Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. März 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 211/03

(BPatG: Beschluss v. 01.03.2005, Az.: 33 W (pat) 211/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Juli 2003 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke EU 001 043 892 wird die Löschung der Marke 301 42 815 angeordnet.

Gründe

I Gegen die nichtfarbige Eintragung der Wort-/Bildmarke 301 42 815 für

"Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Versicherungs-, Finanz-, Immobilienwesen, Geldgeschäfte"

ist Widerspruch erhoben worden aus der Wort-/Bildmarke EU 001 043 892 für

"Beratung und Unterstützung in Bezug auf Geschäftsführung und -organisation; Marketing und Verkaufsförderung; Unternehmensberatung in Bezug auf Franchising; Unterstützung bei der Geschäftsführung in Bezug auf Immobilienvermittlung; Vermittlung von Versicherungen und Finanzorganisationen; Durchführung von Versteigerungen und Auktionen; Beratungsdienstleistungen in Bezug auf alles vorstehend Genannte; Immobilienvermittlung; Versicherungsmaklergeschäfte; Bewertung und Verwaltung von Immobilien; Versicherungsdienstleistungen; Beratung in Verbindung mit allen vorstehend genannten Leistungen".

Mit Beschluss vom 4. Juli 2003 hat die Markenstelle für Klasse 36 durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle sind die entscheidungserheblichen beiderseitigen Dienstleistungen teilweise identisch oder liegen im hochgradigen Ähnlichkeitsbereich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei als normal einzustufen. Die Gesamtmarken seien aber deutlich verschieden. Zwar stünden sich in beiden Fällen Wort-/Bildmarken als Ballons gegenüber, die sich jedoch in der grafischen und der mit Text versehenen Ausgestaltung erheblich unterschieden. Dem Bildelement "Ballon" könne keine prägende Eigenschaft zuerkannt werden, da es in der modernen Werbung üblich geworden sei, "Ballons" als Werbeträger zu verwenden. Die Wortangaben träten daher nicht so sehr in den Hintergrund, dass sie den angesprochenen Verkehrskreisen nicht in Erinnerung bleiben würden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, dass wegen des auffälligen Ballons als Bildbestandteil dieser um ein Vielfaches kennzeichnungskräftiger sei als der Wortbestandteil. Größe, Form und Farbgebung seien die Stilmittel, die bei der angegriffenen Marke die bildliche Darstellung derart hervortreten ließen, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Wortbestandteil kaum mehr beachten und sich nur an der Bildwirkung orientieren würden. Aufgrund der nahezu identischen Formgebung der Ballons sei eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Dieses Ergebnis werde dadurch bekräftigt, dass der Wortbestandteil "Makler 3000" rein beschreibender Natur sei, so dass ihm keine Kennzeichnungskraft zukommen könne. Im Hinblick darauf dass der Widerspruchsmarke identische bzw. hochgradig ähnliche Dienstleistungen zugrundelägen, müssten die Vergleichsmarken einen ausreichend großen Abstand zueinander einhalten, was im vorliegenden Fall nicht gegeben sei.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke 301 42 815 wegen des Widerspruchs aus der Marke EU 001 043 892 anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Verfahren vor dem Bundespatentgericht zur Sache nicht geäußert. Im Verfahren vor der Markenstelle hat er vorgetragen, dass es zahlreiche Immobilienvermittler gebe, die Ballons als Werbeträger nutzten. Er hat zum Beweis dieser Behauptung ein entsprechendes Foto beigelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.

Der Senat hält die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke für gegeben.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Dienstleistungen ab, wobei von dem Fall eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (BGH GRUR Int 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995 - HONKA). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass z.B. ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch einen höheren Grad der Dienstleistungsähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr vgl BGH GRUR 2000, 603 - Cetof/ETOP). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Nachdem Benutzungsfragen hier nicht einschlägig sind, ist für die Frage der Ähnlichkeit der Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen. Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen liegen im engen Ähnlichkeitsbereich bis hin zur Identität.

So ist die Dienstleistung "Werbung" eng verwandt mit "Marketing und Verkaufsförderung", "Geschäftsführung" ist nahezu identisch mit "Beratung und Unterstützung in Bezug auf Geschäftsführung und -organisation", "Unternehmensverwaltung" weist enge Berührungspunkte zu "Unternehmensberatung in Bezug auf Franchising" auf. Auch "Büroarbeiten" stehen in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit "Beratung und Unterstützung in Bezug auf Geschäftsorganisation", "Versicherungs-, Finanz-, Immobilienwesen und Geldgeschäfte" sind in beiden Dienstleistungsverzeichnissen nahezu identisch enthalten.

Die Widersprechende hat im Verfahren vor der Markenstelle behauptet, dass der Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungskraft zukomme. Dies hat der Markeninhaber mit Schriftsatz vom 4. Mai 2002 bestritten. Letztlich kann die Frage der erhöhten Kennzeichnungskraft im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben, weil auch bei Unterstellung einer normalen Kennzeichnungskraft der zwischen den beiden Marken erforderliche Abstand nicht eingehalten wird.

Der Senat geht nämlich davon aus, dass der Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein von ihrem Bildbestandteil geprägt wird. Zwar ist von der registrierten Form der Marken auszugehen, wobei es grundsätzlich nicht zulässig ist, aus der angegriffenen Marke ein Element herauszugreifen und es in Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen. Dies zwingt indes nicht dazu, die Marken stets mit allen jeweiligen Merkmalen zu vergleichen. Vielmehr kann auch ein Markenbestandteil eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung haben, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt, in dem er eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist (vgl Ströbele/Klaka, Markengesetz, 7. Auflage, Rz 367 ff mwN).

Die beiden sich gegenüberstehenden Marken enthalten jeweils Ballone, auf denen sich Schriftzeichen befinden, bei der angegriffenen Marke der Schriftzug "Makler 3000", bei der Widerspruchsmarke der Schriftzug "RE/MAX". Der Bildbestandteil "Ballon" tritt dabei hinsichtlich Größe, Form und Farbgebung derart hervor, dass die jeweiligen Schriftzüge zurücktreten. Die beiden Ballons sind hinsichtlich ihrer tropfenartigen Außenform, hinsichtlich ihrer Größe und der ähnlichen Darstellung des Ballonkorbs so einander angenähert, dass eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

Etwas anderes kann auch nicht deshalb gelten, weil, wie der Markeninhaber zutreffend vorgetragen hat, es üblich ist, Ballone als Werbeträger für verschiedene Produkte und Dienstleistungen zu verwenden. Im vorliegenden Fall sind nämlich nicht die in den Marken enthaltenen Ballone Werbeträger für bestimmte Werbebotschaften, sondern die Ballone selbst sind die dominierenden Bestandteile der jeweiligen Marken.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.

Winkler Richterin Pagenberg ist durch Urlaub verhindert zu unterschreiben.

Winkler Dr. Hock Cl






BPatG:
Beschluss v. 01.03.2005
Az: 33 W (pat) 211/03


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