Nichtberücksichtigung des Erinnerungsbegründungsschriftsatzes liegt zu einem wesentlichen Teil beim Bevollmächtigten des Markeninhabers - und ist diesem mithin zuzurechnen -, der es versäumt hat, das Aktenzeichen des Widerspruchsverfahrens (dh die Registrierungsnummer seiner Marke) anzugeben. Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß es der Markenstelle aufgrund der sonstigen Angaben in dem betreffenden Schriftsatz möglich und zumutbar gewesen wäre, diesen der richtigen Akte zuzuordnen, wäre der Erinnerungsbeschluß in der Sache wohl kaum anders ausgefallen. Unter diesen Umständen spricht der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie für eine abschließende Entscheidung des Senats in der Sache ohne nochmalige Zurückverweisung an die Markenstelle.
Für die vom Markeninhaber in diesem Zusammenhang weiterhin beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr (gem MarkenG § 71 Abs 3) besteht folglich ebenfalls keine Veranlassung.
In der Sache ist die Beschwerde nicht begründet, wobei auch die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise eingeschränkte Fassung des Warenverzeichnisses der jüngeren Marke zu keiner anderen Beurteilung Anlaß gibt. Die für die Vergleichsmarken registrierten Waren und Dienstleistungen sind weitgehend identisch bzw liegen im engsten Ähnlichkeitsbereich. Auch die hilfsweise Fassung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke ist nicht geeignet, einen maßgeblichen Warenabstand zu bewirken. Der spezielle Verwendungszweck, für den die beanspruchte "Rechnersoftware" zum Einsatz kommen soll, ändert nichts daran, daß Warengleichheit mit "Computer-Software aller Art" und "Datenverarbeitungsprogrammen" gegeben ist. Angesichts dieser weitgehenden Identität der jeweiligen Waren und Dienstleistungen sind - in Übereinstimmung mit der Auffassung des Erstprüfers - hohe Anforderungen an den erforderlichen Zeichenabstand zu stellen, denen die jüngere Marke nicht gerecht wird.
Die Markenstelle ist in ihren Beschlüssen zutreffend davon ausgegangen, daß vorliegend die Gefahr einer Verwechslung der Vergleichsmarken unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen In-Verbindung-Bringens (MarkenG § 9 Abs 1 Nr 2 am Ende) besteht. Der Senat schließt sich dieser Bewertung an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen Bezug. Die Beschwerdebegründung des Markeninhabers gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlaß.
Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Buchstaben-Zahlen-Kombinationen auf dem vorliegenden Warensektor generell kennzeichnungsschwach sind - eine Steigerung des Schutzumfangs durch intensive Benutzung, von der die Markenstelle ausgegangen ist, hat der Markeninhaber, allerdings in einer recht pauschalen Art, in Abrede gestellt -, läßt sich die Gefahr eines gedanklichen In-Verbindung-Bringens der Vergleichsmarken, gerade auch für einen aufmerksamen Betrachter, auf den bei der assoziativen Verwechslungsgefahr maßgeblich abzustellen ist, nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen. Das jüngere Zeichen des Markeninhabers entspricht in der Struktur der Zeichenbildung völlig den älteren Widerspruchsmarken und setzt die somit vorhandene Serie der Widersprechenden nahtlos fort. Wer die älteren Marken kennt und diese der Widersprechenden zuordnet, wird - fast schon zwangsläufig - zu der Annahme gelangen, auch die jüngere, für weitgehend identische Waren und Dienstleistungen bestimmte Marke stamme aus deren Geschäftsbetrieb. Völlig unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob bei verbaler Benennung der Marken der mittlere Schrägstrich als solcher mitgesprochen wird oder nicht.
Ob der in sämtlichen Marken vorhandene Buchstabe "R" in Alleinstellung auf dem vorliegenden Warensektor schutzfähig wäre, kann ebenfalls dahingestellt bleiben. Innerhalb der vorliegenden Kombinationen mit einer jeweils unterschiedlichen einstelligen Zahl wirkt er jedenfalls nicht als glatt beschreibende Sachbezeichnung. Die - ihrerseits bereits Abkürzungen darstellenden - Buchstabenfolgen "ROM" und "CD-R" werden nicht weiter auf "R" verkürzt; der Markeninhaber hat durch seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung auch nicht belegen können, daß "R" im deutschen Sprachbereich eine geläufige Abkürzung für den Begriff "Rechner" wäre. Somit kann den Schriftzeichen "R/" innerhalb der sich gegenüberstehenden Marken nicht die Eignung abgesprochen werden, gleichsam als Stammbestandteil einer Zeichenserie zu wirken.
Die Verhältnisse auf dem Funktelefonsektor mögen anders gelagert sein. Wenn der Verkehr die dortigen Bezeichnungen "D1" und "D2" unterschiedlichen Unternehmen zuordnet, so mag dies zum einen daran liegen, daß hier der Buchstabe "D" als naheliegende Abkürzung (zB für die Sachbezeichnung "digital") gewertet wird, zum anderen aber auch auf eine intensive Aufklärung des Publikums durch die beteiligten Netzbetreiber (Telekom bzw Mannesmann) zurückzuführen sein.
Schließlich können auch die vom Markeninhaber in der mündlichen Verhandlung angeführten beiden Drittzeichen mit dem Eingangsbestandteil "R/3" zu keiner anderen Beurteilung der Verwechslungsgefahr führen, zumal eines dieser Zeichen bereits ein Jahr nach seiner Registrierung auf die Widersprechende umgeschrieben worden ist, mithin deren Zeichenserie noch verstärkt hat. Das Vorhandensein eines entsprechend gebildeten Drittzeichens, welches nicht der Widersprechenden zusteht, ist nicht geeignet, die Annahme assoziativer Verwechslungsgefahr in maßgeblichen Endverbraucherkreisen auszuschließen.
Nach allem war der Beschwerde des Markeninhabers der Erfolg zu versagen.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf MarkenG § 71 Abs 1 Satz 2 verwiesen.
Albert Friehe-Wich Viereck Mr/Fa
BPatG:
Beschluss v. 14.03.2000
Az: 27 W (pat) 144/99
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