Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. September 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 377/03
(BPatG: Beschluss v. 21.09.2004, Az.: 27 W (pat) 377/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Oktober 2003 aufgehoben.
Gründe
I.
Zur Eintragung als Wort-/Bildmarke für die Waren und Dienstleistungen
"Garne und Fäden für textile Zwecke; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen; Teppiche, Fußmatten, Matten; Telekommunikation"
ist angemeldet das Zeichenhttp://srv09/bpatg2/docs/22508.3.gif
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Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes für
"Garne und Fäden für textile Zwecke; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten, Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen; Telekommunikation"
zurückgewiesen, weil dem angemeldeten Zeichen insoweit jede Unterscheidungskraft fehle. Das optisch in der Anmeldung hervorgehobene Markenschlagwort "PURE WEAR" bedeute, einfach übersetzt, "reine, puristische Bekleidung", wobei die Käuferkreise diesen Begriff nicht nur übersetzten, sondern damit eine Stilbezeichnung verbänden, die auch lexikalisch bereits vermerkt sei. Die angemeldete Bezeichnung weise als Modeschlagwort auf einen Stil hin, der durch Klarheit und Reinheit gekennzeichnet sei. Der weitere Markenbestandteil "die reine Faser" stelle nur eine logische Erläuterung für die im Vordergrund stehende Werbeaussage dar. Für sämtliche im Tenor des Zurückweisungsbeschlusses aufgeführten Waren treffe die angemeldete Marke somit ausschließlich eine Sachaussage über Art, Eignung und/oder Beschaffenheit der Ware. Sie sei gleichzeitig geeignet, den Gegenstand von Telekommunikationsdienstleistungen zu definieren. Es könne nicht zweifelhaft sein, dass der Verkehr in der angemeldeten Bezeichnung nur eine glatte sachbezogene Aussage in Form eines üblichen Werbeschlagworts sehe und nicht einen individuellen betrieblichen Herkunftshinweis eines einzelnen Unternehmens. Damit fehle der angemeldete Bezeichnung insoweit die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz. Weder das am Ende des Wortes "WEAR" hinzugefügte "Bäumchen im Kreis" noch die verschiedenartige Schriftgestaltung der einzelnen Markenelemente und deren Umrahmung durch ein Rechteck könnten etwas daran ändern, dass der Verkehr in der angemeldeten Bezeichnung nichts anderes sehe als lediglich eine ansprechende Wiedergabe einer Sachinformation. Angesichts der fehlenden Unterscheidungskraft könne dahingestellt bleiben, ob die angemeldete Marke zugunsten der Mitbewerber einem Freihaltungsbedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliege.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie verweist darauf, dass sie ein subjektives öffentliches Recht, nämlich einen Rechtsanspruch auf Eintragung ihrer Marke habe, soweit nicht absolute Schutzhindernisse bestünden. Die gesetzlichen Versagungsgründe seien eng auszulegen. Bei der Beurteilung der angemeldete Marke sei die Markenstelle zu Unrecht von einer zergliedernden Betrachtungsweise ausgegangen, bei der sie sich vor allem mit dem Markenbestandteil "PURE" befasst habe. Sie habe auch die grafische Ausgestaltung der angemeldete Marke als Logo nicht berücksichtigt. Demgegenüber sei festzustellen, dass die angemeldete Wortkombination "PURE WEAR" lexikalisch und auch aus einschlägigen Fundstellen nicht nachzuweisen sei. Es handele sich um eine Wortneuschöpfung, eine ungewöhnliche und in der Praxis ungebräuchliche Wortverbindung, die vom üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise für die Waren und Dienstleistungen des Warenverzeichnisses abweiche. Insbesondere die Bezeichnung "WEAR" sei für "Bekleidung" völlig unüblich. Aus diesen Umständen ergebe sich, dass die angemeldete Marke vom angesprochenen Verkehr ganz eindeutig als Unterscheidungsmittel für die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst werde, mithin unterscheidungskräftig im Sinne des Markengesetzes sei. Auch ein Freihaltungsbedürfnis sei nicht gegeben. Da die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen beschreibenden Inhalt habe, sei kein Bedürfnis des Verkehrs zu erkennen, gerade diese Bezeichnung zu benutzen.
II.
Die nach § 165 Abs. 4 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet, denn der Eintragung der angemeldeten Marke in das Register stehen keine absoluten Schutzhindernisse im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen. Für die beanspruchten Waren ist das angemeldete Zeichen weder freihaltungsbedürftig, noch entbehrt es jeglicher Unterscheidungskraft.
Der angemeldeten Bezeichnung kann weder ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden noch handelt es sich um eine gebräuchliche Wortfolge, welche der Verkehr stets nur in ihrem Wortsinn und nicht als Unterscheidungsmittel versteht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice).
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die angemeldete Bezeichnung in ihren einzelnen Wortelementen Aussagen enthält, die den angesprochenen Verkehrskreisen als solche ohne weiteres verständlich sind. Gleichwohl können sie der Kombination des im Sinne von "rein, unverfälscht" bekannten englischen Adjektivs "PURE" mit dem Wort "WEAR" keine im Vordergrund stehende eindeutige Sachaussage in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entnehmen. Für sich betrachtet lässt "PURE WEAR" ohnehin die verschiedensten Interpretationen zu, wie u.a. saubere Bekleidung, unverfälschte Bekleidung, Kleidung im Purismus-Stil, nichts als Bekleidung, Bekleidung pur usw. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher wird allerdings die zweite Zeile "Die reinste Faser" in der Regel nicht unbeachtet lassen und in einen gedanklichen Bezug zu der Bezeichnung "PURE WEAR" setzen. Auch wenn er dabei ohne weitere Überlegung erkennen mag, dass sich der Begriff "PURE" auf die Reinheit der Faser bezieht, aus der die betreffende Bekleidung besteht, stellt sich die Kombination "PURE WEAR" für ihn als sprachlich und inhaltlich ungewöhnliche Aussage dar. Sie weist zwar eine scheinbare Ähnlichkeit mit den bekannten Textilkennzeichnungen pure wool, pure silk, pure cotton auf, weicht von diesen aber schon deshalb ab, weil das Wort "pure" nicht mit einer Materialangabe - hier etwa "pure fiber" - verbunden ist, sondern mit dem Gattungsbe griff "Bekleidung". Die Bezeichnung "PURE WEAR" stellt indes ersichtlich nicht die sprachlich korrekte Übersetzung von "Kleidung aus reiner Faser" dar. Im Übrigen ist auch unklar, was mit "reiner oder reinster Faser" gemeint ist. Es kann sich - in Anlehnung an pure wool, silk, cotton usw - um Textilfasern aus reinem Naturmaterial ohne Beimischung von Fasern anderen Materials handeln, aber auch - bei einigem Nachdenken - um ökologisch reinste Fasern ohne jeden Schadstoffgehalt. Die angemeldete Marke ist daher trotz ihres deutlich sprechenden Inhalts, der beim Käufer die verschwommen positive Vorstellung einer in welcher Hinsicht auch immer "reinen" Bekleidung hervorruft, in ihrer Gesamtheit als - noch - geeignet anzusehen, die von der Marke erfassten Waren von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Hinsichtlich der weiterhin beanspruchten Dienstleistung "Telekommunikation" ist schon kein irgendwie gearteter sachlicher Zusammenhang mit der angemeldeten Bezeichnung - ganz unabhängig von ihrem eigentümlichen Sinngehalt - zu erkennen. Wie die Markenstelle ausgeführt hat, mag die angemeldete Bezeichnung Gegenstand eines Telekommunikationsvorgangs sein können. Nicht alle sprachlich oder bildlich darstellbaren Gegenstände, Aussagen oder Vorgänge, die im Wege der Telekommunikation mit Hilfe entsprechender Telekommunikationsdienstleistungen von einer Person an eine andere übermittelt werden, sind aber auch von dem markenrechtlichen Schutzanspruch für Telekommunikation im Sinne der Klasse 38 des Abkommens von Nizza umfasst. Wie sich aus den Erläuternden Anmerkungen zu Klasse 38 ergibt, geht es hier um Dienstleistungen, die es zumindest einer Person ermöglichen, mit einer anderen durch ein sinnesmäßig wahrnehmbares Mittel in Verbindung zu treten. Die Inhalte dieser Verbindung sind davon nicht betroffen, was nicht zuletzt durch den ausdrücklichen Hinweis verdeutlicht wird, dass Rundfunkwerbung, als ein Kommunikationsinhalt, von Klasse 38 nicht umfasst ist. Für die inhaltlichen Dienste stehen andere Waren- und Dienstleistungsklassen zur Verfügung.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die angemeldete Marke, bei der es sich nach den Ermittlungen des Senats um eine Wortschöpfung der Anmelderin handelt, die ausschließlich von ihr bzw. den zu ihrer Gruppe gehörenden Unternehmen als Label verwendet wird, für den ungehinderten Gebrauch durch die Mitbewerber freigehalten werden müsste (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Wenngleich jedes einzelne Wortelement für sich betrachtet einen warenbeschreibenden Sinn hat, lässt die Kombination der Worte "PURE" und "WEAR" die beiden einzelnen Begriffe in einer Gesamtheit aufgehen, die - wie bereits ausgeführt - sprachlich unüblich und trotz des Zusatzes "Die reinste Faser" - in ihrer konkreten Bedeutung nicht klar fassbar sind (vgl dazu EuGH GRUR 2003, 680 - BIOMILD). Aus diesem konturenschwachen Gesamtgefüge lässt sich nicht eine bestimmte Interpretation herausgreifen, die geeignet wäre, im Geschäftsverkehr als eindeutige Angabeüber Art, Beschaffenheit, Bestimmungszweck oder sonstige Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen zu dienen.
Dr. Schermer Prietzel-Funk Dr. van Raden Na
BPatG:
Beschluss v. 21.09.2004
Az: 27 W (pat) 377/03
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