Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 1. Juli 2010
Aktenzeichen: 1 K 6682/09

(VG Köln: Urteil v. 01.07.2010, Az.: 1 K 6682/09)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Telekommunikationsnetz und ist auf dem Markt Nr. 3 der Kommissions-Empfehlung 2007/879/EG, die die vorangegangene Empfehlung 2003/311/EG ersetzt hat, tätig. Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin der W. H. GmbH, die ebenfalls auf diesem Markt tätig war. Die Klägerin und die W. H. GmbH verfügten nach den Festlegungen der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur - BNetzA) vom 12. Oktober 2005 (Bk1-04/002a) und den nachfolgenden Festlegungen vom 23. Januar 2009 (Bk1-07/001) auf den netzweiten Märkten für Anrufzustellung in das öffentliche Telefonnetz des jeweiligen Unternehmens an festen Standorten einschließlich der lokalen Anrufweiterschaltung über beträchtliche Marktmacht im Sinne des § 11 TKG. Die Bundesnetzagentur hatte die Klägerin und weitere alternative Teilnehmernetzbetreiber - darunter die W. H. GmbH - jeweils mit Beschluss vom 29. Mai 2006 verpflichtet, Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen die Zusammenschaltung mit ihrem Netz zu gewähren und in diesem Zusammenhang Verbindungsleistungen zu erbringen und die Kollokation zu ermöglichen (BK4d-05-061 / -063).

Rund zwei Jahre später leitete die Bundesnetzagentur unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 2 TKG eine Regelüberprüfung hinsichtlich des Marktes Nr. 3 ein. Im Amtsblatt 22/2008 veröffentlichte sie den Konsultationsentwurf einer Regulierungsverfügung und gab den betroffenen alternativen Netzbetreibern Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Entwurf sah unter anderem eine Zusammenschaltungs- und Kollokationsverpflichtung sowie den Widerruf der nachträglichen Entgeltregulierung nach §§ 30 Abs. 1, 38 Abs. 2 bis 4 TKG vor. Am 09. Dezember 2008 fand eine öffentliche mündliche Anhörung statt. Die Stellungnahmen wurden im Amtsblatt 1/2009 veröffentlicht. Die Beschlusskammer stellte eine überarbeitete Fassung des Entwurfs erneut zur Konsultation (Amtsblatt 117/2009). Der vorgesehene Tenor entsprach im Wesentlichen dem Tenor des später ergangenen streitigen Beschlusses vom 07. September 2009. Am 26. Februar 2009 wurde eine erneute öffentliche mündliche Anhörung durchgeführt. Die Klägerin stellte unter dem 03. März 2009 unter anderem den Antrag, ihr selbst eine Zugangsverpflichtung gegenüber Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen aufzuerlegen, Verbindungsleistungen für die Anrufzustellung in ihr öffentliches Telefonnetz an festen Standorten einschließlich der lokalen Anrufweiterleitung zu erbringen und zum Zwecke dieses Zugangs Kollokation zu gewähren.

Unter dem 17. Juli 2009 stellte die Bundesnetzagentur den Entwurf der Regulierungsverfügung den nationalen Regulierungsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission zur Verfügung, die dazu unter dem 14. August 2009 Stellung nahm. Hinsichtlich der beabsichtigten Entlassung aus der Zusammenschaltungspflicht äußerte die Kommission das Bedenken, Streitigkeiten der Netzbetreiber könnten zur Weigerung führen, Anrufe zuzustellen. Ferner wurde kritisiert, dass sich die Bundesnetzagentur bewusst der Möglichkeit begebe, Zugangsbedingungen zu gestalten und Streitigkeiten nach Art. 5 der Zugangsrichtlinie beizulegen.

Mit Beschluss vom 07. September 2009 änderte die Bundesnetzagentur die gegenüber der Klägerin ergangenen Regulierungsverfügungen vom 29. Mai 2006 (BK4d-05-061 / -063) ab. Unter anderem wurde unter Ziffer 2 bestimmt, dass die auferlegten Verpflichtungen zur Zusammenschaltung (Netzkopplung), zur Erbringung von Verbindungsleistungen und zur Kollokation widerrufen werden. Im Óbrigen lehnte die Bundesnetzagentur die Anträge der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, sie sehe nach pflichtgemäßer Ausübung des ihr durch § 21 Abs. 1 und 3 TKG eröffneten Ermessens von der weiteren Auferlegung von Zugangspflichten ab. In der Regel solle sie den marktmächtigen Netzbetreibern die Zusammenschaltung aufgeben. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 1, 2 und 4 der Zugangsrichtlinie (2002/19/EG) und § 18 TKG könne nicht angenommen werden, dass marktmächtigen Unternehmen in jedem Fall eine Zugangsverpflichtung aufzuerlegen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Endnutzerinteressen im Hinblick auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG nicht gefährdet seien, wenn von dieser Verpflichtung abgesehen werde. Die alternativen Netzbetreiber seien auf gegenseitige Zusammenschaltungen angewiesen, um die Erreichbarkeit ihrer Kunden zu sichern. Tatsächlich stehe im Regelfall nicht die Zusammenschaltung, sondern nur deren Gestaltung im Streit. Daher bestehe kein Grund zu der Annahme, dass die Klägerin ihre Marktmacht zur Durchsetzung unangemessener Bedingungen missbrauche. Die Verpflichtung sei auch nicht zum Schutz der alternativen Netzbetreiber erforderlich. Zugangsverpflichtungen dienten dem Schutz vor Wettbewerbsbeeinträchtigungen, die von dem betroffenen marktmächtigen Unternehmen zu befürchten seien (§ 21 TKG). Die Klägerin sei auf dem Markt der Anrufzustellung in ihr öffentliches Telefonnetz wegen ihrer beträchtlichen Marktmacht in der Lage, sich unabhängig von Wettbewerbern zu verhalten. Insoweit bedürfe sie keines Schutzes. Da die Deutsche Telekom AG (DTAG) zur Zugangsgewährung weiterhin verpflichtet sei und an der Erreichbarkeit von Endkunden der alternativen Netzbetreiber aus ihrem Netz ein grundlegendes Interesse habe, sei mit einer Beendigung bzw. Kündigung der gegenseitigen Terminierungsleistungen nicht zu rechnen. Die zugleich auferlegten Verhaltenspflichten nach Ziffer 1 des Beschlusses seien zur Sicherung der Regulierungsziele (§ 2 Abs. 2 TKG) ausreichend. Die bisherige Kollokationsverpflichtung sei als Annex der Zusammenschaltung ebenfalls nicht mehr erforderlich gewesen.

Gegen den am 09. September zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 09. Oktober 2009 Klage erhoben.

Zur Begründung macht sie unter anderem geltend, die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin eine Zugangsverpflichtung aufzuerlegen. Diese Regulierungspflicht bestehe, weil die DTAG nicht zur Nachfrage gemäß § 18 TKG verpflichtet sei. Gemäß den Artikeln 4 und 5 der Zugangsrichtlinie 2002/19/EG müsse der Klägerin in dieser Situation die Möglichkeit erhalten bleiben, im Einzelfall streitige Zugangsbedingungen durch die Beklagte festlegen zu lassen. Ohne die begehrte Zugangsverpflichtung bestehe für die Beklagte keine Möglichkeit, Zugangsanordnungen nach § 25 TKG zu treffen. Die EU-Kommission habe die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 14. August 2009 ausdrücklich ersucht, in Fällen der vorliegenden Art den alternativen Netzbetreibern eine Zugangsverpflichtung aufzuerlegen.

Das Hauptanliegen der Beklagten sei es, nichtreziproke Terminierungsentgelte zu verhindern. Nach den ursprünglichen Óberlegungen sollte einer nachträglichen Entgeltgenehmigung unterworfen werden, wer keine Reziprozitätsvereinbarung mit der DTAG getroffen habe. Bei Vorliegen einer Reziprozitätsvereinbarung sei eine Zusammenschaltung vorgesehen gewesen, andererseits aber keine Entgeltregulierung. In der Folgezeit seien die einzelnen Parameter in mehreren Entwürfen abgeändert worden. Insgesamt habe die Beklagte dazu tendiert, von den Möglichkeiten des § 25 TKG keinen Gebrauch zu machen, obwohl sie sich der erdrückenden Nachfragemacht der DTAG bewusst sei. Einerseits solle die Geschäftsgrundlage der Klägerin mit der Leistungsnachfrage der DTAG stehen und fallen, andererseits habe die DTAG nur ein erhebliches Interesse, dass die Anschlussnehmer der alternativen Netzbetreiber erreichbar seien. Dies sei ermessensfehlerhaft. Es sei ferner ermessensfehlerhaft, bei der Bewertung der Marktmacht nicht auch andere Märkte in Betracht zu ziehen, um im Rahmen einer Gesamtschau die erdrückende - wettbewerbsverzerrende - Óbermacht der DTAG erfassen zu können.

Art. 5 Abs. 1a) und Abs. 4 der Zugangsrichtlinie und Art. 20 der Rahmenrichtlinie verlangten die jederzeitige Möglichkeit der Regulierungsbehörde, im Konfliktfall oder auf Verlangen der Beteiligten tätig werden zu können. Verfahrensrechtlich sei ein Streitschlichtungsverfahren geboten, das den kurzfristigen Erlass einer Regulierungsverfügung ermögliche. Dem entziehe sich die Beklagte. Das Verfahren nach § 133 TKG sei insoweit unzureichend, weil es nach verbreiteter Ansicht nicht bei Streitigkeiten über vertragliche Verpflichtungen gelte. Vorausgesetzt werde ein durch Verwaltungsakt der Regulierungsbehörde begründetes Verhältnis, hier nach den §§ 18 und 21 TKG. Daran fehle es. Die tatsächlich auferlegte Gleichbehandlungspflicht sei demgegenüber unzureichend. Auch ein erneutes Regulierungsverfahren sei wegen seiner Dauer ungeeignet, konkrete Streitigkeiten beizulegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 07. September 2009 zu verpflichten, der Klägerin die Verpflichtung aufzuerlegen,

Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen die Zusammenschaltung mit ihrem öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten am Vermittlungsstellenstandort der Klägerin zu gewähren,

über die Zusammenschaltung Verbindungsleistungen für die Anrufzustellung in das öffentliche Telefonnetz der Klägerin an festen Standorten einschließlich der lokalen Anrufweiterleitung zu erbringen, und

zum Zwecke dieses Zugangs Kollokation sowie im Rahmen dessen Nachfragern bzw. deren Beauftragten jederzeit Zutritt zu diesen Einrichtungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Zulässigkeit der Klage sei zweifelhaft. Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis. Die begehrte Verpflichtung führe zu einer Belastung der Klägerin und habe keine Verbesserung ihrer Rechtsstellung zur Folge.

Die Klage sei jedenfalls unbegründet. § 21 Abs. 3 TKG sehe nicht vor, dass im Regelfall eine Zugangsverpflichtung zu Lasten des beträchtlich marktmächtigen Unternehmens auszusprechen sei. Die Maßnahme stehe im Ermessen der Behörde, das nicht auf die einzig rechtmäßige Entscheidungsalternative beschränkt sei, der Klägerin eine solche Verpflichtung aufzuerlegen. Bei der Ermessensentscheidung sei maßgebend gewesen, dass die in § 2 Abs. 2 TKG genannten Regulierungsziele auch ohne eine Zugangsverpflichtung zu erreichen seien. Die Klägerin verkenne, dass § 21 TKG keine Schutzvorschrift zugunsten des beträchtlich marktmächtigen Netzbetreibers sei, sondern vor Wettbewerbsbeeinträchtigungen schütze, die von dem beträchtlich marktmächtigen Netzbetreiber ausgehen. Die Óberlegungen der Klägerin zu den an eine Zugangsverpflichtung geknüpften Möglichkeiten seien unzutreffend, weil diese Möglichkeiten erst eröffnet seien, wenn die Voraussetzungen des § 21 TKG erfüllt seien. Das Gemeinschaftsrecht gebiete kein anderes Verständnis. Die Klägerin benenne für ihre vorgetragenen Ansichten verschiedene Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die sie aus dem jeweiligen Kontext sinnentstellend herausgreife. So seien verfahrensrechtliche Befugnisse erst vorgesehen, wenn eine Zugangspflicht bestehe. Gleiches gelte für § 133 TKG und Art. 20 der Rahmenrichtlinie.

Das Ermessen sei rechtmäßig ausgeübt worden.

Die Beklagte habe die Marktmacht der DTAG nicht verkannt. Die Argumentation der Klägerin sei zumindest missverständlich. Tatsächlich habe die Beklagte diese Frage dahingehend gewertet, dass die Eigeninteressen der alternativen Netzbetreiber und der DTAG an der Zusammenschaltung groß seien. Daher sei nicht mit der Durchsetzung unangemessener Zusammenschaltungsbedingungen zu rechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alternative der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) statthafte Klage ist zulässig.

Es mögen zwar Zweifel verbleiben, ob die Klägerin durch die Ablehnung der begehrten Entscheidung in ihren Rechten überhaupt verletzt sein kann (§ 42 Abs. 2 2. Alternative VwGO). Im Rahmen der Klagebefugnis genügt es jedoch, wenn die Verletzung eigener Rechte auf der Grundlage des Klagevorbringens zumindest möglich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die von der Klägerin begehrte Verpflichtung könnte im Fall eines stattgebenden Urteils aufgrund § 13 Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 des Telekommunikationsgesetzes - TKG - vom 22. Juni 2004 (BGBl I 2004, 1190), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Februar 2010 (BGBl I 2010, 78) ergehen. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass § 21 TKG zum Teil Schutznormcharakter zukommt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass § 21 Abs. 1 Satz 1 TKG ausdrücklich "andere Unternehmen" als Zugangsbegünstigte anspricht und konkretisiert. Da über Zugangsverpflichtungen nicht nur von Amts wegen, sondern auch auf Antrag entschieden werden kann, ist insgesamt von einem Schutzcharakter der Norm auszugehen.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 -,

zit. nach juris, Rz. 14.

Gemeint ist allerdings grundsätzlich nur der (Dritt-) Schutz im Verhältnis der Wettbewerbsunternehmen zueinander, während vorliegend ein als beträchtlich marktmächtig geltendes Unternehmen eine gegen sich gerichtete Regulierungsverfügung anstrebt. Gleichwohl wird die Möglichkeit eines Anspruchs von der Klägerin unter anderem mit dem Argument behauptet, Art. 5 Abs. 1a) und Abs. 4 der Zugangsrichtlinie und Art. 20 der Rahmenrichtlinie verlangten die jederzeitige Möglichkeit der Regulierungsbehörde, im Konfliktfall oder auf Verlangen der Beteiligten tätig werden zu können. Das Verfahren nach § 133 TKG sei - jedenfalls nach überwiegender Ansicht - bei Streitigkeiten über vertragliche Verpflichtungen, also ohne zuvor erlassene Regulierungsverfügung, nicht eröffnet. Ob dies stichhaltig ist, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn die Möglichkeit eines Anspruchs ist erst dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte verletzt sein können. Dafür ist nichts ersichtlich.

Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin wird durch die Ablehnung der begehrten Zusammenschaltungsanordnung nicht in ihren Rechten verletzt, wie es § 113 Abs. 5 VwGO für eine erfolgreiche Vornahme- (Satz 1) oder Bescheidungsklage (Satz 2) erfordert.

Schützenswerte subjektive Verfahrensrechte der Klägerin sind durch die Entscheidung der Beklagten bereits nicht verletzt worden. Das Verfahren ist - zumindest mit Blick auf die Rechte der Klägerin - formell ordnungsgemäß durchgeführt worden. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG führt die Bundesnetzagentur das Konsultationsverfahren entsprechend § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 und 4 durch, soweit sie auf Grund einer Marktanalyse nach § 11 TKG Verpflichtungen nach den §§ 19, 20, 21, 24, 30, 39, 40, 41 Abs. 1 oder § 42 Abs. 4 Satz 3 auferlegt, ändert, beibehält oder widerruft (Regulierungsverfügung). Der etwaige Widerruf von Verpflichtungen ist den betroffenen Unternehmen innerhalb einer angemessenen Frist vorher anzukündigen (Satz 2). Diese Voraussetzungen sind beachtet worden. Vorliegend fand eine erneute Marktanalyse statt, weil für den Markt Nr. 3 die bisherigen Festlegungen der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 12. Oktober 2005 (Bk1-04/002a zum damaligen Markt Nr. 9) nach § 14 Abs. 2 TKG einer turnusmäßigen Óberprüfung zu unterziehen waren. Die nachfolgenden Festlegungen vom 23. Januar 2009 (Bk1-07/001) kamen - ebenso wie die vorherigen Festlegungen - zu dem Ergebnis, dass die Klägerin auf den netzweiten Märkten für Anrufzustellung in das öffentliche Telefonnetz des jeweiligen Unternehmens an festen Standorten einschließlich der lokalen Anrufweiterschaltung über beträchtliche Marktmacht im Sinne des § 11 TKG verfügt. Dieses Ergebnis gab Anlass zu der weiteren Frage, ob die Bundesnetzagentur die oben genannten Verpflichtungen auferlegt, ändert, beibehält oder widerruft.

Auch die für die anschließende einheitliche Entscheidung (§ 13 Abs. 3 TKG) maßgeblichen Verfahrensbestimmungen wurden eingehalten. Die Bundesnetzagentur hat gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG nach abgeschlossener Marktfestlegung den abschließenden Entwurf einer Regulierungsverfügung im Amtsblatt Nr. 3/2009 als Mitteilung 117/2009 veröffentlicht und den interessierten Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nach Anhörung der Betroffenen - unter anderem der Klägerin - (§ 135 Abs. 1 TKG) fand am 26. Februar 2009 die in § 135 Abs. 3 TKG vorgeschriebene mündliche Verhandlung statt. Das Ergebnis des Konsultationsverfahrens wurde ver-

öffentlicht (Amtsblatt Nr. 5/2009, Mitteilung 176/2009). Sodann notifizierte die Bundesnetzagentur ihren Entwurf der Europäischen Kommission und den nationalen Regulierungsbehörden der übrigen Mitgliedstaaten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 1 TKG).

Ob die daraufhin in der Sache ergangene Entscheidung der Bundesnetzagentur, der Klägerin keine erneute Zugangsverpflichtung aufzuerlegen, materiell rechtmäßig ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erlass einer solchen Zugangsverpflichtung, sodass es unabhängig von der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung an der in § 113 Abs. 5 VwGO vorausgesetzten Verletzung eigener Rechte fehlt.

Die begehrte Verpflichtung nebst Zusatzregelungen könnte aufgrund des § 21 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 TKG ergehen, der vorliegend nach den §§ 9 Abs. 2 und 13 Abs. 3 TKG Anwendung findet. § 21 Abs. 3 TKG bestimmt, dass die Bundesnetzagentur Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze, die - wie die Klägerin - über beträchtliche Marktmacht verfügen, Verpflichtungen nach Absatz 1 der Vorschrift auferlegen soll. Diese gesetzliche Verpflichtung der Behörde entfaltet allerdings keine subjektivrechtliche Schutzwirkung zugunsten des marktmächtigen Betreibers. Eine Zugangsverpflichtung ist für das betroffene Unternehmen grundsätzlich als belastender Verwaltungsakt zu bewerten. Die Kammer geht dabei davon aus, dass es einen Anspruch auf Erlass eines belastenden Verwaltungsakts gegen sich selbst regelmäßig nicht gibt, sodass ein subjektivrechtlicher Gehalt des § 21 Abs. 3 TKG nicht besteht.

Bei der Entscheidung, ob der begehrte Verwaltungsakt belastend oder begünstigend ist, stellt die Kammer nicht auf die subjektive Sichtweise und die Interessen des Klägers ab,

vgl. aber Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage,

§ 42 Rz. 76,

sondern auf die unmittelbaren Rechtswirkungen der Entscheidung. Nach der Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ist ein Verwaltungsakt begünstigend, wenn er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt. Gemeint ist der unmittelbar begründete Vorteil, wie er sich aus der Rechtsordnung ergibt. Lediglich als Nebenwirkung eintretende, als positiv empfundene begünstigende Elemente einer belastenden Entscheidung machen diese nicht zu einem begünstigenden Verwaltungsakt,

vgl. etwa Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz,

7. Auflage, § 48 Rz. 125.

Gemessen an diesen Maßstäben gibt es keinen Anspruch auf Erlass einer Regulierungsverfügung nach § 21 Abs. 3 TKG. § 21 TKG ist zuerst eine Eingriffsermächtigung, aufgrund derer die Bundesnetzagentur zu Lasten eines beträchtlich marktmächtigen Unternehmens diesem Verpflichtungen auferlegen kann. Es handelt sich um eine Ermächtigungsgrundlage, die der Umsetzung von gesetzlich definierten Regulierungszielen dient. Namentlich Absatz 3 des § 21 TKG dient nicht dem oben beschriebenen Schutzzweck des Absatzes 1 der Vorschrift, einem Unternehmen auf Antrag Zugang zu einem Markt zu verschaffen, der von einem Unternehmen beherrscht wird und auf dem kein effektiver Wettbewerb besteht.

Vgl. zu § 21 Abs. 1 TKG: BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 a.a.O. .

Ferner bietet die Formulierung des § 21 Abs. 3 TKG auch keinen Anhaltspunkt, dass subjektive Rechte begründet oder von dem Schutzzweck der Norm umfasst werden sollten. Die Entscheidung der Behörde ergeht nicht auf Antrag, sondern grundsätzlich nur von Amts wegen. Ferner handelt es sich auf der Rechtsfolgenseite des § 21 Abs. 3 TKG um Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 2 TKG, die dem beträchtlich marktmächtigen Unternehmen "auferlegt" werden und schwerlich seinem Schutz dienen sollen. Vielmehr kann das Unternehmen unter Berufung auf Grundrechte und gesetzlich verbürgte Rechte beanspruchen, dass eine Regulierungsentscheidung nach § 21 TKG rechtmäßig und insbesondere verhältnismäßig ergeht. Ein Anspruch des beträchtlich marktmächtigen Unternehmens auf Erlass einer Zugangsverpflichtung zu seinen eigenen Lasten (zudem trotz des der Bundesnetzagentur eingeräumten Regulierungsermessens) lässt sich der Ermächtigung als solcher nicht entnehmen.

Ein subjektivrechtlicher, auf Erlass einer Zugangsverpflichtung gerichteter Gehalt des § 21 TKG ist nur für solche Unternehmen anzuerkennen, die Zugang zu einem anderen öffentlichen Telekommunikationsnetz begehren, das von einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht betrieben wird. Berechtigte Unternehmen im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 TKG sind nach dem Gesetzeswortlaut nur "andere" Unternehmen, die auf dem fraglichen Markt nicht als beträchtlich marktmächtig gelten und deren Zugang in Rede steht. Zugang als Bereitstellung von Einrichtungen oder Diensten für ein anderes Unternehmen unter bestimmten Bedingungen zum Zwecke der Erbringung von Telekommunikationsdiensten (§ 3 Nr. 32 TKG) soll dem "anderen" Unternehmen durch das beträchtlich marktmächtige Unternehmen gewährt werden. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass § 21 TKG für diese "anderen" Unternehmen Schutznormcharakter zukommt.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 -,

zit. nach juris, Rz. 14.

Derartige Unternehmen können daher berechtigt beantragen und gegebenenfalls mit Hilfe weitergehenden Rechtsschutzes durchsetzen, dass zu Lasten des beträchtlich marktmächtigen Unternehmens eine Zugangsverpflichtung erlassen wird. Die Klägerin ist jedoch kein "anderes" Unternehmen in diesem Sinne und wird durch das Fehlen einer zu ihren Lasten bestehenden Zugangsverpflichtung nicht in eigenen Rechten verletzt. Die Stellung als beträchtlich marktmächtiges Unternehmen nach § 11 TKG kommt - bezogen auf den zu regulierenden Markt 3 für Anrufzustellung in das öffentliche Telefonnetz des jeweiligen Unternehmens an festen Standorten einschließlich der lokalen Anrufweiterschaltung - der Klägerin ebenso zu wie etlichen weiteren alternativen Netzbetreibern, neben denen die DTAG als bedeutender weiterer Zusammenschaltungspartner auf dem Markt Nr. 3 tätig ist. Soweit erkennbar, wollten im angestrengten Verwaltungsverfahren alle oder zumindest viele bisher zur Zugangsgewährung verpflichtete Unternehmen einschließlich der DTAG die bislang auferlegten gegenseitigen Verpflichtungen beibehalten wissen. Dieses Nebeneinander beträchtlich marktmächtiger Netzbetreiber beruht nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die einzelnen Netzbetreiber jeweils für den Bereich ihres Netzes an festen Standorten als beträchtlich marktmächtig geltend, während sie dies in Bezug auf den gesamten Markt und die übrigen Unternehmen einschließlich der DTAG nicht sind. Daraus folgt jedoch nicht, dass sie wie ein "anderes" Unternehmen gegen sich selbst den Erlass einer Zugangsverpflichtung verlangen können.

Die weitere Argumentation der Klägerin, durch das Fehlen einer Zugangsverpflichtung sei es nicht möglich, Zugangsanordnungen nach § 25 TKG zu treffen, wie dies auch die EU-Kommission unter Bezugnahme auf Art. 5 der Zugangsrichtlinie geltend gemacht habe, greift nicht durch. Die genannten Regelungsmöglichkeiten sowie die weiteren, an eine Zugangsverpflichtung geknüpften Regulierungsmöglichkeiten sind der Klägerin zumindest zum Teil willkommen, um den rechtlichen Rahmen für etwaige Auseinandersetzungen mit Zusammenschaltungspartnern gesichert zu wissen. Sie sind aber lediglich ein als positiv angesehener Annex zu einer Belastung und können entsprechend den obigen Erwägungen kein subjektives Recht begründen, das die Beklagte ihr gegenüber zum Erlass einer Verfügung nach § 21 TKG verpflichten könnte.

Gleiches gilt für das Streitbeilegungsverfahren nach § 133 TKG. Ob dieses Verfahren bei Streitigkeiten über vertragliche Verpflichtungen nicht eröffnet ist, wie dies die Klägerin vorträgt, kann dahinstehen. Es ist nur für Verpflichtungen aus dem Telekommunikationsgesetz oder auf Grund dieses Gesetzes vorgesehen. Soweit die Zulässigkeit des Verfahrens im Einzelfall von dem Bestand einer Zugangsverpflichtung abhängig sein sollte, handelte es sich ebenfalls nur um eine Nebenwirkung dieser Verpflichtung, die § 21 Abs. 3 TKG nicht als drittschützende Norm erscheinen lässt.

Insgesamt verbleibt es dabei, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erlass eines belastenden Verwaltungsakts gegen sich selbst zusteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen, § 135 VwGO i. V. m. § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG.






VG Köln:
Urteil v. 01.07.2010
Az: 1 K 6682/09


Link zum Urteil:
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