Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 5. März 2012
Aktenzeichen: 1 U 8/11
(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 05.03.2012, Az.: 1 U 8/11)
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 11. März 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 11 O 429/10 - abgeändert.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Oktober 2010 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Verfügungsbeklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € bzw. ersatzweise - für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann - von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet wird,
-es ab sofort zu unterlassen, gegenüber Dritten sinngemäß oder wörtlich zu behaupten, der Verfügungskläger sei ein €Sozialbetrüger€; er beziehe zu Unrecht Sozialleistungen, obwohl er vollschichtig bei der Firma C€ GmbH tätig sei,-es ab sofort zu unterlassen, gegenüber Dritten Angaben jeder Art über die Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Verfügungsklägers zu machen, soweit die Angaben auf Kenntnissen beruhen, die er im Rahmen des Mandatsverhältnisses erlangt hat, und er nicht von der Schweigepflicht befreit ist, ihn keine Mitteilungspflichten treffen oder er keine berechtigten Interessen wahrnimmt,-es ab sofort zu unterlassen, gegenüber Dritten Angaben jeder Art über das Geschäftsverhalten des Verfügungsklägers zu machen, soweit die Angaben auf Kenntnissen beruhen, die er im Rahmen des Mandatsverhältnisses erlangt hat, und er nicht von der Schweigepflicht befreit ist, ihn keine Mitteilungspflichten treffen oder er keine berechtigte Interessen wahrnimmt.Die Kosten des Rechtsstreits hat der Verfügungsbeklagte zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I.
Der Verfügungskläger ist ein ehemaliger Mandant des Verfügungsbeklagten, den er im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen und auf Unterlassung der Weitergabe von Informationen über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie sein Geschäftsverhalten in den Jahren 1992 bis 2006 in Anspruch nimmt.
Der Verfügungsbeklagte betrieb im Auftrag der C€ GmbH [im Folgenden: C€ GmbH], dessen Geschäftsführer der Verfügungskläger zumindest zu diesem Zeitpunkt war, die Zwangsvollstreckung gegen die Firma B€ Waffentechnik. Im März 2007 vereinnahmte er von dieser insgesamt einen Betrag in Höhe von 4.518,60 €, wovon er lediglich 1.500,00 € an die C€ GmbH auskehrte. Den Restbetrag verrechnete er mit behaupteten Gebührenforderungen gegen den Verfügungskläger persönlich. Nachdem der Verfügungsbeklagte den Restbetrag auch auf eine rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht Fürstenwalde (Az. 26 C 194/07; LG Ff (O), Az. 15 S 24/08) hin nicht zahlte, erstattete die C€ GmbH Strafanzeige gegen den Verfügungsbeklagten. In dem daraufhin gegen den Verfügungsbeklagten eingeleiteten Strafverfahren (Az. 1 Ds 255 Js 37581/07 (714/08)) fand am 16. September 2010 ein Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Fürstenwalde statt.
Der Verfügungskläger hat behauptet, der Verfügungsbeklagte habe in der Sitzungspause dieses Termins gegenüber einem Pressevertreter im Beisein des Vorsitzenden des Schützenvereins F€, dem Zeugen B€ Z€, wahrheitswidrig erklärt, bei dem Verfügungskläger handele es sich um einen Sozialbetrüger, er sei Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, arbeite aber vollschichtig für die C€ GmbH. Der Verfügungskläger hat hierzu weiter vorgetragen, dass er dem Verfügungsbeklagten seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in seiner Funktion als Rechtsanwalt im Rahmen der Erteilung eines Mandats im Februar 2006 offen gelegt habe. Es sei zu befürchten, dass der Verfügungsbeklagte ohne Rücksicht auf seine Schweigepflicht weiterhin gegenüber Dritten Auskünfte über seine - des Verfügungsklägers - Vermögens- und Eigentumsverhältnisse gebe. So habe er diese bereits in dem von dem Verfügungsbeklagten vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) gegen die C€ GmbH geführten Berufungsverfahren mit dem Az. 15 S 24/08 in seinem Schriftsatz vom 23. September 2008 dargelegt, ohne dass dies durch den Rechtsstreit veranlasst gewesen wäre.
Der Verfügungsbeklagte hat behauptet, dass der Verfügungskläger so viele Tätigkeiten für die C€ GmbH verrichten würde, dass er keinesfalls nur mit dem von ihm - dem Verfügungskläger - behaupteten Umfang von monatlich 24 Stunden für die GmbH tätig sein könne. Im Übrigen habe er lediglich die Vermutung geäußert, dass der Verfügungskläger €voll arbeite, obwohl er Hartz-IV kassiere€. Dies vermute auch das Amt für Grundsicherung, wie aus einem Schreiben dieses Amtes an das Polizeipräsidium € vom 12. August 2009 hervorgehe.
Das Landgericht hat den Verfügungsbeklagten - wie beantragt - im Wege der einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 19. Oktober 2010 unter Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft für den Fall des Zuwiderhandelns, verpflichtet, es ab sofort zu unterlassen
1.gegenüber Dritten sinngemäß oder wörtlich zu behaupten, der Antragsteller sei ein €Sozialbetrüger€; er beziehe zu Unrecht Sozialleistungen, obwohl er vollschichtig bei der Firma C€ GmbH tätig sei,2.gegenüber Dritten Angaben jeder Art über Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers zu machen,3.gegenüber Dritten Angaben jeder Art über das Geschäftsverhalten des Antragstellers in den Jahren 1992 - 2006 zu machen,und auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, in der es Beweis erhoben hat durch Vernehmung der Zeugin L€ sowie des Zeugen Z€. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bestätigt habe, dass der Verfügungsbeklagte die vom Verfügungskläger behaupteten Äußerungen getätigt habe. Zudem habe es sich lediglich um ein Zwiegespräch des Verfügungsklägers mit dem Zeugen Z€ gehandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 193 ff. d. A.) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Verfügungsklägers, mit der er geltend macht, dass die erstinstanzliche Beweisaufnahme bestätigt habe, dass der Verfügungskläger sich in der behaupteten Weise gegenüber Dritten, nämlich jedenfalls gegenüber dem Zeugen Z€, geäußert habe. Dies hätten beide Zeugen inhaltlich bestätigt. Ergänzend beruft sich der Verfügungskläger in der Berufungsbegründung zur Glaubhaftmachung auf eine weitere Zeugin, von der er erst am 11. April 2011 erfahren habe, dass sie den Vorfall am 16. September 2010 ebenfalls wahrgenommen habe. Der Verfügungsbeklagte mache weiterhin von den ihm im Rahmen des Mandatsverhältnis übergebenen Unterlagen Gebrauch; so habe er im Rahmen des gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahrens in dem Fortsetzungstermin am 11. April 2011 erneut aus diesen Unterlagen zitiert und sie dem Gericht vorgelegt.
Der Verfügungs- und Berufungskläger beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Oktober 2010 unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. März 2011 (Az.: 11 O 429/10) aufrecht zu erhalten.
Der Verfügungs- und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
1.) Dem Verfügungskläger steht ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor aufgeführten Äußerungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. § 186 StGB zu.
Die vom Verfügungsbeklagten getätigte Äußerung, der Verfügungskläger sei ein €Sozialbetrüger€, er beziehe zu Unrecht Sozialleistungen, obwohl er vollschichtig bei der C€ GmbH tätig sei, verletzt den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt unter anderem vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken. Die in den Unterlassungsantrag aufgenommenen Äußerungen sind hierzu geeignet, da der Verfügungskläger mit ihnen einer Straftat bezichtigt wird. Die Äußerungen haben damit einen ehrverletzenden Charakter. Die Wiederholungsgefahr ist indiziert (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 70. Aufl., Einf. v. § 823 Rdnr. 20).
a) Zu Unrecht hat das Landgericht seinem Urteil die Feststellung zu Grunde gelegt, dass sich im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bestätigt habe, dass der Verfügungskläger die behaupteten Äußerungen getätigt hätte. Die vom Landgericht vorgenommene Würdigung der Bekundungen des Zeugen Z€ entspricht nicht deren Aussageinhalt. So liegt kein Widerspruch zwischen den protokollierten Aussagen der Zeugin L€ und denen des Zeugen Z€ vor. Auch der Zeuge Z€ hat bekundet, dass es bei dem Gespräch zwischen ihm und dem Verfügungsbeklagten darum gegangen sei, dass der Verfügungskläger Sozialleistungen empfange, obwohl er €voll€ arbeiten soll. Er habe daher aus den Äußerungen des Verfügungsbeklagten schließen müssen, dass der Verfügungskläger die Sozialleistungen rechtswidrig bezogen habe. Weiter hat der Zeuge ausgeführt, er sei aus dem Amtsgericht gegangen und habe dabei gedacht, dass der Verfügungskläger den Staat betrüge. Der Zeuge Z€, dessen Glaubwürdigkeit das Landgericht nicht in Zweifel gezogen hat, hat damit in Übereinstimmung mit der Zeugin L€ die von dem Verfügungskläger behaupteten Äußerungen des Verfügungsbeklagten bestätigt. Ein Widerspruch zwischen den beiden Zeugenaussagen ergibt sich auch nicht daraus, dass der Zeuge Z€ zunächst bekundet hat, dass das Wort €Sozialbetrüger€ wortwörtlich nicht gefallen sei, während dies nach den Bekundungen der Zeugin L€ so geschehen sein soll. Denn der Zeuge Z€ hat seine diesbezügliche Aussage im nächsten Satz dahingehend eingeschränkt, dass er sich daran jedenfalls nicht erinnern könne. Damit hat auch der Zeuge Z€ letztlich für möglich gehalten, dass eine solche Äußerung wörtlich gefallen ist. Der vom Landgericht der Beweiswürdigung zu Grunde gelegte Widerspruch zwischen den Zeugenaussagen besteht somit nicht.
Selbst wenn man die Bekundungen des Zeugen Z€ so interpretieren würde, dass der Verfügungsbeklagte nicht geäußert habe, der Verfügungskläger sei ein €Sozialbetrüger€, sondern lediglich gesagt habe, dass dieser Sozialleistungen beziehe, obwohl er €voll€ arbeite, ergibt sich hieraus sinngemäß die ehrverletzende Äußerung, deren Unterlassung der Verfügungskläger mit seiner Klage geltend macht. Denn durch die Art und Weise der Äußerung hat er auch bei dem Zeugen Z€ den Eindruck erweckt, der Bezug erfolge zu Unrecht. Eine andere Deutung seiner Aussage kommt nicht in Frage. Weder die Glaubwürdigkeit des Zeugen Z€, noch die Glaubhaftigkeit seiner Aussage ist vom Landgericht in Zweifel gezogen worden, sodass der Senat seine Feststellungen auf diese Aussage stützen kann, ohne ihn erneut zu vernehmen. Im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme sieht es der Senat daher als überwiegend wahrscheinlich und damit im Sinne der §§ 936, 920 Abs. 2 i. V. m. § 294 ZPO glaubhaft gemacht an, dass der Verfügungsbeklagte sich sinngemäß in der behaupteten ehrverletzenden Weise geäußert hat.
b) Rechtsfehlerhaft geht das Landgericht weiter davon aus, dass dem Unterlassungsanspruch entgegen stünde, dass es sich nach den Bekundungen des Zeugen Z€ ausschließlich um ein Gespräch zwischen ihm und dem Verfügungsbeklagten gehandelt habe. Zum einen hat auch der Zeuge Z€ bekundet, dass Dritte unmittelbar daneben standen, sodass es sich nicht habe vermeiden lassen, dass sie die Äußerungen des Verfügungsbeklagten mithören konnten. Die Äußerungen waren daher nicht nur von ihm wahrnehmbar, sondern unter anderem auch von einem daneben stehenden Pressevertreter der €zeitung. Zum anderen kommt es auch hierauf im Ergebnis nicht an. Auf den Schutz einer besonderen Vertrauenssphäre könnte sich der Verfügungsbeklagte nur dann berufen, wenn er die Äußerungen in einer besonders engen Lebensbeziehung getätigt hätte, in der ihm ein Schutz der Vertraulichkeit im Sinne einer beleidigungsfreien Sphäre zugestanden wird, und die Mitteilungen Ausdruck des besonderen Vertrauens gewesen wären und daher nicht mit ihrer Weitergabe an Dritte hätte gerechnet werden müssen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. Mai 2010, Az. 2 BvR 1413/09, zitiert nach juris, Rdnr. 20). Dass eine solche Beziehung zu dem Zeugen Z€ bestünde, hat der Verfügungsbeklagte selbst nicht geltend gemacht. Eine weitere, wie auch immer geartete Öffentlichkeit ist entgegen der vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung nicht erforderlich.
c) Der Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Zwar gilt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht unbeschränkt, sondern findet seine Grenzen in den Rechten anderer, darunter dem Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1856), wobei sich das Recht auf Meinungsfreiheit auf Wertungen ebenso wie auf Tatsachen erstreckt, die der Meinungsbildung dienen können (vgl. BVerfGE 90, 1 (14)). Die vom Verfügungsbeklagten getätigte Äußerung ist als Tatsachenbehauptung, deren Richtigkeit nicht erwiesen ist, jedoch nicht von dem Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt.
aa) Die Äußerung des Verfügungsbeklagten ist als Tatsachenbehauptung anzusehen. Während die Tatsachenbehauptung einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, wird das Werturteil im Gegensatz hierzu entscheidend durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt. Auch Äußerungen, die auf Werturteilen beruhen, können sich als Tatsachenbehauptungen erweisen, wenn und soweit sie bei den Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten als Wertung eingekleideten Vorgängen hervorrufen. Umgekehrt tritt der Tatsachengehalt einer Äußerung zurück, wenn er untrennbar im Kontext einer Wertung steht und sich im Tatsächlichen als nicht konkretisierte, pauschale und insgesamt substanzarme Aussage darstellt (zu diesen Kriterien statt vieler Senat, NJW 1996, 1002). Dabei ist die beanstandete Äußerung in ihrem Kontext zu betrachten und der vollständige Aussagegehalt im Gesamtzusammenhang zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1997, Az. VI ZR 102/96, zitiert nach juris Rdnr. 15).
Während bei einer isolierten Betrachtung der bloßen Bezeichnung als €Sozialbetrüger€ noch das wertende Element der Äußerung des Verfügungsbeklagten im Vordergrund steht, erlangt die Äußerung in Kombination mit der ergänzenden Mitteilung der Umstände, auf denen die Wertung beruht (Bezug von Sozialleistungen trotz voller Beschäftigung bei der Firma C€ GmbH), insgesamt den Charakter einer Tatsachenbehauptung. Mag es sich bei der Bezeichnung als €Sozialbetrüger€ noch um eine nicht konkretisierte, pauschale und substanzarme Aussage handeln, so stellen der Bezug von Sozialleistungen und der Umfang der Beschäftigung bei der C€ GmbH Umstände dar, die einem Beweis zugänglich sind.
bb) Ohne Erfolg macht der Verfügungsbeklagte weiter geltend, dass er lediglich eine Vermutung geäußert habe. Zum einen ergibt sich aus den Bekundungen beider Zeugen, dass es sich bei der Äußerung nicht um eine bloße Vermutung gehandelt hat, sondern dass den Äußerungen eine entsprechende Behauptung zu entnehmen war. So hat die Zeugin L€ bekundet, dass der Verfügungsbeklagte gesagt habe, dass es sich bei dem Verfügungskläger ohnehin um einen Sozialbetrüger handele, der Hartz IV bezöge, obwohl er vollschichtig arbeite. Und der Zeuge Z€ hat bekundet, dass er aus den entsprechenden sinngemäßen Äußerungen schließen musste, dass der Verfügungskläger die Sozialleistungen rechtswidrig bezogen hat. Zum anderen behält die Behauptung auch in €verdeckter Gestalt€ als Verdachtsäußerung, Vermutung oder Möglichkeit ihren Charakter als Tatsachenbehauptung, wenn - wie hier - der Äußernde das Mitgeteilte als wahr suggeriert und dem Zuhörer als Schlussfolgerung nahe legt (vgl. Senat, Urteil vom 12. Juni 2002, Az. 1 U 6/02, zitiert nach juris Rdnr. 29 m. w. N.).
cc) Die Richtigkeit seiner Äußerung hat der insoweit beweisbelastete Verfügungsbeklagte nicht glaubhaft gemacht. Seine Beweislast folgt aus der über § 823 Abs. 2 BGB in den zivilrechtlichen Ehrenschutz transformierten Beweisregel des § 186 StGB, wobei im einstweiligen Verfügungsverfahren gemäß § 294 ZPO die Glaubhaftmachung genügt (vgl. statt vieler Senat, Urteil vom 19. Februar 2007, Az. 1 U 17/06, zitiert nach juris Rdnr. 22). Der diesbezügliche Vortrag des Verfügungsbeklagten beschränkt sich darauf zu bestreiten, dass der Verfügungskläger derzeit als geringfügig Beschäftigter mit einer monatlichen Arbeitszeit von 24 h und einem monatlichen Einkommen von 180,00 € für die C€ GmbH tätig ist. Dies reicht jedoch für die Glaubhaftmachung seiner Behauptungen ebenso wenig aus wie die Darlegung diverser Tätigkeiten, die der Verfügungskläger angeblich für die C€ GmbH ausübt. Dieser Darlegung steht zudem der Vortrag des Verfügungsklägers zum Umfang seiner Tätigkeit entgegen, die dieser wiederum durch seine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht hat. Ferner hat der Verfügungsbeklagte nicht darzulegen vermocht, auf welcher Grundlage seine Kenntnis von den aktuellen Verhältnissen bei der C€ GmbH beruht, nachdem der Kontakt zwischen den Parteien vor mehreren Jahren abgebrochen ist. Auch der Umstand, dass das Amt für Grundsicherung einen entsprechenden Verdacht bejaht und das Polizeipräsidium € hierüber informiert hat, ist nicht geeignet, die Richtigkeit der Behauptungen des Verfügungsbeklagten glaubhaft zu machen, da der Verdacht des Amtes gerade auf den Angaben des Verfügungsbeklagten beruht.
Bei unwahren Tatsachenbehauptungen tritt die Meinungsfreiheit grundsätzlich hinter das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurück (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.02.2000, Az. 1 BvR 140/98, zitiert nach juris Rdnr. 16). An der Verbreitung unwahrer Behauptungen besteht kein schutzwürdiges Interesse (vgl. BVerfG, a. a. O., Rdnr. 20; BGH, Beschluss vom 15.11.1983, Az. VI ZR 251/82, zitiert nach juris Rdnr. 20; speziell zur Verbreitung eines unbewiesenen €Gerüchts€ Senat, Urteil vom 12. Juni 2002, Az. 1 U 6/02, zitiert nach juris Rdnr. 32 mit weiteren Nachweisen).). Nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen (nur) dann den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, wenn es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht und der Äußernde sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (BGH, Urt. v. 30.01.1996, Az. IV ZR 386/94, zitiert nach juris Rdnr. 31 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da es sich um eine rein private Auseinandersetzung handelt.
d) Selbst wenn man die Äußerung des Verfügungsbeklagten als Meinungsäußerung ansehen würde, würde hier ein Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers bestehen, weil sich in der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen sein Persönlichkeitsrecht gegenüber der Meinungsfreiheit des Verfügungsbeklagten durchsetzen würde.
Zwar ist zweifelhaft, ob hier bereits die Schwelle zur Schmähkritik überschritten ist, was in aller Regel per se zur Unzulässigkeit der Äußerung führen würde. Bei der Abwägung ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch die in der Öffentlichkeit geäußerte Unterstellung einer Straftat eine schwere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers vorliegt. Demgegenüber hat der Verfügungsbeklagte von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung in diesem Zusammenhang nur Gebrauch gemacht, um den Verfügungskläger gegenüber Dritten herabzusetzen. Er verfolgt mit der Äußerung keine berechtigten, öffentlichen Interessen, sondern lediglich seine Eigeninteressen im Zusammenhang mit seiner Privatfehde mit dem Verfügungskläger. In der Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter hätte daher - bei der Einstufung als Meinungsäußerung - hier das Recht des Verfügungsbeklagten auf freie Meinungsäußerung zurückzustehen, auch wenn grundsätzlich eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede streitet.
Aufgrund der indizierten Wiederholungsgefahr ist auch ein Verfügungsgrund gegeben.
2.) Dem Verfügungskläger steht gegen den Verfügungsbeklagten auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. § 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht zu.
a) Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass der Verfügungsbeklagte seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht (§ 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO) verletzt hat.
Diesbezüglich kann sich der Verfügungskläger zwar nicht mit Erfolg auf Angaben beziehen, die der Verfügungsbeklagte im Rahmen des gegen ihn gerichteten zivilrechtlichen Verfahrens sowie in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren gemacht hat. Denn die anwaltliche Schweigepflicht erstreckt sich nicht auf die Verteidigung oder Vertretung des Rechtsanwalts in eigener Sache (vgl. Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 43 a Rdnr. 32 f.). Der Verfügungsbeklagte durfte daher zu seiner Rechtsverteidigung in diesen Verfahren auch Dinge vortragen, die ihm im Rahmen des Mandats anvertraut worden sind. Er kann sich insoweit auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Hierzu kann insbesondere im Rahmen des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens auch Vorbringen gehören, das geeignet ist, die Glaubwürdigkeit des Verfügungsklägers als Belastungszeugen zu erschüttern bzw. die Glaubhaftigkeit seiner Aussage anhand solcher Angaben in Zweifel zu ziehen. Soweit es sich um unwahre Tatsachen handeln würde, greift gegebenenfalls der allgemeine Rechtsschutz gegen derartige Äußerungen.
Unstreitig hat der Verfügungsbeklagte jedoch - abgesehen von den Angaben im Rahmen der gerichtlichen Verfahren - auch gegenüber der Polizei im Rahmen einer Strafanzeige gegen den Verfügungskläger sowie gegenüber dem Amt für Grundsicherung und Beschäftigung des Landkreises € Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verfügungsklägers gemacht. Diese Angaben dienten weder der eigenen Rechtsverteidigung oder -verfolgung und geschahen daher nicht im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Der damit verbundene Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht war auch nicht durch den Verdacht einer Straftat gerechtfertigt. Nur bei der Kenntnis geplanter schwerer Straftaten der in § 138 StGB genannten Art geht die Anzeige- der Schweigepflicht vor (vgl. Kleine-Cosack, a. a. O., § 43 a Rdnr. 28). Diese Voraussetzungen sind ersichtlich nicht gegeben.
Der Verfügungskläger hat auch glaubhaft gemacht, dass der Verfügungsbeklagte die den Angaben zu Grunde liegenden Kenntnisse über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie sein Geschäftsverhalten im Rahmen eines ihm erteilten Mandats erlangt hat (§ 43 a Abs. 2 Satz 2 BRAO). Er hat hierzu vortragen lassen und diese Angaben an Eides statt versichert, dass er erstmals im Februar 2006 mit dem Verfügungsbeklagten näher über seine Vermögensverhältnisse gesprochen habe und mit diesem Vorbringen bereits das Mandat angebahnt worden sei. Diesem Vortrag ist der Verfügungsbeklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Sein Vortrag, wonach er €lange vor dem Februar 2006€ erfahren habe, dass der Verfügungskläger seit dem Verlust seines Vermögens im Januar 1994 von staatlichen Sozialleistungen lebe, ist zu pauschal gehalten, um die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben zu erschüttern. Hierzu hätte der Verfügungsbeklagte konkret vortragen müssen, wann er hiervon Kenntnis erlangt hat. Zudem ist der Verfügungsbeklagte aufgrund der sich aus dem Mandat ergebenden allgemeinen Treuepflicht auch dann zur Verschwiegenheit verpflichtet sein, wenn er vor einer Mandatserteilung Kenntnisse erlangt hat, die ein späteres Mandat betreffen (vgl. Kleine-Cosack, a. a. O., Rdnr. 10).
Soweit der Verfügungsbeklagte weiter geltend gemacht hat, dass der Verfügungskläger auch mit anderen Kunden über seine Vermögensverhältnisse gesprochen habe, macht dies die entsprechenden Angaben noch nicht zu offenkundigen Tatsachen im Sinne des § 43 a Abs. 2 Satz 3, 1. Alt. BRAO). Ebenso wenig konnte der Verfügungsbeklagte deshalb davon ausgehen, dass sie keiner Geheimhaltung bedurften (§ 43 a Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. BRAO).
Die Wiederholungsgefahr ist auch hier aufgrund der Verletzungshandlung und der nicht abgegebenen Unterlassungserklärung indiziert, woraus sich wiederum der Verfügungsgrund ergibt.
Die Schweigepflicht des Verfügungsbeklagten hat jedoch Grenzen, die in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Oktober 2010 unberücksichtigt geblieben sind. So ist sie auf Kenntnisse beschränkt, die der Verfügungsbeklagte im Rahmen des Mandatsverhältnisses erlangt hat, und sie steht einer Äußerung nicht entgegen, soweit Mitteilungspflichten des Verfügungsbeklagten bestehen, er von der Schweigepflicht befreit ist oder berechtigte Interessen wahrnimmt. Der Senat hat daher im Rahmen des ihm gemäß § 940 ZPO im einstweiligen Verfügungsverfahren eingeräumten Ermessens den Tenor der einstweiligen Verfügung insoweit inhaltlich eingeschränkt, ohne dass sich diese Beschränkung hinsichtlich der Kosten auswirken würde.
Die Androhung des Ordnungsgeldes bzw. der ersatzweisen Ordnungshaft beruht auf § 890 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Schriftsatz des Beklagten vom 23.02.2012 bietet keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Streitwert: 10.000,00 €
Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 05.03.2012
Az: 1 U 8/11
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