Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2009
Aktenzeichen: 27 W (pat) 6/08
(BPatG: Beschluss v. 16.03.2009, Az.: 27 W (pat) 6/08)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die am 23. September 2002 angemeldete und am 12. Mai 2003 in das Markenregister eingetragene Wortmarke 302 46 889 (veröffentlicht am 13. Juni 2003)
GASOX genießt für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 11 und 40 Schutz:
"Anlagen zur Wärmebehandlung, zur Oberflächenbehandlung und/ oder zur Beschichtung von Metallen, Legierungen und Keramiken sowie Nitrieranlagen, jeweils bestehend aus Heizund Brenneranlagen sowie Maschinen und maschinellen Geräten zur Durchführung thermischer Reaktionen unter gesteuerter Gasatmosphäre; Wärmebehandlung von Stählen und anderen Metallen; Beschichtung von Metallen, Metalllegierungen und Keramiken in Vakuumanlagen und Plasmavakuumanlagen; Oberflächenbehandlung von Metallen, Metalllegierungen und Keramiken; Härtung von Metallen und Legierungen im Vakuum; Oberflächenbehandlung von Metallen, Metalllegierungen und Keramiken durch Diffusion, insbesondere Nitrieren".
Widerspruch erhoben ist aus der am 1. Juli 1968 eingetragenen Wortmarke 846 676 SAGOX geschützt für Waren der Klasse 1, nämlich für
"Sauerstoff, Kohlensäure, Stickstoff und Argon für technische Zwecke; sämtliche Gase in reinem Zustand oder deren Gemische".
Die Markeninhaberin hat mit Schriftsatz vom 27. November 2003 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.
Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 3. Januar 2007 zurückgewiesen.
Die Markenstelle hat bereits Zweifel, ob die Widersprechende durch das von ihr vorgelegte Material eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht habe. Letztlich könne die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke dahingestellt bleiben, da zwischen den Marken mangels Warenähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die zugunsten der jüngeren Marke eingetragenen Waren der Klassen 7 und 11 würden von ihrer Beschaffenheit, regelmäßigen Herstellungsbetrieben, den Vertriebswegen und den Verkaufsund Angebotsstätten nicht demselben Markeninhaber zugeordnet, wie die zur Klasse 1 gehörenden Gase der Widerspruchsmarke. Selbst wenn die Geräte mit den Gasen der Widerspruchsmarke arbeiteten, sei eine solche Fehlzuordnung nicht zu befürchten. Dies gelte auch für das Verhältnis zwischen den Dienstleistungen der jüngeren Marke und den Widerspruchswaren.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt sie weiterhin die Auffassung, die Widerspruchsmarke werde rechtserhaltend benutzt und sei mit der angegriffenen Marke verwechselbar. Zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung hat sie im Beschwerdeverfahren umfangreiche Unterlagen eingereicht, u. a. eidesstattliche Versicherungen vom 16. Oktober 2008 und vom 6. Februar 2009 mit Umsatzzahlen von 1999 bis 2003 bzw. von 2005 bis 2007.
Die Marken hält die Widersprechende klanglich und schriftbildlich für verwechselbar. Da die Wärmebehandlung, Oberflächenbehandlung sowie Beschichtung von unterschiedlichen Materialien u. a. auch mit technischen Gasen oder Gasgemischen erfolge, werde der Verkehr von einem funktionellen Zusammenhang zwischen den Waren ausgehen.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke in vollem Umfang zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Nichtbenutzungseinrede weiterhin aufrecht. Eine ausreichende Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung für den rechtsrelevanten Zeitraum sei nicht erfolgt. Eine Verwechslungsgefahr scheitere an der fehlenden Markenähnlichkeit und der Unähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat folgt der Auffassung der Markenstelle, dass zwischen der prioritätsjüngeren Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Auf die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke kommt es daher nicht an.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine gewisse Wechselwirkung zwischen den maßgeblichen Faktoren (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) -PICASSO; BGH GRUR 2006, 859, 860 -Malteserkreuz), insbesondere der Zeichenähnlichkeit, der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der älteren Marke sowie der zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs gegenüber Warenkennzeichnungen. Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.
a) Warenähnlichkeit ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, z. B. Beschaffenheit, regelmäßige Herstellungsstätten und Vertriebswege, Verwendungszweck, Nutzung, wirtschaftliche Bedeutung, Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte, so enge Berührungspunkte vorliegen, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Meinung sein können, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken von -unterstellt -höchster Kennzeichnungskraft versehen sind (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH GRUR 1999, 731 -Canon II).
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat zwischen den zugunsten der Widerspruchsmarke in der Klasse 1 eingetragenen Waren "Gase" und den Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke der Klassen 7, 11 und 40, bei denen es sich um industrielle Anlagen und damit im Zusammenhang stehende Dienstleistungen handelt, nur eine entfernte Ähnlichkeit zu erkennen. Für die von den Waren und Dienstleistungen angesprochenen Fachkreise weisen die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen keine so engen Berührungspunkte auf, dass der Fachmann zu der Ansicht gelangen könnte, diese stammten aus einem Unternehmen. So bietet der Betreiber von Wärmeanlagen nicht gleichzeitig technische Gase zum Erwerb an. Berührungspunkte gibt es nur insoweit, als beim Betrieb der Anlagen technische Gase eingesetzt werden können.
b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält der Senat für durchschnittlich. Umstände, die für einen erhöhten Schutzumfang sprechen könnten -etwa der Marktanteil der mit der Marke versehenen Waren, die Intensität, geographische Ausdehnung und Dauer der Benutzung sowie der Werbeaufwand (vgl. BGH GRUR 2003, 1040, 1044 -Kinder) -hat die Widersprechende nicht spezifiziert dargelegt und glaubhaft gemacht. Die von der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegten Unterlagen sind nicht geeignet, eine intensive Benutzung der Widerspruchsmarke im Inland ausreichend glaubhaft zu machen.
c) Den in Anbetracht der nur entfernten Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit erforderlichen geringen Abstand hält die jüngere Marke aufgrund der Unterschiede im ersten und dritten Buchstaben ein. Schriftbildlich unterscheiden sich die Buchstaben "S" und "G" in jeder Schreibweise deutlich voneinander. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr auf die visuelle Wahrnehmung ankommt und dabei eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung stattfindet (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 143), zumal hier Fachkreise angesprochen sind.
Deshalb ist der klangliche Abstand ebenfalls ausreichend. Auch dabei ist zu berücksichtigen, dass die hier angesprochenen Fachkreise den Kennzeichnungen mit größerer Aufmerksamkeit begegnen als das breite Publikum (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 112). Die Fachkreise werden die klanglichen Abweichungen am Wortanfang ("GA" im Verhältnis zu "SA") -die erfahrungsgemäß eher auffallen als bei den übrigen Markenteilen (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 131) -und am Beginn der zweiten Silbe ("SOX" im Verhältnis zu "GOX") nicht überhören. Hinzu kommt, dass die Abweichungen bei kurzen Wörtern deutlich auffallen (Ströbele/ Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 135).
d) Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheitert bereits daran, dass die gemeinsame Buchstabenfolge im zweiten, vierten und fünften Buchstaben ("AOX") in beiden Marken nicht eigenständig hervortritt, sondern durch die unterschiedlichen ersten und dritten Buchstaben jeweils in ein neues Wort eingebunden ist.
Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass.
Dr. Albrecht Lehner Kruppa Fa
BPatG:
Beschluss v. 16.03.2009
Az: 27 W (pat) 6/08
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