Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2004
Aktenzeichen: 1 BvR 159/04

(BVerfG: Beschluss v. 28.07.2004, Az.: 1 BvR 159/04)

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs in Celle vom 27. Oktober 2003 - AGH 4/03 - und der Bescheid der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle vom 5. Februar 2003 - F3 46/02 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

Der beschwerdeführende Rechtsanwalt wendet sich gegen das Verbot, die Bezeichnung "Spezialist für Verkehrsrecht" auf seinem Briefkopf zu führen.

1. Der Beschwerdeführer ist seit über vierzig Jahren als Rechtsanwalt zugelassen und Mitglied einer Anwaltssozietät. Von Beginn an betätigte er sich auf dem Gebiet des Verkehrsrechts. Seit 25 Jahren gehört er dem geschäftsführenden Ausschuss der im selben Jahr gegründeten Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen AnwaltVereins an. Seit vielen Jahren bekleidet er das Amt des Stellvertretenden Vorsitzenden. Ferner ist er seit Jahrzehnten Mitglied des Gesetzgebungsausschusses Verkehrsrecht des Deutschen AnwaltVereins, des Vorstandes der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft und eines Fachausschusses der Bundesanstalt für Straßenwesen. Er ist weiterhin Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschriften "Zeitschrift für Schadensrecht" und "Spektrum für Versicherungsrecht". Außerdem ist er im Bereich des Verkehrsrechts publizierend und als Referent tätig gewesen.

Um diese Spezialisierung im Verkehrsrecht Rechtsuchenden deutlich machen zu können, teilte der Beschwerdeführer der für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer C. mit, dass er sich künftig als "Spezialist für Verkehrsrecht" bezeichnen werde, da es eine Fachanwaltschaft für Verkehrsrecht bislang nicht gebe. Die zuständige Abteilung der Anwaltskammer bestätigte dem Beschwerdeführer zunächst, dass er die Bezeichnung - auch auf seinem Briefkopf - führen dürfe. Nachdem dies jedoch bei anderen Rechtsanwaltskammern auf Kritik gestoßen war, änderte der Vorstand der Rechtsanwaltskammer C. seine Auffassung und belehrte den Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) dahingehend, auf dem Briefkopf die Selbstbezeichnung als Spezialist zu unterlassen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer den Anwaltsgerichtshof um Entscheidung angerufen mit dem Ziel, eine Erlaubnis für die gewünschte Selbstdarstellung auch auf dem Briefkopf zu erhalten, weil die Angabe von Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkten nicht ausreichend sei, seine tatsächlich vorhandene Spezialisierung nach außen kund zu tun.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag abgelehnt. Die durch die Anwaltskammer erfolgte Belehrung sei materiell rechtmäßig. Der Beschwerdeführer dürfe die von ihm gewünschte Bezeichnung gemäß § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) nicht führen. Nach diesen Vorschriften dürften unabhängig von der Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen als Teilbereiche der Berufstätigkeit nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden. Vorliegend wolle der Beschwerdeführer der Sache nach einen Tätigkeitsschwerpunkt bewerben. Gemäß § 7 Abs. 1 BORA dürfe er daher auch nur diesen Begriff verwenden. Diese Beschränkung stelle keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG dar. Denn dem Beschwerdeführer verbleibe die Möglichkeit, in Praxisbroschüren, Rundschreiben und anderen vergleichbaren Informationsmitteln wie beispielsweise dem Internet auf seine Spezialisierung hinzuweisen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 7 BORA bestünden nicht. Die Norm diene der legitimen Verhinderung einer Irreführung der Rechtsuchenden. Zudem wirke sie einer Aushöhlung des numerus clausus der Fachanwaltschaften entgegen.

Die sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof ließ der Anwaltsgerichtshof nicht zu.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Die Selbstdarstellung als Spezialist im Briefkopf könne nur dann verboten werden, wenn dies durch vernünftige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Insbesondere bestehe nicht die Gefahr einer Irreführung Rechtsuchender, denn das Verkehrsrecht sei ein Rechtsgebiet, in dem es keine Fachanwaltsbezeichnung gebe. Eine Verwechslungsgefahr mit anderen Tätigkeitsbezeichnungen sei daher nicht zu befürchten.

3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesrechtsanwaltskammer sowie die Gegnerin des Ausgangsverfahrens Stellung genommen. Beide halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 BORA, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liege, stelle eine Qualifikationsleiter vom Interessen- über den Tätigkeitsschwerpunkt hin zur Fachanwaltschaft auf. Für den Rechtsuchenden sei diese Abstufung jedoch nur bei einheitlicher Verwendung der Terminologie erkennbar. Der "Spezialist" habe in der Regel einen "Tätigkeitsschwerpunkt". Um Irreführungen zu vermeiden, müsse es bei dieser in der Satzung gewählten Begrifflichkeit bleiben. Dies gelte umso mehr, als es bei der Selbsteinschätzung als Spezialist an einem nachprüfbaren tatsächlichen Kern der Selbstbewertung fehle. Die Beschränkung der Werbemöglichkeiten wahre auch die Grenze der Zumutbarkeit, da dem Beschwerdeführer nicht versagt werde, auf anderen Werbeträgern wie etwa Faltblättern, die für eine genauere Umschreibung der eigenen Fähigkeiten Raum ließen und daher weniger irreführend seien, mit dem Spezialistenbegriff zu werben.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG sind gegeben. Der angegriffene Bescheid sowie die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seiner Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum anwaltlichen Werberecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 57, 121 <133>; 76, 196 <205 ff.>; 82, 18 <28>). Den Angehörigen freier Berufe soll für sachgerechte, nicht irreführende Information im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>). Staatliche Maßnahmen, die sie dabei beschränken, sind Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung (vgl. BVerfGE 85, 248 <256>). Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügen muss (vgl. BVerfGE 101, 331 <347>).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

a) Den Entscheidungen liegen die auf der Grundlage von § 59 b Abs. 2 Nr. 2 und 3 BRAO erlassenen werberechtlichen Vorschriften der Berufsordnung für Rechtsanwälte zugrunde. § 6 Abs. 1 BORA erlaubt dem Anwalt alle Informationen über seine Dienstleistungen und seine Person, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind. Diese Regelung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite des Art. 12 Abs. 1 GG.

b) § 7 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 BORA schränken die Informationsmöglichkeiten jedoch teilweise ein. Nur in Praxisbroschüren, Rundschreiben und anderen vergleichbaren Informationsmitteln zur Bewerbung von Teilbereichen der Berufstätigkeit darf nach diesen Vorschriften auch über anderes als über Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte sowie Fachanwaltsbezeichnungen informiert werden.

aa) Nach ihrem Wortlaut sind diese Regelungen zu restriktiv gefasst. Weder sind sie zur Erreichung der hiermit verfolgten Gemeinwohlzwecke erforderlich noch wahren sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

(1) Die werberechtlichen Vorschriften in der Berufsordnung für Rechtsanwälte dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts und dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196 <207 f.>; 82, 18 <26>). Verboten werden kann daher neben solchen Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind, insbesondere diejenige Werbung, die Gefahr läuft, den Rechtsuchenden in die Irre zu führen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2001, S. 2620).

Die durch die werberechtlichen Regelungen geschützten Rechtsgüter und insoweit vom Normgeber verfolgten Ziele rechtfertigen es jedoch nicht, Angaben und Zusätze, die eine ausgeübte Tätigkeit näher charakterisieren sollen, ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck oder ihren Informationswert für Dritte zu verbieten. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Werberecht der freiberuflichen Ärzte ausgeführt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2002, S. 1331). Dieser Rechtsprechung ist der Bundesgerichtshof gefolgt (vgl. für die Werbung der Ärzte: BGH, NJW-RR 2003, S. 1288; vgl. im Zusammenhang mit § 59 k BRAO und § 9 BORA: BGH, NJW 2004, S. 1099). Auch das Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat Kurzinformationen über eine Praxis auf dem Briefkopf unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zugelassen (vgl. Arztrecht 2004, S. 46; vgl. zum Ganzen auch: BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 29. April 2004 - 1 BvR 649/04 - sowie Beschluss vom 30. April 2004 - 1 BvR 2334/03 - jeweils veröffentlicht in Juris). Für Rechtsanwälte gilt insoweit nichts anderes. Sofern zutreffende Angaben über die spezielle Qualifikation des Anwalts in sachlicher Form erfolgen und die Angaben nicht irreführend sind, lässt sich ein Verbot dieser Selbstdarstellung von Verfassungs wegen nicht rechtfertigen (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 1993, S. 2988 <2989>; BVerfG, a.a.O.).

(2) Auch die Wahl eines bestimmten Mediums rechtfertigt es regelmäßig nicht, die Grenzen erlaubter Außendarstellung von freiberuflich Tätigen enger zu ziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass ein zur Selbstdarstellung gewähltes Medium für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen kann (vgl. BVerfGE 94, 372 <392 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2002, S. 1331; NJW 2003, S. 3470). Aus europäischen Maßstäben im freiberuflichen Werberecht ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Weder der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte legen insoweit restriktivere Maßstäbe fest.

bb) Die Regelungen von § 7 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BORA sind daher nur dann verfassungskonform, wenn sie dahingehend ausgelegt werden, dass auch im Zusammenhang mit anderen als den in § 6 Abs. 2 BORA genannten Medien lediglich eine berufswidrige Werbung unzulässig ist.

(1) Die Verwendung von Begriffen, die in der Berufsordnung nicht erwähnt sind, kann unter Berücksichtigung der Reichweite der gesetzlichen Ermächtigung, die nur Interessenschwerpunkte und Fachanwaltsbezeichnungen nennt, sowie im Hinblick auf den verfolgten Zweck, eine Irreführung der Verbraucher zu vermeiden, zwar verboten werden, soweit das erforderlich und angemessen ist. Weder dürfen aber die Tatsachenfeststellungen insoweit Zweifel lassen noch darf vornehmlich die Sichtweise aus dem Binnenraum der Berufsangehörigen maßgeblich werden (vgl. BGH, NJW 1999, S. 2444; vgl. auch zum Sponsoring: BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 3195).

(2) Bei der hiernach gebotenen Abwägung ist das Informationsinteresse der rechtsuchenden Bevölkerung mit den Belangen der Rechtspflege in Ausgleich zu bringen. Insofern kommt es auch darauf an, ob die in einer Berufsordnung zur Verfügung gestellten Merkmale und Begriffe diesem Informationsinteresse auf Seiten der Nachfrager und der Leistungserbringer gerecht werden.

Das ist vorliegend schon deshalb zweifelhaft, weil die von der Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme herausgestellte Stufenfolge von Interessenschwerpunkt, Tätigkeitsschwerpunkt und Fachanwalt überhaupt nur in solchen Bereichen aussagekräftig sein kann, für die es eine Fachanwaltschaft gibt. Fachanwälte sind aber nicht notwendig Spezialisten. Dies ergibt sich schon aus § 43 c Abs. 1 BRAO, der die Führung von zwei Fachanwaltsbezeichnungen erlaubt. Angesichts der Weite der Tätigkeitsfelder, für die Fachanwaltschaften eingerichtet sind, wird insoweit keine Spezialisierung vorausgesetzt. Wer sich als Spezialist bezeichnet, bringt auch zum Ausdruck, dass er bevorzugt, wenn nicht gar ausschließlich, einen Teilbereich des Vollberufs bearbeitet. Für die Tätigkeitsschwerpunkte, von denen ein Rechtsanwalt drei (neben zwei Interessenschwerpunkten) benennen darf, scheidet Spezialistentum von vornherein aus.

Spezialisiert sich ein Anwalt tatsächlich auf einen engen Bereich aus dem weiten Feld der Rechtsberatung, wehrt er mit der Außendarstellung als Spezialist zugleich die Inanspruchnahme in sonstigen Materien weitgehend ab. Die so informierten Rechtsuchenden werden bei ihm nur unter besonderen Umständen Rechtsrat auf anderen Feldern nachfragen. Die mit einer solchen Information verbundene dauerhafte Einengung der Berufstätigkeit kann mit den Begriffen des Schwerpunkts oder der Fachanwaltsbezeichnung nicht ausgedrückt werden.

c) Den Fachgerichten obliegt es, unter Abwägung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit mit den Zwecken des Werbeverbots im Einzelfall die Grenze zu ziehen zwischen erlaubten und verbotenen Handlungsformen. Die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des einfachen Rechts können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>; 85, 248 <257 f.>; 87, 287 <323>).

So liegt es hier. Die angegriffenen Entscheidungen werden dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht.

aa) Der Anwaltsgerichtshof hält die Verwendung der Bezeichnung "Spezialist für Verkehrsrecht" nicht allgemein, wohl aber im Briefkopf für unzulässig. Sie sei berufswidrig, da der Begriff in seiner Bedeutung missverständlich sei und zudem von den gesetzlich vorgegebenen Begrifflichkeiten abweiche. Mit dieser Auffassung ist der Gerichtshof dem zur Beurteilung stehenden Sachverhalt nicht in der Weise gerecht geworden, die angesichts seiner grundrechtsbeschränkenden Folgen angezeigt gewesen wäre. Nach den Feststellungen in den angegriffenen Entscheidungen lässt sich nicht begründen, dass Rechtsuchende dadurch in die Irre geführt werden könnten, dass der Beschwerdeführer sich auch auf seinem Briefkopf und nicht nur in Faltblättern, im Internet oder in Kanzleibroschüren als Verkehrsrechtsspezialisten bezeichnet.

(1) Die Selbstbezeichnung eines bestimmten Rechtsanwalts als "Spezialist für Verkehrsrecht" stellt für den Rechtsrat Suchenden grundsätzlich eine interessengerechte und sachangemessene Information dar. Die Gefahr der Verwechslung mit einer Fachanwaltsbezeichnung besteht von vornherein nicht, da es einen Fachanwalt für Verkehrsrecht nicht gibt. Eine Irreführung käme insoweit nur in Betracht, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich im allgemeinen Wortsinn kein Spezialist wäre. Das wird vorliegend weder von der Rechtsanwaltskammer noch vom Gericht geltend gemacht.

Die Bundesrechtsanwaltskammer hält eine Irreführungsgefahr dennoch für gegeben, weil der Begriff des Spezialisten nicht hinreichend konkret sei und sein Inhalt stark vom Selbstverständnis desjenigen abhänge, der mit ihm werbe. Angesichts der umfassenden Erfahrungen des Beschwerdeführers sowohl rechtstheoretischer wie -praktischer Art auf dem Gebiet des Verkehrsrechts läuft jedoch kein Rechtsuchender Gefahr, den Begriff im Fall des Beschwerdeführers falsch zu verstehen oder eine in irgendeiner Hinsicht überhöhte Erwartungshaltung an dessen einschlägige Kenntnisse mitzubringen.

(2) Die Gefahr einer Irreführung wird auch nicht - wie von der Bundesrechtsanwaltskammer befürchtet - dadurch bewirkt, dass das Gesetz andere Begriffe vorgibt. Dem kundigen Rechtsuchenden ist zuzutrauen, dass er die im Gesetz gewählten Begriffe - Schwerpunkt oder Fachanwalt - nicht mit anderen, wie etwa dem Spezialistenbegriff, gleich setzt. Geht man mit dem Bundesgerichtshof davon aus, dass das Werbeverhalten vom Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise aus zu beurteilen ist (vgl. NJW 1999, S. 2444 <2445>), wird man bei diesen viel eher ein Verständnis dafür voraussetzen können, wann ein Berufsträger sich spezialisiert hat, als dafür, wann er berechtigt einen Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkt nach eigener Einschätzung anführen darf.

bb) Das ist hier aber nicht entscheidend. Wäre eine Verwechslungsgefahr tatsächlich zu befürchten, käme es nicht mehr auf das Medium an, in dem der irreführende Ausdruck verwandt wird. Der Bundesrechtsanwaltskammer ist allerdings darin zuzustimmen, dass in einem Faltblatt die Gefahr der Irreführung dann geringer ist, wenn dort ergänzende Erläuterungen aufgenommen werden. Hierzu verpflichtet die Berufsordnung aber nicht. Auch im Internet oder in Faltblättern und Kanzleibroschüren können bestimmte Besonderheiten einzelner Anwälte oder der Kanzlei schlagwortartig aufgeführt werden. Insoweit ist die Unterscheidung zwischen Briefkopf und Kanzleibroschüre hinsichtlich der Verwendung von Kurzbezeichnungen nicht überzeugend.

cc) Die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer - unter Verweis auf den Wortlaut des § 6 Abs. 2 BRAO - gewisse Werbemittel zugestanden wurden, innerhalb derer er auch den Begriff des Spezialisten nutzen darf, schmälert indessen auch nicht die verfassungsrechtliche Bedeutung der Werbebeschränkung. Das Gewicht der Einschränkung vermindert sich zwar, bleibt aber gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG ungerechtfertigt, weil kein schwerwiegender Gemeinwohlbelang tragfähig genug ist, die grundsätzlich bestehende Informationsfreiheit von Anbieter und Nachfrager einzuschränken. Der Briefkopf ist das wesentliche Aushängeschild einer Kanzlei und ihrer Anwälte. Es macht daher einen wichtigen Teil des Werberechts aus, dass gerade dem Briefkopf die volle Bandbreite anwaltlicher Tätigkeit oder aber die Tiefe und Spezialisierung der Rechtsbefassung zu entnehmen ist. Verbote müssen insoweit konkret benennbaren Gemeinwohlbelangen dienen. Daran fehlt es vorliegend.

3. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargelegten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Unter Berücksichtigung von Bedeutung und Tragweite der Berufsausübungsfreiheit bleibt kein Raum für ein Verbot der Selbstdarstellung des Beschwerdeführers als Spezialist für Verkehrsrecht auf seinem Briefkopf.

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34 a Abs. 2 BVerfGG, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswerts aus § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO (vgl. dazu BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).






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