Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. August 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 284/00
(BPatG: Beschluss v. 06.08.2002, Az.: 27 W (pat) 284/00)
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Mai 2000 aufgehoben.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Bezeichnung DIG eBooksoll als Wortmarke für
"Computer, insbesondere tragbare Computer zum Präsentieren multimedialer Daten einschließlich Text-, Audio- und Videodaten; Datenträger und Speichermedien für Computer, blanko oder mit darin gespeicherten Computerprogrammen und/oder multimedialen Präsentationsdaten; Computerzubehör, nämlich Netzadapter, Adapter zum Anschluss an Datenübertragungsnetze; Teile von den vorgenannten Waren; Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Bücher und Broschüren; Spiele, insbesondere Computerspiele; Dienstleistungen des Übertragens von Daten für multimediale Präsentationen über Telekommunikationsnetzwerke, insbesondere Internet; Schulungsveranstaltungen; Dienstleistungen des Erstellens von multimedialen Präsentationen; Dienstleistungen des Erstellens von Computerprogrammen"
in das Register eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Das Zeichen werde gerade in seiner Gesamtheit von den auf dem vorliegenden Waren- und Dienstleistungssektor angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne von "digitales elektronisches Buch" verstanden werden. Denn "E-Book" habe sich in der deutschen Umgangssprache bereits eingebürgert, wobei dem Verkehr auch die hier gewählte englische Schreibweise "eBook" auf Grund der vergleichbaren schriftbildlichen Gestaltung ähnlicher Begriffe wie "E-Mail", "eMail" oder "e-Mail" bekannt sei. In Zusammenhang mit elektronischen Büchern sei auch immer wieder von digitalen Büchern und digitalem Wissen die Rede. Hierauf weise für den Verkehr erkennbar auch das vorangestellte Kürzel "DIG" hin, das allgemein eine fachliche Abkürzung für "digital" sei. Wegen dieses engen und eindeutigen fachlichen Zusammenhangs könne das Zeichen auch nicht als mehrdeutig angesehen werden. In bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen stelle das Anmeldezeichen daher eine rein beschreibende Angabe dar, die auch im Interesse von Mitbewerbern offenzuhalten sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er die Eintragung der Anmeldemarke weiterverfolgt und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr begehrt. Seiner Auffassung nach ist das Zeichen mehrdeutig. Die Buchstabenfolge "DIG" stehe nicht nur als Abkürzung für "digital" oder "digest", sondern könne auch als Herstellerbezeichnung angesehen werden. Mangels lexikalischen Nachweises einer Verwendung von "DIG" und "eBook" werde das Anmeldezeichen vom Verkehr nicht als üblicher sprachlicher Ausdruck für Angaben über die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufgenommen und verstanden. Der Struktur nach handele es sich daher um eine sprachunübliche Kombination zweier Bestandteile. Die Beschwerdegebühr sei zurückzuzahlen, weil die Markenstelle ihm kein rechtliches Gehör zu dem mit dem angefochtenen Beschluss übersandten Tatsachenmaterial gegeben habe und sich erstmalig im angefochtenen Beschluss mit den von ihm in seiner Eingabe zum Beanstandungsbescheid aufgeworfenen wesentlichen Fragen auseinandergesetzt habe, ohne ihm zuvor ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil es der Anmeldemarke in der konkret angemeldeten besonderen Ausgestaltung weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) mangelt noch ein Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) an ihr besteht.
Allerdings sind die beiden Bestandteile, aus denen das Anmeldezeichen zusammengesetzt ist, für sich genommen in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen schutzunfähig. Der Begriff "eBook" ist, wie bereits die Markenstelle unter Hinweis auf zahlreiche Belegstellen ausgeführt hat, zwischenzeitlich zur Bezeichnung sog. "elektronischer Bücher" allgemein üblich geworden, worunter entweder ein digital vorliegender Buchtext oder auch ein spezieller Computer zu verstehen ist, auf dem digitale Bücher gelesen werden (vgl Voss, Das große PC-Lexikon 2001/2002, S 357 ff). Die Buchstabenfolge "DIG" wiederum ist im allgemeinen eine übliche Abkürzung für "digital" (vgl DUDEN, Wörterbuch der Abkürzungen, 4. Aufl, S 96; BertelsmannLexikon der Abkürzungen, 1994, S 142; Schulze, Computerkürzel, 1998, S 106; Wennrich, Internationales Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme der Elektronik, Elektrotechnik, Computertechnik und Informationsverarbeitung, 1992, Band 1, S 271); soweit sie teilweise auch für "Design Implemenation Guide", "Digital Image Generated" und "Distinctness of Image Gloss" (vgl Wennrich, aaO) genannt wird, haben diese Bedeutungen im Gegensatz zu "digital" zu den hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen erkennbar keinen Bezug, so dass der Verkehr, sofern sie ihm überhaupt bekannt sind, keine Veranlassung hat, sich bei Wahrnehmung der Anmeldemarke an sie zu erinnern.
Trotz dieses - für sich genommen - rein beschreibenden Inhalts der beiden Einzelelemente "DIG" und "eBook" ist die Anmeldemarke allerdings vom Gesamteindruck her, auf den bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke allein abzustellen ist, wegen ihrer besonderen Gestaltung gerade noch geeignet, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Buchstabenfolge "DIG" anders als der in üblicher Kleinschreibweise mit großem Binnenbuchstaben gestaltete Bestandteil "eBook" ausschließlich in großen Buchstaben geschrieben ist. Bei einer solchen voneinander abweichenden Ausgestaltung beider Elemente wird der Verkehr aber von der Vorstellung weggeführt, dass es sich bei der "ungewöhnlich", dh zum anderen Bestandteil nicht passend geschriebenen Buchstabenfolge "DIG" um die ihm bekannte übliche Abkürzung für "digital" handeln kann. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass der Begriff "digitales elektronisches Buch" einen Pleonasmus darstellt, da sowohl "digitales Buch" als auch "elektronisches Buch" denselben technischen Sachverhalt bezeichnen. Vielmehr wird er auf Grund seiner Kenntnis der häufigen Bildung zahlreicher Firmenbezeichnungen durch Verbindung mehrerer großgeschriebener Einzelbuchstaben eher annehmen, durch die Buchstabenfolge "DIG" werde auf ein bestimmtes Unternehmen hingewiesen, als in ihr eine - zumal wegen des Pleonasmus ungewöhnliche - beschreibende Angabe sehen (vgl auch BGH GRUR 1999, 330, 331 - CT). In der angemeldeten konkreten Ausgestaltung kann dem Anmeldezeichen daher - anders als etwa der Bezeichnung "dig eBook" oder "dig. e-Book" - die Eignung als Unterscheidungsmittel der beanspruchten Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen und damit die nach § 8 Abs 1 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
Der Eintragung der Anmeldemarke steht auch kein aktuelles oder künftiges Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) entgegen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass Mitbewerber zur Bezeichnung "elektronischer Bücher" auf die Anmeldemarke in ihrer allein den Schutzgegenstand bildenden Gesamtheit angewiesen sind, wogegen schon der Pleonasmus der Kombination von "digital" und "elektronisch" spricht.
Da auch sonstige Eintragungshindernisse nicht ersichtlich sind, war der Beschluss der Markenstelle, mit dem der Anmeldemarke die Eintragung versagt worden war, aufzuheben.
Der Antrag auf Zurückzahlung der Beschwerdegebühr war zurückzuweisen, weil Billigkeitsgründe, die für eine solche Entscheidung sprechen können, nicht ersichtlich sind. Insbesondere litt das Verfahren vor dem Patentamt nicht an einem Verfahrensfehler. Entgegen der Auffassung des Anmelders wurde sein rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass sich die Markenstelle mit seinen Argumenten, die er auf den Beanstandungsbescheid vorgetragen hatte, in dem angefochtenen Beschluss auseinandersetzte, ohne ihm zuvor nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör dient allein dazu, dass sich ein Anmelder zu allen für die Entscheidung wesentlichen Fragen äußern konnte, nicht aber zur "Vorabklärung" der Entscheidung, welche die Markenstelle unter Berücksichtigung der Argumente eines Anmelders fällen wird. Die Markenstelle ist auch nicht gehalten, einem Anmelder vor der Entscheidung ihre Rechtsauffassung mitzuteilen und ihm (erneut) Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu einzuräumen, sofern sie ihre Entscheidung nicht auf völlig neue Gesichtspunkte stützt, zu denen sich der Anmelder bislang nicht hatte äußern können. Auf einen solchen neuen Gesichtspunkt hat die Markenstelle hier aber nicht ihre Entscheidung gestützt, weil sie den Umstand, dass sie die Anmeldemarke als glatt beschreibende Angabe und damit als nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig ansieht, dem Anmelder bereits im Beanstandungsbescheid mitgeteilt hatte.
Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Pü
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Beschluss v. 06.08.2002
Az: 27 W (pat) 284/00
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