Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 373/04

(BPatG: Beschluss v. 26.02.2009, Az.: 8 W (pat) 373/04)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

Patentansprüche 1 bis 3, eingegangen am 22. April 2005, Beschreibungsseiten 2 und 5, eingegangen am 22. April 2005, Beschreibungsseiten 1, 3 und 4 gemäß Patentschrift 4 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 7 gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Die Patentinhaberin hat das Patent 102 53 466 am 16. November 2002 beim Patentamt angemeldet. Die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung

"Presswerkzeug für ein Kunststoffbauteil"

wurde am 24. Juni 2004 veröffentlicht.

Dagegen hat am 22. September 2004 die Firma P... GmbH in H...straße in B... S...

Einspruch erhoben. Die Einsprechende hat ihren Einspruch auf die Druckschrift DE 201 20 819 U1 (D1) gestützt und hat mit dem Schriftsatz, eingegangen am 23. September 2004 beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, weil der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen. Sie beantragt mit Schriftsatz, eingegangen am 22. April 2005, sinngemäß, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 3, eingegangen am 22. April 2005 Beschreibungsseiten 2 und 5, eingegangen am 22. April 2005, Beschreibungsseiten 1, 3 und 4 gemäß Patentschrift 4 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 7 gemäß Patentschrift.

Sie ist dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen getreten und hat ausgeführt, dass das Presswerkzeug gemäß des neu eingereichten Patentanspruchs 1 neu und erfinderisch sei, weil das erfindungsgemäße Presswerkzeug anders als der von der Einsprechenden genannte Stand der Technik gerade keinen Schieber benötige um einen Hinterschnitt herzustellen.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz, eingegangen am 26. Januar 2009 den zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und beantragt, nach Aktenlage zu entscheiden.

Mit dem Schriftsatz, eingegangen am 29. Januar 2008 hat die Einsprechende ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Anberaumung einer Anhörung zurückgenommen und ebenfalls eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Presswerkzeug für ein Kunststoffbauteil, insbesondere ein Bauteil aus einem langfaserverstärkten thermoplastischen Material fürz. B. eine Motorraumabschottung, wobei das Kunststoffbauteil (19) ein Plattenelement (12) mit einer von einem Öffnungsrand (16) begrenzten Öffnung (14) und eine über ein Scharnier (20) mit dem Plattenelement (12) verbundene Klappe (18) mit einem zur Anlage an dem Öffnungsrand (16) vorgesehenen Klappenrand (24) aufweist, wobei das Presswerkzeug versehen ist mit -einer Oberform (28) und einer Unterform (30), die entlang einer Relativbewegungsrichtung (32) auseinanderund zusammenfahrbar sind und die im zusammengefahrenen Zustand einen der Ausgestaltung des Kunststoffbauteils (10) entsprechenden Formraum bilden, -wobei sich die einander zugewandten formgebenden Seiten (56, 54) von Oberund Unterform (28, 30) zwischen denjenigen Bereichen, die der Ausgestaltung der dem Scharnier (20) gegenüberliegenden Randabschnitte der Öffnung (14) und der Klappe (18) dienen, von der dem Scharnier (20) gegenüberliegenden Kante des Öffnungsabschnitts (16) bis zur Kante des Klappenrandabschnitts (24) parallel zur Relativbewegungsrichtung von Oberund Unterform (28, 30) erstrecken oder sich von dem der Ausgestaltung des Öffnungsrandabschnitts dienenden Bereich bis zu dem der Ausgestaltung des Klappenrandabschnitts dienenden Bereich in Richtung auf die Ausgestaltung des Scharniers dienende Bereiche der formgebenden Seiten von Oberund Unterform (28, 30) hin geneigt erstrecken."

Die Aufgabe der Erfindung besteht gemäß Absatz [0004] der Streitpatentschrift darin, ein Presswerkzeug zur Herstellung des in der Beschreibungseinleitung beschriebenen Kunststoffbauteils zu schaffen, dessen Anzahl an einem erhöhten Verschleiß ausgesetzten Teilen gering ist.

Hinsichtlich des Wortlauts der abhängigen geltenden Patentansprüche 2 und 3 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

1.

Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren I und II, bestätigt durch BGH Beschluss vom 9.12.2008 -X ZB 6/08 -Ventilsteuerung).

2.

Der Einspruch ist fristund formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. Der Einspruch ist jedoch nur insofern begründet, als er zur beschränkten Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents führt.

3.

Die Patentansprüche 1 bis 3 sind zulässig, weil deren Merkmale in den Ursprungsunterlagen offenbart sind. Dies wurde von der Einsprechenden auch nicht in Zweifel gezogen.

Der neue Patentanspruch 1 enthält die Merkmale des ursprünglichen und des erteilten Anspruchs 1. Die vorgenommenen Ergänzungen "von der dem Scharnier (20) gegenüberliegenden Kante des Öffnungsabschnitts (16) bis zur Kante des Klappenrandabschnitts (24)" sowie "in Richtung auf" ergeben sich aus Seite 2, letzter Absatz bis Seite 3, erster Absatz der ursprünglichen Beschreibung bzw. aus Absatz [0007] der Streitpatentschrift in Verbindung mit der zeichnerischen Darstellung in den Figuren 4 und 7. Die übrigen Änderungen sind rein redaktioneller Art.

Die Patentansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen und erteilten Ansprüchen 2 und 3.

4. Der Patentgegenstand betrifft ein Presswerkzeug für ein Kunststoffbauteil, insbesondere für ein Bauteil aus einem langfaserverstärkten thermoplastischen Material. Gemäß Absatz [0001] der Streitpatentschrift dient das Presswerkzeug beispielsweise der Herstellung einer Motorraumabschottung. Ein derartiges Bauteil weist ein Plattenelement mit einer darin ausgebildeten und von einem Öffnungsrand begrenzten Öffnung auf. Integral verbunden mit dem Plattenelement ist eine (Verschluss-)Klappe, die mittels eines Scharniers an dem Plattenelement angelenkt ist. Der Klappenrand dient zur Anlage an dem Öffnungsrand, wenn die Öffnung durch die Klappe verschlossen ist. Das gesamte Kunststoffbauteil soll in einem einzigen Arbeitsgang mittels des Presswerkzeuges geformt und hergestellt werden. Daher bedarf es eines Hinterschnitts innerhalb des von Unterund Oberform gebildeten Formraums, welcher bei herkömmlichen Presswerkzeugen durch Schieber erzeugt wird.

Gemäß Absatz [0003] der Streitpatentschrift sind bei langfaserverstärkten thermoplastischen Materialien die vom Presswerkzeug aufgebrachten Drücke relativ hoch, so dass ein erheblicher Verschleiß bei den Presswerkzeugen mit Schiebertechnik auftritt, der die Werkzeugkosten und damit die Bauteilkosten erhöht.

Zur Lösung schlägt das Streitpatent gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 ein Presswerkzeug vor, das folgende Merkmale aufweist:

1. Presswerkzeug für ein Kunststoffbauteil, insbesondere ein Bauteil aus einem langfaserverstärkten thermoplastischen Material für z. B. eine Motorraumabschottung, 2 das Kunststoffbauteil weist ein Plattenelement mit einer von einem Öffnungsrand begrenzten Öffnung und eine über ein Scharnier mit dem Plattenelement verbundene Klappe mit einem zur Anlage an dem Öffnungsrand vorgesehenen Klappenrand auf, 3 das Presswerkzeug ist versehen mit 3.1 einer Oberform und einer Unterform, die entlang einer Relativbewegungsrichtung auseinanderund zusammenfahrbar sind und in zusammengefahrenem Zustand einen der Ausgestaltung des Kunststoffbauteiles entsprechenden Formraum bilden, 3.2 die einander zugewandten formgebenden Seiten von Oberund Unterform (28, 30) erstrecken sich zwischen denjenigen Bereichen, die der Ausgestaltung der dem Scharnier (20) gegenüberliegenden Randabschnitte der Öffnung (14) und der Klappe dienen, von der dem Scharnier (20) gegenüberliegenden Kante des Öffnungsabschnitts (16) bis zur Kante des Klappenrandabschnitts (24) entwedera) parallel zur Relativbewegungsrichtung von Oberund Unterform (28, 30) oderb) sie erstrecken sich von dem der Ausgestaltung des Öffnungsrandabschnitts dienenden Bereich bis zu dem der Ausbildung des Klappenrandabschnittes dienenden Bereich in Richtung auf die Ausgestaltung des Scharniers dienende Bereiche der formgebenden Seiten von Oberund Unterform (28, 30) hin geneigt.

Durch die Kombination der im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale in Verbindung mit den Ausführungen in der Beschreibung Absatz [0007] der Streitpatentschrift, erschließt sich dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik, dass beim Streitpatentgegenstand die Oberform und die Unterform, die entlang einer Relativbewegungsrichtung auseinanderund zusammenfahrbar sind, im zusammengefahrenen Zustand einen der Ausgestaltung des Kunststoffbauteils entsprechenden Formraum bilden, der derart ausgestaltet ist, dass die dem Scharnier gegenüberliegenden Randabschnitte der Öffnung und der Klappe des Kunststoffbauteils, in der Projektion in Relativbewegungsrichtung betrachtet, miteinander fluchten (Variante 3.2.a -gemäß Figur 4) oder voneinander beabstandet sind (Variante 3.2.b -gemäß Figur 7). Durch diese Ausgestaltung von Oberund Unterform bedarf es keiner Schieber, um den über die Öffnung hinausragenden Klappenrand in einem einzigen Arbeitsgang mit anzuformen.

5.

Die Neuheit des zweifellos gewerblich anwendbaren Presswerkzeuges nach Patentanspruch 1 ist gegeben, weil die entgegengehaltene Druckschrift nach der DE 201 20 819 U1 (D1) nicht die Merkmale 3.2.a oder 3.2.b des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist, sondern Schieber benötigt, um den notwendigen Hinterschnitt herzustellen.

6.

Der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn für die im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik keine Anregungen.

Die DE 201 20 819 U1 (D1) zeigt ab Seite 7, Zeilen 6 ff. in Verbindung mit den zugehörigen Figuren 4 -6 ein Presswerkzeug für ein Kunststoffbauteil, insbesondere ein Bauteil aus einem langfaserverstärkten thermoplastischen Material z. B. für eine Motorraumabschottung (Seite 1, Zeilen 18 -20), wobei die Faserverstärkung aus Glasfasern (Seite 6, Zeilen 15 -18) besteht. Darüber hinaus weist das aus der D1 bekannte Bauteil ein Plattenelement mit einer von einem Öffnungsrand begrenzten Öffnung und eine über ein Scharnier mit dem Plattenelement verbundene Klappe mit einem zur Anlage an dem Öffnungsrand vorgesehenen Klappenrand auf. Das Abdeckteil mit Öffnung und Klappe ist integral aus einem einzigen Pressformteil ausgebildet (Seite 2 Zeilen 14 -20) und weist einen umlaufenden, als Auflage für die Klappe dienenden Klappenrand auf (Seite 2, Zeilen 32 bis Seite 3, Zeile 5). Das Presswerkzeug umfasst eine Oberform und eine Unterform, die entlang einer Relativbewegungsrichtung, nämlich gemäß Pfeil P1 bzw. P2 auseinanderund zusammenfahrbar sind und im zusammengefahrenen Zustand einen der Ausgestaltung des Kunststoffbauteiles entsprechenden Formraum bilden (Merkmal 3.1). Gemäß den Ausführungen auf Seite 7, Zeilen 10 -20 der D1 werden bei diesem bekannten Presswerkzeug Schiebereinsätze verwendet, um den Hinterschnitt für den Auflagerand zu fertigen. Die D1 lehrt den Fachmann daher, zur Ausgestaltung eines Hinterschnitts in üblicher Weise Schieber zu verwenden und sie bildet somit den Ausgangspunkt für die Problemstellung des Streitpatents, bei dem noch nicht erkannt worden ist, dass insbesondere bei der Verarbeitung von langfaserverstärkten thermoplastischen Materialien erheblicher Verschleiß bei den Presswerkzeugen mit Schiebertechnik auftreten kann, der die Werkzeugkosten und damit die Bauteilkosten erhöht. Deshalb gibt die D1 dem Fachmann auch keinerlei Anregungen, nach Wegen und technischen Lösungen zu suchen, um bei einem Presswerkzeug auf Schieber verzichten zu können. Aus diesem Grund vermittelt die D1 dem Fachmann auch keine Hinweise in Richtung auf die Merkmale 3.2.a oder 3.2.b des Patentanspruchs 1, die beim Streitpatentgegenstand die technische Lösung zur Herstellung eines Hinterschnitts unter Vermeidung von Schiebern bilden.

Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern sie bedurfte darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen.

Der Patentanspruch 1 hat daher in seiner beschränkten Fassung Bestand.

7. Die Unteransprüche 2 und 3 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Streitpatentgegenstandes nach Patentanspruch 1, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen. Sie haben daher ebenfalls Bestand.

Bei dieser Sachlage war das Patent in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten.

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