Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Februar 2010
Aktenzeichen: 20 W (pat) 92/05
(BPatG: Beschluss v. 03.02.2010, Az.: 20 W (pat) 92/05)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 Q des Deutschen Patentund Markenamts vom 9. Mai 2005 aufgehoben.
Das Patent wird auf der Grundlage folgender Unterlagen erteilt:
-Neue Patentansprüche 1, 2 und 3 sowie angepasste Beschreibungsseiten 1 bis 10, jeweils vom 3. Februar 2010, -Zeichnungen Figuren 1 bis 6 wie Offenlegungsschrift.
Gründe
I.
Die Anmeldung ist vom Deutschen Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H 01 Q -durch Beschluss vom 9. Mai 2005 zurückgewiesen worden. Die Prüfungsstelle hat in dem Beschluss auf die Druckschriften D1 EP 0 302 479 A1, D2 US 3 999 150 und D3 US 5 006 821 verwiesen und die Zurückweisung damit begründet, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch den nachgewiesenen Stand der Technik nahegelegt sei, insoweit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und deshalb nicht gewährbar sei.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die am 21. Juli 2005 eingelegte Beschwerde.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin neue Patentansprüche 1 bis 3 mit angepassten Beschreibungsseiten 1 bis 10 überreicht.
Die Beschwerdeführerin beantragt wie entschieden.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung dieses Antrags lautet:
"1. Element (31) mit gekoppelten Leitungen, mit folgenden Merkmalen:
einem Substrat (2) und einer Mehrzahl von gekoppelten Leitungen (33, 34) gleicher Länge, die auf dem Substrat (2) vorgesehen und angeordnet sind, um durch ein elektromagnetisches Feld miteinander gekoppelt zu sein, wobei die gekoppelten Leitungen (33, 34) im Wesentlichen parallel zueinander gewunden sind, um einen ersten Spiralabschnitt (5a) und einen zweiten Spiralabschnitt (5b) zu bilden, wobei der erste und der zweite Spiralabschnitt (5a, 5b) durchgehend und einstückig miteinander ausgeführt sind, um im allgemeinen rotationssymmetrisch zu sein, wobei die Abschnitte der gekoppelten Leitungen (33, 34) in dem ersten Spiralabschnitt (5a) und in dem zweiten Spiralabschnitt (5b) in entgegengesetzte Richtungen gewunden sind, so dass die erste gekoppelte Leitung (33) eine äußere Windung in dem ersten Spiralabschnitt (5a) und eine innere Windung in dem zweiten Spiralabschnitt (5b) bildet, und so dass die zweite gekoppelte Leitung (34) eine innere Windung in dem ersten Spiralabschnitt (5a) und eine äußere Windung in dem zweiten Spiralabschnitt (5b) bildet."
Wegen der auf den Patentanspruch 1 direkt bzw. indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 sowie der sonstigen Unterlagen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Element mit gekoppelten Leitungen nach dem geltenden Patentanspruch 1 gilt als neu und ist gewerblich anwendbar. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wird einem Fachmann -hier einem Diplomingenieur der Hochfrequenztechnik mit universitärer Ausbildung, der mit dem Entwurf und dem Aufbau von Streifenleitungs-Kopplern vertraut ist -auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt und beruht insoweit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.
Die Erfindung betrifft ein Element mit gekoppelten Leitungen, insbesondere zur Verwendung als 90¡-Hybridkoppler oder Symmetrieglied (sog. Balun oder 180¡-Koppler).
Die Anmeldung geht aus von bekannten Streifenleitungs-Kopplern, bei denen zwei Streifenleiter parallel zueinander gewunden sind, um einen Spiralabschnitt zu bilden (vgl. OS, Sp. 1, Z. 8 -49). Diese herkömmlichen Streifenleitungs-Koppler sieht die Anmelderin als nachteilbehaftet, da die innere Windung kürzer als die äußere Windung ausgeführt sei. Dieser Umstand verhindere, dass (bei einer bestimmten Wellenlänge) eine gewünschte Phasendifferenz zwischen den Ausgangssignalen der gekoppelten Leitungen erreicht werden könne (vgl. OS, Sp. 1, Z. 50 -66).
Zur Überwindung dieser Nachteile soll gemäß dem Patentanspruch 1 des Streitpatents ein Element mit gekoppelten Leitungen zur Verfügung gestellt werden, das folgende Merkmale aufweist (Gliederungszeichen hinzugefügt):
M1 ein Substrat (2) und M2 eine Mehrzahl von gekoppelten Leitungen (33, 34) gleicher Länge, die auf dem Substrat (2) vorgesehen und angeordnet sind, um durch ein elektromagnetisches Feld miteinander gekoppelt zu sein, M3 wobei die gekoppelten Leitungen (33, 34) im Wesentlichen parallel zueinander gewunden sind, um einen ersten Spiralabschnitt (5a) und einen zweiten Spiralabschnitt (5b) zu bilden, M4 wobei der erste und der zweite Spiralabschnitt (5a, 5b) durchgehend und einstückig miteinander ausgeführt sind, M5 um im allgemeinen rotationssymmetrisch zu sein, M6 wobei die Abschnitte der gekoppelten Leitungen (33, 34) in dem ersten Spiralabschnitt (5a) und in dem zweiten Spiralabschnitt (5b) in entgegengesetzte Richtungen gewunden sind, so dass die erste gekoppelte Leitung (33) eine äußere Windung in dem ersten Spiralabschnitt (5a) und eine innere Windung in dem zweiten Spiralabschnitt (5b) bildet, und so dass die zweite gekoppelte Leitung (34) eine innere Windung in dem ersten Spiralabschnitt (5a) und eine äußere Windung in dem zweiten Spiralabschnitt (5b) bildet.
3. Stand der Technik Die Druckschrift D1 geht aus von einem Streifenleitungskoppler, bei dem auf einem Substrat mehrere gekoppelte Streifenleitungen mit eng benachbartem Verlauf zueinander in Spiralform aufgebracht sind (vgl. Sp. 1, Z. 1 -7).
Dieser Streifenleitungskoppler stellt sich, gemäß der D1, als insoweit nachteilbehaftet heraus, als die spiralförmig angeordneten Leiterbahnen unterschiedliche Längen aufweisen und somit die Isolationswirkung des Streifenleiters nur unzureichend realisiert werden kann (vgl. Sp. 1, Z. 8 -18).
Hiervon ausgehend stellt sich die D1 die Aufgabe, einen in seinem Aufbau einfachen Streifenleitungskoppler mit guter Isolation zu schaffen (vgl. Sp. 1, Z. 19 -21).
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht die D1 vor, die Leiterbahnen des Kopplers in zwei Kopplerhälften aufzuteilen und die innenliegenden Leitungsenden derart miteinander zu verbinden, dass die Leitungsenden der einen Kopplerhälfte in der Reihenfolge von der äußeren zur inneren Leiterbahn mit den Leitungsenden der anderen Hälfte in umgekehrter Reihenfolge zusammengeführt werden (vgl. Sp. 1, Z. 22 -32), womit für die Gesamtlänge der Leiterbahnen offensichtlich eine Längengleichheit erzielt wird.
Gemäß dem zweiten Ausführungsbeispiel der D1 (vgl. Sp. 3, Z. 12 -33 i. V. m. Fig. 3) weist der Streifenleitungskoppler aufein Substrat (vgl. in Fig. 3 das Bezugszeichen S3 i. V. m. Sp. 3, Z. 17; Merkmal M1) undeine Mehrzahl von gekoppelten Leitungen gleicher Länge, die auf dem Substrat vorgesehen und angeordnet sind, um durch ein elektromagnetisches Feld miteinander gekoppelt zu sein (vgl. in Fig. 3 die Bezugszeichen L5, L6, L7 und L8 i. V. m. Sp. 3, Z. 12 -23; effektiv sind in dem Koppler zwei gekoppelte Leitungen gebildet, wie in Sp. 3, Z. 29-30 ausgedrückt: "Damit sind die Gesamtlängen beider Streifenleiter des Kopplers gleich."; Merkmal M2).
Die gekoppelten Leitungen sind im wesentlichen parallel zueinander gewunden, um einen ersten Spiralabschnitt (vgl. in Fig. 3, L5 und L6) und einen zweiten Spiralabschnitt zu bilden (vgl. in Fig. 3, L7 und L8 ); Merkmal M3).
Der erste und der zweite Spiralabschnitt sind im allgemeinen rotationssymmetrisch zueinander (vgl. Fig. 3, der die Rotationssymmetrie der zwei Spiralabschnitte entnommen werden kann, d.h. die Abbildung der Gesamtanordnung auf sich selbst infolge einer Drehung um 180¡; Merkmal M5).
Auch sind die Abschnitte der gekoppelten Leitungen in dem ersten Spiralabschnitt und in dem zweiten Spiralabschnitt derart in entgegengesetzte Richtungen gewunden, dass die erste gekoppelte Leitung (vgl. Figur 3, insbesondere die Leiterbahnen L5 und L8) eine äußere Windung in dem ersten Spiralabschnitt und eine innere Windung in dem zweiten Spiralabschnitt und die zweite gekoppelte Leitung (vgl. Figur 3, insbesondere die Leiterbahnen L6 und L7) eine innere Windung in dem ersten Spiralabschnitt und eine äußere Windung in dem zweiten Spiralabschnitt bildet (Merkmal M6).
Gemäß der D1 sind der erste und der zweite Spiralabschnitt als zwei getrennte Kopplerhälften realisiert welche durch Bondverbindungen (vgl. in der Figur 3 die Bezugszeichen 18 und 19) miteinander verbunden sind.
Gegenüber der Kopplerstruktur nach der Figur 3 in der Druckschrift 1 unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 somit jedenfalls dadurch, dass bei ihm der erste und der zweite Spiralabschnitt (5a, 5b) durchgehend und einstückig miteinander ausgeführt sind (Merkmal 4).
Die übrigen noch im Verfahren befindlichen Druckschriften gehen über den vorstehend abgehandelten Stand der Technik nicht hinaus und bringen auch keine weiteren Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.
4. Der offensichtlich gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 gilt damit nicht nur als neu, er beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da das anspruchsgemäße Element dem Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt ist.
Ausgehend von einem Streifenleitungskoppler nach der Druckschrift D1 mag sich dem Fachmann in der Praxis noch die Aufgabe stellen, die Verbindung der beiden Kopplerhälften über Bondverbindungen zu vermeiden, um den Herstellungsprozess zu vereinfachen und die Betriebssicherheit zu erhöhen.
Hierzu mag der Fachmann die Bondverbindungen, beispielsweise angeregt durch das in den Figuren 1 und 2 der D1 beschriebene Ausführungsbeispiel, durch Durchkontaktierungen und rückseitige Verbindungen ersetzen.
Wollte der Fachmann hingegen das Merkmal M4 des geltenden Patentanspruches 1 realisieren, müsste er hierzu die Anordnung gemäß Figur 3 der D1 dahingehend abwandeln, die beiden Spiralabschnitte in ihrer relativen Lage zueinander so zu versetzen, dass der erste und der zweite Spiralabschnitt durchgehend und einstückig miteinander ausführbar sind.
Zur Überzeugung des Senates ist ein solcher Schritt dem Fachmann jedoch nicht nahe gelegt. Denn abgesehen von daraus resultierenden erheblichen Veränderungen der elektrischen Eigenschaften des Koppler hätte dies innenliegende Einund Ausgänge zur Folge. Damit wäre der gesamte Koppler nur auf aufwendige Weise (beispielsweise durch Bonden bzw. Durchkontaktieren) mit weiteren Schaltungselementen verbindbar. Der Fachmann müsste also den bekannten Koppler, der ohne jede weitere Anpassung in eine Streifenleitungsumgebung einbindbar ist, dieser Eigenschaft berauben, ohne im Ergebnis die Notwendigkeit des Einsatzes einer aufwendigen Verbindungstechnik vermeiden zu können.
Diese dem Fachmann offensichtlichen Folgen hätten ihn von einem derartigen Vorgehen abgehalten.
5.
Mit dem Patentanspruch 1 sind auch die Ansprüche 2 und 3 gewährbar. Diese betreffen besondere, nicht selbstverständliche Weiterbildungen des Elementes nach Anspruch 1.
6.
Die sonstigen Patentierungsvoraussetzungen sind erfüllt, insbesondere genügt die Beschreibung den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.
7.
Unter diesen Umständen war der die Anmeldung zurückweisende Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das Patent in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung zu erteilen.
Dr. Mayer Werner Gottstein Musiol Pr
BPatG:
Beschluss v. 03.02.2010
Az: 20 W (pat) 92/05
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