Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. März 2002
Aktenzeichen: 6 U 135/01
(OLG Köln: Urteil v. 08.03.2002, Az.: 6 U 135/01)
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.05.2001 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 906/00 - wird zurückgewiesen.2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 15.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte zwar Sicherheit in dieser Höhe leistet.4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein sich mit der Produktion und dem Handel hochwertiger Tees befassendes Unternehmen, stellt seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Tee-Aufgussbeutel in der aus der Anlage K 2 ersichtlichen Gestaltungsform her. Diese unter der für die Klägerin auch als Marke geschützten Bezeichnung "T.-C." angebotenen Teebeutel sind für die Teezubereitung in Kannen bestimmt und werden ausschließlich an Abnehmer der gehobenen Hotellerie und Gastronomie vertrieben, bei denen sie einen Marktanteil von 85 % - 90 % erreicht haben. Die Gestaltung des Griffteils bzw. des sog. "R.etiketts" des Tee-Aufgussbeutels ermöglicht es, den Beutel am Griff der Kanne zu fixieren, wodurch u.a. ein Verrutschen des Teebeutels verhindert und dessen anschließendes Entfernen aus der Kanne erleichtert wird.
Die Beklagte vertreibt unter der Dachmarke "M." ebenfalls Tee, der über den Einzelhandel an Endverbraucher veräußert wird. Seit Mitte des Jahres 2000 bringt sie unter der Bezeichnung "T.B." einen Tee-Aufgussbeutel in der Gestaltung gemäß dem mit der Anlage B 8 überreichten Originalexemplar in den Verkehr, die - ebenso wie bei Verwendung des Produkts der Klägerin - eine Fixierung des Beutels am Griff einer Teekanne ermöglicht.
Nach Auffassung der Klägerin ist das Inverkehrbringen eines Tee-Aufgussbeutels in der Gestaltungsform des "T.B." als eine im Sinne von § 1 UWG wettbewerbswidrige Verhaltensweise der Beklagten zu erachten.
Dieser Tee-Beutel, so hat die Klägerin zur Begründung des dargestellten Standpunkts ausgeführt, sei der äußeren Erscheinung ihres eigenen Tee-Aufgussbeutels "T.-C.", eines Produkts, dem eine hohe wettbewerbliche Eigenart zukomme, in einem Maße angenähert, dass - was die Klägerin näher erläutert hat - die vermeidbare Gefahr betrieblicher Herkunftsverwechslungen bestehe. Die Beklagte habe den nach der äußeren Gestaltung ihres Tee-Aufgussbeutels "T.B."" hervorgerufenen Eindruck eines gleichen Herstellerursprungs der Erzeugnisse sogar noch dadurch verstärkt, dass sie sich auch mit der für ihren Tee-Beutel gewählten Bezeichnung stark an die Kennzeichnung des Klageprodukts angelehnt habe. Darüber hinaus stelle sich der Vertrieb der Tee-Aufgussbeutel "T.B." aus von der Klägerin im einzelnen dargestellten Gründen aber auch unter den Aspekten der Rufausbeutung sowie der individuellen Behinderung als wettbewerbswidrig dar.
Die Klägerin hat beantragt,
I.
die Beklagte zu verurteilen,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis insgesamt zu zwei Jahren zu unterlassen,
unter der Bezeichnung "T.B." im geschäftlichen Verkehr Tee-Aufgussbeutel gemäß nachfolgender Abbildung anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen:
2.
ihr, der Klägerin, Auskunft über den Umfang ihrer Handlungen gemäß Ziffer I. 1) seit dem 07.07.2000 zu erteilen, insbesondere über
a)
die Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b)
die einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss identifizierbarer Bezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c)
die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d)
die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e)
die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn,
II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr - der Klägerin - denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziff. I. bezeichneten Handlungen seit dem 07.07.2000 entstanden ist und künftig entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sowohl die wettbewerbliche Eigenart des Teebeutels der Klägerin als auch im übrigen das Vorliegen besonderer Umstände in Abrede gestellt, die den Vertrieb ihrer Tee-Aufgussbeutels "T.B." als wettbewerblich unlauter einordnen ließen. Das gelte namentlich mit Blick auf den klägerseits angeführten Aspekt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung. Die Gefahr betrieblicher Herkunftsverwechslungen scheide schon nach den bei beiden Produkten zu verzeichnenden deutlichen Gestaltungsunterschieden aus.
Mit Urteil vom 17.05.2001, auf welches zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Gestaltung des Tee-Aufgussbeutels "T.C." der Klägerin weise zwar, so hat das Landgericht zur Begründung dieser Entscheidung ausgeführt, die für den begehrten Leistungsschutz erforderliche, im Streitfall als durchschnittlich einzuordnende wettbewerbliche Eigenart auf. Indessen halte der angegriffene Tee-Beutel der Beklagten einen ausreichenden Abstand zu diesem Produkt ein, so dass - auch bei Würdigung der für die Produkte jeweils gewählten Bezeichnungen - die Gefahr von Verwechslungen betreffend die betriebliche Herkunft der streitbefangenen Erzeugnisse der Parteien nicht zu besorgen sei. Ansprüche unter den Gesichtspunkten der Behinderung oder der Rufausbeutung schieden wegen des ausreichenden Abstandes des angegriffenen Erzeugnisses der Beklagten von dem Klageprodukt ebenfalls aus.
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die ihr erstinstanzliches Vorbringen im übrigen wiederholende und vertiefende Klägerin ihre Klagebegehren weiter. Zu Unrecht, so führt die Klägerin in Begründung ihres Rechtsmittels aus, habe das Landgericht das Vorliegen besonderer Umstände verneint, die den Vertrieb der Tee-Aufgussbeutel "T.B." der Beklagten als im Sinne von § 1 UWG wettbewerbswidrig einordnen ließen. Dabei habe das Landgericht schon im Ausgangspunkt seiner Würdigung verkannt, dass die wettbewerbliche Eigenart des Klageprodukts nicht lediglich als durchschnittlich, sondern als hoch einzuordnen sei. Bei der Bestimmung der die wettbewerbliche Eigenart des Produkts selbst begründenden Merkmale habe das Landgericht zu Unrecht die Farbgestaltung der Reiteretikette einbezogen und diesem Gestaltungselement sodann - ebenfalls zu Unrecht - beim Vergleich der beiden Produktgestaltungen der Parteien eine zum vermeintlich hinreichenden Abstand beitragende Wirkung beigemessen. Der Farbgestaltung der R.etiketten komme indessen keinerlei herkunftshinweisende Funktion, sondern allein die Funktion eines gattungsbezogenen Hinweises auf die verschiedenen Teesorten und -mischungen bzw. deren unterschiedliche Geschmacksrichtungen zu. Ebenfalls nicht überzeugen könne das angefochtene Urteil, soweit es das Größenverhältnis von Beutel und Griffteil bei der Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ihres Tee-Beutels außer Acht gelassen habe. Auch wenn die Form des an dem Reiteretikett des Aufgussbeutels anhängenden Beutels selbst die wettbewerbliche Eigenart des Klageprodukts nicht beeinflussen könne, so hätte das Landgericht im weiteren jedoch das Größenverhältnis bzw. die ungewöhnlichen Abmessungen des Verhältnisses von Griffteil und Beutel berücksichtigen müssen. Vor diesem Hintergrund könne aber eine die Gefahr von Herkunftsverwechslungen begründende hohe Übereinstimmung der Gestaltungsform der streitbefangenen Produkte nicht von der Hand gewiesen werden, die sich auch in den Ergebnissen einer von der Klägerin als Anlage K 9 zu den Akten gereichten Umfrage widerspiegele.
Die Klägerin beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte gemäß den
in erster Instanz gestellten, oben wiedergegeben Klageanträgen zu
verurteilen jedoch mit der Maßgabe, dass die in den Unterlassungs-
antrag eingeblendete schwarzweiß Fotokopie des Tee-Aufgussbeutels der Beklagten nunmehr beide Seiten des Produkts wiedergibt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält insbesondere an ihrem in der Berufung noch näher begründeten Standpunkt fest, dass dem Klageprodukt bereits die erforderliche wettbewerbliche Eigenart abzusprechen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf ihre in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die in formeller Hinsicht einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil der Klägerin den für die Gestaltung ihres unter der Bezeichnung "T.-C." vertriebenen Tee-Aufgussbeutels auf der Grundlage von § 1 UWG begehrten wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz versagt. Die gegen diese Wertung mit der Berufung vorgebrachten Einwände und Beanstandungen der Klägerin vermögen keine abweichende Beurteilung herbeizuführen. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Klägerin stellt sich das Inverkehrbringen der angegriffenen Teebeutel "T.B." durch die Beklagte unter keinem der geltend gemachten Unlauterkeitsaspekte als nach den Maßstäben des § 1 UWG wettbewerbswidrige Verhaltensweise dar.
I.
Die Übernahme einer Gestaltungsform, die nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz steht, ist aus wettbewerbsrechtlicher, durch das Prinzip der Nachahmungsfreiheit geprägter Sicht grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG kann die Nachahmung eines Erzeugnisses allerdings dann sein, wenn dieses von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die das Inverkehrbringen der Nachahmung als unlauter erscheinen lassen (BGH WRP 2001, 534/536 - "Viennetta"-; ders. WRP 2001, 153/155 -"Messerkennzeichnung"-; ders. GRUR 2000, 521/523 --"Modulgerüst"- jeweils m.w.N.). Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ist einer Wechselwirkung zwischen den dargestellten Faktoren dergestalt Rechnung zu tragen, dass die Anforderungen an die besonderen, die Wettbewerbswidrigkeit begründenden Umstände desto größer sind, je schwächer die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Erzeugnisses und je niedriger der Grad der Übernahme durch das beanstandete Erzeugnis sind (vgl. BGH a.a.O.). Unter Beachtung dieser Grundsätze lässt sich die Wettbewerbswidrigkeit des Inverkehrbringens der Teebeutel "T.B." in der streitbefangenen Gestaltung nicht begründen:
Mit der Klägerin und dem ihr insoweit folgenden Landgericht ist zwar die wettbewerbliche Eigenart des unter der Marke "T.-C." hergestellten Teebeutels der Klägerin im Streitfall zu bejahen. Zutreffend hat indessen das Landgericht das Vorliegen besonderer, die Wettbewerbswidrigkeit des Inverkehrbringens der beanstandeten Teebeutel durch die Beklagte begründender Unlauterkeitsmomente verneint.
1.
Was die der Gestaltung des klägerischen Teebeutels zugesprochene wettbewerbliche Eigenart angeht, nimmt der Senat zunächst gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. i.V. mit § 26 Nr. 5 EGZPO Bezug auf die überzeugenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils (dort S. 9 - 11).
a)
Zutreffend hat das Landgericht dabei maßgeblich auf die Aufmachung des "Griffteils" abgestellt und dabei insbesondere die konkrete Form der Durchtrittsöffnung, mit der eine Fixierung des Aufgussbeutels am Kannengriff ermöglicht wird, sowie ferner die farbliche Gestaltung einbezogen. Soweit die Klägerin dieser Wertung entgegenhält, die Farbgestaltung des Griffteils ("R.etikett") sei nicht geeignet, dem Verkehr die Unterscheidung von gleichartigen Erzeugnissen anderer Herkunft zu ermöglichen, sondern diene allenfalls als Hinweis auf die Geschmacksrichtung bzw. die Art der in dem Aufgussbeutel enthaltenen jeweiligen Teesorte, und habe mithin eine allein die Warengattung identifizierende Funktion, rechtfertigt das keine abweichende Beurteilung. Erfahrungsgemäß trifft es zwar zu, dass die jeweiligen Teehersteller die von ihnen angebotenen verschiedenen Teesorten und -mischungen auch dadurch unterscheiden, dass sie u.a. den ihren Tee-Aufgussbeuteln angehängten Etiketten verschiedene Farben geben. Indessen wählt dabei jeder Hersteller nicht nur jeweils eine andere Farbe für die nämliche Teesorte, wie dies beispielsweise auch die von der Klägerin als Anlage K 6 vorgelegte Produktübersicht demonstriert (vgl. dort die A.-Tees von Teekanne und von E., die jeweils unterschiedlich gefärbte R.etiketten aufweisen); vielmehr kommt es hier vor allem auf die konkrete Ausführung der Farbgestaltung des Griffteils an, das beim einen Hersteller entweder "Uni" oder aber in verschiedene Farbfelder oder durch Streifen unterteilt sein kann. Diese konkrete Form der Farbgestaltung ist aber geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft des Produkts hinzuwiesen.
Soweit die Klägerin weiter beanstandet, das Landgericht habe - auch wenn die Gestaltung des eigentlichen Beutels selbst die wettbewerbliche Eigenart nicht zu begründen vermöge - bei seiner Würdigung zu Unrecht das Größenverhältnis von Griffteil zu Beutel unberücksichtigt gelassen, vermag sie damit ebenfalls nicht durchzudringen. Zwar ist es richtig, dass das wettbewerbliche Produktumfeld, wie dies die vorbezeichnete Übersicht gemäß Anlage K 6 zur Klageschrift belegt, Teebeutel anbietet, bei denen der Griffteil im Verhältnis zum Beutel ein abweichendes Größenverhältnis aufweist. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Beutel im Verhältnis zum Griffteil bei einer erheblichen Anzahl von Drittprodukten, so z.B. bei den Teebeuteln von T., W., H., A. und G. bzw. "D. T.", ebenfalls deutlich größer gestaltet ist. Auch wenn dabei in den Abmessungen nicht exakt das Größenverhältnis gewählt wurde, wie es bei der Gestaltung des klägerischen Teebeutels vorhanden ist, liegen die für die Gestaltung der erwähnten Drittprodukte verwendeten Größenzuordnungen doch so nah bei dem für das bei dem Klageprodukt gewählten Verhältnis, dass dieses nicht in einem Maße ungewöhnlich ausgefallen ist, dass es sich als eine gestalterische Besonderheit vom sonstigen Produktumfeld abheben würde. Das Verhältnis der Größenzuordnung von Beutel zu Griffteil beim Klageprodukt mag daher zwar ein dessen Erscheinungsbild mitbeeinflussendes Gestaltungsmerkmal darstellen, jedoch prägt es den optischen Gesamteindruck nur unwesentlich mit und entfaltet es daher nur geringe herkunftshinweisende Funktion.
b)
Auch soweit das Landgericht die wettbewerbliche Eigenart des Klageprodukts als (nur) durchschnittlich eingeordnet hat, hält das angefochtene Urteil den mit der Berufung vorgebrachten Einwänden der Klägerin stand. Soweit die Klägerin der Gestaltung ihres Tee-Aufgussbeutels demgegenüber eine hohe wettbewerbliche Eigenart beimessen will, vermag sie damit nicht durchzudringen.
Dass das von ihr angeführte Verhältnis von Griffteil bzw. Reiteretikett und Beutel der Gestaltung des Klageprodukts keine von Hause aus überdurchschnittliche wettbewerbliche Eigenart zu verleihen vermag, ergibt sich aus den letztgenannten Ausführungen. Eine überdurchschnittliche wettbewerbliche Eigenart weist die Gestaltung des Klageprodukts aber auch nicht wegen der besonderen Gestaltung des R.etiketts selbst bzw. der dort geschaffenen Möglichkeit der Fixierung des Tee-Beutels am Griff der Teekanne auf. Die Klägerin liegt mit der übrigen Gestaltung ihres Tee-Aufgussbeutels nah an den auch innerhalb des wettbewerblichen Umfelds verbreiteten Gestaltungsformen. So weisen die bereits erwähnten Teebeutel der Drittanbieter T., H., W., A. und "D. T." (vgl. Anlage K 6) jeweils in den oberen Bereichen der Reiteretiketten auf farbigem Hintergrund die Produktbezeichnungen sowie überwiegend die Hersteller- oder sonstigen Produktkennzeichen auf. Die Reiteretiketten selbst schließen in der Breite jeweils seitlich mit den Beuteln ab und haben eine Höhe von ca. einem Drittel bis ca. der Hälfte des Beutels. Selbst wenn die Beklagte bis zum Marktaufritt der Beklagten als erste und einzige Herstellerin einen Teebeutel angeboten hat, dessen Reiteretikett eine Öffnung aufweist, die eine Befestigung am Griff der Teekanne zulässt, verleiht dies der äußeren Aufmachung ihres Produkt keine derartige Individualität, dass dessen wettbewerbliche Eigenart als von Hause aus überdurchschnittlich bzw. hoch einzuordnen ist.
Eine auf ein überdurchschnittliches Maß gesteigerte wettbewerbliche Eigenart ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin mit ihrem Tee-Aufgussbeutel in dem angesprochenen Verkehrskreis der gehobenen Gastronomie und Hotellerie unstreitig einen hohen Marktanteil bzw. eine dadurch indizierte erhebliche Verkehrsbekanntheit erreicht hat. Denn der angesprochene Absatzerfolg und die damit erreichte Bekanntheit ihres Produkts beschränkt sich auf den von der Klägerin selbst als "Spezialmarkt" bezeichneten Kreis der gehobenen Gastronomie und Hotellerie, mithin auf ein enges Marktsegment.
2)
Zu Recht hat das Landgericht weiter das Vorliegen von Umständen verneint, die den klägerseits erhobenen Vorwurf der wettbewerblichen Unlauterkeit des Inverkehrbringens der Tee-Aufgussbeutel "T.B." in der streitbefangenen Gestaltung tragen.
a)
Unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung lässt sich eine solche Unlauterkeit nicht begründen. Die Produkte der Parteien unterscheiden sich nach ihrem maßgeblichen Gesamteindruck vielmehr so deutlich voneinander, dass die Gefahr betrieblicher Herkunftsverwechslungen eines relevanten Teils des angesprochenen Verkehrs ausscheidet.
Auch insoweit nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil (dort S. 11 - 13). In diesem ist zutreffend erkannt, dass allein wegen der als gemeinsames Gestaltungselement verwandten, die Fixierung am Griff der Teekanne ermöglichenden Öffnung im Reiteretikett bzw. "Griffteil" der Teebeutel keine die relevante Gefahr betrieblicher Herkunftsverwechslungen begründende Ähnlichkeit mit dem Klageprodukt vorliegt. Das Anbringen einer Öffnung in dem Griffteil als solche ist nicht geeignet, die Ähnlichkeit der zu vergleichenden Produkte zu begründen, da ein Schutz der Idee, auf diese Weise, nämlich mittels einer Durchgriffsöffnung eine Fixierung des Teebeutels am Griff der Kanne zu ermöglichen, nicht in Betracht kommen kann. Abzustellen ist vielmehr ausschließlich auf die konkrete Art der Ausgestaltung der Durchgriffsöffnung, also auf die von den Parteien jeweils gewählte optische bzw. ästhetische Lösung, wie sie dieser - gemeinsam verwandten - Idee gestalterisch Ausdruck verliehen haben. Aus den von dem Landgericht dargestellten Gründen ist die konkrete Form, die die Beklagte der Durchgriffsöffnung gegeben hat, aber deutlich von derjenigen verschieden, die das Klageprodukt kennzeichnet. Hinzu kommt, dass sich dieser gestalterische Unterschied auch in der praktischen Handhabung auswirkt, weil - anders als bei dem Klageprodukt - beim "T.B." der Beklagten erst eine Aufspreizung der beiden oberen, die Öffnung einfassenden Schenkel vorgenommen werden muss, um den Griffteil bzw. das Papieretikett um den Kannengriff schließen zu können.
Angesichts dieser deutlich ins Auge fallenden Gestaltungsunterschiede ist aber die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen, also die Besorgnis, dass ein mehr als nur unbeachtlicher Teil des Verkehrs das Produkt der Beklagten für dasjenige der Klägerin hält und umgekehrt, zu verneinen. Im Ergebnis Gleiches gilt für die Gefahr mittelbarer Verwechslungen. Beide Parteien sind namhafte und bekannte Hersteller und Vertreiber von Tees. Sie wenden sich mit den streitbefangenen Produkten an unterschiedliche Verkehrskreise: Während die Beklagte ihren "T.B." im Einzelhandel an Endverbraucher vertreibt, bedient die Klägerin mit ihrem "T.- C." die gehobene Gastronomie/Hotellerie, wobei sie die Teebeutel unstreitig nur als Bestandteil eines Zubereitungsgeräte und besondere Präsentationsdisplays umfassenden Produktsystems vertreibt. Die von den Produkten der Klägerin angesprochenen Adressaten, bei denen es sich ganz überwiegend um Fachkreise handelt, werden vor diesem Hintergrund besonders auf die in das System passende Marke achten und Irreführungen in bezug auf die betriebliche Herkunft nicht erliegen, wenn sie dem Produkt der Beklagten begegnen. Denn es liegt angesichts der aufgezeigten Gestaltungsunterschiede fern, dass dieser Adressatenkreis zu der Annahme gelangen könnte, dass es sich bei dem unter einer anderen Marke vertriebenen, ein deutlich abweichend gestaltetes R.etikett aufweisenden Teebeutel der Beklagten um ein Zweitprodukt der Klägerin handelt. Gleiches gilt für den Adressatenkreis, dem - beispielsweise als Gast der gehobenen Gastronomie - der Teebeutel der Klägerin bekannt ist und der als Endverbraucher im Einzelhandel nunmehr dem Produkt der Beklagten begegnet. Denn (auch) dieser Kreis wird die Produkte nicht ausschließlich anhand der äußeren Gestaltung beurteilen. Gerade bei Tee als einem Genussmittel wird er vielmehr ebenfalls den Marken und sonstigen Bezeichnungen, die u.a. als Indikatoren für einen bestimmten erwünschten Geschmack dienen, seine Aufmerksamkeit zuwenden und dabei jeweils auf die Bezeichnungen "M." und "R." stoßen. Selbst wenn eine schriftbildliche und insbesondere klangliche Ähnlichkeit der sonstigen Produktbezeichnungen der Parteien "T.-C." und "T.B." nicht von der Hand gewiesen werden kann, liegt es in dieser Situation fern, dass ein mehr als nur unbeachtlicher Teil dieser Adressaten die streitbefangenen Produkte demselben Unternehmen zuordnet. Zwar handelt es sich bei "M." anders als bei "R." nicht um eine Unternehmensbezeichnung. Jedoch kann nicht übersehen werden, dass es sich bei "M." um eine für eine Vielzahl von Teeprodukten ("M.-Tee") eines Unternehmens verwendete Marke handelt, die der Verkehr daher einem bestimmten Unternehmen zuordnen wird. Hinzu kommt, dass die Teebeutel der Beklagten im Einzelhandel nicht einzeln bzw. "lose" angeboten werden, sondern dem Verkehr nur in einer Umverpackung gemäß den Anlagen B 7 und BE 9 begegnen, die nur bei näherer Befassung auf eine die hier interessierende Gestaltung des R.etiketts erkennbar machende Abbildung stoßen lässt. Der Teil des angesprochenen Publikums, der diese Abbildung wahrnimmt, hat aber in aller Regel auch die Marke und die sonstigen, auf die betriebliche Herkunft der Teebeutel der Beklagten hinweisenden Informationen erkannt. Dass er in dieser Situation zu der Auffassung gelangen könnte, der streitbefangene, die Kennzeichnung "M." tragende Tee stamme aus derselben Herkunftsstätte wie das R.-Produkt, ist nicht ersichtlich. Aus den nämlichen Gründen scheidet auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne aus, die voraussetzt, dass ein relevanter Teil des angesprochenen Verkehrs, der erkennt, dass ihm verschiedene Erzeugnisse unterschiedlicher betrieblicher Herkunft begegnen, irrig auf organisatorische, wirtschaftliche oder sonstige - z.B. lizenzvertragliche - Beziehungen zwischen den Herkunftsstätten schließt. Dafür, dass ein Unternehmen seinem Konkurrenten die nachschaffende Übernahme seiner Produkte gestattet, existiert kein Erfahrungssatz (vgl. BGH a.a.O. - "Viennetta"-). Konkrete Anhaltspunkte, die den Schluss darauf zulassen, dass der Verkehr auf wirtschaftliche, organisatorische oder sonstige Verbindungen zwischen den beiden konkurrierenden Tee-Unternehmen schließen könnte, hat indessen die Klägerin nicht vorgetragen, noch lassen sie sich dem Sachverhalt im übrigen entnehmen. Das von der Klägerin als Anlage K 9 vorgelegte demoskopische Gutachten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Das gilt schon deshalb, weil den Befragten "neutralisierte" Produkte vorgelegt wurden, also solche, auf denen keinerlei Hersteller- bzw. Markenbezeichnungen angebracht waren. Gerade diese nehmen - wie oben aufgezeigt - im Streitfall aber einen maßgeblichen Einfluss auf die Vorstellung des Verkehrs. Abgefragt worden ist danach vielmehr der Eindruck, der durch ein Produkt hervorgerufen wird, welches in dieser Form nicht im Verkehr auftaucht. Im übrigen lässt die Befragung auch nicht erkennen, dass/inwiefern die Befragten gerade aufgrund der konkreten gestalterischen Ausführung der Durchgriffsöffnung auf dieselbe betriebliche Herkunftsstätte oder auf Verbindungen zwischen den verschiedenen Unternehmen geschlossen haben. Es liegt daher nahe, dass die Befragten eine solche Vorstellung allein aufgrund der Tatsache entwickelt haben, dass überhaupt eine solche Öffnung vorhanden war, was wettbewerbsrechtlich indessen irrelevant ist.
b)
Die Aspekte der individuellen Behinderung und der Rufausbeutung ergeben die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit schließlich ebenfalls nicht. Die Beklagte hat sich bei der Gestaltung ihres Tee-Aufgussbeutels in ausreichendem Maß von dem Klageprodukt entfernt. Erkennbar übernommen ist allein die als solche wettbewerbsrechtlich nicht schützbare Idee, eine Befestigungsmöglichkeit des Teebeutels am Griff der Teekanne mittels einer Durchgriffsöffnung zu schaffen. Der angesprochene Verkehr kann daher allein wegen dieser den Produkten erkennbar gemeinsamen Idee, nicht aber aufgrund deren konkreter gestalterischen Ausführung zu einem etwaigen Imagetransfer angeregt werden, was jedoch nicht ausreicht, um im Sinne von § 1 UWG die Unlauterkeit unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung oder der individuellen Behinderung zu begründen.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr.10, 713, 108 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO i.V. mit § 26 Nr. 7 EGZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Revisionsgericht. Der vorliegend zu beurteilende Streit der Parteien beschränkt sich vielmehr auf die konkrete Anwendung der in höchstrichterlicher Rechtsprechung geklärten und durch die Instanzgerichte als solche einhellig angewandten Grundsätze betreffend den Unlauterkeitstatbestand der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung, der Rufausbeutung und der individuellen Behinderung.
Die Beschwer der Klägerin liegt über 20.000,00 EUR.
OLG Köln:
Urteil v. 08.03.2002
Az: 6 U 135/01
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