Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 19. Juli 2011
Aktenzeichen: I-4 U 22/11
(OLG Hamm: Urteil v. 19.07.2011, Az.: I-4 U 22/11)
Tenor
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Be-rufung der Beklagten das am 16. Dezember 2010 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum mit der Maßgabe abgeändert, dass die Beklagte nicht zur Zahlung von 755,- EUR, sondern zur Zahlung von 651,80 EUR nebst der tenorierten Zinsen verurteilt bleibt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A.
Beide Parteien bieten auf der Internetplattform X u.a. Koaxialkabel an Endverbraucher zum Kauf an. Im März 2010 schloss sich die Beklagte an ein Angebot der Klägerin an. In der Zeit zwischen dem 08.03.2010 und dem 05.08.2010 war das angebotene Kabel bezeichnet mit "Koaxialkabel 120 db 100 m". Jedenfalls ab dem 23.08.2010 hatte die Klägerin das Angebot in der Bezeichnung des Kabels abgeändert in "SatConn SRT-120 Koax-Kabel Class A+, 120 db, 100m". Die Klägerin begehrt von der Beklagten Unterlassung des Werbens mit der Bezeichnung "SatConn", wenn es sich bei den beworbenen und gelieferten Produkten nicht um Kabel unter dieser Bezeichnung handelt, sowie Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung. Außerdem hat sie sich im Wege der negativen Feststellungsklage gegen diverse Unterlassungsansprüche, Erstattungsansprüche und Schadensersatzansprüche zur Wehr gesetzt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Klageanträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die Klägerin habe einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 3, 5, 8 UWG. Denn das Angebot der Klägerin, dem sich die Beklagte angeschlossen habe, habe ein bestimmtes Koaxialkabel betroffen, welches die Beklagte nicht geliefert habe. In der Lieferung eines vom Angebot abweichenden Produkts sei eine Irreführung des Verbrauchers zu sehen.
Die Behauptung der Beklagten, ihr Angebot habe sich zum Zeitpunkt ihres Anschlusses lediglich auf ein Koaxialkabel ohne Angabe eines bestimmten Herstellers bezogen, sei unzutreffend, weil unabhängig von der Bild- und Textdarstellung die Klägerin die EAN- und ASIN-Nummer in das Angebot eingestellt habe. Anhand dieser Nummern hätte die Beklagte bei ihrem Anschluss unstreitig exakt feststellen können, um welches Produkt es sich bei diesem Angebot handele.
Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin die Darstellung des Angebots abgeändert habe. Es bleibe einem Anbietenden stets alleine vorbehalten, ob und wie er sein Angebot gestalte oder umgestalte. Jedenfalls sei ein Anbieter nicht deshalb, weil Händler sich seinem Angebot anschlössen, daran gehindert, sein Angebot zu verändern.
Daraus folge, dass der Klägerin auch ein Auskunftsanspruch, ein Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zustünden.
Auch die negativen Feststellungsklagen der Klägerin seien begründet. Soweit es die Gegenabmahnung vom 15.09.2010 betreffe, sei diese unabhängig von der Frage, ob die gerügten Verstöße inhaltlich begründet seien, wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig.
Der mit der Abmahnung vom 24.09.2010 geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe der Beklagten nicht zu. Die Beklagte habe keinen Anspruch darauf, dass die Klägerin als Angebotseinstellerin ihr Angebot dauerhaft unverändert lasse.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.
Die Beklagte moniert zunächst, im Tatbestand des angefochtenen Urteils sei nicht deutlich gemacht worden, dass sie ausdrücklich bestritten habe, dass die Klägerin das gegenständliche Angebot mit der EAN- und ASIN- Nummer angelegt habe.
Als die Beklagte sich zu dem Angebot hinzugelistet habe, sei ihr die EAN-Nummer des Artikels unbekannt gewesen. Sie habe in der Maske bei X nach Koax-Kabeln gesucht und dabei das Angebot der Klägerin gefunden. Zu diesem Zeitpunkt sei gerade keine Marke in der Artikelbeschreibung vorhanden gewesen. Die Klägerin habe keinen Beweis angetreten für ihre Behauptung, dass sie das Angebot bereits mit der Marke eingestellt habe.
Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Marke nachträglich in das Angebot eingefügt habe, um die anderen Verkäufer von dem Angebot auszuschließen. Dies verwirkliche den Tatbestand der gezielten Mitbewerberbehinderung gemäß §§ 3, 4 Nr. 10 UWG.
Die von Seiten der Beklagten ausgesprochenen Abmahnungen seien auch nicht rechtsmissbräuchlich. Keineswegs habe die Klägerin durch die ausgesprochenen Abmahnungen zu einem Vergleichsabschluss gezwungen werden sollen, sondern es sei unter Einbeziehung der eigenen Wettbewerbsverstöße der Klägerin lediglich ein Vergleichsvorschlag gemacht worden, dass beide Parteien wechselseitig auf die Geltendmachung der jeweiligen Unterlassungsansprüche verzichten sollten. Aus der Formulierung in dem Schreiben vom 15.09.2010, dass dann, wenn das Angebot nicht angenommen werde, der Mandantin geraten werde, ihre eigenen Unterlassungsansprüche weiter zu verfolgen, damit der Klägerin kein Vorteil im Wettbewerb entstehe, ergebe sich deutlich, dass die Beklagte für den Fall, dass keine Einigung zustande komme, ihre Unterlassungsansprüche weiterverfolgen werde. Aus der Bereitschaft der Beklagten zu einer Einigung folge nicht, dass es der Partei nicht um die Wahrung eines lauteren Wettbewerbs gehe. Andernfalls wäre es nicht mehr möglich, überhaupt einen entsprechenden Vorschlag zur gütlichen Einigung zu machen.
Ein Rechtsmissbrauch ergebe sich auch nicht aus den verschiedenen E-Mails des Gesellschafters der Beklagten X2, auf die wegen des genauen Wortlauts verwiesen wird. Aufgrund des rechtsmissbräuchlichen Vorgehens der Klägerin, zunächst die Artikelbeschreibung abzuändern und ihre Marke einzufügen, sei ein Unmut des Gesellschafters durchaus nachvollziehbar.
Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise, und zwar hinsichtlich der Anträge zu II. a, b, c.aa, c.bb, c.dd, f und III. übereinstimmend für erledigt erklärt und insoweit wechselseitig Kostenantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt im Übrigen,
unter Abänderung des am 16.12.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt im Übrigen,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Hauptsacheverfahren umgekehrten Rubrums vor dem Landgericht Frankfurt, Az.: 3-08 O 140/10, sei nach mündlicher Verhandlung am 11.05.2011 ein klagestattgebendes Urteil ergangen. Hiergegen habe sie - die Klägerin dieses Rechtsstreits - Berufung eingelegt. In diesem Rechtsstreit habe die Beklagte aber nicht die mit der vorliegenden negativen Feststellungsklage geltend gemachten Anträge zu II. d) und e) anhängig gemacht. Insoweit erkläre sie die Einrede der Verjährung.
Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 5 Abs. 1, S. 2, Nr. 1 UWG, weil sich die Werbung der Beklagten für ihr Koaxialkabel als irreführend darstellt.
1.
Die Klägerin ist klagebefugt und aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Beide Parteien bieten im Internet auf der Handelsplattform www.X.de Satellitenanlagenzubehör an. Sie sind damit Mitbewerber auf demselben sachlichen und räumlichen Markt.
2.
Unlauter im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält.
a.
Eine solche Irreführung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sich aufgrund der Werbeaussage eine bestimmte Vorstellung machen, die nicht der Wirklichkeit entspricht und deshalb täuschen kann.
b.
Angesprochene Verkehrskreise sind sämtliche Verbraucher, die im Besitz eines Fernsehgerätes sind und sich dementsprechend für Satellitenzubehör interessieren könnten. Deren Vorstellung kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde oder jedenfalls der Lebenserfahrung selbst beurteilen.
c.
Objektiv stellte sich am 27.08.2010 das Angebot der Beklagten so dar, dass ein bestimmtes Koaxialkabel mit der Kennzeichnung "SatConn" verkauft werden sollte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte sich an ein vorhandenes Angebot der Klägerin angeschlossen hat. Dieses procedere ist auf der Handelsplattform X üblich.
Unstreitig zwischen den Parteien ist weiter, dass die Beklagte im Rahmen eines Testkaufs der Klägerin ein solches Kabel nicht geliefert hat. Vielmehr hat sie ein Koaxialkabel eines anderen Herstellers geliefert. In der Lieferung eines vom Angebot abweichenden Produktes ist stets eine Irreführung zu sehen. Das gilt insbesondere dann, wenn das angebotene Produkt üblicherweise höherpreisig verkauft wird und dementsprechend als ein Markenprodukt angesehen werden kann.
Damit lag am 27.08.2010 ein irreführendes Angebot der Beklagten vor.
Die Beklagte wendet dagegen ein, dass zu dem Zeitpunkt, als sie sich dem Angebot anschloss, sich dieses noch anders darstellte. Sie hat mit der Anlage B 1 (GA 123) nachgewiesen, dass jedenfalls in der Zeit zwischen dem 08.03.2010 und dem 05.08.2010 in dem Angebot lediglich die Bezeichnung "Koaxialkabel" und nicht die Bezeichnung SatConn SRT" erschien. Aufgrund der jedem erfahrenen X.de-Teilnehmer - wie dem Geschäftsführer der Beklagten X2 - bekannten Tatsache, dass die Angebote auf dieser Handelsplattform abgeändert werden können, muss ein Anbieter regelmäßig seine Angebote prüfen, um sich davor zu schützen, als Verfasser irreführender Angebote zu erscheinen. Es bleibt also dabei, dass objektiv - darauf kommt es allein an - ein irreführendes Angebot vorliegt.
3.
Die durch das irreführende Angebot hervorgerufene Fehlvorstellung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant. Dies ergibt sich daraus, dass Interessierte aus dem angesprochenen Verkehrskreis möglicherweise aufgrund der Vorstellung, ein in der Qualität höher anzusiedelndes Produkt vor sich zu haben, das von der Beklagten angebotene Produkt kaufen.
4.
Die Wiederholungsgefahr ist durch den Wettbewerbsverstoß indiziert.
5.
Die Beklagte meint weiter, dass die Klägerin rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB gehandelt hat, indem sie das hier in Rede stehende Angebot am 23.08.2010 durch die Einfügung der Bezeichnung "SatConn" und die Streichung des Begriffes "Koaxialkabel" abgeändert habe und nur wenige Tage später, am 27.08.2010, einen Testkauf durchgeführt und damit die Beklagte eines Wettbewerbsverstoßes überführt habe. Dieser Einwand greift nicht durch. Denn die Klägerin wiederum hat vorgetragen, dass sie die erste Anbieterin des hier in Rede stehenden Angebotes gewesen sei und gleich zu Beginn in ihrem Angebot die Bezeichnung "SatConn" aufgenommen habe. Wenn dies zutrifft, dann ist die Klägerin auch berechtigt, ihr Angebot auf ihr unliebsame Veränderungen zu überprüfen und es ihrerseits wieder in den Ursprungszustand zu versetzen. Das gilt hier umso mehr, als die Klägerin hier ihr Markenprodukt anbietet und dieses auch so bezeichnet wissen will. Hinzu kommt auch die erhebliche Tatsache, dass jedes Produkt, also auch das von der Klägerin angebotene SatConn-Kabel, mit einer EAN-Nummer versehen ist, die präzise und unverwechselbar das Produkt und den Hersteller bezeichnet.
Etwas anderes könnte dann gelten, wenn - wie die Beklagte behauptet - die Klägerin ihr eigenes Angebot ursprünglich gar nicht mit der am 27.08.2010 aktuellen EAN-Nummer angelegt hatte und das Produkt bis zum 05.08.2010 in ihrem Angebot auch nicht die Bezeichnung "SatConn" aufgenommen hatte. Dies hat die Klägerin aber bestritten. Vielmehr habe sie im Jahre 2008 unter einer festgelegten EAN- und ASIN- Nummer ihr Produkt bei X.de eingestellt.
Da die Beklagte hier den Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im Sinne von § 242 BGB erhebt, trägt sie die Beweislast für die diesen Einwand begründenden Umstände. Einen Beweis dafür, dass die Klägerin ursprünglich eine andere EAN-Nummer oder gar keine EAN-Nummer benutzt hat, hat die Beklagte nicht angeboten. Hinsichtlich der abweichenden Bezeichnung des Produktes der Klägerin hat die Beklagte mit der Anlage B 1 lediglich nachgewiesen, dass das klägerische Produkt in der Zeit zwischen dem 08.03.2010 und dem 05.08.2010 anders, und zwar mit der Bezeichnung "Koaxialkabel", bezeichnet wurde. Keinen Nachweis hat die Beklagte über die hier maßgebliche Zeit zwischen 2008 und dem 07.03.2010 erbracht.
II.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen ("unselbständigen") Anspruch auf Auskunftserteilung gemäß § 242 BGB.
Hierbei handelt es sich um einen unselbständigen Auskunftsanspruch, der der Vorbereitung und Durchsetzung eines Hauptanspruchs gegen den Auskunftspflichtigen hier des Schadensersatzanspruchs gemäß § 9 UWG - selbst dient. Dessen Rechtsgrundlage liegt in dem durch den Wettbewerbsverstoß begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis i.V.m. § 242 BGB (Köhler/Bornkamm UWG, 29. Aufl., § 9 Rn 4.5). Nach Treu und Glauben besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete sie unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag (Köhler/ Bornkamm a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1.
Insbesondere besteht ein Hauptanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 9 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG.
Wie unter I. dargestellt, hat die Beklagte gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG verstoßen. Ein derartiger Verstoß stellt auch eine unlautere geschäftliche Handlung i.S.d. § 3 UWG dar.
Es fehlt auch nicht an einem Verschulden der Beklagten hinsichtlich ihres Wettbewerbsverstoßes. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte, wenn sie sich an ein Angebot anschließt, regelmäßig kontrollieren muss, ob das Angebot noch korrekt wiedergegeben wird. Das ergibt sich schon daraus, dass - wie man als Anbieter bei X.de weiß - das Angebot jederzeit durch andere Anbieter desselben Produkts verändert werden kann. Dementsprechend hätte die Beklagte ihr Angebot nicht länger als drei Tage aus den Augen lassen dürfen. Die Beklagte hat das Angebot aber in der Zeit vom 23.08.bis 27.08.2010 nicht kontrolliert. Da der 23.08.2010 auf einen Montag und der 27.08.2010 auf einen Freitag fiel und es sich bei keinem der Tage dieses Zeitrahmens um einen Feiertag handelte, kann die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, dass arbeitsfreie Tage einer Kontrollpflicht entgegengestanden hätten. In dieser Zeit hätte die Beklagte sehen müssen, dass ihr Angebot sich geändert hat.
2.
Die von der Beklagten verlangte Auskunft ist weder unmöglich noch ist die entsprechende Informationsbeschaffung unzumutbar.
3.
Es ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin ohne die begehrte Auskunft die von ihr für die Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs erforderlichen Informationen beschaffen kann.
4.
Der Auskunftsantrag ist auch hinsichtlich des Umfangs berechtigt. Grundsätzlich erstreckt sich der Auskunftsanspruch nur auf Art, Zeitpunkt und Umfang des konkreten Verletzungsfalls, also der konkreten Verletzungshandlung einschließlich im Kern gleichartiger Handlungen und nicht auf alle möglichen weiteren oder auch nur ähnlichen Verletzungshandlungen (Köhler a.a.O. 4.11). Auf genau diese Gesichtspunkte ist der Antrag gerichtet.
III.
Gemäß den vorangegangenen Ausführungen hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Feststellung der grundsätzlichen Schadensersatzverpflichtung.
IV.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Dies ergibt sich aus den vorangegangenen Ausführungen. Bei einem Gegenstandswert von 10.000,-€ betragen diese 651,80 € netto. Da die Klägerin nach eigenem Vortrag vorsteuerabzugsberechtigt ist (vgl. Kostenfestsetzungsantrag v. 22.12.2010, GA 220), kann sie die auf diesen Betrag entfallende Mehrwertsteuer nicht ersetzt verlangen. Allein insoweit hat die Berufung Erfolg.
Der Zinsanspruch hinsichtlich dieses Zahlungsanspruchs ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
V.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch mit Blick auf die Vertragsannahmeklausel (Antrag II. c.cc), die sog. 40,- € - Klausel (Antrag II. d) und die Beanspruchung urheberrechtlichen Schutzes der Widerrufsbelehrung (Antrag II. e) hat.
Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Geltendmachung dieser Unterlassungsansprüche durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG erfolgt.
1.
Voraussetzung für einen Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist es, dass das beherrschende Motiv des Mitbewerbers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischer Beispielsfall eines sachfremden Motivs umschreibt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Damit wird die Art der unzulässigen Geltendmachung eines solchen Anspruchs näher charakterisiert, aber der Weg zu anderen Missbrauchsformen durch die Rechtsverfolgung offen gelassen. Das beschriebene Vorgehen selbst oder jedenfalls die Art des Vorgehens muss rechtsmissbräuchlich sein. Der Anspruchsberechtigte muss mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen verfolgen und diese müssen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Das ist beispielsweise auch der Fall, wenn der Anspruchsberechtigte zuvor vergeblich versucht hat, sich den Anspruch abkaufen zu lassen (vgl. Senat, GRUR-RR 2005, 141; Köhler/Bornkamm, a.a.O, § 8, Rn 4.10; Harte/Henning/ Bergmann, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn 316) oder wenn die Streitigkeiten zwischen den Parteien durch einen Vergleich erledigt werden sollen, ohne dass gerade auch das Abstellen der beanstandeten Verstöße gesichert wurde (Senat, Urt. v. 20.01.2011, Az. 4 U 175/10).
2.
Dies ist auch vorliegend der Fall. Ersichtlich ging es der Beklagten nicht um den lauteren Wettbewerb. Ihre Rechtsverfolgung diente allein dazu, die vorherige Abmahnung aus der Welt zu schaffen. Das wird bereits aus dem Wortlaut der E-Mails vom 09.09., 12.09 und 13.09.2010 (Anlagen K 6 und K 7, GA 39 und 40 f) sehr deutlich, in denen sie der Klägerin die Chance einräumt, ihre Abmahnung zurückzunehmen. Außerdem hat das Landgericht zu Recht dem anwaltlichen Schreiben der Beklagten vom 15.09.2010 entnommen, dass die Abmahnung vom gleichen Tag nicht ernst gemeint war, sondern dazu diente, eine Gegenposition aufzubauen, um anschließend eine außergerichtliche Einigung abzuschließen, wonach keine Seite die jeweils geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt.
Soweit die Beklagte meint, dass ein Vergleich stets einer gerichtlichen Auseinandersetzung vorzuziehen sei, und sich auf das Landgericht Frankfurt beruft, ist dies grundsätzlich zutreffend. Jedoch hätte ein Vergleich, der im Sinne des Zweckes des UWG - Schutz des lauteren Wettbewerbs - zu schließen gewesen wäre, zumindest vorsehen müssen, dass die jeweils wettbewerbswidrigen Praktiken der beiden Parteien Gegenstand einer Unterlassungserklärung würden, die unproblematisch hätten abgegeben werden können, wobei jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten hätte tragen können.
Dieser Beurteilung steht nicht die Formulierung der Beklagten in dem Schreiben vom 15.09.2010 "…, damit Ihrer Mandantin kein Vorteil im Wettbewerb entsteht." entgegen. Denn mit dieser Formulierung macht die Beklagte lediglich deutlich, dass sie dann auf eine Unterlassungserklärung seitens der Klägerin verzichtet, wenn dieser durch das wettbewerbswidrige Verhalten kein Vorteil gegenüber der Beklagten entsteht. Dies wäre nach der Logik der Beklagten dann der Fall, wenn die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte fallen lassen würde.
Dass die Bemühungen der Beklagten nicht lediglich von hehren Gedanken an eine gütliche Einigung geleitet waren, sondern auch den Zweck verfolgten, die Klägerin massiv unter Druck zu setzen, wird an den vorangegangenen E-Mails des Geschäftsführers der Beklagten vom 09.09., 12.09 und 13.09.2010 (Anlagen K 6 und K 7, GA 39 und 40 f) deutlich. Insoweit kann auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 13 / 14) verwiesen werden. Diese E-Mails sind auch nicht isoliert zu betrachten, um dann daraus einen Rechtsmissbrauch zu schließen. Dies bedenkt die Beklagte nicht, wenn sie die hinter den scharfen Formulierungen in den E-Mails des Geschäftsführers der Beklagten stehende Absicht relativieren will (GA 272). Vielmehr ergibt sich - anders als das Landgericht Frankfurt, Az.: 3-08 O 120/10 (Anlage B 7, GA 274 ff) meint - aus dem Zusammenspiel zwischen den E-Mails und dem anwaltlichen Schreiben vom 15.09.2010, dass die Beklagte vorrangig die Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin verhindern wollte. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Beklagte das Institut der Abmahnung zu wettbewerbswidrigen Zwecken instrumentalisieren wollte. Denn die Beklagte beabsichtigte durch ihre Verfahrensweise ebenso die Schädigung und Verdrängung der Klägerin aus dem Wettbewerb.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91a ZPO.
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, war gemäß § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits nach dem bisherigen Sach- und Streitstand und nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führte zur Auferlegung dieses Teils der Kosten auf die Beklagte. Denn die Beklagte wäre in dem Rechtsstreit, soweit er für erledigt erklärt worden ist, unterlegen. Der Klägerin standen zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung die Ansprüche auf Feststellung zu, dass die Beklagte gegen die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch mit Blick auf die "Blitzversandklausel" (Antrag II. a), die "Newsletterklausel" (Antrag II. c.bb), Rücktrittsklausel (Antrag II. c.aa), Klausel bezüglich der freibleibenden Angebote (Antrag zu II. c.bb) und die Gewährleistungsklausel (Antrag II. c.dd) sowie keinen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten und keinen Schadensersatzanspruch hat.
Auch insoweit gilt die Feststellung, dass die Geltendmachung dieser Unterlassungsansprüche durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG erfolgt (s.o. V.).
VII.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 19.07.2011
Az: I-4 U 22/11
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