Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 78/03

(BPatG: Beschluss v. 21.01.2004, Az.: 28 W (pat) 78/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. November 2002 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 098 889 wird die Löschung der angegriffenen Marke 397 25 404 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die für

"Pigmente; Füllstoffe für Papier, Farbe und Lacke"

eingetragene und am 10. Oktober 1997 veröffentlichte Wortmarke 397 25 404 CALCIMATT hat die Inhaberin der prioritätsälteren Wortmarke Nr. 1 098 889 CALCIPLAST die seit dem 11. November 1986 für

"Calciumcarbonat, insbesondere feinteiliger Calcit als Füllstofffür die Kunststoffindustrie"

eingetragen ist, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Widersprechende habe die zulässigerweise bestrittene Benutzung ihrer Marke nicht hinreichend glaubhaft gemacht, zudem hielten die Marken auch bei sich gegenüberstehenden hochgradig ähnlichen bzw. identischen Waren und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchmarke für die hier betroffenen Fachkreise einen ausreichenden Abstand zueinander ein. Eine Verkürzung der angegriffen Marke auf den Bestandteil "CALCI" komme wegen dessen Kennzeichnungsschwäche nicht in Betracht, so dass auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr ausscheide.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie auf den Umstand verweist, dass die Widerspruchsmarke seit langem Teil einer Reihe von Serienmarken sei, die sämtlich intensiv benutzt würden. Vor dem Hintergrund identischer Waren müssten daher an den Markenabstand strenge Anforderungen gestellt werden, die vorliegend nicht eingehalten seien. Letztlich werde der betroffene Fachverkehr, falls er den Bestandteil "CALCI" überhaupt als beschreibenden Hinweis auf "Calcium" auffasse und als nicht kennzeichnend einstufe, zumindest denken, er habe es bei der angegriffenen Marke mit einer Abwandlung aus der Serie der Widerspruchsmarke zu tun.

Zur Glaubhaftmachung der Benutzung reicht sie weitere Unterlagen ein und legt in der mündlichen Verhandlung u.a. einen Katalog mit dem Lieferprogramm vor.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die angegriffene Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält weiterhin die Einrede der Nichtbenutzung aufrecht, weil sie die Unterlagen über die Widerspruchsmarke für lückenhaft - keine Rechnungen oder Lieferscheine zur Stützung des behaupteten, aber nicht im einzelnen aufgeschlüsselten Umsatzes - hält. Zudem stelle der seitliche Aufdruck des Markenwortes auf den Liefersäcken keine erkennbare markenmäßige Benutzung dar. Auch die Benutzung der Serienmarken der Widersprechenden sei nicht hinreichend dargelegt.

Hinsichtlich der Verwechslungsgefahr geht sie davon aus, dass die Marken im Gesamteindruck ausreichend unterschiedlich seien und die Gefahr einer assoziativen Verwechslung daran scheitere, dass sich die Folge "CALCI" als beschreibender Hinweis auf "CALCIUM" im Sinne von "Calciumprodukten" nicht als Stammbestandteil für Serienmarken eigne und im übrigen schon angesichts der Drittzeichenlage kein Hinweis auf die Widersprechende sein könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die patentamtlichen Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach Auffassung des Senats kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke hinsichtlich der im Tenor aufgeführten Waren verwechselbar nahe im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend teilweise eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.

Was die Warenlage anbetrifft, ist von der Markeninhaberin zunächst die Benutzung in zulässiger Weise bestritten worden. Jedoch hat die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke im Sinne von §§ 43, 26 MarkenG, 294 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht.

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin sind hierfür nicht umfangreiche Unterlagen wie Rechnungen oder Lieferscheine oder sonstige Umsatzbelege erforderlich. Vielmehr kann die Benutzung, wie im Gesetz vorgesehen, unter Umständen sogar allein mit einer sorgfältig formulierten eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass nicht der Vollbeweis einer Benutzung erbracht werden muss, wie das die Ausführungen der Markeninhaberin nahe legen, sondern lediglich deren Glaubhaftmachung. Wenn schon im einstweiligen Verfügungsverfahren die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung genügt, dürfen im markenrechtlichen Registerverfahren die Anforderungen etwa an die Qualität und den Aussagegehalt einer solchen Versicherung nicht höher geschraubt werden, auch wenn ein Widersprechender hier mehr Zeit zur Zusammenstellung von Unterlagen hat. Letztlich sollen mit der Regelung der §§ 43, 26 MarkenG vor dem Hintergrund des schon in der europäischen Markenrichtlinie enthaltenen Benutzungszwangs lediglich Scheinbenutzungen oder sonstige nicht ernsthafte Benutzungshandlungen ausgeschlossen sein, wobei selbst Umsatzangaben aus einem sehr kurzen Abschnitt des jeweils relevanten Fünf-Jahres-Zeitraumes ohne weiteres die Ernsthaftigkeit belegen können (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 43 Rdn. 95). Im übrigen können, wie gesagt, alle Kriterien zur Glaubhaftmachung umfassend durch Erklärung im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung erfüllt werden einschließlich der verbalen Beschreibung einer funktionsmäßigen Benutzung, auch wenn insoweit die Vorlage von Benutzungsbeispielen auf der Ware oder, falls das nicht möglich oder üblich ist, der Verpackung in Form von entsprechenden Abbildungen sicherlich sachdienlich ist.

Im vorliegenden Fall hat die Widersprechende spätestens mit der Vorlage der eidesstattlichen Versicherung vom 18. Juni 2003 und jahresbezogenen Angaben über den erzielten Umsatz mit "CALCIPLAST"-Füllstoff-Produkten, der sich ersichtlich außerhalb einer reinen Scheinbenutzung bewegt, sowie des Lieferkataloges und Abbildungen mit der gekennzeichneten Originalware eine ernsthafte und wirtschaftlich sinnvolle Benutzung für ihre Waren glaubhaft gemacht. Die dagegen von der Markeninhaberin vorgebrachten Einwände stehen mit der gesetzlichen Voraussetzung nicht in Einklang und beruhen möglicherweise auf dem Umstand, dass die Widersprechende anfänglich nur sehr zögerlich und lückenhaft Benutzungsmaterial eingereicht hat. Jedenfalls kommt auch die seitliche Anbringung der Marke auf den Schmalseiten der Liefersäcke neben den weiteren Aufdrucken hinreichend als (Zweit-)Kennzeichnung zur Geltung, weil sie insbesondere bei der Anlieferung der Säcke auf Paletten - was angesichts der benötigten großen Mengen der Abnehmer der Normalfall sein dürfte - gerade an dieser Stelle deutlich zu erkennen ist.

Da die benutzten Waren unter den Begriff "Füllstoffe für Papier, Farbe und Lacke" im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke fallen, können sich insofern identische Waren gegenüberstehen. Was Füllstoffe und Pigmente betrifft, haben sie z.B. auch farbliche Wirkung und liegen damit im engsten Ähnlichkeitsbereich. Allerdings ist der Umstand, dass sich die Waren nur an ausgesprochenen Fachverkehr richten, der erfahrungsgemäß im Umgang mit Spezialstoffen eher Sorgfalt walten lässt und diese nicht wie etwa Massenartikel des täglichen Bedarfs mit einer gewissen Flüchtigkeit und Unaufmerksamkeit gegenüber den Kennzeichnungen erwirbt, eher kollisionsmindernd. Vor diesem Hintergrund wird man an den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr noch einzuhaltenden Abstand der Marken daher nur durchschnittliche Anforderungen stellen müssen, die vorliegend allenfalls im direkten Markenvergleich eingehalten werden, nicht aber unter dem Blickwinkel eines gedanklichen Inverbindungbringens der Marken.

Eine die Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit wäre zunächst über die identische Buchstabenfolge "CALCI" in Betracht zu ziehen, was sich aber schon deshalb verbietet, weil der Verkehr Zeichen regelmäßig so auffasst, wie sie ihm entgegentreten, d.h. als einheitliches und eigenständiges Gebilde. Hinzu kommt, dass bei einem zusammengeschriebenen Markenwort wie "CALCIPLAST", das nicht (ausnahmsweise) aufgrund besonderer Umstände als mehrgliedrig empfunden wird, auch nicht ohne weiteres auf "Bestandteile" abgestellt werden darf, die den "Gesamteindruck" des einheitlichen Wortes prägen und insoweit für sich gesehen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr mit anderen Marken begründen könnten. Gegen die Übernahme dieser ausschließlich zu mehrteiligen Kombinationsmarken entwickelten Grundsätze auf einteilige Marken bestehen um so größere Bedenken, als dadurch eine sichere Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Verwechslungsgefahr unmöglich würde und die bewusst hoch angesetzten Anforderungen an die Bejahung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr umgangen werden könnten (vgl. auch BGH GRUR 1999, 735, 736 "MONOFLAM/POLYFLAM"). Dementsprechend wäre es rechtsfehlerhaft, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich deshalb feststellen zu wollen, weil sich ein Teil des älteren Zeichen wie hier identisch in dem jüngeren Zeichen wiederfindet. Allerdings weisen die verbleibenden Wortenden der Vergleichszeichen schriftbildliche und klangliche Übereinstimmungen auf ("A", "T"), so dass auch im Gesamteindruck Verwechslungen nahe liegen könnten. Dennoch ist damit zu rechnen, dass die hier betroffenen Fachkreise den beschreibenden Anklang von "CALCI" als Hinweis auf "Calcium" erkennen und den Wortenden zumindest ebenso große Aufmerksamkeit widmen, so dass ihnen - nicht zuletzt aufgrund deren abweichenden Sinngehalts - die Unterschiede auffallen sollten.

Dies kann jedoch letztendlich dahingestellt bleiben. Nach Auffassung des Senats besteht nämlich die Gefahr, dass die Marken bei Verwendung auf identischen Waren im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, auch wenn unter diese Formulierung des Gesetzes nicht jede wie auch immer geartete gedankliche Assoziation fällt (vgl EuGH GRUR 1998, 387 Springende Raubkatze), sondern primär die zum früheren Warenzeichenrecht entwickelten Grundsätze zur mittelbaren Verwechslungsgefahr und zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne Eingang in das neue Markenrecht finden sollen. Da es sich bei der mittelbaren Verwechslungsgefahr um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist bei seiner Anwendung Zurückhaltung geboten, und auch das neue Recht gibt keinen Anlass, etwa für die Feststellung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens neue Maßstäbe anzulegen. Trotz dieser Vorbehalte muss vorliegend die Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens der Marken bejaht werden, weil der Verkehr die Verwendung der Widerspruchsmarke in dem jüngeren Zeichen als Herkunftshinweis auf die Widersprechende werten wird. Zwar kann das bloße Vorhandensein eines übereinstimmenden Wortbestandteils allein noch nicht die Annahme einer gedanklichen Verwechslungsgefahr rechtfertigen. Dem Bestandteil muss auch im Rahmen des Gesamtzeichens ein derartiger Hinweischarakter auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden zukommen. Dies muss dem Verkehr Anlass geben, trotz des unterschiedlichen Gesamteindrucks der Zeichen aus der bloßen Übereinstimmung einzelner Zeichenteile irrigen Schlussfolgerungen auf die Herkunft entsprechend gekennzeichneter Waren zu unterliegen. Dazu ist nicht zwingend erforderlich, dass die Widersprechende bereits über eine Reihe von Zeichen mit dem relevanten Bestandteil in Form einer Serienbildung verfügt. Besteht aber wie vorliegend eine solche Serie mit den Eingangssilben "CALCI" (zB CALCILIT, CALCIFIN, CAL-CICOLL) und ist deren Benutzung dargetan, wie schon der Katalog der Widersprechenden mit der Darstellung ihrer Produktpalette belegen und was angesichts der von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen wohl ernstlich nicht mehr bestritten werden kann, ist hinreichend zu erkennen gegeben, dass das Stammzeichen für sie umfassenden Hinweischarakter haben soll. Bedenkt man schließlich, dass bei der assoziativen Verwechslungsgefahr der Verkehr nicht bloß aus der Erinnerung heraus einen Zeichenvergleich vornimmt, sondern ihm beide Zeichen vollständig gegenwärtig sind, wird sich ihm bei der angegriffenen Marke der Zusammenhang mit der Widerspruchsmarke zwangsläufig aufdrängen.

Eine andere rechtliche Beurteilung wäre allenfalls denkbar, wenn die Eingangssilben "CALCI" als Stammbestandteil einer Serienmarke deshalb ungeeignet wären, weil es sich hierbei entweder um einen deutlichen beschreibenden Hinweis handelt, dem der Verkehr keinerlei Hinweisfunktion entnimmt, oder dieses Kürzel durch Verwendung in Drittmarken anderer Anbieter seine Eignung als Hinweis auf die Widersprechende verloren hätte. Diese beiden Gesichtspunkte sind von der Markeninhaberin zwar behauptet, jedoch nicht ausreichend belegt worden, insbesondere was die Benutzungslage der Drittzeichen betrifft. Es konnten auch vom Senat keine tatsächlichen Feststellungen getroffen werden, dass es sich bei "CALCI" um einen (ggfls. sogar gebräuchlichen) Fachbegriff für die betroffenen Waren handelt. Zwar wird das Wort als Präfix (Calciumcarbonat, Calcit) für einige chemische Begriffe im Baustoffbereich verwendet, aber auch im medizinischen Bereich ("Calcitriol, Calcifidol, Calcitonin"), jedoch niemals in Alleinstellung. Letztlich ist die Widerspruchsmarke in ihrem Bestandteil "CALCI" auch nicht lediglich beschreibend, denn auch im Zusammenhang mit Füllstoffen ergibt dies selbst für die Fachkreise keinen eindeutigen Sinn: es kann sich um Calcium allgemein, Calcit oder Calciumcarbonat handeln.

Selbst wenn der Bestandteil aufgrund seines beschreibenden Anklanges als kennzeichnungsschwach einzustufen wäre, so entfiele dadurch nicht automatisch seine Eignung als Serienstamm. Denn ausnahmsweise kommt auch ein solcher Bestandteil als Stamm in Betracht, wenn er tatsächlich im Rahmen einer vorhandenen Zeichenserie als solcher aufgefasst wird oder neben weiteren originalitätsschwächeren weiteren Elementen entscheidendes Gewicht erlangt hat (vgl. Ströbele/Hacker, aaO., § 9 Rdn. 484 mwN). Hier sind beide Alternativen zu bejahen: zum einen wird "CALCI" als Markenstamm einer beachtlichten Serie verwendet, so dass der Verkehr daran gewohnt ist; zum andern ist die Wortendung "PLAST" als gängiger Hinweis auf "Plastik" noch originalitätsschwächer. Im übrigen wird der sogar glatt beschreibende Bestandteil "matt" der angegriffenen Marke im vorliegenden Fall den Verkehr zusätzlich veranlassen, diese lediglich als Teil einer Serie der Widerspruchsmarke einzuordnen.

Bei Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Senat daher der Auffassung, dass bei einem Zusammentreffen beider Marken möglicherweise die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen, nicht jedoch die einer gedanklichen Verbindung auszuschließen ist, so dass die Beschwerde Erfolg haben musste.

Zu einer Auferlegung von Kosten hatte der Senat keine Veranlassung (MarkenG § 71 Abs 1).

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Ko






BPatG:
Beschluss v. 21.01.2004
Az: 28 W (pat) 78/03


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