Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 17. November 2005
Aktenzeichen: 4 U 105/05
(OLG Hamm: Urteil v. 17.11.2005, Az.: 4 U 105/05)
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 16. Juni 2005 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer -Kammer für Handelssachen- des Landgerichts Bochum wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:
Dem Beklagten wird es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt,
Personenbeförderung durchzuführen, bei denen auf der Verordnung einer Krankenbeförderung (Muster 4, 7.2004) als Beförderungsmittel Krankentransportwagen verordnet ist.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet, weil der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in der klargestellten Fassung zusteht.
1) Der Antrag ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs, 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat klargestellt, dass es um das Verbot der Beförderung von Kranken durch den Beklagten geht, bei denen auf der Verordnung ihrer Krankenbeförderung gemäß dem Muster 4, 7.2004 als Beförderungsmittel ein Krankentransportwagen verordnet ist.
2) Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich hier nach §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 18, 2 Abs. 2 RettG NW.
a) Die Klägerin ist zur Geltendmachung des Anspruchs aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG befugt, weil sie Mitbewerberin des Beklagten ist. Mitbewerber ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem Unternehmer als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Davon ist bei den Parteien auszugehen. Auch wenn sie in unterschiedlichen Branchen tätig sein und die Leistungen von Krankentransportunternehmen und Mietwagenunternehmen vom angesprochenen Verkehr nicht als austauschbar empfunden werden mögen, treffen sie mit ihren unterschiedlichen Leistungen jedenfalls auf demselben räumlich relevanten und sich überschneidenden Grenzbereich ihrer Märkte zusammen, in dem sowohl ein Krankentransport als auch eine Krankenfahrt verordnet werden könnte. Insoweit versuchen beide Parteien innerhalb desselben Endverbraucherkreises ihre gewerblichen Dienstleistungen abzusetzen. Hinzu kommt, dass der Beklagte auch durch die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung ein solches Wettbewerbsverhältnis eröffnet, wenn er ohne Genehmigung Krankentransporte durchführt, die an sich der Klägerin und ihren Mitbewerbern überlassen sind.
b) Unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Ziff. 11 UWG handelt der Wettbewerber, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche Marktverhaltensregel ist auch § 18 RettG NW. Denn die in dieser Vorschrift geregelte Genehmigungspflicht für Krankentransporte im Sinne des § 2 Abs. 2 RettG NW regelt nicht nur den Marktzutritt, sondern zugleich auch das Marktverhalten zum Schutze der transportbedürftigen Kranken und der Mitbewerber, die Krankentransportwagen mit erheblichen Aufwendungen anschaffen und geeignetes Personal beschäftigen müssen. Wenn das Rückkehrgebot des § 49 Abs. 4 PBefG schon als Marktverhaltenregelung angesehen wird (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 4 Rdn. 11.83), muss das für die die Gesundheitsvorsorge regelnde Vorschrift des § 18 RettG NW erst recht gelten.
c) Mit dem Landgericht ist hier davon auszugehen, dass der Beklagte § 18 RettG NW zuwider gehandelt hat. Er hat am 6. Januar 2005 einen Krankentransport im Sinne von § 2 Abs. 2 RettG NW durchgeführt, indem er den Patienten I vom Krankenhaus des C in C zur Dialyse in der auf dem Krankenhausgelände befindlichen Praxis des Arztes H befördert hat. Dazu hätte der Beklagte der Genehmigung der zuständigen Kreisordnungsbehörde bedurft, über die er unstreitig nicht verfügt.
aa) Im Hinblick auf den beanstandeten Transport reichte es nicht aus, dass der Beklagte Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 PBefG ist und nach § 49 PBefG auch berechtigt ist, Krankenfahrten in der Weise vorzunehmen, dass er Kranke liegend mit seinem Mietwagen befördert. Eine Personenbeförderung im Sinne dieses Gesetzes stellt es nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG gerade nicht dar, wenn kranke oder sonstige hilfsbedürftige Personen in einem Krankenkraftwagen befördert werden müssen, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung oder dessen besonderer Einrichtungen bedürfen oder wenn dies zumindest auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist. Nach § 4 Abs. 6 PBefG sind Krankenkraftwagen Fahrzeuge, die für Krankentransport oder Notfallrettung entsprechend eingerichtet und nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkannt sind. Bei der Beförderung eines Kranken mit einem solchen Krankenkraftwagen handelt sich somit um einen Krankentransport, der nur mit der schon erwähnten Genehmigung nach § 18 RettG NW durchgeführt werden darf. Es wird also vom Gesetz her deutlich unterschieden zwischen Krankenfahrten im Sinne der Personenbeförderung und Krankentransporten im Sinne des RettG NW. Diesen Unterschied hat der Senat schon in der Sache 4 U 150 / 02 herausgearbeitet. Wer nur die Genehmigung zur Personenbeförderung hat, darf keine Krankentransporte durchführen. Das ist dem Beklagten auch spätestens seit dem Rechtsstreit 14 O 64 / 04 LG Bochum bekannt, als er verurteilt worden ist, es zu unterlassen, im Telefonbuch für Krankentransporte zu werben.
bb) Im vorliegenden Fall ging es gerade um einen solchen Krankentransport. Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats zutreffend ausgeführt, dass sich das schon allein daraus ergibt, dass der behandelnde Arzt unstreitig in der Verordnung als Beförderungsmittel einen Krankentransportwagen für erforderlich gehalten hat. Nach den Krankentransportrichtlinien vom 11. Juli 2003 oblag es allein dem behandelnden Arzt, in der Verordnung anzugeben, welches Fahrzeug für die Beförderung medizinisch notwendig wäre. Dabei war zwischen Mietwagen/Taxi mit gegebenenfalls besonderer Ausstattung, Krankentransportwagen, Rettungswagen, Notarztwagen und anderen Transportmitteln zu unterscheiden. War die Beförderung mit einem Taxi oder Mietwagen ausreichend, so handelte es sich um eine Krankenfahrt nach den Regelungen des PBefG, war dagegen eine Beförderung mit Krankentransportwagen, Rettungswagen oder Notarztwagen, also einem Krankenkraftwagen im Sinne des § 3 Abs. 1 RettG NW erforderlich, ging es um einen genehmigungspflichtigen Krankentransport. Im Sinne der Rechtsklarheit war dabei jedenfalls für interessierte Transportunternehmer die Entscheidung des Arztes über das erforderliche Verkehrsmittel verbindlich. Sie konnten sich nicht darauf berufen, in Wirklichkeit hätte statt eines Krankentransportes auch eine Krankenfahrt ausgereicht oder statt einer Krankenfahrt wäre ein Krankentransport medizinisch notwendig gewesen.
cc) Folgerichtig kann es dann nicht mehr darauf ankommen, ob der Arzt zusätzlich angekreuzt hat, eine medizinische fachliche Betreuung sei nicht notwendig und ob das tatsächlich nicht der Fall gewesen sein mag. Bei dieser Angabe geht es nur um die -von der Wahl des Beförderungsmittels getrennt zu sehende- zusätzliche Anordnung einer bestimmten Art der Betreuung, die schon bei der Verordnung vorhersehbar ist. Aus der Verneinung einer solchen Betreuung kann nicht gefolgert werden, es sei kein Krankentransport nötig, sondern eine Krankenfahrt ausreichend, die vom Beklagten als unqualifizierter Krankentransport bezeichnet wird. Die gesetzliche Regelung, das Formblatt der Verordnung der Krankenbeförderung und die Richtlinien zu seiner Verwendung geben weder für sich noch in der Gesamtschau etwas dafür her, dass die verordnete Beförderung mit einem Krankentransportwagen schon dann als Krankenfahrt durchgeführt werden kann, wenn der verordnende Arzt die Notwendigkeit einer (bestimmten) Betreuung verneint. Das macht § 1 Abs. 2 Nr. 4 RettG NW besonders deutlich. Nach dieser Bestimmung handelt es sich bei der Krankenbeförderung nur dann um nicht nach dem Gesetz genehmigungspflichtige Krankentransporte, wenn die Kranken keiner fachgerechten Hilfe oder Betreuung bedürfen und die Fahrten mit anderen Fahrzeugen als Krankenkraftwagen durchgeführt werden können. Ist eine Beförderung mit einem Krankentransportwagen nach der Verordnung des Arztes erforderlich, kann es sich somit nicht um eine Krankenfahrt mit einem besonders ausgestatteten Mietwagen oder Taxi handeln. Solange die gesetzlichen Bestimmungen nicht geändert werden und etwa ein Krankentransportgesetz die Begriffe genauer klärt, und solange es in dem Verordnungsformular nur Beförderung mit Krankentransportwagen einerseits und mit Taxi/Mietwagen anderseits gibt, zu denen auch die Liegendmietwagen des Beklagten gehören, legt allein die Auswahl eines Krankentransportwagens als Beförderungsmittel durch den behandelnden Arzt fest, dass solche Fahrten nur Krankentransportunternehmer durchführen können, die über eine Genehmigung nach § 18 RettG NW verfügen. Der Senat geht dabei entgegen den Bedenken des Beklagten auch davon aus, dass dem Arzt die Entscheidungsalternativen bekannt sind, zumal die Richtlinien die Art der Verwendung des Formblatts erläutern.
dd) Der Beklagte kann sich auch nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 RettG NW berufen. Insoweit ergibt sich schon aus der Amtlichen Begründung der Vorschrift aus dem Jahre 1992, dass Beförderungen innerhalb des Krakenhausbereiches vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden sollen, aber nur dann, wenn die Fahrten mit eigenen Fahrzeugen des Krankenhauses durchgeführt wurden. Bedient sich das Krankenhaus wie im vorliegenden Fall eines externen Unternehmens, gilt das RettG NW und damit auch die Genehmigungspflicht für Krankentransporte.
d) Dieser Gesetzesverstoß des Beklagten ist auch nicht nur unwesentlich und überschreitet die in § 3 UWG normierte Bagatellgrenze schon deshalb, weil es sich um den besonders wichtigen und sensiblen Bereich der Gesundheitsfürsorge handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 17.11.2005
Az: 4 U 105/05
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