Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 35/00

(BPatG: Beschluss v. 15.03.2001, Az.: 25 W (pat) 35/00)

Tenor

I. Der Anmelderin wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.

II. Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. August 1999 und vom 9. Dezember 1999 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Bezeichnung TRENDKERAMIK ist am 5. Februar 1999 für "Keramik für den Dentalbereich" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Markenanmeldung wegen fehlender Schutzfähigkeit zurückgewiesen.

Die Erstprüferin hat dazu ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung sei erkennbar aus den Wörtern "Trend" und "Keramik" gebildet. Das Wort "Trend" bezeichne eine Entwicklungstendenz, mit der die Modernität bzw Innovation auf einem bestimmten Gebiet zum Ausdruck gebracht werde. Das aus diesen Bestandteilen gebildete Markenwort sei zwar als geläufiger Begriff der Umgangssprache nicht zu ermitteln. Jedoch sei es sprachüblich gebildet und liege auf der Linie anderer sprachüblicher Wortneuschöpfungen, wie Trendcheck, Trendfrisur oder Trendsetter. Die Bezeichnung "Trendkeramik" bringe lediglich zum Ausdruck, daß es sich bei den Waren um den Werkstoff "Keramik" oder dentalkeramische Massen handele, die im Trend lägen, also dem Zeitgeschmack entsprächen. Damit stelle die Bezeichnung für die Waren eine werbemäßige Beschaffenheitsangabe dar. Eine solche Angabe sei freizuhalten. Im übrigen fehle der Bezeichnung auch jegliche Unterscheidungskraft.

Diese Entscheidung hat die Erinnerungsprüferin im Ergebnis bestätigt. Der angemeldeten Bezeichnung fehle jedenfalls die Unterscheidungskraft. Sie biete sich als werblicher Hinweis darauf an, daß die Waren sich im Einklang mit der derzeitigen Entwicklungsrichtung auf dem fraglichen Warengebiet befänden. Auch auf dem Gebiet der Dentalmedizin seien Entwicklungstendenzen zu verzeichnen, die sich immer wieder änderten. In Abhängigkeit von dem jeweiligen Entwicklungsstand würden unterschiedliche Materialien verwendet. Füllungsmaterialien und auch die Zahnkeramiken selbst unterlägen dem Entwicklungsstand der Zahnmedizin und darüber hinaus einem mehr oder weniger modischen Trend, wobei im Zusammenhang mit solchen Materialien auch Begriff wie "zeitgemäß" oder "modern" verwendet würden. Daher läge auch für die hier beanspruchten Waren der werbemäßige Hinweis nahe, daß die Waren dem "Trend" entsprächen. In einem solchen Sachhinweis auf die besondere Qualität bzw hervorragende Eigenschaften der Waren werde kein betrieblicher Herkunftshinweis gesehen. Ob auch ein Freihaltebedürfnis bestehe, könne dahingestellt bleiben.

Der Erinnerungsbeschluß vom 9. Dezember 1999 ist dem Vertreter der Anmelderin am 15. Dezember 1999 zugestellt worden. Die Beschwerde vom 17. Januar 2000 ist per Telefax am Montag, dem 17. Januar 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen. Der entsprechende unterzeichnete Beschwerdeschriftsatz ist am Dienstag, dem 18. Januar 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen. Ihm lag auch ein Verrechnungsscheck in Höhe der Beschwerdegebühr von DM 300,-- bei. Nach einem dem Anmeldevertreter am 24. März 2000 zugegangenen Hinweis des Rechtspflegers, daß die Beschwerdegebühr verspätet eingegangen sei und deshalb die Beschwerde gemäß § 66 Abs 5 MarkenG als nicht eingelegt gelte, hat der Anmeldevertreter durch einen am 4. April 2000 eingegangen Schriftsatz vom selben Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Zum Wiedereinsetzungsantrag trägt der Vertreter der Anmelderin vor, daß er am 17. Januar 2000 bei Vorlage der Beschwerde und des vorbereiteten Schecks bemerkt habe, daß die Frist am 17. Januar 2000 ablaufen werde und deshalb die Scheckzahlung nicht hinreichend sein werde. Er habe deshalb seiner Mitarbeiterin aufgetragen, den Scheck zu vernichten und die Einlegung der Beschwerde mit Abbuchungsauftrag zu versehen. Er habe die Mitarbeiterin weiter gebeten, dafür zu sorgen, daß der Abbuchungsauftrag von einem anderen Anwalt der Kanzlei unterzeichnet werde, da er die Kanzlei wegen eines auswärtigen Termins habe verlassen müssen. Die seit drei Jahren in der Kanzlei beschäftigte und ansonsten zuverlässige Mitarbeiterin habe diese Anweisungen aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht befolgt und die Beschwerde mit Scheck eingereicht. Zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens hat der Anmeldevertreter eine eidesstattliche Versicherung der Kanzleikraft vom 4. April 2000 vorgelegt.

In der Sache hat die Anmelderin keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Sie trägt vor, daß die Marke ein produktidentifizierendes Unterscheidungszeichen im Wettbewerb sei und deshalb auch werblich ausgerichtet sei, weshalb ein in der Marke liegender werblicher Hinweis der Eintragung nicht entgegenstehe. Gerade bei einer analysierenden Betrachtungsweise ergebe sich ein Verfremdungseffekt bei der angemeldeten Marke. Dentalkeramik könne nämlich nicht einen bestimmten Trend wiedergeben. Sie sei entweder funktional oder nicht funktional. Die äußere Gestaltung von Dentalkeramik sei im übrigen nicht variabel, sondern durch die anatomischen Gegebenheiten und die zu erreichende Funktionalität vorgegeben. Damit ergebe sich, daß der Begriff "Trendkeramik" verfremdet sei, wodurch gerade die Unterscheidungskraft hervorgehoben werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Der Anmelderin war auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist statthaft, § 91 Abs 1 MarkenG. Er ist auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, § 91 Abs 2 und Abs 3 MarkenG.

Der Antrag ist gemäß § 91 Abs 2 MarkenG rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des maßgeblichen Hindernisses gestellt. Hinderungsgrund zur Wahrung der Frist ist dabei insbesondere auch die fehlende Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich die Fristversäumung ergibt (vgl dazu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 91 Rdn 18; Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl, § 234 Rdn 5 und 6). Das Hindernis wird durch Kenntnis oder Kennenmüssen behoben. Durch die ihm am 24. März 2000 zugegangene Mitteilung des Rechtspflegers hat der Prozeßbevollmächtigte erfahren, daß die Beschwerdegebühr nicht bezahlt worden war. Hierauf hat er am 4. April 2000 und damit rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 91 Abs 2 MarkenG Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Die Anmelderin hat hinreichend dargelegt, daß sie ohne Verschulden im Sinne des § 91 Abs 1 MarkenG verhindert war, die Beschwerdegebühr rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 66 Abs 5 in Verbindung mit Abs 2 MarkenG einzuzahlen.

Eine Fristversäumung ist dann ohne Verschulden, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 91 Rdn 11). Dabei muß sich die Anmelderin zwar auch ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG in Verbindung mit § 85 Abs 2 ZPO, aber auch für diesen war die Fristversäumung unverschuldet. Es handelte sich um ein Versehen der Kanzleiangestellten, das sich weder die Anmelderin noch deren Prozeßbevollmächtigter zurechnen lassen muß, sofern bei der Auswahl und Beaufsichtigung der Hilfskräfte keine Obliegenheitsverletzung begangen wurde (vgl hierzu Althammer/Ströbele aaO).

Der Umstand, daß die Kanzleiangestellte entgegen der ausdrücklichen Anweisung die Beschwerde mit einem Scheck eingereicht hat, der nicht mehr rechtzeitig eingehen konnte, statt den Scheck zu vernichten und die Einlegung der Beschwerde mit Abbuchungsauftrag zu versehen und diese Beschwerde von einem anderen Anwalt der Kanzlei unterzeichnen zu lassen und vorab per Telefax zu übersenden, stellt sich als typisches Versehen einer Hilfskraft dar. Nach der Darstellung im Schriftsatz vom 4. April 2000 waren seitens des Prozeßbevollmächtigten der Anmelderin alle Vorkehrungen getroffen worden, daß sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdegebühr rechtzeitig beim Deutschen Patent- und Markenamt eingehen konnten.

Darüber hinaus war nach dem Sachvortrag die Kanzleiangestellte ausreichend geschult und überwacht, so daß auch hieraus keine Obliegenheitsverletzung seitens des Prozeßbevollmächtigten der Anmelderin hergeleitet werden kann. Sämtliche tatsächlichen Angaben sind durch die eidesstattliche Versicherung vom 4. April 2000 ausreichend glaubhaft gemacht worden im Sinne des § 91 Abs 3 Satz 2 MarkenG.

III.

Die Beschwerde der Anmelderin ist im übrigen zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. Da der letzte Tag der regulären Beschwerdefrist auf einen Samstag fiel (15. Januar 2000), endete die Frist erst am darauffolgenden Montag, dem 17. Januar 2000, § 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG in Verbindung mit § 222 Abs 2 ZPO.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke weder das von der Markenstelle angenommene Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 noch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen.

Die Markenstelle hat zwar zutreffend die Bedeutung der in der angemeldeten Bezeichnung enthaltenen Wortbestandteile "TREND" und "KERAMIK" ermittelt. Das Wort "Keramik" bezeichnet das Material der beanspruchten Waren. Das Wort "Trend" bedeutet soviel wie "Entwicklungstendenz". Wie die Markenstelle weiter zutreffend festgestellt hat, ist die Gesamtbezeichnung "Trendkeramik" zudem sprachüblich gebildet und liegt von der formalen Wortbildung auf der Linie anderer gebräuchlicher Wörter, die als Bestimmungswort den Begriff "Trend" enthalten (vgl etwa Begriffe wie "Trendsportart", "Trendwort" oder "Trendfrisur"). Die Wortschöpfung "Trendkeramik" kann im Zusammenhang mit den Waren dahingehend verstanden werden, daß die angebotene Dentalkeramik im "Trend" liegt.

Gleichwohl kann ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Die angemeldete Bezeichnung besteht in ihrer erkennbaren Gesamtaussage nicht ausschließlich aus beschreibenden Angaben. Nach Auffassung des Senats eignet sie sich nicht zu einer ernsthaften Beschreibung der beanspruchten Waren. In vergleichbar gebildeten Begriffen wie etwa "Trendsportart", "Trendwort" oder "Trendfrisur" wird durch den Begriff "Trend" eine Entwicklungstendenz im Sinne einer modischen Zeiterscheinung beschrieben. Solche Zeiterscheinungen sind kurzlebig und verschwinden häufig nach einer sehr kurzen Phase wieder. Eine "Trendsportart" etwa ist häufig nur eine Saison lang "in". Im Folgejahr übt sie schon kaum jemand mehr aus. Entsprechendes gilt für "Trendfrisuren" oder "Trendwörter". Einem "Trend" in diesem Sinne unterliegt "Dentalkeramik" nicht. Soweit für den Senat erkennbar, wird Dentalkeramik gemäß den anatomischen Gegebenheiten des Gebisses und gemäß der natürlichen Farbe der Zähne im Gebiß hergestellt und eingesetzt. Anders als dies bei Frisuren mit den auffälligsten Farben und Formen, bei Fingernägeln bis hin zu Airgebrushkunst auf den Fingernägeln oder auch bei Schmuck einschließlich Körperschmuck (Piercing, Tätowierung oä) der Fall ist, unterliegt Dentalkeramik - soweit ersichtlich - keinem vergleichbaren modischen Wandel.

Zwar können sich auch auf dem Gebiet der Dentalkeramik die Materialien oder die Art der Verarbeitung entsprechend dem medizinischen und technischen Fortschritt jederzeit ändern. Solche Veränderungen können wohl auch mit den Worten beschrieben werden, daß "der Trend in eine bestimmte Richtung" geht. Nach Auffassung des Senats kann dies allerdings nicht treffend durch das Wort "Trend" in einer Wortverbindung wie "Trendkeramik" beschrieben werden. Nach aktuellem Wortverständnis beschreibt "Trend" in solchen Wortverbindungen eine modische Entwicklung und wird deshalb auch nur in diesem Sinne verstanden werden.

Es ist auch nicht erkennbar, daß Dentalkeramik künftig modischen Schwankungen unterworfen sein könnte und deshalb ein künftiges Freihaltebedürfnis bestehen könnte. Die für eine solche Prognose erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, die einen konkreten Anhalt für eine solche Entwicklung und darauf gegründete sichere Erwägungen bieten müßten (vgl dazu BGH GRUR 1995, 408, 410 liSp 1. Absatz - PROTECH), hat die Markenstelle nicht getroffen und konnte auch der Senat nicht treffen. Angesichts der immer noch sehr hohen Kosten für Dentalkeramik und des enormen Aufwandes beim Herstellen und beim Einsetzen von Zahnersatz, hält es der Senat auch für wenig wahrscheinlich, daß künftig modische - etwa farbige - Dentalkeramik produziert und eingesetzt wird, zumal es dann nach Auslaufen des Trends wiederum sehr aufwendig wäre, die dann "veraltete" Keramik durch die "aktuelle" zu ersetzen.

Der angemeldeten Marke kann letztlich auch die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Das Wort "Trendkeramik" ist nach Auffassung des Senats noch hinreichend originell gebildet, um als betrieblicher Herkunftsnachweis zu dienen. Es bezieht eine noch ausreichende Unterscheidungskraft aus der auf dem maßgeblichen Warengebiet doch eher ungewöhnlichen Verbindung der Bestandteile. Sie erschöpft sich nicht in der Aneinanderreihung schutzunfähiger Bestandteile, sondern vermittelt im Hinblick auf den im einschlägigen Warenbereich ungewöhnlichen Sinngehalt einen noch hinreichend phantasievollen Gesamteindruck. Ein verbleibender kleiner Teil des angesprochenen Verkehrs, der in der angemeldeten Marke möglicherweise keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur einen Sachhinweis erkennt, kann bei der Entscheidung über der Schutzfähigkeit nicht den Ausschlag in Richtung Schutzversagung geben (vgl hierzu BGH GRUR 1991, 136, 137 reSp letzter Absatz - NEW MAN).

Auf die Beschwerde der Anmelderin hin waren demzufolge die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.






BPatG:
Beschluss v. 15.03.2001
Az: 25 W (pat) 35/00


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